Kulturwissenschaften und Europa

Kulturwissenschaften, Kulturaustausch, Europa


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Aufgrund der gegenwärtigen Verschiebung der gesellschaftlichen Strukturen (von einer Agrar- bzw. Industriegesellschaft zu einer Informationsgesellschaft bzw. Wissensgesellschaft), der Bedeutung der Kultur für die Warenproduktion, des wachsenden Sektors Kulturindustrie, der zunehmenden Rolle des Tourismus (der als ein gigantischer Kulturprozeß gestaltet werden könnte), könnte Kultur zu einem der entscheidenden Faktoren des 21. Jahrhunderts werden.(1)

Für die gesellschaftliche Bedeutung der Kultur wird aber auch eintscheidend sein, welche Rolle die Kunst spielen kann. Gerade von ihr ist zu erwarten, daß sie wesentlich zur Herausbildung einer humanen Zivilgesellschaft beiträgt. Ihre Produktionsformen sind "sui generis" oder anders formuliert: das Verfassen eines Gedichtes, seine Verbreitung und Rezeption entsprechen nicht der Herstellung, dem Verkauf bzw. den Nutzungsformen zum Beispiel eines Tonkruges.

Versucht man diese Transformationen auf der Basis sachlicher Argumentation zu vollziehen, versucht man gewaltsame Konflikte hintanzustellen, dann wäre zu überlegen, ob nicht die Kulturwissenschaften zu der Produktivkraft des 21. Jahrhunderts gemacht werden müßten.
Eine solche Perspektive müßte für europäische PolitikerInnen viel Reizvolles beinhalten, da sie - anstatt Krisenmanagement zu betreiben - die Vielfalt produktiv umsetzen könnten. Die Voraussetzung dafür ist daher, die Vielfalt nicht nur zu dulden, sondern sie als die Basis für gesellschaftliche Gestaltungen zu nutzen. Oder anders (negativ) ausgedrückt: Die Entfaltung der eigenen Kultur sollte nicht durch nationalistische Programme behindert werden. Die Beschränkung der Entwicklungsperspektiven auf Multi- und Interkulturalität ist daher nicht nur zu wenig, sondern birgt auch wesentliche Probleme in sich (bestenfalls kann eine derartige Handlungsform zu einem Ausgleich von Interessen auf instabiler Basis führen). Erst die Förderung der regionalen und transkulturellen Prozesse (insbesonders auch in Wechselwirkung und unter intensiverer Einbeziehung der Kulturwissenschaften) wird jenen Anforderungen gerecht, deren Rahmenbedingungen weltweit immer engere ökonomische, kommunikationstechnische, verkehrstechnische, politische, soziale, künstlerische, wissenschaftliche Verschränkungen sind.

Eine gegenstandsorientierte Kulturwissenschaft, die auf der Basis neuer Methodologien, mit neuen Kooperationsstrukturen die heutigen pluralen Prozesse begleitet, wird für die Bewahrung und die Entwicklung unverzichtbar sein.


Anmerkung:
(1) Vgl. beispielsweise das UNESCO-Dokument "Our Creative Diversity" (1995) S.77ff.



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