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Internationale
Kulturwissenschaften International Cultural Studies Etudes culturelles internationales |
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Sektion VI: | Kunst und "Globalisierung" | |
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The Arts and "Globalisation" | |
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Art et "globalisation" |
Gabriele Pfeiffer (Wien) [BIO] |
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Interkulturelles Theater gibt es, seit es Theatergeschichte gibt. TheatertheoretikerInnen versuchen dieses Phänomen zu beschreiben, und so das Verhältnis der einzelnen Elemente untereinander als inter-, intra-, trans-, cross-, neo-, de-, multi-, etc. kulturelles zu definieren. Interkulturelles Theater kennt keine zeitlichen Grenzen, ebensowenig wie räumliche. Ständig und überall ist es bestimmt durch ein Zusammentreffen von mindestens zwei Theaterelementen, die durch ihren Kontakt in einen Prozeß eintreten, wodurch ein neues Theaterelement entsteht. Das eine und das andere, das Eigene und das Fremde, Vertrautes und Unvertrautes treffen gewollt, ungewollt, bewußt oder unbewußt aufeinander. Die interkulturelle Begegnung wird eine intrakulturelle.
Intrakulturelle Kontakte auf dem Theater
Intrakulturelle Berührungen im Kontext Theater können einzelne Theatertraditionen, -formen, -elemente betreffen. Diese unterschiedlichen Wechselbeziehungen lassen - rein theoretisch betrachtet - drei große Gruppen erkennen. Ein intrakultureller Kontakt zwischen Publikum und AkteurInnen/Aufführung, zwischen einzelnen Theaterelementen des Theaterprodukts und im Rahmen der Theaterwissenschaft.
So kann ein/e ZuschauerIn, die/der teilnimmt an einer Theateraufführung entweder die/der eine oder die/der andere sein. Dies ist im Grunde eine Frage von "Sich-in-der-Mehr-bzw. Minderheit-Befinden". Für das Theaterprodukt hat das entsprechende Konsequenzen. Sitzt ein/e einzelne/r ZuseherIn im Publikum, die/der mit vorgeführter Theatertradition nicht vertraut ist, liegt es an dieser/m, einen transkulturellen Prozeß anzustreben. Der erste Schritt, wenn auch ein einseitiger der rezipierende Part geht zum aktiven - , ist bereits durch die Anwesenheit bei der Aufführung gegeben. Entschließt sich allerdings der aktive Part des Theaters, zum rezipierenden zu gehen, selbst wenn dieser sich in der Minderheit befindet, wird sich das im Produkt, der Aufführung, der Inszenierung, den Theaterelementen niederschlagen. Die ursprüngliche Theaterform verwandelt sich - meist durch große Verluste - in eine neue. Richard Schechner beschreibt dies sehr deutlich in seinem Buch Theater-Anthropologie. Er erzählt von einem Dorf namens Makehuku im Flußtal von Papa-Neuguinea, wo seit den 60er Jahren der Tanz der Schlammänner TouristInnen vorgeführt wird. Ursprünglich wurde der Tanz aufgeführt, wenn sich die DorfbewohnerInnen bedroht fühlten. Er hatte seine eigene Dramaturgie, die sich entscheidend veränderte, nachdem sich das Publikum veränderte. "Da der Zehn-Minuten-Tanz für westliche Standards nicht lang genug ist, wurde er erweitert um Pfeil-und-Bogen-Schießkünste, einen Fototermin und einen 'Markt'."(1) Dabei darf nicht übersehen werden, daß es nicht nur um Gewinn, wie es aus eurozentristischer Sicht gerne beschrieben wird, geht. Die Kehrseite ist ein Verlust. Verlieren etwas loslassen, um zu Neuem zu gelangen, ist ein Charakteristikum von intrakulturellem Theater.
Für die offensichtlichen intrakulturellen Prozesse, die auf der Bühne sicht- und hörbar sind, sind Beispiele in Inszenierungen von Ariane Mnouchkine und Peter Brook zu finden. Daß sie aber nur mit einzelnen Momenten spielen, wird dabei oft übersehen. Die Varianten sind vielfältig: SchauspielerInnen aus verschiedenen Nationen, Theatertraditionen aus unterschiedlichen Kulturen, Elemente wie Sprache, Musik und Bühnenbild aus unterschiedlichen Theaterformen. Manchmal ist das Endprodukt auch eine reine Collage und der intrakulturelle Prozeß findet beim Erarbeiten der Inszenierung und während der Aufführung selbst statt. Die Kommunikation ist das entscheidende Kriterium. Das Decodieren und Neucodieren einzelner Theaterelemente stehen im Zentrum der intrakulturellen Begegnung. Jedoch entsteht nicht immer ein polyloges Gleichgewicht beim Decodieren der neu gefundenen Theatercodes. Treffen zwei Theaterformen aufeinander und wird nicht als Conditio sine qua non der Polylog gewählt, ergeben sich intrakulturelle Theaterpraktiken, in denen eine den dominierenden und die andere den dominierten Part übernimmt. Ein transkultureller Prozeß ist zwar gegeben, allerdings wird er durch ein unausgeglichenes Verhältnis von Gewinn und Verlust bestimmt.
In the instance of contact between African and foreign cultures, more often, it is the offshoot of African culture that tends to suffer effacement, while the foreign is upheld as the quintessential creation the 'consummation devoutly to be wished'.(2)
Beim Versuch, fremde Theaterelemente nicht zu mutieren, sondern sie eklektisch in eine eigene Theaterform einzubauen, entfällt zwar der missionarische Charakter, das Ungleichgewicht aber bleibt. Wenn in eine geschlossene Theaterform fremde Theaterelemente aufgenommen werden, erinnert diese Vorgangsweise an das Aneinanderreihen teilweise ohne inneren Zusammenhang von Zitaten. Diese können unterschiedlich betont und mit eigenen Theaterelementen verbunden sein oder in extremis in eine Theaterform münden wie sie Robert Wilson praktiziert. Der Genuß einer solchen Aufführung bleibt ExpertInnen vorbehalten. Nicht nur innerhalb einer Theaterform finden ornamenthafte transkulturelle Prozesse statt, auch im Makrokosmos Theater kann dies beobachtet werden. Einzelne Theaterformen werden nebeneinander präsentiert, ohne in einen direkten transkulturellen Kontakt zu treten (Festivals!). Geschlossene, voneinander getrennte Theaterformen werden einander gegenseitig vorgestellt. Der intrakulturelle Charakter von Theaterfestivals ergibt sich durch den Kontakt mit dem Publikum und zeitversetzt in der Verwertung des neu entdeckten Fremden bei eigenen späteren Inszenierungen. Zusätzlich zur Funktion eines einmaligen theatralen Museums sind Festivals eine Fundgrube, um fremde Theaterformen kennenzulernen. Da intrakulturelles Theater aber mehr ist, als das bloße Betrachten von Fremdem, könnten Festivals als Forum für polyloge, und somit für transkulturelle Theaterprozesse genutzt werden. Dies wäre auch die Chance die Optimalsitutation eines intrakulturellen Theaters ohne Ungleichgewicht der daran Beteiligten zu erreichen.
Eine Annäherung an transkulturelles Theater
Das optimale intrakulturelle Theater wäre eines, in dem eine Verschmelzung von mindestens zwei Theaterformen vonstatten geht, bei der eine völlig neue entsteht, bei der Gewinn und Verlust gleichbedeutend sind, und bei der mit den Unterschieden der verschiedenen Theaterformen an sich gearbeitet wird. Intrakulturelles Theater soll weder (theatral)kulturelle Unterschiede verschleiern noch diese unmotiviert aneinanderreihen. Theater ist per defintionem eine Auseindersetzung von Heterogenitäten. Ohne das kommunikative Verhältnis zwischen AutorIn versus Regisseur/Regisseuse, Regisseur/Regisseuse versus SchauspielerIn, SchauspielerIn versus ZuschauerIn, Text versus Umsetzung usw. ist Theater nicht denkbar. Diese Heterogenität bezüglich Bedeutungssystem, Codes und Subjekten bestimmt das Sein von Theater und wird im intrakulturellen Kontext komplexer. Um damit effizient zu arbeiten, ist ein kollektiver Arbeitsprozeß unumgänglich. Theater ist ohnedies die beste Voraussetzung für das Arbeiten als Gruppe. Im Rahmen der Intrakulturalität weitet sich diese bis zum kulturellen Hintergrund der einzelnen Beteiligten aus. Die Schwierigkeit liegt an der Gratwanderung zwischen dem Ignorieren und dem Ausstellen dieser Unterschiede. Damit sich nicht "Völkerschauen", die durchaus theatralen Charakter aufweisen, wiederholen, ist bereits bei der Erarbeitung einer Aufführung auf einen polylogen Diskurs zu achten. Durch die Annäherung an fremde Theaterformen auf polyloger Basis eröffnet sich die Chance eine tatsächliche Verknüpfung von eigenen und fremden zu erreichen. Eine Übersetzung eines fremden Theatertextes, als semiotischer Text verstanden, kann beispielsweise ein transkultureller Prozeß auf den Text bezogen sein, wenn eine intrakulturelle Beschäftigung der ÜbersetzerInnen vorausgeht. Daraus folgt allerdings nicht stringent eine intrakulturelle Theateraufführung. Denn die Gefahr, den übersetzten Text einfach in eine geschlossene Theaterform aufzunehmen, ohne Berücksichtigung des Zusammenspiels von ausgehendem und bestehendem Text, ist existent. Eine konsequente Steigerung dieser Übesetzungspraxis führt zu einer ästhetisch kontrollierten eigenen Theaterform. Diese stellt allerdings keine transkulturelle dar.
Nicht nur das Publikum und die TheaterakteurInnen dürfen im Theaterdiskurs intrakulturell teilhaben. WissenschafterInnen, die versuchen, fremde Theaterformen zu entschlüsseln, darzustellen, zu übersetzen, arbeiten komparatistisch und verbinden dadurch die eigene Theaterform mit der fremden. Sie fungieren als Katalysator für intrakulturelle Begegnung verschiedenster Theatertraditionen. Geschlossene Theaterformen werden übersetzt, verglichen, oder ihre gegenseitigen Beeinflussungen werden aufgezeigt. Selbst wenn sich die WissenschafterInnen scheinbar mit zwei ihnen fremden Theatervarianten auseinandersetzen, treten sie durch ihren eigenen kulturellen Hintergrund in den intrakulturellen und nicht interkulturellen Prozeß ein.
Theater in einem intrakulturellen Kontext ist ergo mehr als die Beschäftigung mit Fremdem auf der Bühne. Der intrakulturelle Prozeß zeichnet sich durch die Beziehung von Eigenem und Fremdem aus. Dies spiegelt sich in der gesamten Theatergeschichte wider, denn fremde geschlossene Theatermodelle werden herangezogen, verschwinden in ein neues Modell und erlangen eine eigene Identität in Form und Inhalt.(3) Der historische Transkulturalismus ist im Entstehen.
ANMERKUNGEN
1 | Richard Schechner, Theater-Anthropologie, 1990, 77. |
2 | Ola Rotimi, Much Ado About Brecht, in: The Dramatic Touch of Difference, 1990, 253. |
3 | Vgl. Carl Weber, AC/TC.Currents of Theatrical Exchange, in: Interculturalism and Performance, 1991, 34. |
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