Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
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"Alijah"

Walter Rothschild (Berlin)

 

ABSTRACT:

Das Wort: Im Hebräischen wird "Al" für "Auf" oder "Empor" benutzt. So bedeutet der Name der israelischen Fluggesellschaft "El Al" soviel wie "hinauf" oder "vorwärts und aufwärts" Nach den Regeln der hebräischen Grammatik findet man dann andere verbundene Wortformen. "Alijah" heißt aufwärts- oder emporgehen. Ein "Oleh" ist jemand, der aufwärts geht, mit "Olah" als weiblicher Form; ein "Ma'alah" ist ein Treppenhang, ein "Ma'alit" ist im modernen Hebräisch der Aufzug. Gott ist "Eljon" - der Erhobene oder der Allerhöchste. Und zur Zeit des alten Tempels wurde ein Feueropfer, das dort als Ganzes verbrannt wurde, so daß der Rauch emporging, ebenfalls 'Olah' genannt.

In der jüdischen Tradition gibt es einen Begriff, ein Konzept, dem zufolge man immer 'aufwärts' geht, wenn es sich um Heiligkeit handelt. Der entsprechende Begriff für 'auf' wird innerhalb dieser Hierachie benutzt, von 'weniger heilig' bis 'sehr heilig'. Man geht also 'hinauf' ins Land Israel, auf nach Jerusalem, 'auf' zum Tempel, und der Priester ging sogar hinauf ins Heiligtum. Heute hat das Wort "Alijah" zwei Hauptbedeutungen - eine politische und eine rituelle.

Alijah als Immigration: Das Wort wird gebraucht, um die Einwanderung nach Israel zu bezeichnen. Dabei konnotiert und transportiert 'Alija' weitere Bedeutungen - "Alija machen" heißt idealistisch sein; man kommt nicht nur von irgendwo, sondern geht irgendwo hin, man hat einen Plan, einen Traum, ein Ziel, man möchte auch am Aufbau des Landes und der neuen Gesellschaft teilnehmen. Plötzlich ist man nicht mehr ein unerwünschter, gehaßter oder bedrohter Fremdkörper im eigenen Geburtsland, sondern ein erwünschtes, anerkanntes, willkommenes neues Mitglied der neuen Gesellschaft. Alijah ist also nicht nur eine Reise, sondern eine Ideologie. Wer Alijah nach Israel gemacht hat, ist dort kein 'Ausländer' sondern ein 'Bürger', ein 'Oleh Hadasch' - ein neuer Aufwanderer. Nach der Gründung des Staates Israel wurde 1950 das soganannte "Rückkehrgesetz" verabschiedet, 'Law of Return', nach dem alle Juden, mit Ausnahme derer, die eine Gefahr für die Gesellschaft darstellten, automatisch das Recht bekamen, Israel als Heimatland zu wählen und nach Israel einzuwandern. Innerhalb weniger Jahre ist aus vielen Ländern - teils wegen schwerer politischer und antisemitischer Verhältnisse - fast die gesamte jüdische Bevölkerung nach Israel ausgewandert.

Alijah als Ritual in der Synagoge - der Aufruf zur Torahlesung: Ein Hauptpunkt des synagogalen Gottesdienstes ist eine Lesung aus dem in Form einer Pergamentrolle vorliegenden 'Sefer Torah'. Es wird als eine Ehre angesehen, dieser Torahlesung beizuwohnen; früher war es eher üblich, daß jemand aufgerufen wurde, um dann ein Stück selber zu lesen. Wenn ein ausgebildete "Ba'al Koreh" ('Meister des Lesens') liest, sagt der aufgerufene Beter eine Beracha (Segenspruch) und dann wird 'für ihn' vorgelesen. Auch das wird eine "Alijah" genannt, weil man zum Lesepult hinaufsteigt bzw. den heiligen Schriften näherkommt. Der Aufgerufene bleibt auf den Podium, bis sein Nachfolger auch die Segenssprüche gesagt hat, dann kehrt er zurück in seinen Platz und die Alijah ist vorbei. Also - ein Wort, mehrere Bedeutungen.


Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9 - 11 december 2005

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