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Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Elektronische Kooperation und die Arbeit am Lebensraum

Leitung der Sektion/Anmeldung von Referaten bei:
Email: Franz J. Nahrada (Wien)

ABSTRACT: Betrachten wir Kultur als den Versuch, instinktiv, emotional, rational, intuitiv und kontemplativ die Welt zu erkennen und zu gestalten, durch eine Sphäre gemeinsamer Riten, Mythen, Symbole, Urbilder, Theorien und Modelle hindurch ein Kontinuum unseres In-Der-Welt-Seins zu schaffen, dann ist das Verbindende der Kulturen im Begriff der Arbeit ausgedrückt.

Arbeit ist anhand vieler Merkmale beschrieben worden, als unfreie Tätigkeit genauso wie als die Einheit von ideeller Antizipation und praktischer Aufhebung der Differenz von Begriff und Realität; in unserem Kontext soll Arbeit als jene menschliche Tätigkeit gelten, die die eigene Verringerung zum Ziele hat, genauer gesagt die Verringerung des Reichs der Notwendigkeit und die Erweiterung des Reichs der Freiheit. Arbeit als Hervorbringung von Beständen, die verläßlich und verlaßbar unsere Existenz und unsere Tätigkeit zu tragen vermögen, ist Herzstück jeder Kultur.

Kultivieren heißt verläßlich und fruchtbringend machen, das gilt nicht nur in bezug auf die Natur, sondern auch auf die Produkte unseres eigenen Handelns. Die allgemeinste Kulturleistung ist die Sprache, in der wir uns mimetisch zu Ordnungsprinzipien der Welt verhalten gelernt haben, an deren Weiterentwicklung wir nichtsdestoweniger beständig arbeiten müssen. Die Sprache macht uns auch deutlich, daß Ordnungsprinzipien auch Barrieren sein können und daß Verfeinerungen oft hinderlicher sind als der Wechsel in eine andere Sprache.

Abstraktionsarbeit am Begriffsbestand des Handlungsbereichs ist zwar ersichtlich die allgemeinste und intensivste Form von Arbeit, doch muß sich diese Arbeit auch ständig der Barrieren versichern, die sie selbst dem Handeln setzt. Wir brauchen Kultur um handeln zu können, aber die Reflexion unserer Kultur in anderen Kulturen versichert uns auch der Handlungsmöglichkeiten, die wir selbst gerade zu verengen im Begriffe sind.

Alle diese Überlegungen werden überschattet von einem historisch einmaligen Phänomen. Die traditionellen Kulturträger - von Clan- und Stammesnetzen über sakrale und urbane Institutionen bis hin zum modernen Nationalstaat - werden enteignet vom exorbitant wuchernden Phänomen einer Wirtschaft, die sich vom Ausbeuten materieller Produktion zunehmend wegbewegt zum Verwerten privat angeeigneter kultureller Ordnungsprinzipien. Ins Leben gerufen vor fünfhundert Jahren durch den exorbitanten Ressourcenbedarf industrieller Kriegsführung ist die kapitalakkumulierende Wirtschaft dabei, gleich dem Muster der gefräßigen Gottesanbieterin alles der monetären Verwertung zuzuführen, was wirtschaftlichen Profit verspricht. Und was wäre profitabler als kulturelle Muster, der sich andere Menschen in ihren Tätigkeiten bedienen? Dazu muß freilich der nichtwirtschaftliche Gebrauch von Kultur tendenziell unterbunden werden: "Bill it or kill it!", tönt der moderne Schlachtruf gegen die "Kostenlos-Kultur".

Möglich geworden ist all das durch die moderne Informationstechnologie, die uns mit Lichtgeschwindigkeit das Kopieren und Vervielfältigen von komplexen Symbolbeständen fast ohne Kosten erlaubt. Dieses Massenkopieren ist aber im Bereich der materiellen Produktion Schlachtmittel einer Akkumulation gewesen, die darüber sämtlichen Reichtum der Welt effektiver an sich gezogen hat als durch direkte Plünderung. Die Kehrseite war die effektive Zerstörung fast aller Eigenarbeit und Eigenmacht auf diesem Planeten. Nun verspricht das Herstellen und Verpacken von Symbolwaren scheinbar die Fortsetzung dieser Akkumulation.

Aber die Lichtgeschwindigkeit des Kopierens und Vervielfältigens ohne Zerstörung der Originale erlaubt auch eine Verbindung der Kulturen im Sinne ihrer Annäherung im Begriff der Arbeit. Um eine solche elektronische Kooperation jenseits der Verwertung soll es in der Sektion gehen, eine Kooperation die sich der enorm gestiegenen Mittel und Wege zur Verbesserung der Eigenarbeit und Eigenmacht tatsächlich versichert:

"Eine solche Ausbreitungsdynamik könnte durch eine Vernetzung zwischen der Entstehung von Subsistenzformen und dem freien zur Verfügungstellen von aufgehäuftem Subsistenzwissen und entsprechenden Technologien entstehen. Denn dann bleiben Solidarität und Widerständigkeit keine abstrakten Begriffe. Wenn jedes 'globale Dorf' ein Experimentallabor für die Verbesserung des Wirkungsgrades von Eigenarbeit und damit letztlich für die Abkopplungsfähigkeit von der marktförmigen Reproduktion wird, dann ist aktive Entwicklungshilfe bei der Entstehung 'globaler Dörfer' ein Gebot der Stunde. Eine solche Allianz der 'globalen Dörfer' hätte also ein gemeinsames Projekt. Man kann sich das bildlich so vorstellen: buddhistische und katholische Klöster, israelische Kibbuzim, schottische und amerikanische ecovillages, gemeinschaftliche Wohnprojekte in Zürich und Wien, traditionelle Dörfer in Kamerun und Nepal und Griechenland, Bauhütten und experimentelle Projekte wie Arcosanti, New Alchemy, New Work, Akteursverbünde in Stadtvierteln, ländliche Gemeinden, Genossenschaften, Stadtteilprojekte usw. usf. erkennen, daß sie ein Problem haben - eine gemeinsame Wissensbasis der Nutzung und nachhaltigen Gestaltung lokaler Ressourcen zu erstellen, zu pflegen, zu erweitern. Sie würden sehr rasch draufkommen, daß es nicht mehr um die Ausbreitung einer bestimmten Ideologie oder Religion geht, sondern um die Herstellung eines Referenzrahmens für die Sammlung kultureller und materieller Technologien selbstbestimmten Lebens. Das wäre das größte Open Source Projekt der Geschichte - und als solches in der Lage, dem kapitalistischen Projekt der Entwicklung proprietärer Kontrolle der Produktivkräfte ein ebenbürtiges Projekt gegenüberzustellen." (Franz Nahrada, Globale Dörfer und freie Software).

Tagungsort der Sektion: Hotel Karolinenhof, Jedleseer Straße 75, A-1210 Wien

Unterbringung der TeilnehmerInnen: Hotel Karolinenhof, on site, spezielle Konferenzpreise auf Anfrage:
office@karolinenhof.at. Hotelinformation siehe: www.karolinenhof.at

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN