Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Sprachenvielfalt, kultureller und literarischer Kontakt im Europa des Mittelalters - abschreckendes Beispiel oder Vorbild für die Gegenwart?

Oliver Plessow (Münster):
Kulturübergreifender Normentransfer in der Gesellschaftsdidaxe des Hochmittelalters

Ständelehren und Tugendspiegel des Mittelalters stellten Normanforderungen, die universelle Gültigkeit beanspruchten, obwohl sie - wenngleich dies auch selten reflektiert wurde - stark von ihrem konkreten soziokulturellen Entstehungsumfeld geprägt waren. Eine Reihe wirkungsmächtiger Texte schaffte am Ausgang des Hochmittelalters den Sprung von der lateinischen Verkehrssprache in die unterschiedlichen Volkssprachen und bewahrte dabei trotz gewisser kultureller Adaptationsleistungen an die 'nehmende' Kultur einen an der 'gebenden' Kultur geformten Gesellschaftsentwurf. Wie durch die Verwendung spezifischer literarischer Darbietungsformen im Prozess des Normentransfers Stabilität erreicht werden konnte, lässt sich an einem paradigmatischen Beispiel, dem an der ausdifferenzierten Stadtgesellschaft Oberitaliens orientierten, jedoch in zahlreiche mittelalterliche Volkssprachen übersetzten und europaweit rezipierten Traktat 'De moribus hominum' des Jacobus de Cessolis zeigen.

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN