Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Exil und Literatur

Sarca Iona (Universität Klagenfurt)
Aphorismus und sprachliches Exil. Emil Cioran und die "Adoptivsprache"

In dieser Arbeit wird Emil Ciorans Schreiberfahrung und seine Auseinandersetzung mit der Fremdsprache analysiert. In diesem Kontext wird gezeigt, wie diese Erfahrung seine Einstellungen zur Sprache, Literatur und zum Stil beeinflusst hat und wie eine Fremdsprache gleichzeitig Befreiung und Einschränkung bedeuten kann. Ciorans Auseinandersetzung mit der Fremdsprache manifestiert sich in seinen französischen Büchern, in seinen Kommentaren über die Krise der Sprache, über eine Apokalyptik" [1] der Sprache.

Cioran hat ein ausgeprägtes Gefühl für Sprachrhythmik, inhaltliche Strukturierung und die Oszillation von Bedeutung und Wort. Seine Aphorismen verraten eine lange Formulierungsarbeit. Das hängt biographisch damit zusammen, dass das Französische für ihn wie für Becket oder Ionesco eine "Adoptivsprache" war. So kann sich Ciorans zweifache Auseinandersetzung mit der Sprache erklären: Einerseits ist da der innere Konflikt, den die Fremdsprache ausgelöst hat; auf der anderen Seite ist der Versuch, dem eigenen negativen und befremdlichen Denken, das den Sinn des Seins in Frage stellt, das Schreiben entgegen zu setzten.

Ciorans Werk ist ein typisches Beispiel der Exilliteratur. Wie für Nabokov, Becket oder Borghes - einige der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts - wird das sprachliche Exil durch den Verlust der Heimat und die Verbannung aus dem "Paradies der Innerlichkeit" gekennzeichnet. In den Jahren 1944/45 realisiert Cioran, dass eine Rückkehr in das kommunistische Rumänien nicht mehr in Frage kommt [2] und entscheidet sich französisch zu schreiben, aus der Muttersprache auszubrechen und sich somit von seiner eigenen Vergangenheit zu befreien. Zu der gewiss nicht leichten Entscheidung, die Muttersprache aufzugeben, spielen Ciorans Übersetzungsversuche eine große Rolle.

Das sprachliche Exil, das nach Georg Steiner [3] das bedeutsamste literarische Symptom des Zeitalters der Entwurzelung (das 20. Jh.) ist, wird von Cioran schwer ertragen: Er macht die brutale, von Aggressionen begleitete Erfahrung des Identitätsverlustes - ein reales Trennungstrauma. Die abrupte Loslösung von der rumänischen Sprache wird zwar als ein Akt der Befreiung von der eigenen Vergangenheit angesehen, aber das Französische empfindet Cioran als einengende "Juristensprache".

Ciorans Situation des aus der Sprache Verbannten lässt ihn das Artifizielle der Sprache besonders erleben, die Unfähigkeit der Worte genau jene Ausdruckskraft zu erreichen, die er seinem Text verleihen möchte. Das betrifft seiner Meinung nach nicht nur die französische Sprache, sondern ist ein allgemeines menschliches Problem.

"Die Misere des Ausdrucks" zeigt sich in der Dürftigkeit der Worte, in ihrer "Erschöpfung" und "Verwitterung". Eine "Apokalyptik" der Sprache annonciert der Autor mit letalen Metaphern: "das Wortkadaver", "ein seziertes Wort", das "Dahinwelken" der Wörter.

Die Wahl des Aphorismus als literarische Form spielt im Kontext der cioranischen Ästhetik eine besondere Rolle. Das Schreiben hat für Cioran autotherapeutische Funktion. Diese Funktion des Schreibens wird nicht nur durch den Aphorismus: ("Ein Buch ist ein aufgeschobener Selbstmord" [4] ); sondern auch durch "außerliterarische Selbstkommentare"("Formulieren ist Heilung", "Der Ausdruck als Medikament" [5] ) gestützt.

 

[1] Marian Victor Buciu: Despartirea continua a autorului cel rau. Eseu despre onto - retorica Textului cioranian, Editura SITECH - Craiova - 1996, S. 87. In der Folge zitiert als: Marian Victor Buciu

[2] Ciorans Bruder Aurel wurde im kommunistischen Rumänien wegen seiner Mitgliedschaft bei der Legionärsbewegung sieben Jahre lang inhaftiert.

[3] Georg Steiner: Exterritorial, zitiert nach: Fernando Savater, S. 173

[4] Cioran, Vom Nachteil, geboren zu werden, S.82.

[5] Werner Helmich, Der moderne französische Aphorismus: Innovation und Gattungsreflexion, Tübingen: Niemeyer, 1991, S.310. In der Folge zitiert als Werner Helmich.

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