Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. August 2006
 

2.1. WIEDERHOLUNG ALS ERNEUERUNG: Innovationsstrategien der Wiederholung in der Gegenwartsliteratur
Herausgeberin | Editor | Éditeur: Zalina A. Mardanova (Nordossetien-Alanien)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Intertextuelle Auto(r)-Tötung und Wiederbelebung

Hoffers Bei den Bieresch, Ransmayrs Die letzte Welt und Süskinds Das Parfum

Stefanie Kreuzer (Leibniz Universität Hannover, Deutschland)
[BIO]

 

In den 1980er Jahren gab der österreichische Gegenwartsautor Klaus Hoffer (geb. 1942) es als "Traum [s]eines Schriftstellerlebens" an, "ein Buch [zu] schreiben, das nur aus fremden Sätzen besteht. Das heißt: wo [er] jeden einzelnen Baustein des Buches Wort für Wort aus anderen Büchern zusammengesetzt [hätte] und eine völlig neue Geschichte"(1) entstanden wäre. Zwar hat Hoffer von diesem Projekt eines ‚Zitaten-Romans‘ mittlerweile Abstand genommen, doch sein Roman Bei den Bieresch (1979/1983) zeugt dennoch - indem er intertextuelle Referenzen auf ungefähr fünfzig Autoren und etwa achtzig Texte enthält - sehr deutlich von diesem Vorhaben.

Abb. 1: Bild auf Buchcover-Vorderseite des ersten Teils Halbwegs (1979) von Klaus Hoffers Roman Bei den Bieresch(2)

Eine solche literarische Praxis der Wiederholung kann - von einem im weitesten Sinne genieästhetisch geprägten Künstlerverständnis aus - leicht als unkritischer Umgang mit literarischen Traditionen erscheinen und läuft stets Gefahr, an einem künstlerischen Originalitätsanspruch gemessen als eklektizistisch eingestuft zu werden. In Zeiten der Postmoderne(n), in denen Michel Foucault von der "Namenlosigkeit des Gemurmels"(3) der Texte spricht, Michail Bachtin in seiner Theorie der "Dialogizität" betont, dass die Wörter stets schon mit Intentionen und Akzenten anderer Sprecher angereichert seien, weil die Sprache in erster Linie als ein soziales und nicht als individuelles Medium verstanden werden müsse(4), und Julia Kristeva zufolge sich ein jeder Text zusammensetzt "als Mosaik von Zitaten, jeder Text ist Absorption und Transformation eines anderen Textes"(5), mutet ein solcher Anspruch jedoch an wie die prototypische Einlösung dekonstruktivistischer Thesen.

Insgesamt betrachtet impliziert dieser poststrukturalistische Theoriehorizont einerseits, dass Intertextualität eine Eigenschaft aller Texte ist, und andererseits, dass es kein originäres Schreiben mehr geben kann. Denn jeder Textproduzent muss sich zwangsläufig in eine Tradition von Texten einreihen, wobei Lesen und Schreiben einen Circulus vitiosus erzeugen. So stellt Jacques Derrida die Eigendynamik der Texte heraus, wobei Intertextualität bei ihm als Synonym für Textualität erscheint, da jeder Text unabdingbar an die Unendlichkeit des "texte générale"(6) anknüpfen muss. Peter Bürger geht sogar von einer "endlosen Signifikantenkette"(7) aus, in der "die Zeichen nicht mehr auf ein Bezeichnetes verweisen" - wie es noch der Maxime des Strukturalismus de Saussure’scher Prägung entsprach -, "sondern immer nur auf andere Zeichen".(8) Roland Barthes schließlich hat schon 1967 den Tod des Autors(9) proklamiert und begreift den Autor - der wiederum selbst Leser ist - als bloßen "Widerhallraum"(10), als Echokammer, die erfüllt ist vom Hall und Rauschen fremder Texte.

Im Zuge der Postmoderne-Diskussion ist die Position des Autors in der Trias: Autor - Text - Leser sowie des zugehörigen Kontextes durch unterschiedliche dekonstruktivistische Theorieansätze und die poststrukturalistische Intertextualitätsdebatte stark hinterfragt und geschwächt worden. "Wen kümmert’s, wer spricht"(11) - mit dieser programmatischen Frage hat auch Michel Foucault bereits 1969 die Bedeutung der Autorschaft in postmodernen Texten zugespitzt und für nichtig erklärt, wobei er bezeichnenderweise auf einen Ausspruch Samuel Becketts referiert. In dieser Frage vermag jedoch auch ein Widerspruch gegen das poststrukturalistische Credo des universellen Vertextungszusammenhangs kulminieren. Denn schließlich ist Klaus Hoffer einerseits an seinem Ideal des ‚Zitaten-Romans‘ gescheitert und hat dieses andererseits nicht als eine Selbstverständlichkeit angesehen, sondern als ein ehrgeiziges poetologisches Prinzip verfolgt. Auch andere Gegenwartsautoren treten hervor, die ihren je individuellen Umgang mit den geliehenen Worten autoreflexiv thematisieren und dadurch vielmehr ihren Kunstanspruch herausstellen, als dass Ihnen der Vorwurf des Eklektizismus gemacht werden könnte.

Im Hinblick auf deutschsprachige Texte der Postmoderne ist neben Mehrfachcodierung, einer labyrinthischen Erzählweise, Ironie und Autoreflexivität die Intertextualität sowie die damit einhergehende Autorproblematik ein charakteristisches Merkmal.(12) Entgegen dekonstruktivistischer Theoreme kann allerdings aufgezeigt werden, dass postmoderne Autoren sehr bewusst intertextuell agieren(13), den Textraum kreativ selbstreflexiv erproben und implizit von verschiedenen Metaebenen aus hinterfragen. Auf diese Weise wird der poststrukturalistischen Auto(r)-Tötung in den universellen Verweisungssystemen der Texte eine bewusste und gleichermaßen produktive ‚Wiederbelebung‘ der Autoren aus den intertextuellen Wiederholungszwängen entgegengestellt.

Exemplarisch sollen im deutschsprachigen postmodernen Roman drei unterschiedliche Strategien des Umgangs mit Intertextualität behandelt werden, und zwar am Beispiel von Patrick Süskinds Das Parfum (1985), Christoph Ransmayrs Die letzte Welt (1988) und Klaus Hoffers ursprünglich in zwei Teilen erschienenem Roman Bei den Bieresch (1979/83). Alle Romane weisen zahlreiche intertextuelle Referenzen auf, seien es fiktionale oder philosophische Prätexte, seien es Zitate, Paraphrasen oder Allusionen. Der Grad der Offenlegung und der Markiertheit der intertextuellen Strukturen variiert jedoch relativ stark.

 

(1) Süskinds intertextuell-betörendes Parfum als poetologisches Reflexionsprinzip

Süskinds Parfum enthält Anspielungen auf zahlreiche Prätexte, die vorwiegend aus einem romantischen Textkorpus entstammen - wie etwa Joseph von Eichendorffs Gedicht Mondnacht (1830), E. T. A. Hoffmanns kriminalistische Geschichte Das Fräulein von Scuderi (1818), Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas (1810) oder aber auch Friedrich Nietzsches Also sprach Zarathustra (1883-1885)(14). Die Ausdruckskraft dieser intertextuellen Referenzen ist jedoch vergleichsweise implizit und resultiert eher aus einer sprachlich diffus-emotiven Wirkungsästhetik als aus einem kognitiv fassbaren Wissen. Auf der inhaltlichen Ebene finden die intertextuellen Anspielungen jedoch eine relativ deutliche Entsprechung in der Parfümeurskunst des olfaktorischen Genies Grenouille, der selbst geruchs- und somit identitätslos für seine Duftkreationen Mädchen ermorden muss. Dem abwertenden Vorwurf Gerhard Stadelmaiers: "Grenouille plündert tote Häute, Süskind tote Dichter"(15), kommt dementsprechend auf einer poetologisch übergeordneten Ebene ein höherer Wahrheitsgehalt zu.(16)

Die olfaktorischen Aussagen des Süskind’schen Protagonisten können nämlich als autoreflexive Kommentare im Hinblick auf die Gemachtheit des Textes verstanden werden. Wenn es aus Grenouilles Sicht im Modus des Gedankenzitats heißt:

Niemand weiß, wie gut dies Parfum wirklich ist, dachte er. Niemand weiß, wie gut es gemacht ist. Die andern sind nur seiner Wirkung untertan, ja, sie wissen nicht einmal, daß es ein Parfum ist, das auf sie wirkt und sie bezaubert.(17)

- so wird auf einer metanarrativen Ebene zugleich das poetologische Prinzip des Textes reflektiert. Und wenn bereits wenige Sätze darauf verkündet wird: "Dann dachte er nichts mehr, denn das Denken war nicht seine Stärke" (P 317), so dürfte außer Frage stehen, dass der zeckhaft-teuflische Grenouille zwar oftmals intern fokalisiert wird, aber wohl kaum die Instanz darstellt, die spricht.(18) Die Analogie zwischen dem in gewisser Weise ‚unschöpferischen‘ Duftgenie und seinem Erfinder Süskind, der eine Fülle intertextueller Referenzen in seinen Text einarbeitet und sich literarischer Gattungstraditionen und Motive bedient, tritt deutlich hervor. Denn ebenso wie Grenouille die für sein betörendes Parfum notwendigen Ingredienzien skrupellos mordend zusammensammelt, indem er Dutzende von Jungfrauen wie Blumen ‚pflückt‘, bedient sich Süskind, quasi ‚ausbeuterisch‘, des bereits vorgefertigt Gesagten und Formulierten.

Abb. 2: Lavoisiers Apparatur zur quantitativen Bestimmung von Gasgemischen(19)

Doch dies alles geschieht nicht ohne Ironie: Wenn Grenouille sich in der abschließenden Apotheose von einer wild gewordenen Menschen- oder, besser gesagt, Verbrechermenge kannibalisieren lässt, findet die geistige Aneignung fremder Texte im Bild der Einverleibung eine kongeniale Transformation. Obschon der Mörder am Ende - entsprechend der genretypischen Konventionen des Kriminalromans - quasi gerichtet wird, kann von einem Happy End mit ausgleichender Gerechtigkeit keine Rede sein. Stattdessen hinterlässt der Romanschluss einen schalen Beigeschmack beim Leser ebenso wie ein Gefühl der Übersättigung, das an körperliches Unwohlsein grenzt, bei seinen fiktionsimmanenten Vollstreckern. Von diesen wird berichtet:

Der eine oder andere stieß ein wenig auf, spie ein Knöchelchen aus, schnalzte leise mit der Zunge stupste mit dem Fuß einen übriggebliebenen Fetzen des blauen Rocks in die Flammen [...] Es war ihnen, wenngleich im Magen etwas schwer, im Herzen durchaus leicht zumute. [...] Und auf ihren Gesichtern lag ein mädchenhafter, zarter Glanz von Glück. [...]

[...] Sie hatten zum ersten Mal etwas aus Liebe getan. (P 320)

Doch diese Liebe taugt nicht als Hoffnungsstrahl, sondern ist ein äußerst fragwürdiges Glücksgefühl von Kannibalen ohne jede Moral.

Formal wird aufgrund der gattungstypologischen Anspielungen - etwa auf die Muster des Kriminal-, Entwicklungs- oder (Anti-)Bildungsromans - und der intertextuellen Referenzen statt Faustischem Schöpfungskult eher Baldini’sche Imitation vorgeführt, bezeichnenderweise übrigens durch eine parodistische Allusion auf Johann Wolfgang Goethes "Hexenküche" aus Faust I. Doch Das Parfum ist ein Pastiche(20), das sehr kunstvoll präsentiert wird. Es befriedigt und blendet den Leser derart, dass er sich dessen vielleicht erst durch die am Romanschluss mustergültig enttäuschten Rezeptionserwartungen bewusst wird, sich dann aber gleichzeitig durch die ironische Erzählweise des dahinter stehenden Autors augenzwinkernd um sein Einverständnis umworben fühlen kann.

 

(2) Ransmayrs Metamorphose des Autors in den omnipräsenten Textzusammenhang der Letzten Welt

Christoph Ransmayrs Roman Die letzte Welt kann als eine deutlich markierte künstlerische Adaption der Metamorphoses(21) (ca. 1 n. Chr.) des antiken Autors Publius Ovidius Naso angesehen werden, wobei auch auf die Tristia (ca. 8-12 n. Chr), die Lieder der Trauer, sowie seine Epistulae ex Ponto (12-17 n. Chr.) - die Briefe vom Schwarzen Meer - rekurriert wird.(22) Ursprünglich als moderne Übertragung der antiken Verwandlungserzählungen angedacht, steht Ransmayrs Letzte Welt in einem Hypertextualitätsverhältnis zu seinem antiken Vorbild.(23) Doch es ist eine künstlerisch assoziative Transformation, für die nicht nur literarische Überlieferungen, sondern auch biographische Spekulationen über den Autor Ovid herangezogen werden.

So handelt Ransmayrs Roman von der Suche des Römers Cotta nach den "Metamorphoses"(24) des von ihm verehrten, doch verbannten Autors Naso. In Tomi, dem Exil Nasos, angelangt, findet er allerdings nur dessen schwachsinnigen Knecht Pythagoras sowie auf Stofffetzen niedergeschriebene und in Stein gemeißelte Textfragmente. Diese decken sich teilweise mit den verwirrenden Erzählungen, Namen und Schicksalen der Küstenbewohner, könnten gleichzeitig aber auch auf Ovid - respektive Naso - zurückgeführt werden. Für die Bewohner Tomis sind die Metamorphosen beinahe selbstverständlich. Sie träumen von Verwandlungen, sehen diese in Filmen und pilgern zu den steingewordenen Ergebnissen hin. Doch nicht allen Metamorphosen kommt realitätssystemisch derselbe Status zu. So sind die ersten Metamorphosen als Erfindung, Sinnestäuschung oder Traum erklärbar. Spätere Verwandlungen hingegen werden eher als wunderbare Vorkommnisse wahrgenommen. Menschen verwandeln sich tatsächlich in Vögel, Wölfe, Steine oder werden zum Schall.

Abb. 3: Illustration der Metamorphose des Lycaon (16,8 x 25,0 cm); Bibliothèque Nationale, Paris(25)

Indem die Welt Tomis zunehmend nach den Prinzipien der Ovid’schen Metamorphosen strukturiert ist, gestaltet sich Cottas Suche nach deren Autor vergeblich, bis er ihn - selbst metamorphosiert - im Vertextungszusammenhang auffindet, wo scheinbar wirklich keinem seine Gestalt bleibt(26). Am Ende des Romans gelangt der offensichtlich wahnsinnig gewordene Cotta jedenfalls zu der Erkenntnis:

Und Naso hatte schließlich seine Welt von den Menschen und ihren Ordnungen befreit, indem er jede Geschichte bis an ihr Ende erzählte. Dann war er wohl auch selbst eingetreten in das menschenleere Bild, kollerte als unverwundbarer Kiesel die Halden hinab, strich als Kormoran über die Schaumkronen der Brandung oder hockte als triumphierendes Purpurmoos auf dem letzten verschwindenden Mauerrest der Stadt. (LW 287)

Cotta versteht jegliche Aufzeichnung als "ein Spiel für Verrückte" (LW 287) - was im äußeren Kommunikationssystem als metanarrativer Hinweis deutbar ist - und findet sich mit der Vergänglichkeit des schriftlich Fixierten ab:

Bücher verschimmelten, verbrannten, zerfielen zu Asche und Staub; Steinmale kippten als formloser Schutt in die Halden zurück, und selbst in Basalt gemeißelte Zeichen verschwanden unter der Geduld von Schnecken. Die Erfindung der Wirklichkeit bedurfte keiner Aufzeichnungen mehr. (LW 287)

So wie am Ende des Romans der Olymp aus dem Meer erwachsen ist (vgl. LW 285), so hat Ransmayr den Leser entsprechend seiner programmatischen Ankündigungen in seinem Entwurf zu einem Roman von der Aufklärung zum Mythos(27) geführt. Ransmayr hat damit nicht nur, wie von Reinhold Glei aus altphilologischer Sicht kritisiert worden ist - aber genauso gut positiv herausgestellt werden könnte(28) -, "Ovid in einem naiven Sinne wörtlich [genommen], so als ob der Römer die Verwandlungsgeschichten faktisch und nicht metaphorisch gemeint hätte"(29). Überdies ergibt sich daraus ein potenzierter Autorbegriff, dem zufolge dem Dichter eine weltschöpferische Fähigkeit zugesprochen wird, indem er nicht nur als Schöpfer fiktionaler, sondern - zumindest fiktionsimmanent - auch ‚realer‘ Welten angesehen wird.(30)

Eine dem poststrukturalistischen Credo vom Tod des Autors entsprechende Lesart von Thomas Anz, die in Ransmayrs Letzter Welt eine "allegorische Veranschaulichung jenes metaphysischen Begehrens nach einem abwesenden, sich immer wieder entziehenden Ursprung und Sinnzentrum"(31) sieht, ist somit nur bedingt überzeugend. Zwar spiegelt Cottas Suche anfangs durchaus den Verstehenswunsch im Hinblick auf Nasos Verwandlungs-Erzählungen wider, doch erlangt er schließlich aufgrund seiner Überzeugung, Naso in dessen "Metamorphoses" bereits in Tomi gefunden zu haben, zu einem viel umfassenderen Textverständnis - wenngleich dieses im minimalistischen Sinne phantastisch unbestimmt zwischen "einer Heiterkeit, die mit jedem Schritt wuchs und manchmal kichernd aus ihm hervorbrach" (LW 286), und Verrücktheit (vgl. LW 286) changiert.

Doch nicht allein die durch den angedeuteten Wahnsinn am Ende des Romans destabilisierte Figurenperspektive Cottas stützt die These eines potenzierten Autorverständnisses im universellen Vertextungszusammenhang. Vielmehr entdeckt Cotta bereits zu Beginn des Romans die leicht abgewandelten Schlusssätze der Ovid’schen Metamorphosen und damit zugleich einen Hinweis auf den quasi in Auflösung begriffenen Autor:

Intertextueller Vergleich

Christoph Ransmayr: Die letzte Welt

Publius Ovidius Naso: Metamorphosen

ICH HABE EIN WERK VOLLENDET / DAS DEM FEUER STANDHALTEN WIRD / UND DEM EISEN / SELBST DEM ZORN GOTTES UND / DER ALLESVERNICHTENDEN ZEIT // WANN IMMER ER WILL / MAG NUN DER TOD / DER NUR ÜBER MEINEN LEIB / GEWALT HAT / MEIN LEBEN BEENDEN // ABER DURCH DIESES WERK / WERDE ICH FORTDAUERN UND MICH / HOCH ÜBER DIE STERNE EMPORSCHWINGEN / UND MEIN NAME / WIRD UNZERSTÖRBAR SEIN (LW 50f.)

Nun habe ich ein Werk vollendet, das nicht Iuppiters Zorn, nicht Feuer, nicht Eisen, nicht das nagende Alter wird vernichten können. Wann er will, mag jener Tag, der nur über meinen Leib Gewalt hat, meines Lebens ungewisse Frist beenden. Doch mit meinem besseren Teil werde ich fortdauern und mich hoch über die Sterne emporschwingen; mein Name wird unzerstörbar sein, und so weit sich die römische Macht über den unterworfenen Erdkreis erstreckt, werde ich vom Mund des Volkes gelesen werden und, sofern an den Vorahnungen der Dichter auch nur etwas Wahres ist, durch alle Jahrhunderte im Ruhm fortleben.(32)

Indem im Ransmayr’schen Text die zweite Hälfte des Ovid’schen Schlusssatzes fehlt und dadurch ausdrücklich auf das Weiterleben des Dichters durch die orale Tradierung seiner Schriften und dem damit einhergehenden Vertrauen in das Wort verzichtet wird, kann die Dauerhaftigkeit des ‚Werkes‘ auch auf seine ‚Einschreibung‘ in die Wirklichkeit bezogen werden. Und für den Fall, dass man der Interpretation Thomas Neukirchens folgt, der durch intertextuelle Studien dargestellt hat, dass Nasos antikes Pendant Pyramus sei(33), welcher in einen Maulbeerbaum metamorphosiert, so könnte - analog zu Süskinds Parfum - auch hier das Prinzip der textuellen Einverleibung angenommen werden: Dann wären nicht nur Worte "vom Mund des Volkes" zu lesen, sondern die Worte würden - wenn beschrieben wird, wie Cotta die Maulbeeren isst (vgl. LW 243) - auch in Form der Früchte darin verschwinden.

 

(3) Die Geschwätzigkeit der Erzähler beim Erzählen des Erzählten ... in Hoffers Bieresch-Roman

Hoffers Roman Bei den Bieresch handelt auf unterschiedlichen Ebenen vom Erzählen und präsentiert sich im eigentlichen Sinne des Wortes als ein Textgewebe. Es ist ein Konglomerat von unzähligen Binnenerzählungen, die von einer vergleichsweise überschaubaren Rahmenhandlung zusammengehalten werden: einer anachronistisch anmutenden Initiationsgeschichte, der zufolge der jungendlich wirkende Städter Hans nach dem Tod seines Onkels zu der skurrilen Ethnie der Bieresch reist, um dort, einem archaischen Ritus folgend, ein Jahr als Stellvertreter für den Verstorbenen zu leben. Strukturell ist der Text durch das Auftreten von ‚märchenhafterweise‘ sieben Bieresch gegliedert, die nacheinander in sieben sogenannten ‚längeren Gesprächen‘ monologartig auf Hans einreden. Auf diese Weise ergeben sich verwirrende Erzählungen, hinter denen eine Logik jedoch nicht erkennbar wird, und die in ihrer Komplexität zusätzlich gesteigert werden durch intertextuelle Anspielungen auf fiktionale Texte - etwa von Samuel Beckett, Ambrose Bierce, Jorge Luis Borges, Blaise Cendrars, Gustave Flaubert, Gabriel García Márquez, Peter Handke, James Joyce, Franz Kafka, Howard Phillips Lovecraft, Flann O’Brien, Jan Potocki, Rainer Maria Rilke, Salman Rushdie, Bruno Schulz, Adalbert Stifter, Jonathan Swift, Kurt Vonnegut oder Urs Widmer. Zudem wird auf religiöse - und zwar sowohl biblische wie jüdische - als auch auf philosophische Texte verwiesen. Stellvertretend seien lediglich die Autoren Theodor W. Adorno, Walter Benjamin, Martin Heidegger, Carl Gustav Jung, Karl Marx, Gershom Scholem und Ludwig Wittgenstein genannt.(34)

Doch schon die Verschachtelung der Erzählungen an sich ist häufig sehr kompliziert. So berichtet beispielsweise Hans als extradiegetischer Erzähler dem Leser, dass Lumiere belauscht habe, wie Zerdahel Inga mitgeteilt haben soll, was De Selby über das Ablaken gesagt hat, derweil Inga überhaupt nicht anwesend war(35):

"Zerdahel machte eine Pause", fuhr der Göd [Lumiere] fort [Hans zu erklären]. "Er sah zu Inga hinüber, aber Inga tat nichts dergleichen. - "‚Nicht ich spreche‘, sagte De Selby, fing Zerdahel wieder an, ‚ein anderer ist es, der da mit meiner Stimme seufzt.‘ [...] rief der Jude aus", sagte Lumiere [...]. (B 208f.)

Diese Staffelung von Erzählungen und der indirekten Reden ist ins Extreme gesteigert. Hans - und mit ihm der Leser - erfährt vieles nicht nur aus zweitem, sondern auch drittem, viertem und fünften Munde. Eine graphische Darstellung verdeutlicht die Verschachtelung von extra-, intra- und metadiegetischen Erzählebenen.

Staffelung der Erzählungen im Bieresch-Roman

extradiegetische Erzählung

(1. Stufe)

intradiegetische Erzählung

(2. Stufe)

metadiegetische Erzählung

(3. Stufe)

metametadiegetische Erzählung

(4. Stufe)

metametametadiegetische Erzählung

(5. Stufe)

Erzähler und Adressat

Hans erzählt dem Leser ...

Lumiere erzählt Hans ...

Zerdahel erzählt dem abwesenden Inga ...

De Selby erzählt Zerdahel ...

ein anderer spricht mit De Selbys Stimme

Erzählung

..., dass Lumiere ihm erzählt hat, dass Zerdahel dem nicht anwesenden Inga erzählt hat, dass De Selby Zerdahel erzählt hat, dass ein anderer mit De Selbys Stimme spricht

..., dass Zerdahel dem nicht anwesenden Inga erzählt hat, dass De Selby Zerdahel erzählt hat, dass ein anderer mit De Selbys Stimme spricht

..., dass De Selby ihm erzählt hat, dass ein anderer mit De Selbys Stimme spricht

..., dass ein anderer mit seiner Stimme spricht

Die einzelnen Figuren treten hinter der abstrusen Staffelung ihrer Reden zurück, und die Affinität zu Barthes’ Autor- und Leserverständnis als bloßem "Widerhallraum" ist unübersehbar.

Bei den Bieresch ist ein Roman, der einerseits formal verdeckt mit Prätexten spielt und andererseits inhaltlich offensichtlich den Umgang mit Texten und Sprache permanent thematisiert. So schwierig es für den Leser ist, einzelne Zitate genau zu identifizieren und so unauffällig diese strukturell integriert sind, so auffällig sind die allgegenwärtigen Anspielungen auf Literatur und die parabolisch-metaphorischen Annäherungen an Intertextualität.

Als offensichtlichstes Beispiel kann De Selbys Ablak-Theorie angeführt werden. Die Parallelen des verselbstständigten Sprechens zu der Übermächtigkeit des Derrida’schen Generaltextes treten deutlich hervor:

["...] - Und es ist wahr: Jedes einzelne Wort - und damit freilich auch der Sachverhalt, den es beschreibt!‘ rief der Jude aus", sagte Lumiere, "jede erdenkliche Kombination von Lauten und Sätzen ist schon tausende Male durch die Filtersysteme fremder Gehirne, durch die Bergwerke fremder Herzen gelaufen - Es ist verrückt! Man selbst kommt sich wie aus dem Zusammenhang gerissen vor! [...], fuhr Zerdahel fort", sagte Lumiere [...]. (B 209)

Auch eine grundlegende Ähnlichkeit mit Michael Bachtins Theorie der "Dialogizität", der zufolge Wörter stets schon angereichert sein sollen mit Intentionen und Akzenten anderer Sprecher(36), ist unschwer zu erkennen .

Doch die Diskurse der Bieresch sind keine Exemplifikationen poststrukturalistischen Gedankenguts. Zwar wird zitiert und paraphrasiert, doch dahinter verbirgt sich nicht die pessimistische Grundüberzeugung der Posthistoire Baudrillard’scher Prägung(37), dass Novität nicht mehr möglich sei, sondern es ist eher ein lustvolles, intellektuelles Spiel mit - wörtlich zu verstehenden - Anspielungen auf literarische Traditionen. Die Bieresch verfügen über einen Teil des Wissens der Weltliteratur und können nicht ablassen, daraus zu zitieren, wobei sie jedoch gerade  n i c h t  das sagen, was "schon tausende Male durch die Filtersysteme fremder Gehirne, durch die Bergwerke fremder Herzen gelaufen" ist. Hoffer und seine Bieresch verdrehen den von ihnen zitierten Autoren vielmehr die Worte im Munde. Und genau in diesem Sinne kann Bei den Bieresch als Plädoyer dafür gelesen werden, dass die intertextuelle Kombinatorik von Textfragmenten ständig neue Formen und Inhalte erzeugt und daher unendlich sein muss.

Zudem verhehlt der Bieresch-Roman sein "Gemachtsein" aus Literatur nicht, sondern betont und reflektiert es inhaltlich auf mindestens dreierlei Weise: Erstens, im Bild der "Aufpfropfung und Bescheidung von Spalierobst" (B 183); zweitens, als Typhus-Erkrankung (B 207), durch die selbstbestimmtes Sprechen nicht mehr möglich zu sein scheint; und drittens, als gesellschaftliche Praxis des Potlatsch (vgl. B 373; Wörter-Potlatsch B 148, 209, 232) im Sinne eines ritualisierten Diebstahls von Gedanken im Rahmen eines telepatischen Trinkrituals. Die implizite Problematisierung der intertextuellen Praxis als künstlerische Veredelungstechnik, ‚identitätszerstörende‘ Krankheit und eklektizistischer Diebstahl kann kaum weniger gegensätzlich sein. Es sind drei extreme Positionen, die für die intertextuell motivierte "Machart" des Romans sensibilisieren und metatextuell eine konträre Diskussion über die Beschaffenheit des Romans eröffnen.

 

Süskind, Ransmayr und Hoffer - drei sehr lebendige, intertextuell ‚gut genährte‘, ironische Autoren

Es hat sich gezeigt, dass im postmodernen deutschsprachigen Roman keinesfalls die Rede davon sein kann, dass es aufgrund der Fülle an intertextuellen Strukturen niemanden mehr kümmert, wer spricht. Die postmodernen Autoren haben ganz im Gegenteil die Position des Autors auf unterschiedliche Weise betont und sich somit als sehr lebendig erwiesen.

Süskind triumphiert über seinen unschöpferischen Protagonisten, indem er ihn Suizid begehen und sich kannibalisieren lässt, derweil er sich als Autor genüsslich literarische Traditionen einverleibt und diese auch seinem Leser ästhetisch angerichtet und verlockend duftend darreicht.

Ransmayr gestaltet zwar in gewisser Weise den poststrukturalistischen ‚Tod‘ des gesuchten Autors Ovid, lässt diesen aber lediglich als Figur verschwinden, ohne dass ein ästhetisches Vakuum entstünde. Denn gleichzeitig beansprucht er eine Einschreibung und Potenzierung der schöpferischen Kreativität des Autors im Vertextungszusammenhang und überantwortet ihn dem Rezipienten, damit dieser seinen Autor auflesen möge.

Abb. 4: Bild auf Buchcover-Rückseite des ersten Teils Halbwegs (1979) von Klaus Hoffers Roman Bei den Bieresch(38)

Hoffer schließlich verbirgt den Einfallsreichtum seiner fiktionsinternen Figuren, die alle grandiose Erzähler sind, hinter ihrem scheinbar verselbstständigten Sprechen. Dahinter wiederum stehen jedoch nicht allein intertextuelle Anspielungen auf gewichtige Autoren, sondern auch Hoffer selbst, der mit diesen ebenbürtig und selbstbewusst in einen ironischen Wettstreit getreten ist, ohne dass ihn die Tradition verstummen ließe - zumindest nicht bis sich alles "verwirrt" (B 399) und auch der letzte seiner Erzähler eingeschlafen ist (B 380).

© Stefanie Kreuzer (Leibniz Universität Hannover, Deutschland)


ANMERKUNGEN

(1) Mitschnitt (Gespräche mit Autoren). Klaus Hoffer [Methoden der Verwirrung]. Lucas Cejpek spricht mit Klaus Hoffer. In: Mitschnitt 2. Literatur aus dem Studio Steiermark 1986. Hrsg. von Heinz Hartwig unter Mitarbeit von Walter Grond. Graz: Droschl 1987. S. 33-35. Hier S. 35.

(2) Klaus Hoffer: Halbwegs. Bei den Bieresch 1. Frankfurt am Main: S. Fischer 1979 (= Collection S. Fischer 6). Umschlaggestaltung: Atelier Rambow Lienemeyer van de Sand unter Verwendung zweier Fotos von Hans Georg Tropper, © 1979 S. Fischer..

(3) Michel Foucault: Was ist ein Autor? (Qu’est-ce qu’un auteur? [1969]). Aus dem Französischen von Karin von Hofer u. Anneliese Botond. In: Ders.: Schriften zur Literatur. Frankfurt am Main: Fischer 1993. S. 7-31. Hier S. 31.

(4) Michail M. Bachtin: Die Ästhetik des Wortes. Hrsg. u. eingeleitet von Rainer Grübel. Aus dem Russischen übers. von Rainer Grübel u. Sabine Reese. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979 (= edition suhrkamp 967). S. 289f.

(5) Julia Kristeva: Wort, Dialog und Roman bei Bachtin. In: Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven. Hrsg. von Jens Ihwe. Bd. 3: Zur linguistischen Basis der Literaturwissenschaft II. Frankfurt am Main: Athenäum 1972. S. 345-375. Hier S. 348.

(6) Jacques Derrida: Le facteur de la vérité. In: Poétique, revue de théorie et d’analyse littéraires 6 (1975). S. 96-147. Hier S. 96.

(7) Peter Bürger: Das Verschwinden der Bedeutung. Versuch einer postmodernen Lektüre von Michel Tournier, Botho Strauß und Peter Handke. In: "Postmoderne" oder der Kampf um die Zukunft. Die Kontroverse in Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft. Hrsg. von Peter Kemper. Frankfurt am Main: Fischer 1988. S. 294-312. Hier S. 295.

(8) Bürger: Das Verschwinden der Bedeutung. S. 295.

(9) Roland Barthes: Der Tod des Autors [engl.: The Death of the Author (1967); franz.: La mort de l’auteur (1968)]. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hrsg. von Fotis Jannidis u.a. Stuttgart: Reclam 2000 (= Universal-Bibliothek 18058). S. 185-193.

(10) Roland Barthes: Über mich selbst. Aus dem Französischen von Jürgen Hoch. München: Matthes & Seitz 1978. S. 81.

(11) Michel Foucault: Was ist ein Autor? [1974; franz. Qu’est-ce qu’un auteur? (1969)]. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hrsg. von Fotis Jannidis u.a. Stuttgart: Reclam 2000 (= Universal-Bibliothek 18058). S. 198-232. Hier S. 202.

(12) Vgl. dazu ausführlicher das Kapitel "4.3 Intertextualität, Mehrfachcodierung, Autoreflexivität, Rhizom und ironische Erzählweise" meiner Monografie: Stefanie Kreuzer: Literarische Phantastik in der Postmoderne. Klaus Hoffers Methoden der Verwirrung. Frankfurter Diss.: 2004 (Vorbereitung der Drucklegung).

(13) Vgl. exemplarisch zum Zusammenhang von Intertextualität und Postmoderne das speziell auf deutschsprachige Literatur bezogene Kapitel "Intertextualität als Strukturmerkmal (postmoderner?) deutschsprachiger Prosa" in: Ingeborg Hoesterey: Verschlungene Schriftzeichen. Intertextualität von Literatur und Kunst in der Moderne/Postmoderne. Frankfurt am Main: Athenäum 1988 (= Athenäums Monografien, Literaturwissenschaft 92). S. 164-196.

(14) Vgl. im Hinblick auf die intertextuellen Referenzen auf Nietzsche: Reinhard Wilczek: Zarathustras Wiederkehr. Die Nietzsche-Parodie in Patrick Süskinds Das Parfum. In: Wirkendes Wort 2 (2000). S. 248-255.

(15) Gerhard Stadelmaier: Lebens-Riechlauf eines Duftmörders. Patrick Süskinds Roman ‚Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders‘. Verbrecher aus verlorener Sphäre. In: Die Zeit (15. März 1985).

(16) Vgl. Nikolaus Förster: Die Wiederkehr des Erzählens. Deutschsprachige Prosa der 80er und 90er Jahre. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1999. S. 28.

(17) Patrick Süskind: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders [1985]. Zürich: Diogenes 1994. S. 316. Im Folgenden mit der Sigle ‚P‘ im Text zitiert.

(18) Vgl. Dieter Stolz: "Niemand weiß, wie gut es gemacht ist". Über Patrick Süskinds Parfum. In: Sprache im technischen Zeitalter 38 (2000) H. 153. S. 312-324. Hier S. 314, 318f.

(19) Die Abbildung entstammt Alain Corbin: Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs [1984; franz.: Le Miasme et la Jonquille. L’odorant et l’imaginaire social XVIII-XIX siècle (1982)]. Aus dem Französischen von Grete Osterwald. Berlin: Wagenbach 2005. S. 141. Es handelt sich bei dieser Publikation - ebenso wie bei Eugen Rimmels Buch des Parfums (Eugen Rimmel: Das Buch des Parfums. Die klassische Geschichte des Parfums und der Toilette. Hrsg. u. übers. von Karin-Beate Voigt-Karben. Dreieich: Hesse & Becker 1985. ) - um einen intertextuellen Referenztext zu Süskinds Parfum, in dem die Thematik der Parfümeurskunst unter historischer Perspektive thematisiert wird. Vgl. in diesem Zusammenhang Peter Cersowsky: Ein fluidaltheoretischer Roman. Patrick Süskinds "Das Parfum" (1985). In: Der deutsche Roman der Gegenwart. Hrsg. von Wieland Freund und Winfried Freund. München: Fink 2001 (= UTB für Wissenschaft 2251). S. 107-116. Hier S. 110f.

(20) Vgl. Judith Ryan: Pastiche und Postmoderne. Patrick Süskinds Roman Das Parfum. In: Spätmoderne und Postmoderne. Beiträge zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Hrsg. von Michael Lützeler. Frankfurt am Main: Fischer 1991. S. 91-103.

(21) Da im Ransmayr’schen Text die Ovid’schen Metamorphosen - wie die fünfzehn Bücher in der deutschen Übersetzung heißen - stets im griechischen Wortlaut als "Metamorphoses" bezeichnet werden, wird diese Benennung zur Differenzierung zwischen der fiktionsimmanenten Realität der Letzten Welt und der außerliterarischen Wirklichkeit aufgegriffen."Metamorphoses" bezeichnet im Folgenden das verschollene Buch Nasos innerhalb der Fiktion des Ransmayr’schen Romans, und Metamorphosen steht für die tradierte Publikation des historischen Dichters Publius Ovidius Naso, auf die Ransmayrs Letzte Welt intertextuell rekurriert. Vgl. auch Thomas Epple: Phantasie contra Realität - eine Untersuchung zur zentralen Thematik von Christoph Ransmayrs "Die letzte Welt". In: literatur für leser (1990). S. 29-43. Hier S. 30.

(22) Vgl. Monika Schmitz-Emans: Christoph Ransmayr: Die letzte Welt (1988) als metaliterarischer Roman. In: Europäische Romane der Postmoderne. Hrsg. von Anselm Maler, Ángel San Miguel und Richard Schwaderer. Frankfurt am Main: Peter Lang 2004 (= Studien zur Neueren Literatur 12). S. 119-148. Hier S. 126.

(23) Vgl. Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe [franz.: Palimpsestes. La littérature au second degré (1982)]. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer u. Dieter Hornig. Übers. nach der erg. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993. S. 14-18.

(24) Christoph Ransmayr: Die letzte Welt. Roman. Mit einem Ovidischen Repertoire. Zifferzeichnungen von Anita Albus [1988]. Frankfurt am Main: Fischer 1991. S. 44. Im Folgenden mit der Sigle ‚LW‘ im Text zitiert.

(25) Reproduktion der Lycaon-Illustration aus Gerlinde Huber-Rebenich: Metamorphosen der ‚Metamorphosen‘. Ovids Verwandlungssagen in der textbegleitenden Druckgraphik. Rudolstadt: Hain 1999. S. 35.

(26) Vgl. in Ransmayrs Letzten Welt: "Keinem bleibt seine Gestalt" (LW 15, 111).
Vgl. das 15. Buch der Metamorphosen des Ovid: "Es gibt im ganzen Weltkreis nichts Beständiges. Alles ist im Fluß, und jedes Bild wird gestaltet, während es vorübergeht. Ja auch die Zeiten gleiten in ständiger Bewegung dahin, nicht anders als ein Strom." (P[ublius]. Ovidus Naso: Metamorphosen. Lateinisch/Deutsch. P. Ovidi Nasonis Metamorphoseon libri qindecim/Metamorphosen in fünfzehn Büchern von P. Ovidius Naso. Hrsg. u. übers. von Michael von Albrecht. Stuttgart: Reclam 1994. S. 803.)

(27) Christoph Ransmayr: Entwurf zu einem Roman. In: Thomas Epple: Christoph Ransmayr, Die letzte Welt. Interpretation. München: Oldenbourg 1992 (= Oldenbourg-Interpretationen 59). S. 122-124. Hier S. 123.

(28) Die Sprache der Letzten Welt - ihr Ästhetizismus, ihre Poetizität, ihre Wörtlichkeit oder auch Uneigentlichkeit - ist von entscheidender Bedeutung für die Interpretation des Romans. So verweist Peter Brandes beispielsweise im Kontext der Übersetzungs- beziehungsweise Übertragungsthematik der Ovid’schen Metamorphosen auf die "reine Sprache" als zentrales Moment der Letzten Welt im Sinne Walter Benjamins: Peter Brandes: Die "reine Sprache in der eigenen zu erlösen". Christoph Ransmayrs Übersetzung der Metamorphosen. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 32 (2002) H. 128. S. 164-174. Thomas Epple hingegen hat etwa die Schönheit der Sprache im Verhältnis zu Phantasie und Realität untersucht und Analogien von Ransmayrs Roman zum Ästhetizismus Hugo von Hofmannsthals aufgezeigt. Vgl. Epple: Phantasie contra Realität. Insbes. S. 34, 43.

(29) Reinhold F. Glei: Ovid in den Zeiten der Postmoderne. Bemerkungen zu Christoph Ransmayrs Roman Die letzte Welt. In: Poetica 26 (1994) H. 1-2. S. 409-427. Hier S. 423.

(30) Vgl. Thomas Neukirchen: "Aller Aufsicht entzogen". Nasos Selbstentleibung und Metamorphose. Bemerkungen zum (Frei)Tod des Autors in Christoph Ransmayrs Roman Die letzte Welt. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 52 (2002) H. 1. S. 191-209. Hier S. 200. Auch Ulrich Schmitzer hat in diesem Kontext prägnant konstatiert: "Die Literatur vereinnahmt das Leben." (Ulrich Schmitzer: Tomi, das Kaff, Echo, die Hure - Ovid und Christoph Ransmayrs Die Letzte Welt: eine doppelte Wirkungsgeschichte. In: Mythen in nachmythischer Zeit. Die Antike in der deutschsprachigen Literatur der Gegenwart. Hrsg. von Bernd Seidensticker und Martin Vöhler. Berlin: de Gruyter 2002. S. 276-297. Hier S. 294.)

(31) Thomas Anz: Spiel mit der Überlieferung. Aspekte der Postmoderne in Ransmayrs Die letzte Welt. In: Die Erfindung der Welt. Zum Werk von Christoph Ransmayr. Hrsg. von Uwe Wittstock. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer 2004 [1997]. S. 120-132. Hier S. 122. Vgl. auch die Kritik an diesem Ansatz Neukirchen: "Aller Aufsicht entzogen". S. 200.

(32) Naso: Metamorphosen. S. 849.

(33) Vgl. Neukirchen: "Aller Aufsicht entzogen". S. 196f., 203.

(34) Vgl. die differenzierte Auflistung der verifizierten Prätexte sowie exemplarische Analysen: Kreuzer: Literarische Phantastik in der Postmoderne.

(35) Vgl. Klaus Hoffer: Bei den Bieresch. Halbwegs [1979]. Der große Potlatsch [1983]. Frankfurt am Main: S. Fischer 1983. S. 213. Im Folgenden mit der Sigle ‚B‘ im Text zitiert.

(36) Bachtin: Die Ästhetik des Wortes. S. 289f.

(37) Vgl. exemplarisch Jean Baudrillard: Die Simulation [1982; franz.: L’échange symbolique et la mort (1976)]. In: Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Hrsg. von Wolfgang Welsch. Mit Beiträgen von J[ean]. Baudrillard u.a. 2., durchges. Aufl. Berlin: Akademie 1994. S. 153-162.

(38) Hoffer: Halbwegs. Umschlaggestaltung: Atelier Rambow Lienemeyer van de Sand unter Verwendung zweier Fotos von Hans Georg Tropper, © 1979 S. Fischer.


LITERATURANGABEN

Anz, Thomas: Spiel mit der Überlieferung. Aspekte der Postmoderne in Ransmayrs Die letzte Welt. In: Die Erfindung der Welt. Zum Werk von Christoph Ransmayr. Hrsg. von Uwe Wittstock. 3. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer 2004 [1997]. S. 120-132.

Bachtin, Michail M.: Die Ästhetik des Wortes. Hrsg. u. eingeleitet von Rainer Grübel. Aus dem Russischen übers. von Rainer Grübel u. Sabine Reese. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1979 (= edition suhrkamp 967).

Barthes, Roland: Der Tod des Autors [engl.: The Death of the Author (1967); franz.: La mort de l’auteur (1968)]. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hrsg. von Fotis Jannidis u.a. Stuttgart: Reclam 2000 (= Universal-Bibliothek 18058). S. 185-193.

Barthes, Roland: Über mich selbst. Aus dem Französischen von Jürgen Hoch. München: Matthes & Seitz 1978.

Baudrillard, Jean: Die Simulation [1982; franz.: L’échange symbolique et la mort (1976)]. In: Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Hrsg. von Wolfgang Welsch. Mit Beiträgen von J[ean]. Baudrillard u.a. 2., durchges. Aufl. Berlin: Akademie 1994. S. 153-162.

Brandes, Peter: Die "reine Sprache in der eigenen zu erlösen". Christoph Ransmayrs Übersetzung der Metamorphosen. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 32 (2002) H. 128. S. 164-174.

Bürger, Peter: Das Verschwinden der Bedeutung. Versuch einer postmodernen Lektüre von Michel Tournier, Botho Strauß und Peter Handke. In: "Postmoderne" oder der Kampf um die Zukunft. Die Kontroverse in Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft. Hrsg. von Peter Kemper. Frankfurt am Main: Fischer 1988. S. 294-312.

Cersowsky, Peter: Ein fluidaltheoretischer Roman. Patrick Süskinds "Das Parfum" (1985). In: Der deutsche Roman der Gegenwart. Hrsg. von Wieland Freund und Winfried Freund. München: Fink 2001 (= UTB für Wissenschaft 2251). S. 107-116.

Corbin, Alain: Pesthauch und Blütenduft. Eine Geschichte des Geruchs [1984; franz.: Le Miasme et la Jonquille. L’odorant et l’imaginaire social XVIII-XIX siècle (1982)]. Aus dem Französischen von Grete Osterwald. Berlin: Wagenbach 2005.

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Förster, Nikolaus: Die Wiederkehr des Erzählens. Deutschsprachige Prosa der 80er und 90er Jahre. Darmstadt: Wiss. Buchges. 1999.

Foucault, Michel: Was ist ein Autor? (Qu’est-ce qu’un auteur? [1969]). Aus dem Französischen von Karin von Hofer u. Anneliese Botond. In: Ders.: Schriften zur Literatur. Frankfurt am Main: Fischer 1993. S. 7-31.

Foucault, Michel: Was ist ein Autor? [1974; franz. Qu’est-ce qu’un auteur? (1969)]. In: Texte zur Theorie der Autorschaft. Hrsg. von Fotis Jannidis u.a. Stuttgart: Reclam 2000 (= Universal-Bibliothek 18058). S. 198-232.

Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe [franz.: Palimpsestes. La littérature au second degré (1982)]. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer u. Dieter Hornig. Übers. nach der erg. 2. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993.

Glei, Reinhold F.: Ovid in den Zeiten der Postmoderne. Bemerkungen zu Christoph Ransmayrs Roman Die letzte Welt. In: Poetica 26 (1994) H. 1-2. S. 409-427.

Hoesterey, Ingeborg: Verschlungene Schriftzeichen. Intertextualität von Literatur und Kunst in der Moderne/Postmoderne. Frankfurt am Main: Athenäum 1988 (= Athenäums Monografien, Literaturwissenschaft 92).

Hoffer, Klaus: Bei den Bieresch. Halbwegs [1979]. Der große Potlatsch [1983]. Frankfurt am Main: S. Fischer 1983.

Hoffer, Klaus: Halbwegs. Bei den Bieresch 1. Frankfurt am Main: S. Fischer 1979 (= Collection S. Fischer 6).

Huber-Rebenich, Gerlinde: Metamorphosen der ‚Metamorphosen‘. Ovids Verwandlungssagen in der textbegleitenden Druckgraphik. Rudolstadt: Hain 1999.

Kreuzer, Stefanie: Literarische Phantastik in der Postmoderne. Klaus Hoffers Methoden der Verwirrung. Frankfurter Diss.: 2004 (Vorbereitung der Drucklegung).

Kristeva, Julia: Wort, Dialog und Roman bei Bachtin. In: Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven. Hrsg. von Jens Ihwe. Bd. 3: Zur linguistischen Basis der Literaturwissenschaft II. Frankfurt am Main: Athenäum 1972. S. 345-375.

Mitschnitt (Gespräche mit Autoren). Klaus Hoffer [Methoden der Verwirrung]. Lucas Cejpek spricht mit Klaus Hoffer. In: Mitschnitt 2. Literatur aus dem Studio Steiermark 1986. Hrsg. von Heinz Hartwig unter Mitarbeit von Walter Grond. Graz: Droschl 1987. S. 33-35.

Naso, P[ublius]. Ovidus: Metamorphosen. Lateinisch/Deutsch. P. Ovidi Nasonis Metamorphoseon libri qindecim/Metamorphosen in fünfzehn Büchern von P. Ovidius Naso. Hrsg. u. übers. von Michael von Albrecht. Stuttgart: Reclam 1994.

Neukirchen, Thomas: "Aller Aufsicht entzogen". Nasos Selbstentleibung und Metamorphose. Bemerkungen zum (Frei)Tod des Autors in Christoph Ransmayrs Roman Die letzte Welt. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift 52 (2002) H. 1. S. 191-209.

Ransmayr, Christoph: Die letzte Welt. Roman. Mit einem Ovidischen Repertoire. Zifferzeichnungen von Anita Albus [1988]. Frankfurt am Main: Fischer 1991.

Ransmayr, Christoph: Entwurf zu einem Roman. In: Thomas Epple: Christoph Ransmayr, Die letzte Welt. Interpretation. München: Oldenbourg 1992 (= Oldenbourg-Interpretationen 59). S. 122-124.

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Schmitz-Emans, Monika: Christoph Ransmayr: Die letzte Welt (1988) als metaliterarischer Roman. In: Europäische Romane der Postmoderne. Hrsg. von Anselm Maler, Ángel San Miguel und Richard Schwaderer. Frankfurt am Main: Peter Lang 2004 (= Studien zur Neueren Literatur 12). S. 119-148.

Schmitzer, Ulrich: Tomi, das Kaff, Echo, die Hure - Ovid und Christoph Ransmayrs Die Letzte Welt: eine doppelte Wirkungsgeschichte. In: Mythen in nachmythischer Zeit. Die Antike in der deutschsprachigen Literatur der Gegenwart. Hrsg. von Bernd Seidensticker und Martin Vöhler. Berlin: de Gruyter 2002. S. 276-297.

Stadelmaier, Gerhard: Lebens-Riechlauf eines Duftmörders. Patrick Süskinds Roman ‚Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders‘. Verbrecher aus verlorener Sphäre. In: Die Zeit (15. März 1985).

Stolz, Dieter: "Niemand weiß, wie gut es gemacht ist". Über Patrick Süskinds Parfum. In: Sprache im technischen Zeitalter 38 (2000) H. 153. S. 312-324.

Süskind, Patrick: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders [1985]. Zürich: Diogenes 1994.

Wilczek, Reinhard: Zarathustras Wiederkehr. Die Nietzsche-Parodie in Patrick Süskinds Das Parfum. In: Wirkendes Wort 2 (2000). S. 248-255.


2.1. WIEDERHOLUNG ALS ERNEUERUNG: Innovationsstrategien der Wiederholung in der Gegenwartsliteratur

Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections


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For quotation purposes:
Stefanie Kreuzer (Universität Hannover, Deutschland) . Intertextuelle Auto(r)-Tötung und Wiederbelebung. Hoffers Bei den Bieresch, Ransmayrs Die letzte Welt und Süskinds Das Parfum. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/02_1/kreuzer16.htm

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