Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< Heilige vs. unheilige Schrift

Das In-Dividuum als Verwirklichung des Goldenen Zeitalters.
Eine Interpretation der Christenheit oder die Europa Novalis'

Giovanni Panno (Universität von Pisa-Tübingen)

 
ABSTRACT:

Die erfundene mittelalterliche Christenheit Novalis' projiziert die Bewegung der Geschichte jenseits des Rahmens des historischen schon Geschehens. Der Text des Frühromantikers gilt zwar als eine utopische Beschreibung des Mittelalters, findet jedoch seinen eigentlichen Grund auf der theoretischen Ebene des Wechsels Subjekt-Objekt. Der vorliegende Beitrag zielt auf das Verständnis dieser Umschreibung der von der ersten Wissenschaftslehre Fichtes abgeleiteten Kategorien vom Ich und Nicht-Ich, deren praktische Anwendung die Gestaltung der utopischen Zeit aufzeigt (Novalis, Schriften, Hg. P. Kluckhohn u. R. Samuel, Kohlhammer, Stuttgart 1960-1988, NS III, 451, 1).

Die Kristallisation und die Rolle des Neuen innerhalb der Geschichte entsprechen dem objektivierenden und dem nicht-objektivierenden Verhältnis des Ich gegenüber seinem Nicht-Ich. Die gegenseitige Identität entspringt aus der Anerkennung der Unselbständigkeit jedes Gliedes, das eben seine eigene Darstellung verlassen soll, um über und jenseits seines Selbst die Welt ausdenken zu können. Die Täuschung der absoluten Subjektivität soll Platz einer Wechselbeziehung zwischen Subjekten lassen, aufgründe derer der Tod des Subjekts als solches vorauszusetzen ist. Es handelt sich dabei um eine Abdankung im Sinne des Werkes F. Pessoas: Nach der De-subjektivierung der subjektiven Sicht, soll die produktive Einbildungskraft dabei helfen, die Vielfältigkeit der neuen Wechselbeziehung durch die Erschaffung einer Symbolik zu bewahren. Diese Bewegung innerhalb der theoretischen Studien Novalis ist derjenigen zwischen Neuem und Kristallisiertem innerhalb des Textes der Christenheit ähnlich, und zeigt das Moment der Entstehung einer neuen Ordnung als die Jetztzeit eines immer möglichen Goldenen Zeitalters.

Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

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