Ehrenschutz: Bundespräsident Dr. Heinz Fischer

KCTOS: Wissen, Kreativität und
Transformationen von Gesellschaften

Wien, 6. bis 9. Dezember 2007

<<< Inhalte und Formen unterschiedlicher Epochen der künstlerischen Moderne vom 18. ins 21. Jahrhundert


 

”Fast täglich fallen Mordtaten vor“ – Die Großstadt als Ort der Moderne bei Heinrich von Kleist und Heinrich Heine

Peter Horn [Bio] (University of the Witwatersrand, Johannesburg)

Email: peterhorn@telkomsa.net

 

 

ABSTRACT:

Als Heinrich von Kleist am 18. Juli 1801 seinen ersten Brief aus der Großstadt Paris in das provinzielle Dresden, dieses „liebe Örtchen” (K6,186) schickte, gab es in Deutschland keine einzige Großstadt von den Ausmaßen von London und Paris. Selbst Berlin, Hamburg und Frankfurt waren mittlere Städte. Zwar wurden bereits im Jahre 1818 (in der Umgebung von Neustadt-Eberswalde) Kinder von 5 bis 6 Jahren zu einem Viertel des normalen Arbeitslohns zu mechanischen Arbeiten in den Fabriken abgerichtet, und von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends ausgebeutet; man versuchte durch Niedrigstlöhne gegen England zu konkurrieren, was bei der Zurückgebliebenheit der deutschen Technologie eine unsinnige Hoffnung war (Bernd Engelmann 1976:181), denn Deutschland war in der Zeit zwischen dem Ende des 18. und der Mitte des 19.Jahrhunderts erst in der Anlaufperiode der Industrialisierung.

Es gab in Deutschland kaum eine Industrietechnologie. Es gab noch keine industriellen Großstädte, ebensowenig gab es in Deutschland die großen administrativen Zentren eines großen Nationalstaates und kolonialen Empire. Madame de Staël, die zur Zeit Kleists Deutschland bereiste, analysierte „den historisch-gesellschaftlichen Zusammenhang von deformierenden Bedingungen", unter denen sich „bürgerliches Leben in den deutschen Kleinstaaten verzögerte oder verspätete: sich privatistisch isolierte” und kommt zu dem Schluß: „Deutschland bildete und bildet keine Nation”; „somit hat es keinen geistigen Mittelpunkt, kein Zentrum der öffentlichen Meinung”; „somit besitzt es keine Hauptstadt”; „und da es keine Metropole gibt, fehlen alle Voraussetzungen für die Entstehung repräsentativer gesellschaftlicher Zonen, innerhalb deren wiederum ein kritisches Publikum sich hätte formieren können und öffentlicher Kommunikationsfluß: (bürgerliche) Öffentlichkeit schlechthin möglich gewesen wären. Somit bleibt stubenhockerische, häusliche Zurückgezogenheit ins Private, die Isoliertheit der Meinungen und Individuen” die Regel. „Die rigide Beachtung des Klassenstatus (Adel/Bourgeoisie)", wie das Übergewicht eines vom Adel dominierten Militärstandes” „kennzeichnen die soziale Situation, die wiederum das Bild des obrigkeitstreuen und -hörigen deutschen Bourgeois prägt, der seine reale gesellschaftliche Ohnmacht als durchaus tugendhafter Familienautokrat oder als der die Praxis öffentlicher Auseinandersetzung ‘überspringender’ Theoretiker privat kompensiert.”

 

 

 

 


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