Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. August 2004
 

5.8. Literatur versus Nation
HerausgeberInnen | Editors | Éditeurs: Alessandra Schininà/Giuseppe Dolei (Catania)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Ethnizität und Identität in deutschsprachiger Literatur aus und über Südtirol

Siegrun Wildner (University of Northern Iowa, USA)

 

Die norditalienische Autonome Provinz Bozen-Südtirol(1) ist von einem komplexen Kulturgefüge dreier ethnischer Gruppen geprägt, die sich offiziell über ihre Sprachzugehörigkeit definieren. Bei der letzten Sprachgruppenzugehörigkeitserhebung, die im Rahmen der Volkszählung im Jahre 2001 durchgeführt wurde, ergab sich folgende ethnische Zusammensetzung der Südtiroler Bevölkerung: Von insgesamt 428.691 Bürgern erklärten sich 69,15 % der deutschen Sprachgruppe zugehörig; 26,47 % fühlten sich der italienischen Gruppe verbunden; 4,37 % zählten sich zu den Ladinern; und 2,24 % wollten sich keiner dieser vorgegebenen Kategorien zuordnen.(2)

Das Mit-, Neben- und auch Gegeneinander der deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Bevölkerungsgruppen im Südtiroler Alltag produziert einen ambivalenten kulturellen Raum, der den Einzelnen dazu herausfordert, sich mit Fragen nach Identität und Zugehörigkeit auf verschiedenen Ebenen auseinander zu setzen. Diese Studie untersucht in Anlehnung an ausgewählte Identitäts- und Subjekttheorien, wie die Protagonisten in repräsentativen Romanen des Südtiroler Autors Joseph Zoderer mit ihren interethnischen Erfahrungswirklichkeiten umgehen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf jene Konfliktbereiche gelegt, die dann entstehen, wenn sich ein Individuum der kulturell normativen Vereinnahmung durch die eigene ethnische Gruppe verweigert, um sich im interethnischen Spannungsraum neue Identitäten zu erarbeiten. Vorliegende Analyse will soziokulturelle Prozesse bei Identitätskonstruktionen(3) in ihrer literarischen Reflexion aufzeigen und damit Einblicke in Erfahrungswirklichkeiten des Einzelnen in einem multiethnischen Umfeld vermitteln. Aufgrund dieser Zielsetzungen lässt sich diese Arbeit auch als Beitrag zu einem differenzierteren Kulturverständnis für das Zusammenleben der deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Bevölkerungsgruppen in Südtirol verstehen. Bevor jedoch näher auf die Primärtexte eingegangen wird, soll ein kurzer Exkurs über die Südtiroler Realpolitik die ethnische Identitätsproblematik, wie sie in Zoderers Romanen angesprochen wird, verdeutlichen.

Südtirol gilt vielfach als Vorzeigemodell für die erfolgreiche Lösung von Minderheitenkonflikten.(4) Dafür spricht auch eine Reihe von Tatsachen. Die Verhandlungen über den Autonomie- und Minderheitenstatus Südtirols zwischen den Regierungen von Italien und Österreich sowie der Südtiroler Landesregierung zogen sich zwar 46 lange Jahre hin und waren auch von zahlreichen Rückschlägen begleitet, konnten jedoch letztlich auf einen friedlichen Ausgang verweisen. Offiziell bekräftigt wurde die Konfliktlösung im Juni 1992 durch die Hinterlegung der von Italien und Österreich unterzeichneten "Streitbeilegungserklärung" bei den Vereinten Nationen.(5) Die Provinz Südtirol hat heute einen verfassungsrechtlich verankerten Autonomiestatus; ein ethnisches Proporzsystem wurde zur Sicherung der politischen Machtverteilung zwischen den deutschen, italienischen und ladinischen Sprachgruppen etabliert;(6) die deutschsprachigen und ladinischen Bevölkerungsgruppen in Südtirol werden vom italienischen Staat als Minderheiten anerkannt und deren Sprache und Kultur geschützt.(7) Politische Stabilität - nicht zuletzt durch Monopolstrukturen in der Parteien- und Medienlandschaft,(8) konstantes Wirtschaftswachstum, verbreiteter materieller Wohlstand und relativ geringe Arbeitslosigkeit tragen ebenfalls zum sozialen Frieden bei und runden oberflächlich das Bild von dem Erfolgsmodell der ethnischen Konfliktlösung in Südtirol ab.

Andere Stimmen beurteilen Südtirols Erfolgsstory differenzierter und sehen die Provinz eher als ein Modell für "Konfliktmanagement",(9) das allerdings nicht mehr zeitgemäß und ein Hemmschuh für interethnische Bemühungen sei. Durch die Südtiroler Konkordanzdemokratie, die auf ethnischer Fragmentierung und Machtverteilung (power sharing) durch das Südtiroler Proporzsystem beruht, sei es gelungen, "Konfliktregelungsmechanismen"(10) zu entwickeln, die ein friedliches, gewaltfreies Nebeneinander von Deutschen, Italienern und Ladinern forcierten. Gleichzeitig aber verhindere das Konkordanzmodell eine wirkliche ethnische Konfliktlösung, denn es habe nicht "die Überwindung der ethnischen Trennung zum Ziel, nicht die völlige Beseitigung des (ethnischen) Konflikts, nicht die Integration der drei Subgesellschaften".(11) Die Folgen der institutionalisierten ethnischen Grenzziehung seien Erstarrung und Verhärtung der ethnischen Fronten, "identitäre Zwischenformen werden ausgeschlossen und damit all jene Einrichtungen, die diesen Bedürfnissen entgegenkommen würden".(12) Die Südtiroler Politik müsse sich daher neu orientieren, was jedoch eine völlige Neustrukturierung im politisch-administrativen Bereich und neue Zielsetzungen voraussetzen würde. Damit müsste allerdings das Konkordanzmodell selbst in Frage gestellt werden.(13)

Von solch einer radikalen soziopolitischen Umstrukturierung ist Südtirol allerdings noch weit entfernt. Die politischen Machteliten setzen nach wie vor auf eine Politik der ethnischen Fragmentierung, die zwar zum friedlichen Nebeneinander der drei Bevölkerungsgruppen im Alltagsleben beiträgt, gleichzeitig aber auch die ethnischen Trennungsgräben verdeckt und so die "voreilige Illusion"(14) von einem konfliktfreien multiethnischen Zusammenleben schürt:

Viele Südtiroler auf beiden Seiten hatten geglaubt, den Konflikt hinter sich zu haben, und mussten feststellen: Wir stehen noch mitten drin. ... Wohlstand und Vollbeschäftigung haben Südtirol oberflächlich befriedet, das tägliche Leben lärmt über die Missverständnisse hinweg. ... Der schwerste Fehler, den wir Südtiroler aller Sprachgruppen machen, ist unser leichtfertiger Umgang miteinander: Wir tun so, als lebten wir alle schon nett und friedlich zusammen, als würden wir uns alle mögen, als sei es kein Problem, dass Deutsche, Ladiner und Italiener mit ihren unterschiedlichen Traditionen aufeinander treffen. Aber fällt ein falsches Wort verspüren wir Hass. Oder Groll. Oder Trauer. Unaufgearbeitet, unbetrauert, aber auch jedem Humor entzogen sind die Südtiroler Altlasten wie Minen in den Köpfen - bei zufälliger oder absichtlicher Berührung können sie jederzeit hochgehen.(15)

Das Bozner Referendum vom 6. Oktober 2002 war so eine Mine, die in den Köpfen der Südtiroler hochging. Worum ging es? Im Jahre 2001 beschloss der Bozner Gemeinderat, den Bozner Siegesplatz (Piazza della Vittoria) in Friedensplatz (Piazza della Pace) umzubenennen. Im Referendum vom 6. Oktober strengten italienische Rechtsparteien erfolgreich die Rückbenennung dieses Platzes an. Die mehrheitlich italienische Bevölkerung Bozens(16) stimmte mit fast 62% für die Bezeichnung Siegesplatz, denn für sie gehören dieser historische Ort und das darauf errichtete Denkmal zu den wenigen "identitätsstiftenden" Symbolen für die italienische Minderheit (für einige auch als Ausdruck der Italianità(17)) im vorwiegend deutschsprachigen Südtirol. Sie sind Symbole, die ihnen gewissermaßen ihre italienischen Heimatrechte in Südtirol bestätigen.(18)

Im kollektiven Gedächtnis der deutschsprachigen Südtiroler hingegen ist der Siegesplatz bzw. das Siegesdenkmal ein Stein des Anstoßes, denn es erinnert an den Einmarsch der Italiener in das österreichische Südtirol im Jahre 1918, an die Abtrennung Südtirols von Österreich und an die Übergabe der Region an Italien als Resultat der Friedensverhandlungen von 1919 in St. Germain, an die offizielle Annexion am 10. Oktober 1920 sowie an die darauf folgenden Jahre der Unterdrückung und Demütigung durch die faschistischen Machthaber in Italien.

Die emotional geladenen Debatten um die Rückbenennung des Friedensplatzes zeigten vor allem eins: die immer noch währenden ethnischen Trennungslinien besonders zwischen der deutschen und der italienischen Sprachgruppe in Südtirol. "Auf der Strecke blieben" - so kommentierte das Südtiroler Wochenmagazin ff - "eine sachliche Auseinandersetzung mit der gemeinsamen Geschichte und der dazu nötige Dialog zwischen den beiden Sprachgruppen".(19)

Gemeinsamer Umgang mit Geschichte meint jedoch nicht nur Dialogbereitschaft der ethnischen Gruppen, sondern auch eine kritische Hinterfragung von tradierten Werten und ethnischen Grenzziehungen, und zwar die der eigenen sowie die der anderen Gruppe. Dieser Prozess konfrontiert den Einzelnen mit Fragen nach ethnischer Zugehörigkeit und Identität - mit Fragen, die auch direkte Auswirkungen auf die Identitätskonstruktionen des Einzelnen haben. Was bedeutet es zum Beispiel, ein Südtiroler deutschsprachiger Provenienz zu sein? Sollte man sich als deutschsprachigen Italiener sehen? Oder als Tiroler? Als einen von der österreichischen Kultur geprägten Südtiroler mit italienischem Pass? Oder kann man alles in einem sein? Und wie sehen einen überhaupt "die Anderen"? Trotz dieser Herausforderungen für das Individuum im multiethnischen Raum kann das Leben mit und zwischen den kulturellen Grenzen, wie für den Schriftsteller Joseph Zoderer, ein durchaus produktiver Ort für den Schreibprozess sein:

In öffentlichen Interviews bezeichne ich mich seit eh und je als österreichisch geprägten Autor mit italienischem Pass. Ich glaube aber, dass die Nähe zu Italien, zur großen anderen, und doch sehr fremden Kultur eine Bereicherung für alle Südtiroler deutschsprachiger Zunge gebracht hat, vor allem für mich als Autor. Dies war mir auch Grund genug in der Provinz zu bleiben. In Südtirol muss man auf Schritt und Tritt sein Wachsein feststellen, weil man immer wieder in die andere Fremdheit hineinkugelt, man muss von einer Sprache in die andere wechseln. Das war der Grund für mich zu bleiben. Ständig in die Welt des anderen hinüberwechseln zu müssen, sich in die Bilder des anderen zu verlieren, sich selbst aufzugeben mit seinen eigenen Sprachbildern und Ghettos, und sich wieder zurückholen daraus - das war für mich der Ersatz für die "Stadt". Es ist eine tägliche Übung. Und für mich als Schriftsteller ist es eine gute Situation, an der Grenze zu leben.(20)

In ähnlicher Weise setzen sich auch andere deutschsprachige Gegenwartsautoren aus Südtirol mit dem Beziehungsgeflecht von ethnischer Zugehörigkeit und Identität auf literarischer Ebene auseinander und reflektieren so ihre eigenen Erfahrungen, Beobachtungen und (Partial)-Wahrnehmungen in den interethnischen Spannungsfeldern Südtirols. Zum Beispiel Sabine Gruber in ihrem Roman Aushäusige (1996), Helene Flöss in ihrem Roman Schnittbögen (2000) sowie Gerhard Kofler und Josef Oberhollenzer in zahlreichen Gedichten. Am ausgeprägtesten behandelt jedoch Joseph Zoderer die Problematik interethnischer Identitätsfragen in seinen Romanen Die Walsche (1982) und Der Schmerz der Gewöhnung (2002). Die beiden Texte wurden daher als Gegenstand für die vorliegende Untersuchung ausgewählt.

Obwohl die Romanhandlungen in Die Walsche sowie in Der Schmerz der Gewöhnung größtenteils in Südtirol angesiedelt sind, geht es Zoderer scheinbar weniger um die Auseinandersetzung mit soziopolitischen und historischen Ereignissen im multiethnischen Kulturraum Südtirol, als vielmehr um ontologische Fragestellungen, die sich aus der Südtiroler Gegenwartssituation heraus ergeben. Der Autor erklärte in einem Interview: "Jedenfalls reizt es mich immer, aus dem Gegenwärtigen heraus zu schreiben, weil ich nur denken kann, wenn ich schreibe, und nur, indem ich schreibe, mein Existenzbewusstsein erarbeiten kann".(21) Diese unmittelbaren Auswirkungen der Südtiroler Lebensbedingungen auf den Wahrnehmungs- und Schreibprozess des Schriftstellers veranlassen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die literarischen Subjekte in seinen Romanen konstituieren können, wenn sie tradierte ethnische Grenzen überschreiten. Wo lässt sich in den Texten aufzeigen, wie Zoderers literarische Figuren "in die andere Fremdheit hineinkugeln", "wie sie sich in den Bildern des anderen verlieren" und "sich wieder daraus zurückholen"?(22) Anders formuliert: Wo lässt sich dieses Oszillieren zwischen zwei ethnischen Kulturen auf literarischer Ebene nachzeichnen und welche Auswirkungen hat dieses Hinüberwechseln von der einen in die andere Kultur auf die Identitätsarbeit der Protagonisten?

Die Beschäftigung mit Identitätskonstruktionen erweist sich als komplexes Unterfangen, denn - wie Subjekt- und Identitätstheoretiker feststellen - ist Identität letztlich nur "in ihrer Wechselbeziehung zur Alterität denkbar und deutbar".(23) Ethnische Grenzen konstituieren sich "in einem Prozess wechselseitiger Fremd- und Selbstzuschreibungen".(24) Das gilt für personale Identitäten sowie für kollektive Identitäten. Das ethnische Ich muss also ständig abwägen und verhandeln, welche identitätsstiftenden Merkmale von der eigenen und welche von der anderen kollektiven ethnischen Gruppe für eine personale Identitätskonstruktion tragfähig sind. Der Verhandlungsraum wird dort sein, wo die zwei Kulturen aufeinander treffen, wo sie sich überlagern und wo Ambivalenzen, aber auch Widersprüche, Risse und Brüche entstehen. Für das Individuum ist es daher schwierig, in diesem "dritten" oder "hybriden" Raum - wie der postkoloniale Theoretiker Homi Bhabha diesen Ort nennt - Identitätsarbeit zu leisten und sich als Subjekt zu verorten.(25)

Zoderers Protagonisten, Olga in Die Walsche und Jul in Schmerz der Gewöhnung, erzählen aus der Perspektive deutschsprachiger Südtiroler. Diese Sprachgruppe definiert sich in beiden Texten als ethnische Minderheit, die sich als homogene Gruppe seit 1918 recht erfolgreich gegen "fremde", sprich "italienische" Einflüsse, kulturelle und sprachliche Vereinnahmungen behaupten konnte. Die Protagonisten empfinden diese scharfe Grenzziehung der kollektiven Gruppe nach außen einerseits als Halt und Schutz gegen wirkliche und imaginierte Bedrohungen, andererseits aber auch als Zwang und Enge, der es zu entfliehen gilt.

Diese ambivalente Haltung lässt sich beispielsweise an Olgas Vater im Roman Die Walsche nachzeichnen. Olga kehrt für drei Tage aus der Stadt in ihr deutschsprachiges Heimatdorf zurück, um am Begräbnis ihres Vaters teilzunehmen. Ihre Wiederbegegnung mit der Bergwelt ihrer Kindheit löst Erinnerungen, Reflexionen und Bewusstseinsprozesse aus, über ihr eigenes Leben, aber auch über das ihres Vaters, der in diesem Dorf am Leitnerhof als Findelkind "wie ein Fremder aufgezogen wurde" (W 26), und der für die anderen zeit seines Lebens auch ein "einheimischer Fremder" (W 31) blieb. Seine Anpassungsversuche durch patriotische Wirtshausreden über "Wir Deutsche" und "die Deutsche Heimat" (W 26), über das "Deutschbleiben und beieinanderbleiben" (W 21), werden scheinbar konterkariert durch seine Plädoyers für Toleranz und Vernunft und seinen Wunsch aus dieser "Bergenge" zu flüchten:

Hinaus in die Welt! hatte er auf den Spaziermärschen durch Wiesen und Wälder wieder und wieder ausgerufen, hinaus in die Welt! In Wirklichkeit aber hatte er sich aus dieser Erdäpfel- und Krautkopfwelt nie mehr wegzubewegen vermocht. Denn leider hatte er mit seinem Kopf nicht nur seine, sondern noch öfters die Gedanken der Dorfleute gedacht, und mit ihrem Kopf hatte ihm die Welt selbstverständlich nichts als Angst eingejagt. Im Grunde hatte er Wiese und Berg als fixe Vorstellung gebraucht, ebenso seine Vorstellung von den unverdorbenen Menschen am Berg, aber irgendeinmal hatte er das alles gründlich und natürlich nicht ohne Verbitterung revidieren müssen, zumindest für sich selbst. Das blöde Gerede und das Glotzen und das Grinsen, etwas anderes hatte er nicht mehr erlebt, entweder die Glotzaugen der Kühe oder das Grinsen der Besoffenen, und ein großer Unterschied war da nicht, nur daß er zuletzt kaum noch in einen Stall, dafür aber um so öfter ins Gasthaus kam. (W 22)

Olgas Vater verbittert zunehmend und ertränkt sein Fremdsein im Alkohol, für Olga übrigens, wie sie sagt, ein "unbestimmter Selbstmordwille", den ihr Vater bestimmt haben musste, "nachdem seine Existenz am Berg aussichtslos und ausweglos geworden war" (W 31). Olga erkennt, dass die Dorfbewohner ihren Vater durch die kollektive Verweigerung, ihn in die Dorfgemeinschaft aufzunehmen, in den Tod getrieben haben, und sie hat den Eindruck, dass das Dorf das Begräbnis ihres Vaters wie ein "Volksfest", wie eine "Hinrichtung, eine nachgeholte" feiert (W 141).

Auch Olga wird aus der homogenen deutschsprachigen Dorfgemeinschaft ausgegrenzt. Bereits in der Schule wird sie von ihren Mitschülern als "Walsche" beschimpft, "weil sie die einzige war, die die Italienischaufgaben gemacht hatte und von der Italienischlehrerin dafür gelobt wurde" (W 19). "Walsch" ist der abschätzige Gegenbegriff für alle und alles, was nicht deutsch ist oder von der deutschen Bevölkerungsgruppe als nicht "deutsch" deklariert wird. Als Walsche werden nicht nur "die Anderen", die Italiener, bezeichnet, sondern auch eine Verräterin wie Olga, die bereit ist, die ethnischen Grenzziehungen der Gruppen physisch und psychisch zu überschreiten. Olga, die eine Liebesbeziehung mit dem Italiener Silvano eingegangen ist und nun auch noch in der Stadt lebt, hat daher keine Ansprüche mehr an ihre Kindheimat im Bergdorf zu stellen.

Olga zieht die Konsequenzen aus der Ablehnung der Dorfbevölkerung und wendet sich Silvanos Welt zu, um dort, in der anderen, der italienischen Kultur, neuen Halt zu finden. Sie muss jedoch bald erkennen, dass es für sie keinen Ort kultureller Eindeutigkeiten mehr geben kann. Ihr ethnisches Selbst- und Weltbild gerät immer mehr ins Wanken: "Lange war ihr nicht bewußt, daß sie nun auf einer anderen Seite lebte. Nachgiebig, weicher und durchlässiger war die Luft geworden, nicht nur ihre Bürowand. Sie hörte Altbekanntes, das jetzt merkwürdig deutlich und hart klang: Idiot, Depp, Sturheil, Bergheil, Siegheil. Alles floß so dahin: Daitsche und Walsche" (W 58). Eigenes und Fremdes fließen in Olga ineinander. Sie hatte sich oft

wenn auch meist nur für Augenblicke, bei Silvano allein oder, noch öfter, mit ihm inmitten seiner lärmenden Freunde plötzlich fremd und ohne Halt, auf jeden Fall heimatlos gefühlt, als ob sie, Silvano und sie, nie ganz zusammenkommen, nie durch eine letzte Trennwand hindurch und mit den Köpfen endlich zueinanderstoßen könnten. Fremd, tatsächlich fremd hatte sie sich manchmal mit ihm im Italienerviertel gefühlt, aber auch hier im Haus, wo sie aufgewachsen war. (W 17)

Olga bemüht sich um eine Annäherung und eine Selbstverortung über den Dialog mit dem Anderen: "Auf einmal wollte auch sie etwas sagen, um nicht so fremd zu sein vor fremden Gesichtern, wollte darüber sprechen, was sie über die Art ihres Lebens, ihre Lebensbedingungen dachte, ihren italienischen Paß, wo sie doch kaum italienisch sprach und deutsch nur oder fast nur im Dialekt" (W 90). Ihre schlechten Sprachkenntnisse lösen aber nur Missverständnisse aus und zeigen auch, dass es Olga nicht gelingt, sich über die Sprache in die andere Kultur zu übersetzen: "[E]s wurde immer schwerer, einen Halt zu finden, alles war ungefähr und blieb im Vagen" (W 109). Olga kann und will auch nicht mehr in ihr Dorf zurück, obwohl sie bei ihrer Abreise nach dem Begräbnis verärgert feststellen muss, dass "etwas sie noch immer zurückhielt" (W 152). Der Roman endet mit Olgas Erkenntnis, dass "das einzige Abenteuer", "ihre Fremdheit, ein langsames Vernichtetwerden" war (W 130). Wie zuvor schon ihr Vater geht auch Olga allmählich an dem Fremdsein zugrunde.

Im zweiten Romanbeispiel, in Zoderers Der Schmerz der Gewöhnung, erzählt der Journalist Jul rückblickend in Form von Erinnerungssplittern und Reflexionen über sich und seine Erfahrungen, über den plötzlichen Tod seiner siebenjährigen Tochter Natalie, den er nicht überwinden kann, über die Widersprüche und irreparablen Risse und Brüche in seiner Beziehung mit Mara sowie über seine Wahrnehmungen des Anderen, des Italienischen.

Das Andere ist für ihn in erster Linie Mara, die Tochter einer deutschsprachigen Boznerin und eines Sizilianers, der 1938 im Zuge der Italianisierungsmaßnahmen der italienischen Regierung nach Südtirol gekommen war. In ihrer Sehnsucht nach kulturellen Eindeutigkeiten entscheidet sich Mara für die Welt ihres Vaters, für das Südliche, das Mediterrane, für die italienische Sprache als erste Sprache. Jul fühlt sich angezogen von Maras "Andersheit", von ihrer Fremdheit, entdeckt aber bald, dass Mara in einer "zwiespältigen Heimat" lebt. Sie verwandelt sich "von einer italienischen Italienerin in eine deutsche Italienerin [...] und von einer deutschen Italienerin in eine italienisch-deutsche Südtirolerin" (S 76). Für Jul war sie zum einen ein "Pustertaler Mädchen", zum anderen eine "sizilianische Italienerin" oder überhaupt "Sizilianerin" (S 77).

Wider Erwarten versucht Jul nicht über die italienische Sprache in Maras Fremdheit einzutauchen, sondern über ihr Deutsch, "vielfach ein italienisches Deutsch. Sie übersetzte italienische Wendungen oft direkt ins Deutsche, italienische Denkungsart und beging entsprechende kleine grammatikalische Sünden, von denen sie einige nie endgültig ausmerzen sollte" (S 75). Für Jul sind diese "Sprachabweichungen oder Redeeigenheiten ... von einem besonderen, fast exotischen Reiz, sofern sie überhaupt deutsch miteinander sprachen, was in der ersten Zeit selten geschah und wenn, war es wie ein Ballspielen, auch eine Art Liebesspiel oder der wechselseitige Versuch, hinter die Grenze des anderen zu gelangen, einzudringen in das Andere, in das abenteuerliche Unbekannte. Er liebte an Mara die Fremde oder überhaupt das Fremde" (S 75).

Jul und Mara ziehen in ein Bergdorf in Südtirol, renovieren ein altes Bauernhaus und leben dort mit ihrer Tochter Natalie in dieser "Schnee- und Waldbergwelt" (S 176). Aber auch dort fühlen sich beide als Fremde, besonders stark Mara, die die kollektiven Vorstellungen von Vergangenheit und Zukunft mit der deutschsprachigen Gruppe nicht teilen kann oder will. Sie fühlt sich sogar bedroht von diesen Menschen und

verdächtigte alle - von der deutschen Regierungspartei bis zu den Vereinen, den Alpenverein, den Verband der Südtiroler Musikkapellen, die Vereinigten Volksbühnen, den Rettungsdienst Weißes Kreuz und sogar die Freiwillige Feuerwehr - letztlich der Heuchelei, wenn nicht gar der Verschwörung gegen das Andere, das Fremde im Lande, in erster Linie gegen die ehemaligen Besatzer, die Italiener, und dementsprechend sah sie in der überwiegenden Mehrheit der deutschsprachigen Südtiroler keine Landsleute ihrer Gesinnung, sondern rechtsgerichtete Vergangenheitspatrioten. (S 170)

Die dialogische Auseinandersetzung mit dem Anderen in der Beziehung zu Mara ermöglicht Jul kritische Reflexionen über die deutschsprachige Kulturgruppe mit ihren Grenzziehungen, die wie Barrieren das Andere abblocken. Er beschimpft ihre "Selbstzufriedenheit", "die Arroganz der Ignoranz, diese ganze Stammtischbrüderschaft" und "verleugnete ... von Zeit zu Zeit seine Heimat" (S 173). Diese kritische Distanz zur eigenen ethnischen Gruppe erzeugt in Jul jedoch gleichzeitig ein starkes Gefühl des Fremdseins, das ihn zum "einheimischen Fremden" (S 187) macht.

Anders reagiert Jul, wenn Mara oder ihre italienischen Verwandten Kritik an der deutschsprachigen Gruppe üben. Er wird plötzlich zum "lederhosigen Heimatverteidiger, eigentlich zu einem selbsternannten Heimatbesitzer, der sie von Mal zu Mal spüren und auch mit Worten wissen ließ, daß er der Einheimische und sie eine Besatzertochter war." "[E]r war plötzlich auf der Seite jener, die er seit Jahren, seit mehr als zwei Jahrzehnten mit seinen Kommentaren und Glossen zu entlarven versucht hatte als Verhinderer eines toleranten, weltoffenen Lebens. Jetzt war er selbst ein hosenlederner Hinterstubenpatriot" (S 181), der im selben Atemzug "beteuerte, daß er sonst und im übrigen ja nichts gegen Italiener habe"(S 183). Die Risse und Gräben in der Beziehung zwischen Jul und Mara werden immer tiefer. Der plötzliche Tod ihrer Tochter bei einem Badeunfall erstickt die letzten Ansätze eines gemeinsamen Dialogs. Sie leben nebeneinander, jeder mit seinen Gefühlen von Fremdheit, Sehnsucht und Hoffnung auf Zugehörigkeit, für Jul ein Prozess der "langsamen Selbsttötung" (S 160).

Der Prozess des Sterbens findet als psychosomatischer Vorgang in Juls Kopf statt. Er kann das ethnische Spannungsfeld in sich nicht mehr aushalten und leidet an einem fortgeschrittenen Gehirntumor. Von Schmerzen geplagt flüchtet Jul aus der gewohnten Bergwelt nach Sizilien, um jene "unbefristete Fremdheit im Süden" zu suchen, "um in Maras anderer Heimat zu verschwinden" (S 285). Jul irrt tagelang herum in der Stadt, sinniert und reflektiert über das Eigene und das Fremde und wird von schmerzhaften Augenblickserinnerungen geplagt, bis er letztlich physisch und psychisch zusammenbricht.

Was lässt sich nun aus diesen Textbeispielen in Hinblick auf die Ausgangsfragen festhalten? Wie und wo finden die oszillierenden Bewegungen zwischen dem Eigenen und dem Fremden auf literarischer Ebene statt und welche Auswirkungen haben sie auf die ethnische Identitätskonstitution der einzelnen Protagonisten?

Wo die italienischen und deutschsprachigen Kulturbereiche in den Texten aufeinander treffen, zeichnen sich vor allem drei markante, sich überschneidende Ambivalenzbereiche ab, in denen die Protagonisten personale Identitätsarbeit zu leisten versuchen. Der erste Ambivalenzbereich entsteht durch die Weigerung des Individuums, sich von den imaginierten Werten und Ideologien der eigenen ethnischen Gruppe vereinnahmen zu lassen. Das Individuum überschreitet gedanklich oder realiter die kollektiven Identitätsgrenzen und provoziert so seinen Ausschluss aus der Gruppe. Gefühle der Fremdheit vermischen sich mit dem Wunsch nach Zugehörigkeit, Halt und Schutz in der ethnischen Gruppe und der Sehnsucht nach den Vertrautheiten der Kindheit. Der zweite Ambivalenzbereich lässt sich in den Texten dort ausmachen, wo die Protagonisten versuchen, sich in die Sprache und Bilderwelt des Anderen zu übersetzen. Sie wollen hinter die sprachlichen Grenzen des Anderen blicken, die Welt und sich selbst aus der Fremdperspektive wahrzunehmen. Die dadurch erzeugte Distanz erlaubt es den Romanfiguren Olga und Jul kritisch über ihre eigene ethnische Gruppe zu reflektieren und - wenn auch nur augenblickshaft und partial - ethnische Grenzen auf der sprachlichen Ebene zu überschreiten. Der dritte Ambivalenzbereich betrifft die so genannten "primordialen Codes" von kollektiven Identitätskonstruktionen. Laut Bernd Giesen gründen und bauen diese Codes auf Herkunft, Verwandtschaft, Region und Volk. Im Roman Schmerz der Gewöhnung pocht Jul beispielsweise auf sein angestammtes Herkunftsrecht und gibt sich als intoleranter Heimatverteidiger. Diese identitätskonstituierende Vorstellung wird allerdings durch Juls Angezogenheit von dem "Anderen", dem "Exotischen" - personifiziert durch die deutsch-italienische Südtirolerin Mara - stets unterlaufen.

Kann das literarische Subjekt innerhalb dieser Ambivalenzbereiche, die durch das ständige Oszillieren zwischen dem Eigenen und dem Fremden entstehen, "neue" Identitäten verhandeln? Peter Zima sieht im allgemeinen zwei Möglichkeiten für ein Individuum in dieser Situation: Die Ambivalenzerfahrung ist entweder eine Chance für kulturelle Bereicherung oder eine Gefahr. Eine Gefahr insofern, weil sich das Individuum im Fremden verlieren kann oder überfordert fühlt und folglich den Rückzug antreten muss.(26) Zoderers Protagonisten (besonders Olga und Jul) erfahren eine kulturelle Bereicherung, indem ihnen die Ambivalenz nicht nur Erfahrung, sondern auch Selbsterfahrung ermöglicht. Doch "die ambivalente Anerkennung des anderen im Selbst"(27) vollzieht sich nur in augenblickshaften Wahrnehmungen, die den überwältigenden Gefühlen ethnischer Identitätserschütterung, Desorientierung und Entwurzelung auf Dauer nicht standhalten können. Zoderer zeigt damit noch eine dritte Möglichkeit für das Subjekt im ambivalenten, interethnischen Spannungsraum: Es erlebt bewusst "ein langsames Vernichtetwerden" (W 130), eine "langsame Selbsttötung" (S 160).

Nun mag man sich fragen, wo denn bei all diesem Scheitern, dem Fremdsein und Vernichtetwerden das Verbindende der Kulturen liegt. Es lässt sich an jenen Orten vermuten, wo ethnische Grenzziehungen überschritten werden können, wo Identitätskonstruktionen nicht mehr durch primordiale Codes fixiert sind und wo durch einen kontinuierlichen Prozess neue, gemeinsame, hybride Identitäten erarbeitet werden müssen. Den ersten Anstoß für einen Dialog zwischen ethnischen Selbst- und Fremdwahrnehmungen auf personaler und kollektiver Ebene könnten solche literarischen Texte wie die von Zoderer sein, die den Blick des Lesers für ethnische Identitätsprobleme schärfen und dazu auffordern, in der diskursiven Ambivalenz Fremdes nachzuvollziehen und ethnische Verhärtungen aufzulösen.

© Siegrun Wildner (University of Northern Iowa, USA)


ANMERKUNGEN

Die in Klammern angeführten Abkürzungen im Text sind Zitatangaben aus folgenden Werken von Joseph Zoderer: Die Walsche (München: Hanser, 1986. Ersterscheinung 1982) und Der Schmerz der Gewöhnung. (München: Hanser, 2002). Zitiert als "W" und "S" mit der entsprechenden Seitenzahl.

(1) Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird die Kurzbezeichnung "Südtirol" verwendet.

(2) "Volkszählung 2001 - Autonome Provinz Bozen-Südtirol". ASTAT Informationen 17. Hrsg. Autonome Provinz Bozen-Südtirol / Landesinstitut für Statistik (August 2002) 4.

(3) Vgl. Jürgen Straub, "Personale und kollektive Identitäten. Zur Analyse eines theoretischen Begriffs", Identitäten, Hrsg. Aleida Assmann und Heidrun Friese (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2. Auflage. 1999; Erstauflage 1998) 73-104. In dieser Arbeit wird der Begriff Identität nach Jürgen Straubs Definition (in Anlehnung an Jan Assmann und Anthony Giddens) als "soziales Phänomen" verstanden. Demnach ist Identität "ein Konstrukt, das durch das symbolisch und soziokulturell vermittelte, bedeutungsstrukturierte und Bedeutungen schaffende Handeln der betreffenden Personen konstituiert ist" (Straub 95). Identität bezeichnet eine spezifische Subjektivitätsform, die durch soziokulturelle Handlungs- und Lebensbedingungen beständig geschaffen und aufrecht erhalten werden muss (vgl. Straub 87).

(4) Siehe hierzu die Stellungnahmen österreichischer und italienischer Politiker in Reinhard Olt, "Modellfall Südtirol", Frankfurter Allgemeine Zeitung 24. Juni 2002: 12. Vgl. auch Antony Alcock, "South Tyrol", Minority Rights in Europe. Prospects for a Transnational Regime, Hrsg. Hugh Miall (New York: Council on Foreign Relations Press, 1944): 46-55. Ebenso: Michael Feiler, "South Tyrol - Model for the Resolution of Minority Conflicts?, Review of International Affairs, Vol XLVIII No. 1053/1054 (1997): 10-36.

(5) Meilensteine friedlicher Versuche der Streitbeilegung markieren das Pariser Abkommen bzw. Gruber-De Gasperi-Abkommen (1946), das Erste Autonomiestatut (1948), die UNO-Resolutionen 1960/61, das "Paket" (1969), das Neue bzw. Zweite Autonomiestatut (1972). Siehe hierzu auch: Handbuch zur neueren Geschichte Tirols, 2 Bde. Hrsg. Helmut Reinalter (Innsbruck: Universitätsverlag Wagner, 1993). Rolf Steininger, Südtirol im 20. Jahrhundert (Innsbruck, Wien: Studien-Verlag, 1997). 1992: Ende eines Streits. Zehn Jahre Streitbeilegung im Südtirolkonflikt zwischen Italien und Österreich, Hrsg. Sieglinde Clementi und Jens Woelk (Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2003).

(6) Die Verabschiedung des "Proporzdekrets" von 1976 gilt als eine der wichtigsten Maßnahmen bei der Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst (und in einigen anderen Bereichen wie zum Beispiel bei der Vergabe von Sozialwohnungen). Der ethnische Proporz bedeutet, dass die öffentlichen Stellen in Südtirol "im Verhältnis der drei Sprachgruppen bzw. des Verwaltungsrates in den öffentlichen Institutionen, der Zusammensetzung des Landtages, ausgeschrieben und vergeben" werden. Karl Mittermaier, "Das politische System Südtirols seit 1945", Handbuch zur neueren Geschichte Tirols Bd. 2, Hrsg. Anton Pelinka und Andreas Maislinger (Innsbruck: Universitätsverlag Wagner, 1993) 582.

(7) Siehe hierzu Südtirols Autonomie. Beschreibung der autonomen Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten des Landes Südtirol. Lukas Bonell und Ivo Winkler, Hrsg. Südtiroler Landesregierung (Bozen: Presseamt der Südtiroler Landesregierung, 2000). Das dritte und letzte Autonomiestatut vom Jahre 2001 wertet die Kompetenzbereiche der Provinzen Bozen und Trient auf - das heißt, nicht mehr die Region Trentino-Südtirol, sondern die Provinzen übernehmen künftig die Trägerrolle; das dritte Autonomiestatut stärkt auch wesentlich die Vertretungsrechte der ladinischen Bevölkerung, und die Region darf sich seitdem Trentino Südtirol (vorher: Trentino-Alto Adige) nennen. Diese Umbenennung muss jedoch erst durch eine erneute Änderung des Autonomiestatuts auf Verfassungsebene abgesichert werden. Siehe Südtirol Handbuch 2003, Hrsg. Südtiroler Landesregierung (Bozen: Presseamt der Südtiroler Landesregierung, 2003) 47.

(8) Der 1882 gegründete Medienkonzern Athesia dominiert seit Jahrzehnten die deutschsprachige Medienlandschaft in Südtirol. Athesia gibt unter anderem die auf Wertekonservatismus und regionales Traditionsbewußtsein ausgerichtete Tageszeitung Dolomiten heraus, die mit einer Auflagenhöhe von zirka 70.000 die meistgelesene, deutschsprachige Südtiroler Tageszeitung darstellt. Vgl. Hans Karl Peterlini, Wir Kinder der Südtirol-Autonomie (Wien/Bozen: Folio Verlag, 2003) 166-179. Siehe auch "Krankhaftes Nicken", Der Spiegel Nr. 42, 16. 10. 2000: 260-1.

(9) Die Südtiroler Volkspartei (SVP), eine christlich orientierte Sammelpartei, die sich als Sprachrohr für die deutsche und ladinische Bevölkerung in Südtirol versteht, dominiert seit ihrer Gründung 1945 die Parteienlandschaft in Südtirol. Siehe dazu Mittermaier, 598. Auch bei den jüngsten Landtagswahlen am 26. Okt. 2003 konnte die SVP mit 55,6 % (21 von 35 Sitzen) ihre absolute Stimmenmehrheit aufrechterhalten. Die Alleanza Nazionale erreichte 8,4 % der Stimmen (3 Sitze), gefolgt von Verdi del Sudtirolo / Grüne Südtirols mit 7,9 % (3 Sitze). (Ergebnisse der Landtagswahlen 2003, Hrsg. Landespresseamt der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, <http://wahlen.provinz.bz.it/2003/index_d.htm>. Letzter Zugriff am 10. Februar 2004.

(10) Pallaver 180.

(11) Ebd. 202.

(12) Ebd. 199.

(13) Ebd. 202.

(14) Peterlini a. a. O., 202.

(15) Ebd.

(16) Laut Sprachgruppenzugehörigkeitserklärungen aus dem Jahre 2001, setzt sich der Bezirk Bozen aus 73% Italiener, 26,29% Deutschen und 0,71% Ladinern zusammen. Statistisches Jahrbuch 2003 / Annuario Statistico 2003, Hrsg. Autonome Provinz Bozen-Südtirol. ASTAT Landesinstitut für Statistik. (Bozen, 2003) 114.

(17) Italienische Chauvinisten verstehen laut Langer unter dem ideologieträchigen Begriff Italianità "nicht nur das Italienertum, dessen Nordgrenze sie am Brenner und an der eigens so benannten ,Vetta d'Italia' (Glockenkarkopf im Tauferer Arnthal) als naturgegeben ausmachen, sondern auch die ,l'italianità dell'Alto Adige', den italienischen Charakter Südtirols". Alexander Langer. Aufsätze zu Südtirol 1978-1995, Hrsg. Siegfried Baur und Riccardo Dello Sbarba (Meran/Merano: Alpha & Beta, 1996) 349.

(18) Vgl. Peterlini 190 und 202; ebenso: Armin Gatterer, "Der Ja-Nein-Sieg", ff Südtiroler Wochenmagazin Nr. 42 on-line Ausgabe, 17. 10. 2002; Armin Gatterer, Augenhöhen. Essays zu Politik und Kultur (Bozen: Edition Raetia, 2003) 84.

(19) Gatterer "Der Ja-Nein-Sieg", a.a.O.

(20) Joseph Zoderer, "Von der Ambivalenz einer Sehnsucht". Interview. Innsbruck: Literaturhaus am Inn, 7. 3. 2002. <http://literaturhaus.uibk.ac.at/haus.html>. Letzter Zugriff am 16. Mai 2002.

(21) Zoderer, Interview a.a.O.

(22) Ebd.

(23) Peter Zima, Theorie des Subjekts (Tübingen und Basel: A. Francke Verlag, 2000) 30.

(24) Karl-Heinz Kohl, "Ethnizität und Tradition aus ethnologischer Sicht", Identitäten, Hrsg. Aleida Assmann und Heidrun Friese, 2. Auflage (Frankfurt: Suhrkamp, 1999) 272.

(25) Vgl. Homi K. Bhabha, The Location of Culture (London & New York: Routledge, 1994).

(26) Vgl. Zima 376.

(27) Ebd. 373.


5.8. Literatur versus Nation

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For quotation purposes:
Siegrun Wildner (University of Northern Iowa, USA): Ethnizität und Identität in deutschsprachiger Literatur aus und über Südtirol. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/05_08/wildner15.htm

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