DEUTSCH |  ENGLISH |  FRANÇAIS |

Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Transkulturelle Kompetenz in der Umwelt- und Entwicklungskommunikation

Leitung der Sektion/Anmeldung von Referaten bei:
Email: Ernest W.B. Hess-Lüttich (Bern)

ABSTRACT: Die Sektion soll ein Forum bieten für Diskussionen zu neuern Fragestellungen in einem aktuelen Teilbereich eines noch jungen transdisziplinären Forschungssektors der Kultursemiotik, die die sprachlichen Wechselbeziehungen zwischen den Menschen und ihrer Umwelt untersucht. Sie bildet damit zugleich eine begriffliche, methodische und disziplinsystematische Grundlage für die Beobactung interkultureller kommunikativer Prozesse im Umwelt- und Entwicklungsbereich (Fill 1993; Nöth 1996; Lang 1998; Trampe 2000).

In einer Welt der internationalisierten Kommunikation mit immer engeren (technischen, wirtschaftlichen, kulturellen) Verflechtungen und zugleich teilweise dramatischen Veränderungen der Lebensbedingungen (mit sinkenden Primärressourcen, steigender Erderwärmung, wachsendem Ozonloch) bei zugleich immer schärfer werdender Kritik einer noch heterogenen Pluralität von Interessengruppen an der Globalisierung ist die ökologische (Krisen-)Kommunikation eine Herausforderung für alle beteiligten Gruppen und Disziplinen - seien es Naturwissenschaftler, Ingenieure und Mediziner, die technische Lösungen oder Public-Health-Konzepte entwickeln, Sachverständige von Organisationen wie Greenpeace oder Amnesty International, die sich für ihre professionellen Aufklärungskampagnen der Medien bedienen, seien es Mitarbeiter von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit, die vor Ort Verhaltensänderungen durch Gespräche von Angesicht zu Angesicht einzuleiten helfen wollen.

Wenn es beispielsweise um Probleme im Gefolge der zunehmenden globalen Verknappung der Primärressource Wasser geht und damit einhergehenden Fragen der Gesundheit, sind technische Lösungen allein zum Scheitern verurteilt, wenn sie nicht eingebettet sind in die Reflexion kultureller und kommunikativer Dimensionen dieser Probleme (divergierende ethnische Traditionen, sittliche Normen und Richtwerte, tradiertes Ressourcenbewußtsein, magische Rituale). Mißlingende Kommunikation im Hinblick auf Primärressourcen oder Umweltveränderungen führt, wie die Medien täglich vor Augen führen, schnell vom lokalem Konflikt zu Krise und Katastrophe (Genske & Hess-Lüttich 1999; zu u.a. auch geopolitischen und historischen Implikationen cf. die ZDF-Serie "Wasser", erstmals gesendet v. 16.7.-6.8.1998).

In all diesen (hier exemplarisch herausgegriffenen) Konstellationen interkultureller Kommunikation ist die Gefahr von Mißverständnissen erheblich, da Sprachunterschiede und Kulturkontraste, regionale Divergenzen im Gebrauch von Sprache, Zeichen und Ritualen die Verständigung erschweren. Transkulturelle Kompetenz ist hier in hochspezifischer Weise gefordert, zu deren theoretischen Reflexion, empirischen Beobachtung und fruchtbaren Anwendung oder Vermittlung die Angewandte Linguistik neue Impulse zu geben vermag.

Die Pluralität der Konstellationen und damit die Komplexität des Themas läßt sich reduzieren, wenn die Perspektiven sich im Rahmen der vorgeschlagenen Diskussion auf zwei zentrale Aspekte richten: auf die Umweltkommunikation in interkulturell-institutioneller Hinsicht (Medien) und auf die Entwicklungskommunikation in interkulturell-interpersoneller Hinsicht (Dialog). In der ersten Hinsicht erheben sich etwa Fragen nach den Codes transkultureller Medienkampagnen von Unternehmen und Organisationen der sogenannten Ersten Welt (high income countries) mit dem Ziel der Aufklärung über ökologische Probleme (cf. Anderson 1997; Harré et al. 1999; Rolke et al. 1994); in der zweiten Hinsicht geht es z.B. um die Codes interkultureller Instruktion mit dem Ziel der Veränderung individueller Verhaltensroutinen in ökologisch kritischen Regionen der sogenannten Dritten Welt (low income countries).

Die Vermittlung fachlich-technischer Sachverhalte bzw. Problemlösungen in Entwicklungsländern (Wasserkrisen, Ernährung, Seuchen), Krisenkommunikation in interkulturellen Konfliktsituationen (Religionskonflikte, Ressourcenmangel), Medienkommunikation über Umweltfragen (Greenpeace-Kampagnen, Klimakontroversen, Kyoto-Boykott), Gesundheitskommunikation in Ländern der Dritten Welt (AIDS, Beschneidung afrikanischer Frauen) stellen im Zeichen der Globalisierung neue Aufgaben und Herausforderungen dar für eine Angewandte Diskursforschung, die sich im Schnittfeld linguistischer, medienwissenschaftlicher, sozial-, geo- und umweltwissenschaftlicher Fragestellungen transdisziplinären Perspektiven öffnet.

Literaturhinweise

Anderson, Alison 1997: Media, Culture and the Environment, New Brunswick/NJ: Rutgers University Press; London: UCL Press
Brand, Karl-Werner, Klaus Eder & Angelika Poferl 1997: Ökologische Kommunikation in Deutschland, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Dernbach, Beatrice 1998: Public Relations für Abfall. Ökologie als Thema öffentlicher Kommunikation, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Fill, Alwin 1993: Ökolinguistik. Eine Einführung, Tübingen: Narr
Fill, Alwin 1998: "Ecolinguistics - State of the Art 1998", in: Arbeiten aus Anglistik und Amerikanistik 23.1: 3-16
Genske, Dieter D. & Ernest W.B. Hess-Lüttich 1999: "Water Talk. Intercultural development communication", in: Medienwissenschaft Schweiz 2/1999: 59-69
Haarmann, Harald 1997: "Ökolinguistik", in: Hans Goebl, Peter H. Nelde et al. (eds.), Kontaktlinguistik / Contact Linguistics / Linguistique de contact, vol. 1 (= HSK 12.1), Berlin / New York: de Gruyter, 842-852
Harré, Rom, Jens Brockmeier & Peter Mühlhäusler 1999: Greenspeak. A Study of Environmental Discourse, Thousand Oaks / London / New Delhi: Sage
Hauser, Susanne (ed.) 1996: Natur, Umwelt, Zeichen [= Zeitschrift für Semiotik 18.1], Tübingen: Stauffenburg
Hess-Lüttich, Ernest W.B. & Brigitte Schlieben-Lange (eds.) 1998: Signs & Time Zeit & Zeichen, Tübingen: Narr
Hess-Lüttich, Ernest W.B. (ed.) 2001: Medien, Texte und Maschinen. Angewandte Mediensemiotik, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Jazbinsek, Dietmar (ed.) 2000: Gesundheitskommunikation, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Lang, Alfred 1998: "Das Semeion als Baustein und Bindekraft. Zeit aus semiosischen Strukturen und Prozessen", in: Hess-Lüttich & Schlieben-Lange (eds.) 1998: 73-116
Luhmann, Niklas 31990: Ökologische Kommunikation, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Nöth, Winfried 1996: "Ökosemiotik", in: Hauser (ed.) 1996: 7-18
Nöth, Winfried 2001: "Ecosemiotics and the semiotics of nature", in: Sign Systems Studies 29.1: 71-81
Rolke, Lothar, Bernd Rosema & Horst Avenarius (eds.) 1994: Unternehmen in der ökologischen Diskussion. Umweltkommunikation auf dem Prüfstand, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag
Trampe, Wilhelm 1990: Ökologische Linguistik. Grundlagen einer ökologischen Wissenschafts- und Sprachtheorie, Opladen: Westdeutscher Verlag
Trampe, Wilhelm 2000: "Von der Ökologie der Sprache zu einer Ökologie der Zeichen", in: Bernhard Kettemann & Hermine Penz (eds.) 2000: ECOnstructing Language, Nature, and Society, Tübingen: Stauffenburg, 85-104
Zierhofer, Wolfgang 1998: Umweltforschung und Öffentlichkeit. Das Waldsterben und die kommunikativen Leistungen von Wissenschaft und Massenmedien, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN