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Trenker-Forscher Waldner in der Almstube des Hotel Dachstein, Ramsau.
Der Autor: 
Hansjörg Waldner, geb. in St. Valentin auf der Haide 1954. Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie in Wien. 1985 Dr. phil. mit der Arbeit: "Der Südtirolroman 1919-1945".  
Seit 1988 Generalsekretär der Österr. Dialektautorinnen und -autoren. 
Zahlreiche Veröffentlichungen u.a.: "Deutschland blickt auf uns Tiroler", Wien 1990 sowie in Zeitungen (Standard, Wiener Zeitung) und  Zeitschriften 
( Sturzflüge, Wespennest u.a.m.). 
Demnächst erscheint "Ei nun" im TAK-Verlag, Innsbruck.


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Bildnachweis: Luis Trenker: Auf dem Matterhorngipfel. In: Ders.: Meine Berge. Berlin 1931. Abb. 137. 

Filminfo: Der Berg ruft  
Regie: Luis Trenker   
Als Vorlage zu diesem Film diente Trenker der Stummfilm "Kampf ums  Matterhorn". Die Erstbesteigung des Matterhorns wird anhand der Geschichte eines italienischen Bergführers und eines britischen Bergtouristen gezeigt.

"Der Berg ruft" 
Anmerkungen zu einem Film von Luis Trenker 
Hansjörg Waldner (Wien) 

Kein Zweifel, der Held dieses Films ist der Berg. Held? Er ist das Ungeheuer, das eine nahezu mythische, diabolische Anziehung auf die Menschen ausübt. Der Berg ist und bleibt, so wie er will: schön, bedrohlich, anziehend. Der Kletterer will ihn - losgelöst von allen zivilisatorischen Krankheiten, als Bursch sozusagen- bezwingen. Der Bergsteiger kennt ihn, kennt seine Launen und seine Tücken. Männer wollen ihn, Nationen streben nach seiner Spitze. 

"Der Berg ruft" gilt als bester Bergfilm Luis Trenkers. Vielleicht deshalb, weil er darin alle in den 30er Jahren so beliebten Themen unter einen Hut gebracht hat: Motive des Verrats, der Liebe, der Treue vor allem aber die Tugenden des Bergsteigers. Die Tugenden bestehen in der Ehrlichkeit, keine faulen Tricks, einen Berg zu besteigen. Die Natur gibt die Antwort. Bestehst du, kannst du weiterleben, bestehst du nicht, gehst du am Berg zu Grunde. 

Man hat diesem Film patriotische, präfaschistische Dispositionen zugeschrieben. Beleuchtet man dieses Urteil näher, so kann man es genauso bestätigen wie auch zerstreuen. Einerseits kämpfen Wymper und Carell - der englische und der italienische Kontrahent - für die jeweilige, also die englische und italienische Nation, andererseits zeigt der Film, dass es sich um Freunde handelt, die sich gegenseitig im Wettkampf zwar streiten, in der "Friedenszeit" sich aber als Männer mit Charakter bestätigen. Sie besteigen friedvoll und anerkennend - am Ende- den Berg ihrer Auseinandersetzung. 

"Dem Kameraden, der ihn für treulos halten mußte, verdankt er jetzt Ehre und Treue", heißt es im Programmheft. Der Berg dient hiermit als Hilfsmittel für zutiefst menschliche und zivilisatorische Moral, die vor allem in den 30er Jahren Konjunktur hatten. Das Gegenteil von Ehre heißt Schande, das von Treue heißt Verrat. 

Somit transportiert dieser Film die Moral von Gut/Böse bzw. das Sujet von Anständig/Unanständig. Kein Zweifel, dass die Nationalsozialisten in ihrer Paranoia auch Gutes an Trenkers Filmen finden konnten. Sie sahen darin die Ausführung einer schönen, guten und ehrlichen Welt, in der ihr Gutes belohnt und das für sie Böse bestraft wird. Ähnliche Muster erkennen wir in allen anderen Filmen Luis Trenkers. In "Berge in Flammen" (1931), in "Der Rebell" (1932), in "Der verlorene Sohn" (1934), in "Der Feurteufel" (1940) spitzt sich der dramaturgische Konflikt in ähnlicher Weise zu. 

Heute können wir aber den Film anders sehen. In den Aufnahmen schimmert etwas von einer Urigkeit, die nichts mit dem "Blut und Boden" zu tun hat: Luis Trenker brüllt wie damals der Tarzan im Urwald, Giuseppe Becce - der Filmkomponist- trällert seine faschistischen Sequenzen, wenn Wolken oder Gefahr aufkommt, Gesichter erscheinen in großem Licht. 
Hat Trenker den Seilknoten richtig geknüpft? Wie machen wir es jetzt? Wie sieht das Bergsteigen gegenwärtig aus? Welche Requisiten brauchten sie damals? Also Fragen, die die Kostümierung und die Ausrüstung betreffen. 

Luis Trenkers "Der Berg ruft" wird nun als Botschaft des Friedens gelesen, als Botschaft des Tourismus. Unter dem Motto: Wir könnten, wenn wir dürften. Oder: Wir machen, was wir können. 

Im Zeitalter der Globalisierung interessiert es uns herzlich wenig, ob sich zwei Dörfer um die Erstbesteigung streiten oder nicht. Trenkers Film führt uns noch einmal zurück zu den Ängsten, Zweifeln und Risiken einer Investition, deren Gewinne nur jetzt, 65 Jahre danach, langsam sichtbar werden. Die Skepsis, ob das alles in die richtige Richtung gegangen ist, bleibt. Und soll bleiben. 


Einführungsvortrag zur Filmvorführung am 7.9.2000, Ramsau am Dachstein, Veranstaltungszentrum
 
 

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Diese Seite wurde erstellt/zuletzt inhaltlich geändert am: 2000-10-26     Location (URL): http://www.inst.at/kuse/forum/waldner.htm
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