Das Verbindende der Kulturen

SEKTION:

Kunst und Neue Medien

Christiane Heibach (Erfurt, Deutschland)
Sprachkunst als Gegenstand einer interkulturellen Literaturwissenschaft

Der Literaturbegriff hat sich zweifellos in Koevolution mit insbesondere einem Medium und einem Code formiert: dem gedruckten Buch und der Standardsprache. Demgemäß hat sich auch die Literaturwissenschaft in ihrer Theorienbildung an diesem Medium und diesem Code, der durch das Medium in spezifischer Weise strukturiert wird, orientiert. Obwohl die ästhetische Sprache, also die transmediale Sprachkunst, eigentlich ihr genuiner Gegenstand ist, hat die kulturelle Prämierung des Buches dazu geführt, dass nur solche Phänomene Gegenstand der Literaturwissenschaft werden konnten, die in schriftlich fixierter Form vorliegen. Zwar werden auch Phänomene, die mit und für andere Medien geschaffen wurden - wie z.B. das Hörspiel - berücksichtigt, aber Theater z.B. steht im Zentrum einer eigenen Wissenschaft, der Theaterwissenschaft, Aktionen, Performances etc. sowie die interaktive Medienkunst, die teilweise viel mit Sprache arbeiten, werden in die Zuständigkeit der Kunstwissenschaften verwiesen.

Bis heute sieht die Literaturwissenschaft das geschriebene Wort als ihren Hauptgegenstand an. Diese Konzentration auf ein Leitmedium hatte jedoch einen hohen Preis: Sie führte dazu, dass sprachkünstlerische Phänomene in anderen Medien und nicht-literaten Kulturen von den Literaturtheorien entweder ignoriert oder marginalisert wurden und teilweise heute auch noch werden. Der nach wie vor dominante Literaturbegriff ist der monomediale, interaktionsarme der Buchkultur, der zudem auf die individuelle Zuschreibbarkeit und die materielle Abgeschlossenheit eines vermarktbaren Werks angewiesen ist. Die Gebundenheit des Literaturbegriffs und der Literaturwissenschaft an das Buch rückt in einer Zeit besonders in das Bewusstsein der Wissenschaftler, in der die neuen Medien für die Literatur und die Sprachkunst entdeckt werden. Das am Medium des gedruckten Textes entwickelte Analyseinstrumentarium erweist sich für derartige Phänomene aus verschiedenen Gründen für nur eingeschränkt, wenn überhaupt, tauglich.

Durch die Konzentration auf den gedruckten Text reduziert die Literaturwissenschaft ihren Gegenstandsbereich gewaltig: Weder kann Sprachkunst, die sich anderer Medien bedient, noch können Kulturen und Epochen, die nicht über Druck- und Schriftmedien verfügen, aber dennoch Sprachkunst schaffen, von ihr angemessen berücksichtigt werden.

Die Bedingungen einer Re-Formationen die Literaturwissenschaft, die zu einer interkulturellen, "transmedialen Sprachkunstwissenschaft" werden könnte, sollen in dem Beitrag kurz skizziert und am Beispiel von Sprachkunst in den neuen Medien illustriert werden.

DAS VERBINDENDE DER KULTUREN