Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 15. Nr. | September 2004 | |
5.13. Geschlecht und Nation:
Narrative kollektiver Identitäten Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures |
Beáta
Méhes (Universität Debrecen/Ungarn)
[BIO]
Abstract:
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Erscheinung der Geschlechter in den Medien, konkret mit der Entwicklung von Frauenbildern von den 60er Jahren bis heute in der Fernsehwerbung im Allgemeinen. Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet der theoretische Teil, die Beschreibung der sozialen Konstruktion der Geschlechter, die Definition von Werbung, Thematisierung ihrer Funktion sowie die Darstellung der Frauen- und Männerrollen und der Geschlechtsstereotypen. Das Thema des zweiten Teils ist Geschlechteridentitäten in der Werbung, welche Charaktermerkmale der Frauenbilder in der Fernsehwerbung im allgemeinen von den 60er Jahren bis heute erscheinen.(z.B. werden Fragen gestellt wie: warum wird Meister Proper durch ein weißes Männchen dargestellt, warum gibt also ein Mann den Frauen auch noch im Haushalt Ratschläge). Die Zielsetzung ist eine Antwort auf die Frage, inwiefern sich die stereotypen Geschlechterrollen und die Arbeitsverteilung im Laufe der Jahre bis heute verändern und wie sich diese Veränderung in der Werbung spiegelt, denn laut der Deutung Sigrid Schmidt und Guido Zurstiege ist die Werbung einerseits Spiegel der Gesellschaft und andererseits zugleich ein Ab- und Vorbild, gestaltet kollektives Lebensgefühl und Mentalitäten in einer Gesellschaft aktiv mit.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Erscheinung der Geschlechter und genauer mit Frauenbildern von den 60er Jahren bis heute, also mit der Entwicklung der Geschlechterdarstellung in der Fernsehwerbung im Allgemeinen. Es werden sowohl medien- als auch literaturtheoretische Texte zum Thema untersucht. Als erstes wird ganz kurz darauf hingewiesen, wie man von der Schrift zu den neuen Medien gelangt. Der Begriff Medium bezieht sich sowohl auf die Schrift, den Buchdruck als auch auf Bild- und Tonträger, digitale Techniken, und zwar im Sinn von Christina von Braun:
Die Schrift wurde als Oberfläche, als Textur und Gewebe wichtig. Sie wurde aber auch begriffen als Voraussetzung für die Entstehung eines imaginären Raums, in dem sich das Subjekt bewegt und verändert. Indem die Schrift als Oberfläche und Zeichen eine Bedeutung gewinnt, wurde sie überhaupt erst in diesem Sinne als Medium, denkbar. Insofern hatte die Forschung auf dem Gebiet der visuellen Techniken einen großen Einfluss auf die Erforschung der Alphabetschrift, die Phoneme in visuelle Zeichen überführt.(1)
Christina von Braun meint, dass die Omnipräsenz der Medien und technischer Bilder heutzutage die Aktualität der Medienwissenschaft ergibt. Kein anderer Wissenschaftsbereich hat so viele gemeinsam mit den Gender-Studien wie die Medienwissenschaften, innerhalb derer zu diesem Thema die Filmtheorie am wichtigsten ist, da sie sich mit dem Problem der Subjektkonstitution beschäftigt. Aufgrund der traditionellen Geschlechterauffassung wird Männlichkeit mit Subjekt, Sehen, Weiblichkeit mit Gesehen-Werden, Objekt identifiziert. Diese Gender-Aspekte des Sehens kennzeichnen die Geschlechterrollen.
Christina von Braun spricht von einem fließenden Subjektbegriff im Falle des Kinos, sie erkennt "eine doppelte Form von Subjektbildung, in der sich der Zuschauer und Betrachter sowohl mit dem Sehen als auch mit dem Gesehen-Werden identifiziert."(2) So werden die Grenzen zwischen den Geschlechtern undeutlich und die traditionelle Geschlechterordnung fragwürdig. Um deren Schilderung und die spätere Verwischung der Ungleichheiten der Geschlechter in der Werbung, in Werbefilmen - denn manche Werbespots können als narrative Kurzfilme angesehen werden, in denen der Mehrwert eines bestimmten Produkts mitgeteilt wird - geht es in dieser Arbeit.
Ausgangspunkt des Ganzen ist die Theorie zur sozialen Konstruktion des Geschlechts. Als erstes stellt sich die Frage, wie sich Gender Studies beziehungsweise der Begriff "gender" definieren lassen. Ziel dieses theoretischen Teils ist es, zu zeigen, dass es unzulänglich ist, Geschlechterdifferenz nur aufgrund biologischer Unterschiede zu erklären. Gender Studies nahmen ihren Anfang in der Frauenbewegung. Die Begriffe Sex-Gender wurden erstmals in den 1950er Jahren in den medizinisch-psychiatrischen Diskussionen im Zusammenhang mit einer Studie über Transsexualität voneinander unterschieden. Weiterentwickelt wurde die Thematik 1968 von Robert Stoller in dessen Studie: "Sex and Gender: On the Development of Masculinity and Femininity".
Die begriffliche Differenzierung der sozialen und biologischen Aspekte der Geschlechtlichkeit wurde dann von der feministischen Theorie aufgenommen. Marie-Luise, Angerer und Johanna, Dorer (1994) differenzieren zwischen dem radikalen, dem liberalen und dem linken Feminismus, die je einzeln die Frauenforschung beeinflussten. Als Forschungsrichtung sind Gender Studies im Wesentlichen aus der Frauenforschung hervorgegangen. Der radikale Feminismus setzte die Gleichwertigkeit der Frauen voraus. Ziel war es, die Frauen und ihr Leben zur Geltung kommen zu lassen. Der linke Feminismus ging von einer kulturellen Sozialisation aus, meinte, dass die Geschlechterdifferenzierung in den ungleich verteilten Produktions- und Reproduktionsbedingungen begründet sei - nach Angerer/ Dorer, als ausschlaggebend betrachtete man die Trennung der öffentlichen und privaten Räume, der bezahlten Berufsarbeit und unbezahlten Hausarbeit. Die Frauenforschung untersuchte gesellschaftliche Unterschiede, die aufgrund des Geschlechts hervorgerufen wurden. Der liberale Feminismus in den 80er Jahren deutete das Geschlecht als eine soziale Strukturkategorie. Da der Begriff "Geschlecht" die natürliche biologische Assoziation hervorruft, wurde für Soziokulturelles der Begriff "gender" eingeführt.
Es geht hier um eine bewusste Trennung von Gender, dem sozialen, und Sex, dem biologischen Geschlecht. Gender muss sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene aufgegriffen werden. Gender als Institution tritt als Prozess der Schaffung sozialer Unterschiede, als Struktur von Arbeitsteilung, Sexualität und Gefühlsleben auf. Gender auf individueller Ebene charakterisiert die Identität des Individuums.
Als dritter Aspekt kann der dekonstruktivistische Ansatz genannt werden. In den 90er Jahren trat infolge der dekonstruktivistischen Ansätze in den USA eine Änderung ein in den Gender Studies im deutschsprachigen Raum, ausgelöst insbesondere durch Butlers Schrift "Das Unbehagen der Geschlechter". Die "sex/gender" Dichotomie wird in die Kategorie "gender" aufgelöst, da nach dem dekonstruktivistischen Ansatz selbst biologische Unterschiede als sozial konstruiert verstanden werden. Gender Studies arbeiten mit einem interdisziplinären Ansatz und kombinieren Fragestellungen aus Sozial-und Naturwissenschaft.
Im weiteren wird die Frage gestellt wie Geschlechteridentitäten in der Werbung dargestellt werden. Als Basis wird die Funktion der Werbung thematisiert und geschildert, welche Rollen- und Geschlechterstereotype von Frauen und Männern sie darstellt. Geschlechterrollen sind die für das jeweilige Geschlecht als angemessen betrachteten und kulturell erwarteten oder vorgeschriebenen Verhaltensmerkmale, wie z. B. Einstellungen, Interesse, Fähigkeiten. Geschlechterrollen beachten also keine individuellen Unterschiede, sondern kategorisieren Menschen in zwei Gruppen: Männer und Frauen und weisen diesen Kategorien bestimmte Merkmale zu. Es kann hier auch von Geschlechterstereotypen gesprochen werden. Stereotype sind stark schematisierte Vorstellungen über Verhaltensmerkmale von anderen Menschen, Gruppen. Die Geschlechterrollen gelten aber nicht global, sondern in einem geschlossenen kulturellen Raum. Diese Rollen werden unter anderem durch die Massenmedien kommuniziert, durch Werbung zum Beispiel.
Die Werbung wird nach systemtheoretischen Konzeptionen als ein soziales System definiert. Diese Definitionen lassen sich nach Siegfried Schmidt/Guido Zurstiege in zwei Ansatzpunkten fassen: Werbung ist ein eigenständiges Subsystem des Wirtschaftssystems und spricht wie die Wirtschaft die "Sprache des Geldes". Man kann sie aber auch als "eigenständiges und autonomes gesellschaftliches Funktionssystem konzipieren"(3), wenn der Schwerpunkt darauf gelegt wird, dass die Funktion der Sozialsysteme darin besteht, "Informationen über sich selbst zu erlauben."(4) Schmidt/Zurstiege heben als wichtigstes Charakteristikum der Werbung das Ziel hervor, durch Produktion und Distribution von Medienangeboten bei bestimmten Zielgruppen "zwangfrei folgenreiche Aufmerksamkeit"(5)
für die gewünschten Produkte, Personen oder Leistungen hervorzurufen. Um diese wünschenswerte Aufmerksamkeit erregen zu können, werden von der Gesellschaft als positiv anerkannte Werte und Normen, kulturelle Muster und Bedürfnisse konsequent verwendet, alles aber, was auf die Überzeugungskraft negativ wirken könnte, wird gezielt ausgeblendet. Die Werbung übermittelt insoweit eine verschönerte "Realität", "keine verbindlichen Realitätsentwürfe."(6) Schmidt formuliert also eine "Ausblendungsregel: Werbung produziert und präsentiert ausschließlich positive Botschaften."(7) Mittels dieser Parteilichkeit und dem Verlangen nach "affektiv besetzter Zustimmung"(8) verfolgt die Werbung nicht das Ziel, die Empfänger zu kritisieren und zu bilden, sondern ausschließlich Bedürfnisse zu erwecken.
Werbebilder bedeuten also "imperative Bilder", sie operieren nicht nach dem Kriterium, wie Dinge sind, sondern wie sie sein sollen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden alle kulturellen Darstellungsmuster vereinzelt, entkontextualisiert und neu zusammengestellt. Damit ergibt sich - so Schmidt - ein anderes Charakteristikum der Werbung: sie sei "gefräßig".
Schmidt nennt als einen wichtigen Faktor der werblichen Mitteilung die Zeit, die im doppelten Sinne zu verstehen ist, erstens müssen Werbemaßnahmen ihre ökonomische Wirkung rasch beweisen, zweitens soll man unter Zeit "Tempovorteil der Themen" verstehen, "das heißt Themen, zu denen man schnell etwas beitragen kann und die schnell verstanden werden können."(9) Unter Berücksichtigung dieser Prämissen, erwähnen Schmidt und Zurstiege zwei Deutungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Verhältnis der Werbung zur Gesellschaft: einmal Werbung als Spiegel der Gesellschaft, zum anderen die Erklärung der Werbung als aktiver Interaktionszusammenhang, "der - Abbild und Vorbild zugleich - kollektives Lebensgefühl und Mentalitäten in einer Gesellschaft aktiv mitgestaltet."(10)
Schmidt stellt mit Bezug auf Jean Baudrillard fest, dass Werbung "eine überflüssige und unwesentliche Welt" sei, "reine Konnotation"(11) und als kulturelles Objekt konsumiert wird . Baudrillard vergleicht in seinem 1968 erschienenen Buch "Le systéme des objets" die Werbung mit einer Fabel. Werbebilder haben etwas fabelhaft Naives, fundieren auf kindlichen Erkenntnissen des " Umsorgtwerdens durch die Mutter und des Beschenktwerdens durch den Weihnachtsmann."(12)
Dementsprechend meint Baudrillard, dass die Effizienz der Werbung nicht auf ihrer Überzeugungskraft und ihrem Informationsgehalt basiert sondern auf der "suggestiven Botschaft"(13), auf der "Logik des Glaubens und der Repression"(14), sie beschenkt, umsorgt den Rezipienten, das auf Gewinn und Profit gerichtete Verhältnis verwandelt sich in einen persönlichen Kontakt mit dem Konsumenten. Mit Baudrillards Terminologie wird diese Wirkung als "sanfte Litanei der Gegenstände"(15) bezeichnet. Dieses Verhältnis hat aber zwei Seiten, für das Umsorgtwerden müssen die Konsumenten Gegenleistung erbringen, "ihre Bereitschaft zum Entgegenkommen und zur Anpassung zeigen."(16)
Der Kauf, der kommerzielle Aspekt wird außer acht gelassen, die Anpassung der Individuen an die Gesellschaft wird hervorgehoben, indem die Werbung "den Gegenstand zur Dienstleistung, zum persönlichen Verhältnis zwischen dem einzelnen und der Gesellschaft stilisiert."(17) Dieser Wunsch zum Anschluss wird aber nicht erfüllt, da
das tatsächliche Funktionieren der Werbung und des Marktes die wirkliche Gesellschaft nicht berücksichtigt. Die durch die Werbung als wünschenswert dargestellten Produkte werden von allen gleichermaßen ersehnt. In den Zeichen der Werbung rekonstruiert sich die Massengesellschaft als Kollektivität.(18)
Schmidt spricht also von drei Dimensionen im Zusammenhang mit der Werbung, sie bezieht sich "auf Ökonomie, auf die Kognition von Rezipienten sowie auf gesellschaftliche Kommunikation, [...] die die gesamtgesellschaftliche Kommunikation seit den fünfziger Jahren zunehmend beeinflusst hat."(19)
Anhand der beiden oben genannten soziologischen Deutungsmöglichkeiten und der darin enthaltenen Hypothesen über das Verhältnis Werbung-Gesellschaft stimmt man in der Auffassung vom starken Bezug der Werbung zur Thematik der Geschlechterunterschiede überein. Werbung ist laut Schmidt "ein in seiner Wirksamkeit kaum zu überschätzender Faktor der Sozialisation und Lebensstilgestaltung."(20) Erotische Motive, Verführung, Sinnlichkeit durch Frauenkörper und Sexualität nehmen in ihr eine zentrale Rolle ein. Schmidt definiert das Geschlecht einer Person als "jene identitätsstiftende Kategorie, die von den meisten Menschen in ganz besonderer Weise als Kern des eigenen Selbst empfunden wird."(21) Die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen, sei "stärker als andere Basisdichotomien", da sie "elementarer Bestandteil jeder Selbstwahrnehmung" und "eine der entscheidendsten Variablen menschlicher Identität und Differenz"(22) sei. Werbedarstellungen fundieren auf der Gewissheit, was als männlich und was als weiblich einzuordnen ist.
Diese beiden Kategorien werden in der Gesellschaft nicht als gleichwertig betrachtet sondern wichtige Unterschiede zwischen Frauen und Männern sind festzustellen, und diese Unterschiede sind Teile eines hierarchischen Systems. In der Werbung werden Mann und Frau als völlig verschiedene Wesen angesehen. Ganz neutrale Produkte bekommen in den Werbeanzeigen geschlechtsspezifische Konnotation, wie Kleidung, Produkte der Körperpflege des täglichen Bedarfs. Autos, Uhren, Schokolade, Telefone bekommen eine eindeutig männliche oder weibliche Kennzeichnung. Öffentliche Räume werden auch nach Geschlecht eingestuft, und nicht zum für Frauen. Zum Beispiel erscheint eine Auto fahrende Frau attraktiv und von Gefühlen geprägt, ein Auto fahrender Mann von Vielseitigkeit und Toleranz.
Die Trennung der Produkte nach Geschlecht ist auch schon bei Kinderwerbung zu beobachten, Buben treten für Konstruktionsspiele (Lego, Baufix) und Mädchen für Teddybären auf. Die Jungen möchten bauen und lernen, einfach kreativ sein. Schmidt spricht von "expressiven (weiblichen) und instrumentellen (männlichen) Beschäftigungen."(23)
Bei der Beschreibung der Frauenbilder stütze ich mich auf die Klassifizierung der Frauen von Christiane Schmerl und die Unterscheidung der drei Ebenen von Weiblichkeit durch Sigrid Weigel. Matthias Marschik und Johanna Dorer sprechen in Bezug auf Schmerl in ihrem Artikel (Sexismus in der Werbung) über die sieben typischen "Rezepte" der Werbung in Verbindung mit Frauen:
Bei Ute Frevert findet man hinsichtlich der Bedeutung von Weiblichkeit folgendes Zitat aus dem "Brockhaus":
Nahezu alle zugeschriebenen Merkmale, die als weiblich bezeichnet werden, resultieren aus den in den verschiedenen Gesellschaftsformen vorherrschenden Rollen der Frau und deren Überlieferung mit Hilfe spezifischer Erziehungspraktiken. Die vorhandenen biologischen Unterschiede sind verhältnismäßig belanglos und mehr Anstoß als Ursache für die sozial verschiedenartige Formung der Rolle von Mann und Frau in der Gesellschaft.(25)
Weigel unterscheidet drei Ebenen der Weiblichkeit: eine ideologische Ebene, bedeutet Weiblichkeitsmuster, Frauenbilder, die in der männlichen Ordnung entstanden sind, es ist die Ebene der Entindividualisierung der Frau; eine zweite, empirische Ebene zeigt tatsächliche Verhaltensweisen, Erfahrungen und Ausdrucksformen und eine dritte, utopische Ebene mit autonomen Perspektiven und Wahrnehmung der Frau, keine Abhängigkeit vom Mann mehr. Im gesamtgesellschaftlichen Kontext läßt sich die ideologische Ebene auf die Vergangenheit, die empirische auf die Gegenwart und die utopische auf die Zukunft beziehen. Sie stellen somit einen Entwicklungsprozess dar. Die Frauenbilder der Werbung in den 60er und 70er Jahre würden, dieser Theorie entsprechend, der ersten, ideologischen Ebene angehören. Nach der Typologisierung von Schmerl kann in diesem Zeitraum zwischen der Frau als Sexobjekt, der Frau im Haushalt und der der typischen weiblichen Schwächen, wie Unbeholfenheit, unterscheiden. Für die 60er Jahre ist das Bild der geistig minderbemittelten, hilflosen Frau dominant: eine frauendiskriminierende Werbung. Die ideale Frau der Werbung dieser Zeit erscheint in Klischees wie Sexobjekt, Ehefrau und Mutter zugleich. Die Räume der Frauen und der Männer wurden eindeutig abgegrenzt. Heim und Haushalt sind die für die Frauen geeigneten Gebiete. Elisabeth Beck-Gernsheim meint: "Je mehr der Mann hinaus muss in die feindliche Welt, desto mehr soll die Frau, voll und rein und schön, bleiben [...] soll sie für den Mann einen Ausgleich schaffen, eine 'Oase des Friedens'."(26) Sie führt den Haushalt mit Leichtigkeit, beschäftigt sich mit Ernährung, Pflege und Erziehung, erscheint vor dem Mann immer anziehend. Sie ist immer tätig, schick gekleidet. Diese Fraugestalt bewegt sich übertrieben fleißig und unterwürfig gegenüber Männern in der Küche, während sie im Berufsleben nicht vorankommt, keine Karriere macht, wenn sie überhaupt berufstätig ist. Falls doch, dann übt sie nur typische Frauenberufe aus, wie Sekretärin oder Stewardess. Im Mittelpunkt steht ihr Aussehen. Durch Attraktivität erregt sie die Bewunderung des Chefs, sie lässt sich dauernd von anderen männlichen Kollegen beraten.
Frauendarstellungen in der Werbung stellen glückliche Hausfrauen dar, weil z. B. das Putzmittel so gut duftet. Die Wirksamkeit der Produkte wird ihnen durch einen männlichen Wissenschaftler oder durch eine männliche Off-Sprache erklärt. Die in der Werbung der 60er Jahre übermittelten Rollenstereotype gingen parallel mit der gesellschaftlichen Entwicklung und verstärkten sie.
Die 70er Jahre werden ähnlich den 60ern durch Klischees wie infantile Frau und starker Mann geprägt. Weiblichkeit wird mit Schwachheit und Unterordnung assoziiert, Männlichkeit mit Stärke und Rationalität. Frauen treten in privaten Bereichen auf, Männer hingegen zeigen sich häufiger in öffentlichen Räumen. Durch nonverbales Verhalten zeigen die Männer ihre Überlegenheit. Die Frau steht unter der Obhut des Mannes, deshalb trennt er sie mit seinen Händen von der umgebenden Szene ab. Sie markiert ihre Einwilligung mit einer unsicheren Körperhaltung (Neigen des Kopfes, Anziehen der Knie).
In den 80er Jahren ist das Leben der Ehefrauen begehrenswert, sie leben unter luxuriösen Umständen, in unzähligen Werbeanzeigen sieht man sie in eleganten Kleidungsstücken liegend am Kaminfeuer. Mit einem Glas Champagner in der Hand. Diese Frauen erledigen im Haushalt nichts, haben keinen Beruf, dagegen haben die Männer Berufe wie zum Beispiel Anwalt oder Schauspieler, außerdem kümmern sie sich um alles im Haushalt und in der Familie. Die Frauen dieser Periode sind faulenzerisch, sie tragen Kleidungs- und Schmuckstücke der gehobenen Gesellschaft. Die tätige Frau der 80er Jahre erscheint nur beim Einkaufsbummel, verschwenderisch angezogen und von bewundernden Männerblicken umhüllt. Man sieht in der Werbung fertige Hausarbeit, gedeckte Tische, Töpfe mit dampfenden Braten, diese weisen auf eine rege Küchentätigkeit hin, manchmal kann man sogar einen Mann im Haushalt entdecken. Wichtig ist, dass die Frauen nichts mehr tun müssen, da die verschiedensten Geräte alles für sie verrichten. Laut der Typologisierung von Schmerl sind hier Frauenbilder zu finden, die in die Kategorien Frau/Produkt, emanzipierte Frau und kosmetische Zwangsjacken hineinpassen würden, da die Frauen vor allem als Dekorationsobjekt an der Seite des Mannes fungieren. Männer lächeln weniger als Frauen, sind viel ernster, ausgeglichener, treten als dominante Personen auf, bei denen die Frauen Unterstützung finden können. Nach Sigrid Weigels Aufteilung sind die 80er Jahre als eine Übergangsphase zur dritten Ebene der Emanzipation anzusehen. Ab den 80er Jahren vermehren sich die modernen Bilder, auch Singles, Väter, Karrierefrauen erscheinen.
Die Frauen der 90er Jahre erscheinen als Karrierefrauen, der ideale Mensch der Werbung dieser Jahre ist jung und strahlend. Die Frau wird nicht mehr ständig während ihrer langweiligen Haushaltsarbeit gezeigt, sondern vielseitig in mehreren Situationen, unter mehreren Aspekten im Kreis ihrer Freunde und Familienmitglieder oder mit dem Liebespartner. Die Geschlechter werden immer noch anhand typischer Charaktermerkmale gekennzeichnet, die Frau ist jung, gütig, empfindlich, liebevoll, gefühlvoll, der Mann ist fast immer älter als die Frau, kräftig, sympathisch, cool und bestimmend. Hausarbeit bleibt aber auch in dieser emanzipierten Gesellschaft hauptsächlich eine Pflicht der Frauen. In den Werbeanzeigen treten immer weniger Personen auf, Produkte die alles "selbständig" erledigen werden modisch.(z. B. Meister Proper, weiße Cif-Männchen). Im Bereich des Haushalts dominieren sie und unterstützen sprachlich die Produktpräsentation. Man stellt sich die Frage, warum das weiße Männchen, ein Mann also den Frauen Ratschläge im Haushalt gibt. Männliche Off-Sprecher kommen in der Werbung dominant vor, unabhängig vom Geschlecht des Adressaten, weil der männlichen Sprache größere Wirkung zugesprochen wird. Im Bereich der Technik kann man, quantitativ gesehen, die Vorherrschaft männlicher Off-Stimmen bemerken, auf dem Gebiet der Kosmetik ist das Verhältnis der Sprecher und Sprecherinnen ausgewogen.
Die neue Frau erscheint immer vollkommen gekleidet, schlank, jung und selbstbewusst, erfolgreich und nach Unabhängigkeit strebend, doch erblickt man sie in einer stark reduzierten Anzahl von Berufen wie zum Beispiel Boutiquenbesitzerin oder Filmstar. Die Büroarbeit bedeutet für sie kein Problem, wird von Maschinen erledigt. Die neue Frau ist Schaufensterpuppe während die Männer unterhaltsam und mehrdimensional wirken.
Schmidt erkennt zwei Typen von älteren Frauen in der Werbung der BRD: Den traditionellen Typ, "die pflichtbewusste und bescheidene Rentnerin und Großmutter, die Mütterlichkeit ausstrahlt"(27), und - in den 90er Jahren - die emanzipierte ältere Frau "in Verbindung mit für sie ungewöhnlichen Produkten"(28) , wie Freiheit, Abenteuer, Luxus. Die heutige Werbefigur ist die "sich selbst verwirklichende Frau, die ebenso als junge Individualistin auftreten kann wie als aggressive, androgyne oder coole Gestalt"(29) , meint Schmidt. "Diesen Frauen werden auch Wut und Aggression zugestanden, sie verführen, ohne sich selbst verführen zu lassen, und ihr Individualismus steht in deutlichem Kontrast zu den traditionellen weiblichen Tugenden des Verzichtens und aufopfernden Dienens."(30)
Bis heute fokussiert die Forschung bei den Darstellungen der Geschlechter auf die Untersuchung der Frauen- und Mädchenbilder, die Männer werden nur am Rande beachtet. Schmidt/Zurstiege erklären dieses Phänomen damit, dass Frauen eine Sondergruppe der Gesellschaft bilden während Jungen und Männer als das Gewöhnliche betrachtet werden. "Männlichkeit wird damit stillschweigend vorausgesetzt und bleibt unreflektiert. Die Kritik am Patriarchat führt so zu der Verdopplung jener Strukturen, deren Enttarnung eigentlich beabsichtigt war."(31)
Wie schon in der Einleitung erwähnt wurde, spricht Christina von Braun von einer "Verwischung der Grenzen zwischen den beiden Geschlechtern"(32) bereits um 1900, die schon auf die Medientheorie des späten 20. Jahrhunderts großen Einfluss hat. Die heutige Werbung ist zwar noch immer an geschlechtsstereotype Schilderung gebunden, doch erscheinen moderne, emanzipierte Tendenzen, Themen in der Darstellung der Geschlechter.
© Beáta Méhes (Universität Debrecen/Ungarn)
ANMERKUNGEN
(1) Von Braun, Christina/ Stephan, Inge: Gender Studien. Eine Einführung. Metzler 2000. S. 307.
(2) ebd. S. 302.
(3) Schmidt, Siegfried J. : Kalte Faszination. Velbrück Wissenschaft 2000. S. 234.
(4) ebd. S. 234.
(5) ebd. S. 235.
(6) ebd. S. 236.
(7) ebd. S. 235.
(8) ebd. S. 236.
(9) ebd. S. 237.
(10) ebd. S. 238.
(11) ebd. S. 238.
(12) ebd. S. 238.
(13) ebd. S. 238.
(14) ebd. S. 239.
(15) ebd. S. 239.
(16) ebd. S. 239.
(17) ebd. S. 239.
(18) ebd. S. 239.
(19) ebd. S. 241.
(20) ebd. S. 242.
(21) ebd. S. 242.
(22) ebd. S. 243.
(23) ebd. S. 244.
(24) Marschik, Matthias/ Dorer, Johanna: Sexismus (in) der Werbung: Geschlecht, Reklame und Konsum. In: Medien und Werbung. 2002. S. 37.
(25) Frevert, Ute: Mann und Weib und Weib und Mann. Geschlechter-Differenzen in der Moderne. München 1995. S. 37.
(26) Schmidt: Kalte Faszination, a.a.O. S. 219.
(27) ebd. S. 257.
(28) ebd. S. 257.
(29) ebd. S. 258.
(30) ebd. S. 258.
(31) ebd. S. 249.
(32) Von Braun/ Stephan: Gender Studien, a. a.O. S. 302.
LITERATURVERZEICHNIS
1. Angerer, Marie-Luise/ Dorer, Johanna (Hg.): Gender und Medien. Theoretische Ansätze, empirische Befunde und Praxis der Massenkommunikation. Ein Textbuch zur Einführung. Wien 1994.
2. Frevert, Ute: Mann und Weib und Weib und Mann. Geschlechter-Differenzen in der Moderne. München. Beck 1995.
3. Marschik, Matthias/ Johanna, Dorer: Sexismus (in) der Werbung: Geschlecht, Reklame und Konsum. Medien und Werbung. Dezember 2002.
4. Schmidt, Siegfried J.: Kalte Faszination. Velbrück Wissenschaft 2000.
5. Von Braun, Christina/ Stephan, Inge: Gender Studien. Eine Einführung. Metzler 2000.
6. http. www.google.com/Frauenbilder in der Werbung
5.13. Geschlecht und Nation: Narrative kollektiver Identitäten
Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections
Inhalt | Table of Contents | Contenu 15 Nr.
For quotation purposes:
Beáta Méhes (Universität Debrecen/Ungarn):
Frauenbilder in der Werbung. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für
Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/05_13/mehes15.htm