Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Theater der Regionen
oder der Spagat zwischen Provinzialität und Interkulturalität

Gerda Medek (Arge - Randkunst, Wien)
Das "soziale Theater"

Der lang prognostizierte, wirtschaftliche Aufschwung wird von einer breiten Spur menschlichen Pessimismus begleitet. Von der Politik mit Unbehagen als "Störung" beklagt, soll sie durch die Suggestion "positiv Denken" kuriert werden.

Diese "Störung" manifestiert sich vor allem in der großen Gruppe von älteren, kranken, oder schlecht ausgebildeten Menschen und /oder AsylantInnen - in sogenannten Randgruppen - welche am Arbeitsmarkt nicht oder begrenzt einsetzbar und damit von vielen gesellschaftlichen Annehmlichkeiten ausgeschlossen sind.

Um nicht der Resignation von immer größer werdenden Gesellschaftsgruppen Raum zu geben, findet hier das Theater, als besonders geeignetes Medium zur Thematisierung von gesellschaftlichen Problemen, ein breites Betätigungsfeld in der Vernetzung mit den sozialen Institutionen. Effizienter, als durch die "neuen Medien", weil persönlicher, gelingt es Ausgrenzungstendenzen zu hintertreiben, Störungen innerhalb von Randgruppen kreativ zu thematisieren und um Verständnis - ohne welches sozialer Friede nicht möglich sein kann - zu werben.

Im drei Jahre dauernden Theater- Projekt des "Würfel", einer Wiener Initiative für Langzeitarbeitslose und Randgruppen, war dies in der sozialen Praxis zu beweisen. Die ARGE Randkunst wurde zum Zweck geboren, ihren Mitgliedern die Teilnahme und Mitgestaltung an künstlerischen Projekten zu ermöglichen, um ihnen Hilfestellung bei der Rückführung in den Primärarbeitsmarkt und/oder zur gesellschaftlichen (Re)Integration anzubieten.

Ziel war es, persönlich bedingte Illusionen der involvierten Randgruppe zu vermindern und den Prozess von der Pseudo- Sozialisierung zu echter Verantwortung zu fördern. Neben der Vernetzung dieser Gruppe mit Theaterschaffenden wurde die Methode der Themenzentrierten Interaktion als ganzheitlicher Ansatz im Vermittlungsprozess angewandt.

Was im Experimentalismus der fünfziger und sechziger Jahre in der von Ruth. C. Cohn initiierten Methode der themenzentrierten Interaktion (TZI) postuliert wird, nämlich: "Störungen haben Vorrang" und müssen ihren Ausdruck finden, ehe an sachbezogenes Arbeiten am Ich- Wir- oder Sachprozess gegangen werden kann, hat sich in der Gruppenarbeit bewährt. Lebendige Kommunikation zu fördern und Rivalitäten zugunsten von Kooperation zu vermindern, verhilft dazu, sich selbst und andere so zu leiten, dass wachstumsfreundliche und heilende, statt gefährdete Tendenzen im Menschen angeregt werden, alles Auswirkungen, welche zur interkulturellen Versöhnung, zur Integration und zum Verständnis "des/r Anderen" beitragen können.

TZI als hilfreiches Interaktionsmodell eingesetzt, das die Person (Ich), die Gruppe (Wir) und die Aufgabe, das Thema (Es) als gleichwertig behandelte und das Umfeld - im engsten und im weitesten Sinn (das Publikum, "the globe") - stets mitberücksichtigte begünstige eine neue Authentizität des Miteinander und fördert die Autonomie des Menschen, die umso größer ist, je bewusster er seine soziale und universelle Interdependenz anerkennt und aktiviert.

Sozialen Frieden und Toleranz in der Gesellschaft wachsen mit dem Verständnis des/der Anderen. Für Theaterschaffende bietet sich hier, neben ihren Kernaufgaben, die Arbeit an gesellschaftlichen Störfeldern an, welche dem Zusammenwachsen der Gesellschaft entgegen wirken und dem sozialen Frieden nicht förderlich sind.

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN