Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

<<< Sprachen und kulturüberschreitende Vorstellungsbildungen

 

Kulturbedingte Modifikationen bei der Übersetzung künstlerischer Texte
Am Material der AAC-Parallelcorpora

Dmitrij Dobrovol’skij (Moskau, Russische Akademie der Wissenschaften)

Email: dobrovolskij@gmail.com

 


 

ABSTRACT:

Die Tatsache, dass bei der Übersetzung künstlerischer Texte bestimmte Informationsverluste immer mit in Kauf genommen werden müssen, ist längst bekannt. Dies ergibt sich nicht nur aus der Spezifik der jeweiligen Denotate bzw. aus den Besonderheiten der Kategorisierung, sondern aus der spezifischen Fokussierung bestimmter Merkmale bei der Konzeptbildung, die möglicherweise kulturbedingt ist. In jeder Sprache gibt es Lexikoneinheiten, die sich schwer in andere Sprachen übersetzen lassen. Das sind nicht nur Realienwörter im weitesten Sinne, sondern auch Wörter, die nichtuniverselle Konfigurationen semantischer Merkmale aufweisen. Dazu gehören viele Prädikate, insbesondere Ausdrücke, die sich auf die innere Welt des Menschen beziehen, d.h. mentale und emotionale Prädikate. Dies ist verständlich, weil die betreffenden Konzepte grundsätzlich nicht an objektiv nachweisbare Entitäten gebunden sind. Die Sprache hat in diesem Bereich sozusagen mehr Freiheit und ist an der Konzeptbildung viel stärker aktiv beteiligt als im Bereich der konkreten Lexik.

Aus der Perspektive der lexikalischen Semantik sind diese Fälle von besonderem Interesse. Aus der Sicht der Übersetzungswissenschaft ist die Frage nach der Strategie, die in derart komplizierten Fällen gewählt wird, von primärer Bedeutung. Als Indikator der Übersetzungsstrategie können unterschiedliche nichttriviale Textstellen dienen, die hier als sensitive points bezeichnet werden. Einen der wichtigsten sensitive points stellen bestimmte kulturspezifische Elemente (Eigennamen, Titel, Anredeformen u.ä.) dar.

In diesem Beitrag werden primär verschiedene Strategien bei der Übersetzung der Anredeformen analysiert. Die Analyse erfolgt anhand des russisch-deutschen parallelen Textcorpus, das im Rahmen des Projekts Austrian Academy Corpus (AAC) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erstellt wurde.(1)

Eine in dem analysierten Roman von Dostoevskij oft vorkommende Anredeform ist брат (wörtlich „Bruder“) in der Bedeutung ˜ ‘mein Lieber’ ≈ ‘lieber Freund’ u.Ä. Die unterschiedlichen Übersetzungsmöglichkeiten dieser veralteten bzw. sozial markierten russischen Anredeform ins Deutsche werden mit Hilfe des folgenden Beispiels veranschaulicht.


1 Es handelt sich um das parallele Corpus zu F.M. Dostoevskijs Roman „Der Idiot“. In seinem heutigen Zustand besteht das Corpus aus dem russischen Originaltext und drei deutschen Übersetzungen: von E.K. Rahsin (1910), H. Herboth (1986) und S. Geier (1996).


 

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