Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

<<< Der neoliberale Markt-Diskurs. Zur Kulturgeschichte ökonomischer Theorien im Alltagsdiskurs

 

Gestresste, aber glückliche Familienmanagerin
Zum Bild der berufstätigen Mutter in der Frauenzeitschrift „Woman“

Beatrix Beneder (Wien) [BIO]

Email: beatrix.beneder@chello.at

 


 

ABSTRACT:

Themenrelevanz und zentrale Forschungsfragen:

In den letzten Jahren gehören Vorschläge zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit, zur Stärkung der individuellen Work-Life-Balance(1) zu den politischen und medialen Dauerbrennern. Die Art und Weise wie diese Debatten geführten werden, halte ich für ein prägnantes Beispiel, wie die Verankerung neoliberalen Denkens im Alltagsdiskus stattfindet. Aus der politisch-emanzipatorischen Forderung der neuen Frauenbewegung ist längst doppelbelasteter Frauenalltag geworden. So wurde aus einer machtpolitischen Forderung für eine gerechte Verteilung von produktiver/reproduktiver Arbeit ( zwischen den Geschlechtern sowie zwischen Staat und Individuum) zu einer Managementfrage im Dienste der Kosten-Nutzen-Logik. Fragen nach Partizipation verdrängt eine Pragmatik, die sich an einem vertriebswirtschaftlichten Alltag ausrichtet. Das schlägt sich auch in der Wortwahl nieder, die aus der Hausfrau, die Familienmangerin(2) macht. Analog zur Arbeitsmarktpolitik dürfen diese Verschiebungen nicht als Rückzug, sondern als Umbau des Sozialstaates verstanden werden, in dessen Mittelpunkt ein in Handlungs- und Verantwortungsdiskurse eingebundenes Individuum steht. Frauen sind darin in doppelter Weise eingebunden, als Erwerbstätige und als Mütter und damit Trägerinnen demographischer Verantwortung (in der Diktion Foucaults der Biomacht). Mit der Erosion geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, die einhergeht mit dem Bedeutungsverlust des männlichen Ernährermodells wird die Aufteilung von Erwerbs- und Hausarbeit zwischen den Geschlechtern oft zum konfliktbeladenen Aushandlungsterrain.

Verstärkt setzen Staat und Unternehmen auf Work-Life-Konzepte, die persönliches Selbstmanagement und individuelle Reglements zwischen Arbeitgebern und Eltern favorisieren. Das gesellschaftspolitische Verständnis beschränkt sich auf die Bereitstellung ausreichender Kinderbetreuungsinfrastruktur und finanzieller Zuschüsse. Die grundlegende Polarität zwischen Lebens- und Arbeitswelt mit ihren unterschiedlichen Fähigkeits-, Zeit- und Verfügbarkeitsansprüchen bleibt unberührt. Neoliberal ist Work-Life-Balance, weil gesellschaftlich notwendige Arbeit an das Individuum delegiert wird, was im Begriffsmodus der Freiheit kommuniziert wird. Die Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie entscheiden zu können, endet in der Verantwortung diese Balance selbst organisieren, die Widersprüche individuell ausagieren zu müssen.

Darin besteht auch eine Erschließung des Reproduktionsbereichs als Dienstleistungssektor, die eine Form der Ökonomisierung des Sozialen darstellt. Ob Familien- und Haushaltsmanagement als Dienstleistung zugekauft oder selbst erbracht wird, wird zur individuellen Geld- und Organisationsfrage. Das quer durch alle Parteien propagierte Dogma der Wahlfreiheit zwischen Beruf und Mutterschaft offenbart sich unter diesen Umständen als neoliberale Propaganda.

Methodischer Rahmen

In seinem Spätwerk beschäftigte sich der Philosoph Michel Foucault mit der Frage staatlicher Regierungstechniken (Gouvernementalität), die er als Ergebnis einer gelungenen Verknüpfung von Selbst- und Fremdführung begriff. Insofern Work-Life-Balance auf eine Entgrenzung von Arbeit und Leben abzielt, halte ich dieses Begriffswerkzeug für sehr geeignet. Neoliberalismus nutzt Aktivierung und Freiheit als zentrale Appelle, welche die diskursive Figur des „Unternehmerischen Selbst“ hervorbringt. Die Ökonomie wird zur Hauptwissensform im Neoliberalismus und der Markt zur Ort der Wahrheit und Gerechtigkeit.

Anwendungsbereich

In meinem Beitrag konzentriere ich mich auf eine Darstellungsanalyse berufstätiger Mütter in der Zeitschrift „Woman“; gerade weil das Vereinbarkeitsthema hier viel Raum einnimmt und speziell eine berufstätige Leserinnenschaft angesprochen wird. Zumal viele JournalistInnen oft ArbeitskraftunternehmerInnen (Voß) sind und mit internalisierten Ansprüchen an das Thema Vereinbarkeit herangehen, tragen sie indirekt zur Affirmation neoliberaler Verhältnisse bei, was speziell bei den Kolumnentexten deutlich wird. Wie finden sich die Foucaultschen Begrifflichkeiten der Selbsttechnologien und des unternehmersichen Selbst in der Themenaufbereitung wieder? „Woman“ übersetzt die Widersprüche und Konflikte zwischen Berufs- und Familien in ein Vokabular der Freiheit, dessen Kernbotschaft lautet: Vereinbarkeit ist machbar. Streng dich an!


1 Die Gegensatzkonstruktion „Work – Life“ bestätigt die Kluft zwischen Arbeit und Leben zu deren Balance bzw. Aussöhnung diese Konzepte beitragen sollen.
2 So vergibt bereits zum zweiten Mal Vorwerk-Staubsauger den Preis „Familienmangerin des Jahres“.

 


Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007