Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 15. Nr. August 2004
 

8.2. Das "allgemeine Menschenrecht" auf mehrsprachigen Elementarunterricht
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Wolfgang Gombócz (Graz)

Buch: Das Verbindende der Kulturen | Book: The Unifying Aspects of Cultures | Livre: Les points communs des cultures


Das allgemeine Menschenrecht von Kindern auf mehrsprachigen Grundschulunterricht als Reformerweiterung der allgemeinen Schulpflicht

Wolfgang Gombócz (Karl-Franzens-Universität Graz)

 

Zusammenfassung: Die absolute, ausnahmslose und menschenrechtsartige Verpflichtung von Eltern und von primären Gemeinschaften (und das nicht nur ersatzweise bei Ausfall der Eltern), jedes Kind "vom ersten Tag nach der Geburt an", auch als Erwachsen-d-en mindestens zweisprachig (bevorzugt: mehrsprachig) zu erziehen bzw. ab ovo multilingual auszubilden sowie die Fortsetzung dieser allgemein-menschenrechtlichen Verpflichtung in den Kindergarten (in den Vorschul-) und in den Elementarschulunterricht hinein, soll erörtert und nach Möglichkeit plausibel gemacht werden. Das Ziel der Verwirklichung dieses - weithin ignorierten und in den UNO-Menschenrechtsdokumenten (noch) nicht enthaltenen - Grund- und Menschenrechts liegt in funktioneller aktiver Mehrsprachigkeit aller Menschen. (Der sich erübrigende Hinweis, dass es sich hier nicht um eine Besonderheit oder "Sonderregelung" für Eltern und Kinder innerhalb sprachlicher Minderheiten dreht, sondern um ein allgemeines, universelles Menschenrecht jedes jungen Menschenkindes, jedes Erwachsenden, sei in Klammern angefügt. Ein Vergleich dieses allgemeinen Kinderrechtes auf multilinguale Erziehung mit - beispielsweise - einem menschenrechtsartigen Versklavungs-, Verstümmelungs- oder Folterverbot legt sich nahe.) Allerdings ist festzuhalten, dass Sprachprobleme ("Lesemängel") bei Migranten- oder Flüchtlingskindern im gesetzlichen Pflichtschulalter in einer mehrsprachigen Elementarschule (das ist in Österreich in der Volksschule) für alle, d. h. in einer allgemeinen multilingualen Alphabetisierung aller Kinder eines Staatsgebietes ab ovo, (ver)schwinden werden.

"Kindergartenpflicht für Ausländer", "Kindergarten für alle, wenn's sein muss auch verpflichtend", "Gusenbauers Kindergartenpflicht wäre europaweit einzigartig", "Niemand folgt SP-Chef in Zwangskindergarten", "Migrationsforscher fordern zweisprachige Systeme", "Leseleistung von Zuwandererkindern: Schlechte Leser in Prozenten ..." - solche und ähnliche Überschriften lesen wir Ende Jänner 2004 in unseren österreichisch-inländischen Zeitungen(1) im Anschluss an den Vorstoß eines österreichischen Parteivorsitzenden zur Behebung von Lesemängeln bei Kindern anderssprachiger Mitbewohner Österreichs (Migranten, Immigranten, Flüchtlinge, "Ausländer") - und eine Ablehnungsfront ungeheurer Wucht trifft den tollpatschig-extrovertierten und sich selbst post festum mehrfach missdeutenden Redekünstler, der sich - anstatt die Volksmassen aufzurütteln - beim Sturz aus ungesicherten Höhen vor aller Augen unheilbare Serienrippenbrüche zuzieht. Wir alle sollten dem Volkstribunen indes zu Hilfe eilen, wir alle sollten ihm doch in den "Zwangskindergarten"(2) der Vorschulerziehung aus staatlichen Finanzmitteln folgen! Warum das? Wer Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 [= AEM] kennt, kann dem hier - im engeren Sinne des ungeschickten Redekünstlers ganz eigentlich geschickt ausgeweiteten und - vorgetragenen Gedankengang zu folgen bzw. nach-zu-denken versuchen. AEM-Artikel 26 lautet auf das Wesentliche komprimiert: Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Der Unterricht muss wenigstens in den Elementar- und Grundschulen unentgeltlich sein. Der Elementarunterricht ist obligatorisch. [...] Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziele haben. [...] In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen.

Soweit das altehrwürdige AEM-Zitat. Ich füge in den mehr als fünfzig Jahre alten AEM-Text von 1948 nun die meines Erachtens fehlenden Adjektive ein und adaptiere den Wortlaut im Sinne der hier vorzutragenden Innovation eines allgemeinen menschenrechtsartigen Kinderrechtes auf multilinguale Erziehung: Jeder Mensch hat das Recht auf mehrsprachige Bildung. Der multilinguale Elementarunterricht ist obligatorisch. [...] Die mehrsprachige Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziele haben. In erster Linie haben die Eltern von Geburt der Kinder an die Pflicht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden multilingualen Sprachausbildung zu bestimmen.

Wie bitte? Was bitte? Die allgemeine Schulpflicht ist weltweit und längst zum unveräußerlichen Grundrecht eines jeden jungen Erdenbürgers geworden, welches seinen Eltern die entsprechende Pflicht - wie wir sehen werden: die Pflicht auch mehrsprachiger Alphabetisierung - unveräußerlich und ausnahmslos auferlegt. Niemand betrachtet heute diese so genannte Schulpflicht als einen Zwang oder gar als Vergewaltigung eines Heranwachsenden, nirgendwo gibt es heutzutage etwa noch systematische Versuche, die Erfüllung dieser "Pflicht" zu umgehen bzw. zu hintertreiben. Vielmehr ist aller Orten davon die Rede, dass primäre und sekundäre Gemeinschaften den Eltern bei der Erfüllung dieser ihrer Sprachelternpflichten beizustehen haben. 1977/1978 hieß es dazu in Colorado [USA], wo ich - der Visiting Professor an der University of Colorado at Boulder für ein volles akademisches Jahr - mit meiner fünfjährigen Tochter in einem jener Bundesstaaten mit gesetzlicher Grundschulpflicht ab dem fünften Lebensjahr lebte: No child left behind! (Der großzügige Förderunterricht für meine Tochter in der University Hill School führte schließlich zu einer voll funktionellen Sprachbeherrschung des Amerikanischen, die bis heute anhält.) Am Reden, Schreiben, Lesen, Buchstabieren und Rechnen führt kein Erwachsen der Erwachsenden vorbei, vielmehr ist es von Kindesbeinen an deren tägliches Brot. Während primäre und vor allem sekundäre Gemeinschaften allen Kindern mit Erreichen des sechsten (manchmal des fünften) Lebensjahres die Erziehung im Elterhaus bzw. im Familienverband durch den obligatorischen Schulbesuch "ergänzen", ja ganz eigentlich diese Grundausbildung im Wesentlichen übernehmen und die Eltern damit auch entlasten, muss die Spracherziehung mit dem Ziel funktioneller Multilingualität zurück in das Vorschulalter selbst hineinreklamiert werden. Die Leistung der mehrfachen Spracherziehung ab ovo zu erbringen, sind in erster Linie die Eltern, Mutter und Vater, gefordert, d. h. die primären Erziehungsberechtigten und zugleich zur multilingualen Sprachausbildung Verpflichteten, welche auch immer und ganz allgemein die (verpflichteten) Normempfänger des entsprechenden kindlichen Menschenrechtes sind, wobei kontingenterweise einsprachige Eltern selbstredend der "mehrsprachigen Ergänzung" bei der Erfüllung dieser Elternbildungspflicht durch die öffentliche Hand bedürfen. Bezogen auf ein frühest mögliches Eintrittsalter sind die französischen Écoles maternelles als Vorbild zu nennen, die in Frankreich von beinahe hundert Prozent der Kinder ab dem dritten Lebensjahr besucht werden: Diese Institution gibt es in Frankreich seit mehr als hundert Jahren schon! In Großbritannien wird neuerdings die Ausweitung der Vorschulerziehung in "Early Excellence Centres" angeboten. Doch wie halten es diese "traditionellen" Schul- und Bildungssysteme mit der multilingualen Spracherziehung aller Kleinkinder?

In Österreich, in Südtirol oder auch in der Schweiz kennen wir zwei- oder dreisprachige Unterrichtsmodelle aus den Beispielen funktionierender Minderheitenschulen. In unserer Republik gibt es diesbezüglich de facto hie eine bessere und dort auch eine schlechtere "Versorgung" der so genannten autochthonen (indigenen) Volksgruppen in ihren Schulen und Kindergärten. (In Österreich betrifft dies die Kroaten, die (Burgenland-)Roma und Sinti, die Slowaken, Slowenen, Tschechen und Ungarn.) An einer (angestrebten funktionellen) Multilingualität, mindestens an einer "obligatorischen" Bilingualität von Volksgruppen- bzw. Minderheitenkindern(3) führt kein Weg vorbei; dass diese Mehrsprachigkeit nicht mehr und nicht weniger als eine besondere Form innerhalb einer allgemein anzustrebenden funktionellen Multilingualität aller Menschen darstellen soll, ist nach Auffassung des Verfassers dieses Thesenpapiers die direkte Konsequenz aus einer menschenrechtsartigen "Eigenschaft" (siehe besonders These 5 unten) aller Menschenkinder. Mit anderen Worten ausgedrückt: Wie unseren Vorvätern und Vormüttern die - noch nicht so sehr althergebrachte - Schulpflicht zum "einfachen" Menschenrecht auf Bildung wurde, so erkennen wir heute, dass unsere eigenen Kinder und Enkel ein Recht besitzen, mehrsprachig aufzuwachsen, und auch dies wiederum ab ovo, vom ersten Tag nach der Geburt an. Symbolisch könnte man die Muttermilch aus zwei Brüsten mit dem Denk- und Redestrom aus zwei unterschiedlichen elterlichen Idiolekten ("Zungen"; linguae) parallelisieren. Der doppelte natürliche Milchstrom lässt das Kind ebenso wachsen wie der doppelte natürliche Rede- und Denkfluss aus beiden Eltern erwachsen. Der eingangs zitierte extrovertierte SP-Redner vom Jänner 2004 soll sein "verpflichtendes" kindliches Sprachförderungsprogramm wie folgt formuliert haben (Der Standard, 23.1.2004, S.7): Alle Kinder, Österreicher und Zuwanderer, müssen die Chance haben, in einen Kindergarten zu gehen. Das letzte Kindergartenjahr soll wie eine Vorschule geführt werden, mit spielerischen Leseprogrammen. Und er will mehr Ganztagsschulen. [...] Bei der Primärbildung "muss auf die Muttersprache der Kinder Rücksicht genommen werden" - also ein zweisprachiges System. - Doch, so fragen wir hier, wie halten es derlei Ideen mit der multilingualen Spracherziehung aller Kinder? Darauf soll nun in den Thesen über das allgemeine menschrechtsartige Kinderrecht auf multilinguale Spracherziehung eine Antwort gesucht werden:

Erste These: Anzustreben ist Zwei- bzw. Dreisprachigkeit ab ovo mit dem Ziel funktioneller Multilingualität(4) aller Menschen! Zweisprachigkeit, sei sie natürlich(5), sei sie eine Folge der "erzwungenen" bzw. der obligatorischen Erlernung der Staats-, der Unterrichts- bzw. der Umgebungssprache, ist grundsätzlich nur durch (wenigstens nachfolgenden) bilingualen Elementarunterricht(6) (also im faktischen mitteleuropäischen Regelschulsystem ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr des Kindes) sinnvoll möglich, und nur so zielführend zu voller Sprachkompetenz(7) in jeder der erlernten/erlernbaren Sprachen weiter entwickelbar. Dabei ist die Mehrsprachigkeit (ich verweise auf den anfänglich prinzipiell dreisprachigen Elementarunterricht bei den Dolomitenladinern im Gadertal samt Enneberg im Osten Südtirols) gleichwertig zu entfalten, ausgeglichen zu fördern, alle Sprachen sind gleichwertig zu benützen und gleich zu lehren. Einwände gehen nun regelmäßig davon aus, dass echte Bilingualität für Kinder hinderlich und schädlich, ja sogar fatal sei. Diese Schädlichkeit(8) bzw. ein Nachteil derartiger "Behandlung" wird von einer wachsenden "Öffentlichkeit" insbesondere auch im Kontaktraum Ungarn-Slowenien-Österreich für zunächst und im Elternhaus rein einsprachig aufwachsende Kinder behauptet! Um angesichts derartiger "Theorie" die Situation eines möglichen Argumentationsnotstandes zu beheben bzw. besser kontrollieren zu können, bedarf es verstärkter pädagogischer, psychologischer und anthropologischer Forschung über Theorie und Praxis, dabei insbesondere über die Langzeitwirkung eines elementaren multilingualen Unterrichts ab dem fünften/sechsten Lebensjahr bzw. ab dem Kindergartenalter nach französischem Muster. Um die beanspruchte negative Basis einer solchen "Theorie" zu zerstören bzw. um sie wenigstens immer erfolgreicher zu diskreditieren, um andrerseits eventuelle Schwierigkeiten wie Verzögerungen beim bilingual Aufwachsenden zu evaluieren bzw. zu "heilen", ist weitere Forschung nötig. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf das von Sigrid Gräfe-Bentzien(9) beschriebene "Berliner" Modell ebenso wie auf die (innerösterreichischen) Oberwarter Erfahrungen mit dem Volksgruppen(sprach)gymnasium und mit dem mehrsprachigen Unterricht für Kinder mit ungarischer bzw. kroatischer Mutter- bzw. Erstsozialisationssprache, hier im Burgenland allerdings erst ab dem zehnten Lebensjahr. Alles, was wir vom Status quo des Sprachunterrichts bei der magyarischen Volksgruppe in der Republik Slowenien(10) wissen, lässt das Urteil zu, dass der ungarische Elementarunterricht im Prekmurje der These 1 Genüge zu tun versucht. Um es zu wiederholen: Das Entscheidende ist der gleichwertige Unterricht der Sprachen selbst und eine ausgeglichene Verwendung beider bzw. aller Sprachen auch als Unterrichtssprachen. Der These 1 wird dort nicht entsprochen, wo die Erstsozialisationssprache (oder eine der Alphabetisierungssprachen) nur den Status eines (wenige, meist zwei Stunden umfassenden) Schulfaches hat und nicht auch selbst Unterrichtssprache ist bzw. nach einer anfänglichen bilingualen Periode des Unterrichts zum bloßen Schulfach "herabgestuft (degradiert)" wird, wie dies bei einigen Modellen in Gebieten "sehr kleiner" Erstsprachen geschieht, so z.B. beim Ladinischen in Südtirol. Analoges ist für jene Schultypen festzuhalten, welche die Staatssprache bzw. die Umgebungssprache nur als (zusätzliches) Schulfach anbieten, wie wiederum gewisse Schulen Südtirols es mit dem Italienischen halten, von dem völlig unbefriedigenden Zustand des Slowenischunterrichts für Kinder der slowenischen Volksgruppe im heutigen österreichischen Bundesland Steiermark zu schweigen, wo die Erstsprache aufgrund behördlicher Unterlassung gänzlich unter die Räder kommt.

Man darf in diesem Zusammenhang nicht die Augen davor verschließen, dass Regiolekte unter bestimmten Umständen die Hochsprache=Schriftsprache ersetzen können bzw. eventuell sogar müssen, insbesondere auch dann, wenn sie wie das Slowenische im Porabje/Raabgebiet Ungarns oder das Ungarische im Prekmurje/Übermurgebiet Sloweniens sprach- und kulturbezogene Sonderentwicklungen über mehrere Generationen (üb)erlebt haben und wenn Teile der nachkommenden "sprachzugehörigen" Generation die Noch-N-Muttersprache der Eltern ganz eigentlich erst mit dem Schulbesuch oder im Kindergarten zu erlernen beginnen. Einen Sonderfall stellen die sich seit 1992 wieder organisierenden autochthonen Gottscheer(11) in Slowenien dar, da hier bei nichtmehrsprachiger (also bei monolingualer) Erstsozialisation Muttersprache (das archaische Gottscheerische) und familiale N-Erstsprache, in der hier verwendeten Terminologie von Otto Vörös also tatsächliche und emotionale Erstsprache, auseinander fallen, weil durch die quantitave Kleinheit der kompakt siedelnden Betroffenen (u. a. in Mönichsdorf, Tschermoschnitz und Verdun "rund" um den Pfarrort Pöllandl/Poljane in Südwestslowenien) im monolingualen Fall die Umgebungssprache Slowenisch die Erstsozialisation bestimmt. (Ähnliches gilt für manche Burgenland-Roma, wenn sie wie z.B. in etlichen Familien in und um Oberwart bereits "sprachlose" Mitglieder ihrer Volksgruppe sind, welche deutsch, manchmal auch ungarisch erstsozialisiert wurden bzw. werden.) So wird ein Gottscheer Kind(12) sowohl N-Slowenisch als auch Hochdeutsch und sehr wahrscheinlich Gottscheerisch (den archaischen Volksgruppendialekt, einen Regiolekt, mit einer auffälligen "Ferne" vom Schriftdeutschen) erlernen, bevor es eine Chance hat, Kenntnisse in einer der "Großsprachen" Englisch, Französisch, Kroato-Serbisch oder Italienisch zu erwerben. Dabei sind die Gottscheer noch durch die emotionale Zugehörigkeit zur deutschen "Großsprache" bevorzugt, insbesondere wenn man sie mit ungarischsprachig erstsozialisierten Roma in Österreich oder mit ungarischsprachig erstsozialisierten Slowenen, Kroaten oder "Schwaben" in Ungarn vergleicht, da man bzw. insofern man in all diesen letztgenannten drei Fällen sowohl den eigenständigen Regiolekt wie auch die Hochsprache der eigenen Volksgruppe mit dem Ziel funktioneller Sprachbeherrschung zu erwerben trachtet.

Zweite These: Die zwei- bzw. mehrsprachige Alphabetisierung ist prinzipiell und alle Kinder (auch die der Mehrheitsbevölkerung) umfassend der einsprachigen Einschulung vorzuziehen! Funktionelle Bilingualität (Multilingualität) als Ziel steht am Anfang der Elementarschule für alle Schulpflichtigen. Mit Blick auf jenes Land, auf welches sich der tolpatschige Parteivorsitzende bezog, betrifft dies die anwesenden Gastarbeiterkinder, Flüchtlingskinder, Immigrantenkinder, Migrantenkinder und sonstigen Ausländerkinder ebenso wie alle ein- oder mehrsprachigen Nachkommen inländischer Staatsbürger - und zwar vom Tag des Eintritts in die österreichische Schule an! Jedes Kind wird bilingual empfangen, wird in der Muttersprache abgeholt! In einem solchen Modell einer prinzipiellen Mehrfachalphabetisierung fällt das Problem weg feststellen zu müssen, welche N-Sprache (von zweien oder dreien) im Falle der Unklarheit der "tatsächlichen" Erstsprache als Mono-Alphabetisierungssprache gewählt werden soll. Die zweite These ist im Kontrast zu dem von Otto Vörös vorgestellten Modell vor der und über die Einsprachigkeit hochzuhalten, weil die bilinguale Elementarausbildung und Grundschule wesentlich vorteilhaftere Folgen nicht nur im Sprachkonfliktfall zeitigen. (Im Spannungsfeld von "tatsächlicher" und "emotionaler" Erstsprache den Unterricht in der "besser beherrschten" [so Vörös] Sprache und damit monolingual zu erteilen, würde in der Regel bedeuten, Konflikte fortzuschreiben.) Die so genannte "Theorie" steht hier z.B. aber auch hinter der (in Wirklichkeit im Gebiet von Lendava/Lendva in Slowenien in rezenter Zeit erfolgten) Petition "rein slowenischer" Eltern gegen den (von ihnen als Zwang eingestuften) zweisprachigen Unterricht auch für nur slowenischsprachig sozialisierte Kinder in den Schulen im Gebiet der ungarischen Minderheit im Übermurgebiet, welcher als Behinderung bzw. Benachteiligung gebrandmarkt wird.

Dritte These: Die elementare Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit bis zum zehnten (10.) Lebensjahr, also durch wenigstens vier (im Idealfall des bilingualen Kindergartens durch fünf und mehr) Jahre führt zur verwirklichungswürdigen Möglichkeit der Erlernung einer dritten Sprache, nach Möglichkeit einer Großsprache, ab der fünften oder wenigstens ab der sechsten/siebenten Schulstufe. Zieht man den engeren südostösterreichischen Kontaktraum magyarisch, slowenisch, kroatisch und deutsch sprechender Bevölkerungsgruppen in Betracht, dann wird man an Englisch, Deutsch, Italienisch, Französisch; Kroatisch (Kroatoserbisch), Ungarisch, Slowenisch und Spanisch (etwa auch in dieser Reihenfolge) als Drittsprachen bzw. Großsprachen denken, nicht jedoch - um hier sich selbst "erklärende" Beispiele anzuführen - an Dänisch, Finnisch, Tschechisch, Sorbisch, Rätoromanisch oder die Sprache der Roma. Die eigene(n) N-Sprache(n) "kürzen sich" bei "Staatsvölkern", aber auch bei Volksgruppen mit einem "Mutterland" heraus, womit im Falle der Trilingualität(13) immer wenigstens eine Großsprache übrig bleibt bzw. "im Paket enthalten" sein wird, welche nach Wahl auch stets Englisch sein kann. Betrifft es aber z.B. Roma und Sinti, wie dies in allen hier zur Diskussion stehenden Staaten sehr wohl möglich ist, dann ergibt sich plötzlich die "unzumutbare" (!?) Last der Erlernung einer weiteren Sprache immer dann, wenn zwar schon vorschulische Bilingualität vorliegt, diese doppelte Zunge aber die eigentliche Umgebungssprache (die nachfolgende Unterrichtssprache) oder auch die dem eigenen N-Regiolekt entsprechende Hochsprache bzw. Schriftsprache nicht umfasst!

Vierte These: Die (zweite) These von der allgemeinen mehrsprachigen Alphabetisierung aller Kinder eines Gebietes ab ovo verlangt, die Zweisprachigkeit ins Elternhaus hinein zu reklamieren. Das aber muss gelernt sein! Zwei Eltern - zwei Sprachen, zwei Generationen - zwei Sprachen, sind überall dort, wo sie natürlich auftreten, brauchbare Modelle. Dass eindeutig einsprachige Kinder beim Eintritt in die öffentliche Schule (ohne auch nur einen Unterschied in der Staatsbürgerschaft oder in der Autochthonie zu sehen) zunächst in "ihrer" N-Sprache abgeholt werden müssen, ist selbstverständlich. Aus dem Umstand monolingualen Schuleintritts - eine und nur eine Sprache ist immer die besser beherrschte Sprache! - aber folgt sogleich, dass es eines Alphabetisierungsschubes hin zur Bilingualität vom ersten Tag des Kindes im Kindergarten an oder in der Grundschule bedarf. Die vorsätzlich-programmatische Bilingualität des Unterrichts bedient sich beim einsprachigen Kind der tatsächlichen Erstsprache als eines Zugangs, da der Sprachausfall des monolingualen Elternhauses erst wettgemacht bzw. aufgeholt werden muss. Die N1-Sprache eines "geborenen Monolingualen" wird immer und bei aller Erziehung eine der Alphabetisierungssprachen bleiben bzw. bleiben müssen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass es hier häufig darum geht, dem Elternwunsch entsprechend dem einsprachigen Schulkind die "ehemalige bzw. die emotionale Muttersprache" beizubringen. Notwendigerweise stellen sich hier Entscheidungskonflikte(14) ein, wenn man wie z.B. bei den heute noch autochthon wohnenden Gottscheern neben dem N1-Slowenisch als N2 die "ehemalige" Muttersprache der Volksgruppe zu beherrschen anstrebt: Soll man zuerst der deutschen Hochsprache oder zuerst dem im autochthonen Siedlungsgebiet noch rudimentär gesprochenen gottscheerischen Dialekt, der manchmal sogar heute noch als familialer N1-Idiolekt verwendet wird, den Vorzug geben? Ein ähnlicher Fall liegt dort vor, wo die Staatssprache als tatsächlich gesprochene N1-Umgebungssprache der assimilierten Volksgruppenkinder die Neuerlernung bzw. Wiederbelebung der Muttersprache der Elterngeneration insofern begünstigt, als sie sich bzw. wenn sie sich konkurrenzlos als N2 anbietet. Dabei kann aber das kindliche Erlernen der Schriftsprache erst recht die Kinder- der Eltern- bzw. der Altvorderengeneration entfremden, wenn der Regiolekt der Vorfahren bzw. die Idiolekte der Eltern sich vom gesprochenen, aber aushäusig erlernten N2 der Kinder so sehr unterscheiden, dass es eines "Übersetzers" bedarf.

Fünfte These: Wie schon die historische Einführung der allgemeinen Schulpflicht ab dem sechsten Lebensjahr (in unserem Kontaktraum) keinen Zwang darstellte, so ist auch eine allgemeine(15) zwei- oder dreisprachige Alphabetisierung von Kindesbeinen an keine Vergewaltigung der Kinder! Was heißt das? Die allgemeine Schulpflicht ist nicht nur nicht Zwang oder Tyrannei, sie stellt sogar ein parasitäres Menschenrecht dar, ist nämlich ein Parasit des Rechts auf Bildung. Aufgrund der Allgemeinen Menschenrechtserklärung von 1948 ist ohne Weiteres davon auszugehen, dass jede Freistellung von der Schulpflicht, jedes Fernhalten oder Fernbleiben vom öffentlichen Unterricht, eine Menschenrechtsverletzung sui generis an den kindlichen Bedürfnissubjekten = Normobjekten darstellen würde. Prinzipiell möchte ich dafür argumentieren, dass ein allgemeines Menschenrecht auf funktionelle Bilingualität (bzw. Multilingualität) existiert, welches alle Eltern lebend geborener Kinder ganz eigentlich ebenso in die Pflicht nimmt wie die allgemeine Schulpflicht es tut. (Ich sage nicht, dass ich für diese scharfe These ein überzeugendes Argument habe: Derlei zu finden, ist (m)ein Ziel, auch ein Forschungsziel.)

Sechste These: Zwei- bzw. Dreisprachigkeit meint auch bzw. zielt auf Zweifach- bzw. Dreifachkulturalität, auf Multikulturalität! Obschon man sehr wohl funktionelle Multilingualität anstreben und auch erreichen kann, wird man zugeben müssen, dass eine gleichermaßen "funktionelle Multikulturalität" mehr das hehre Ziel als der tatsächliche Endpunkt einer Entwicklung sein wird bzw. bleiben muss. Derlei Multikulturalität kann indes nur in Graden ausgeformt bzw. exemplifiziert sein. Und natürlich wird es auch immer Menschen geben, die neben ihren N-Sprachen weitere Sprachen mit voller funktioneller Kompetenz erlernen und sprechen, aber auch solche, die neben den N-Sprachen Fremdsprachen mit gewissen elementaren Kenntnissen und eben nur mit diesen Grundkenntnissen "beherrschen" und also nur "schlecht" oder "schwach" sprechen.

Siebente These über die übergebührliche Förderung von Kleinsprachen: Je kleiner eine Kontaktsprache (aufgrund der Anzahl der tatsächlichen Sprecher) ist, desto größer und mächtiger ist die zu fordernde öffentliche Unterstützung dieser anzusetzen! Die Situation verschärft sich noch bei Klein(st)sprachen, wenn sie wie beim Rätoromanischen oder bei der Sprache der Roma in Hochsprachen gleichzuhaltenden N-Regiolekten mit (oft unüberbrückbaren/inkompatiblen) Verschriftlichungsvarianten und dergleichen auftreten.

Achte These: "Ich muss zuerst ein braver Bilingualer/Trilingualer sein, bevor ich ein guter Kroate, Slowene, Ungar, Serbe, Deutscher sein kann!" In Anlehnung an eine Publikation von Andreas Heintze (Berlin) sieht man als Anhänger solcher Thesen die Zukunft der Muttersprache in der (funktionellen) N-Mehrsprachigkeit. In Ausnützung einer völlig anderen Redeweise kann man formulieren: Jeder Mensch ist zunächst der multilinguale Viel-Sprecher und Vielfalt-Denker, den er als ein Erwachsener darstellt, und erst in zweiter oder dritter Hinsicht der geborene Kroate oder Sinto, zu dem er wird, weil die Erstsozialisation so erfolgt, wie sie geschieht!

Neunte These: Angesichts der Thesen 1-8 sowie der gesetzlichen und staatsvertraglichen Verpflichtungen der Republik Österreich ist die Schulsprachpolitik im Bundesland Steiermark(16) als völlig unzureichend, ja als menschenrechtsverletzend einzustufen! Wie soll in einer Schullandschaft mit ausschließlich anmeldepflichtigem Freifach-(17) bzw. Wahlfachunterricht (zwei Wochenstunden "Unverbindliche Übung" z.B.) "in" slowenischer Sprache, wie dies von Bad Radkersburg bis Eibiswald gehandhabt wird, auch nur der Funken einer Verwirklichung der "Erlernung" der Muttersprache bzw. der "emotionalen" Erstsprache erreicht werden? (Für den an diesem Thema Interessierten sei auf die gleich folgende Literaturliste hingewiesen.)

© Wolfgang Gombócz (Karl-Franzens-Universität Graz)


ANMERKUNGEN

(1) Beispiele: Der Standard [Wien] 23.1.2004, S.7; Der Standard [Wien] 24./25.1.2004, S.31.

(2) Dank an Karl H. Gruber, der im Standard [Wien] vom 24./25.1.2004, S.31, schreibt: Als politisches "Mindestprogramm" zeichnet sich in einer zunehmenden Zahl von Ländern die Tendenz ab, allen Kindern [...] wenigstens zwei Jahre vorschulische Förderung bereitzustellen. Die Bereitschaft von Regierungen, die [...] Vorschulerziehung mit staatlichen Mitteln auszubauen, nimmt zu, in massiver Weise etwa in Schweden und England. [...] Wie notwendig es ist, in Österreich mit der kompensatorischen deutschsprachigen Förderung von Ausländerkindern möglichst früh und möglichst umfassend zu beginnen, zeigt ein alarmierender, bisher ignorierter Befund der Pisa-Studie [...] In Österreich ist [...] die Benachteiligung, die sich daraus ergibt, Immigrantenkind zu sein, unter allen zehn angeführten europäischen Ländern am größten - ärger als in der Schweiz und ärger als in Deutschland...-- Vgl. als Ergänzung eine "indigene" Bevölkerung betreffende Ausführungen in der Nummer 1 der neuen Vereinszeitschrift "dROMa" des burgenländischen "Verein[s] Roma-Service" vom April 2004, die unter dem Titel "Wir wollen was bewegen!" (Seite 3) schreibt: Erster und wichtigster Schwerpunkt ist der Schulunterricht. Im Einklang mit dem Volksgruppengesetz...plant Roma-Service, den Bedarf an Roman-Unterricht zu erheben und überall dort, wo er besteht, zu decken. Und kurz vorher (ibidem): Roma-Service nimmt seine Unterrichts- und Sprachförderungstätigkeit auf.

(3) Bei Sprachminderheiten werden dies regelmäßig wenigstens drei Sprachen bereits im Grund- und Vorschulbereich (also im Kindergarten bzw. im Hause der Tagesmutter) sein.

(4) Hinter diesem Terminus technicus verbirgt sich die Forderung nach möglichst vollkommener Beherrschung aller (drei) Sprachen, die man im Elementarunterricht zu erlernen beginnt!

(5) "Natürliche" [im Weiteren "N-"] Mehrsprachigkeit liegt vor, wenn sie (1.) im Rahmen der Erstsozialisation innerhalb des engsten primären Biotops (echte "gelebte" Zweisprachigkeit des Familienverbandes z.B.) erworben wird bzw. "angeboren" ist, aber auch dann, wenn sie (2.) zu einer monolingualen Erstsozialisation [N1] hinzu "ab ovo" und ohne besonderen äußeren Zwang auftritt, wie z.B. in einer intensiven Zweitsozialisation [N2] im sekundären Bereich eines gemischtsprachig-mehrsprachigen Lebensumfeldes oder durch frei gesetzte Initiativen der "Erziehungsberechtigten" innerhalb der primären sozialen Bezüge (z.B. fremdsprachige "Amme", anderssprachige Nachbarschaft bzw. "Kinderstube", mehrsprachiger Kindergarten), sofern eine solche Zweitsozialisation (als genuine Doppelalphabetisierung [N1 und N2]) zu einer funktionellen N2-Sprachkompetenz führt.

(6) "Elementarunterricht" bedeutet jedenfalls auch wesentlichen Unterrichtsanteil in allen betroffenen Sprachen [N1, N2] selbst. Der Wechsel von Elementarunterricht [E] zu Sprachunterricht [U] (dann als ein Fach mit drei oder zwei Wochenstunden von vielleicht dreißig insgesamt) ist indes ein verbreitetes Modell für so genannte "kleine" Sprachen, wie z.B. beim Ladinischen oder auch bei den Schweizer Rätoromanen.

(7) Ich verweise auf Elizabeta Bernjak: Perspektiven der funktionellen (slowenisch-ungarischen) Zweisprachigkeit. In: Gábor Ruda (Hg.): Nemzetiségi iskolák - Kétnyelvü oktatas. Minderheitenschulen - Zweisprachiger Unterricht. Szentgotthárdi Konferencia. Konferenz in Szentgotthárd 2000. Pilisvörösvár, Graz 2002, 148-158; slow. Übersetzung 140-148; ungar. Übers. 131-140. - Vgl. dazu Elizabeta Bernjak: Univerzalije jezikovnih stikov na dvojezicnem obmocju ob slovensko-madzarski meji. In: Ziveti z mejo. Materinscina, dejavnik osebne in skupnostne narodnostne identitete...Leben mit der Grenze. Die Muttersprache als Faktor der persönlichen und gemeinschaftlichen nationalen Identität. Zbornik referatov na znanstveno-kulturnem srecanju v Murski Soboti 5.-6. Junija 1998. Ljubljana-Monoster 2000 (Narodne manjsine 4), 222-243, dt. Zusammenfassung 242-243. Vgl. weiters den in eine ähnliche Richtung weisenden Beitrag von József Varga: Zweisprachiger Unterricht in Slowenien. In: Gábor Ruda (Hg.): Nemzetiségi iskolák - Kétnyelvü oktatas. Minderheitenschulen - Zweisprachiger Unterricht. Szentgotthárdi Konferencia. Konferenz in Szentgotthárd 2000. Pilisvörösvár, Graz 2002, 31-42; slow. Übersetzung 21-31; ungar. Übers. 9-21. - Vgl. dazu József Varga: Pomen maternega jezika v zivljenju in ohranjanju manjsine [in ungarischer Sprache]. In: Ziveti z mejo. Materinscina, dejavnik osebne in skupnostne narodnostne identitete...Leben mit der Grenze. Die Muttersprache als Faktor der persönlichen und gemeinschaftlichen nationalen Identität. Zbornik referatov na znanstveno-kulturnem srecanju v Murski Soboti 5.-6. Junija 1998. Ljubljana-Monoster 2000 (Narodne manjsine 4), 39-47, dt. Zusammenfassung 47; slow. Zusammenfassung 44.

(8) Vgl. Gábor Ruda: Über die partielle Verwirklichung der Sonderrechte für Minderheiten. Schulische Beispiele aus der Slowakei, aus Slowenien und aus Ungarn. [2004] Erscheint in: Herbert Arlt (Hg.): TUAC: The Unifying Aspects of Cultures. [Vgl. http://www.inst.at/trans/15Nr/editors15.htm, sowie http://www.inst.at/burei/CBand1.htm]

(9) Sigrid Gräfe-Bentzien: Zur Entwicklung bilingualer Sprachfähigkeiten an der Staatlichen Europa-Schule Berlin (SESB). In: Gábor Ruda (Hg.): Nemzetiségi iskolák - Kétnyelvü oktatas. Minderheitenschulen - Zweisprachiger Unterricht. Szentgotthárdi Konferencia. Konferenz in Szentgotthárd 2000. Pilisvörösvár, Graz 2002, 273-282; slow. Übersetzung 290-298; ungar. Übers. 282-290.

(10) Im Siedlungsgebiet der Ungarn in Slowenien, im Südosten und Osten des Prekmurje, wurde der bilinguale "Zwangsunterricht" Slowenisch und Ungarisch für alle Kinder in den betroffenen Schulsprengeln 1959/1960 eingeführt. Vor dem Schulunterricht sind zwei Jahre bilingualer Kindergarten Pflicht, wobei laut Gesetz zwei "sprachbezogene" Kindergärtnerinnen pro Gruppe eingesetzt werden, eine N1-Ungarin und eine N1-Slowenin. Die Volkszählung von 1991 weist für Slowenien 8503 ungarisch sprechende Staatsbürger aus. - Vgl. Pan-Pfeil 2000, 157-159.

(11) Vgl. dazu den "Bericht" von Maridi Tscherne in: Bakh - Pot. Glasilo Kocevarjev Sloveniji 11(2000), S. 4-5.

(12) Jedermann, der die Situation kennt, weiß, dass hier von einem idealen Modell und nicht von der Wirklichkeit die Rede ist.

(13) Es sei denn, dass man zwar zweisprachig aufgewachsen ist, aber die N-Regiolektform als eine dieser zwei Sprachen, vom relevanten Hoch-N so weit entfernt ist, dass man die Hochsprache=Schriftsprache (fast) wie eine Fremdsprache erlernen muss.

(14) Vgl. den Bericht von Ludwig Kren: Samo lernt gottscheerisch! In: Bakh - Pot. Glasilo Kocevarjev Sloveniji 11(2000), Seite 7: So hatten sich [...] in der Woche vom 29. Oktober bis 5. November 2000 - in Slowenien eine praktisch schulfreie Woche - 15 Lernbegierige...täglich...zusammengefunden, um nach einem gemeinsam abgesprochenen Stundenplan erste Schritte ins Gottscheerische zu wagen. Es ist dies für fast alle eine Fremdsprache, für die Vorfahren der meisten jedoch noch eine z.T. bekannte, z.T. mindestens noch gehörte - wenn nicht sogar gesprochene - Sprache. Beweise ergaben sich aus den Familienbesuchen: Mit den Großeltern konnte ich noch gottscheerisch sprechen, die Kinder kennen es vereinzelt vom Hören, den Enkelkindern ist es fremd.[...] Die großen Altersunterschiede (8 bis 22 Jahre) sind ein bedeutendes Hindernis, ebenso auch die schwer auf einen Nenner zu bringenden Vorkenntnisse in der deutschen Sprache (auf die als Hochsprache des Gottscheerischen immer wieder hingewiesen werden muß). Zum allgemeinen Gottscheerisch-Unterricht des Kulturvereins in Krapflern-Obcice hatten sich laut Bakh - Pot. Glasilo Kocevarjev Sloveniji 11(2000), Seite 4, [Zitat] "38 Kinder" angemeldet, während den Krenschen Intensivkurs [Zitat ibidem 4] "täglich zwischen 15 und 17 Kinder" besuchten; Kren spricht von 15 Lernbegierigen zwischen 8 und 22 Jahren [ibidem 7].

(15) = allgemein verpflichtende

(16) Ich verweise auf den Beitrag von Norma Bale & Susanne Weitlaner: Entwicklung und derzeitiger Stand des Slowenischunterrichts in der Steiermark. In: Gábor Ruda (Hg.): Nemzetiségi iskolák - Kétnyelvü oktatas. Minderheitenschulen - Zweisprachiger Unterricht. Szentgotthárdi Konferencia. Konferenz in Szentgotthárd 2000. Pilisvörösvár, Graz 2002, 75-82; slow. Übersetzung 83-90; ungar. Übers. 90-97.

(17) Sieht man von der "lokalen" Ausnahme im "mittleren" Biotop (Gamlitz, Leutschach, Arnfels) ab, wo der schon vor 1995 bestehende Slowenischfreifach-Unterricht auf die Initiative eines dortselbst wirkenden Slowenischlehrers österreichischer Staatsbürgerschaft zurückgeht, so wird das Freifach Slowenisch durch die österreichische Schulbehörde im Bundesland Steiermark überhaupt erst seit 1995 und sehr sporadisch angeboten. Im Schuljahr 1999/2000 z.B. wurde 114 Schülern (in der gesamten Steiermark) Slowenischunterricht (aber kein Elementarunterricht!) erteilt.


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8.2. Das "allgemeine Menschenrecht" auf mehrsprachigen Elementarunterricht

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For quotation purposes:
Wolfgang Gombócz (Karl-Franzens-Universität Graz): Das allgemeine Menschenrecht von Kindern auf mehrsprachigen Grundschulunterricht als Reformerweiterung der allgemeinen Schulpflicht. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 15/2003. WWW: http://www.inst.at/trans/15Nr/08_2/gombocz15.htm

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