Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. Juli 2006
 

3.4. Sind die Weltreligionen friedensfähig?
Herausgeberin | Editor | Éditeur: Vera Zingsem (Tübingen)

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Die männliche Hierarchisierung der zyklischen weiblichen Trinität des Alten Europas und ihre Konsequenzen bis zum Ersatz der Mütter im 21. Jahrhundert

Gudrun Nositschka (Gerda-Weiler-Stiftung für feministische Frauenforschung)
[BIO]

 

Betrachte ich die fast dreitausendjährige Geschichte des Patriarchats in Europa, deren Ende trotz aufkeimender Hoffnungen von feministischer Seite wie den Differenzdenkerinnen aus Mailand mit der Aussage "Das Patriarchat ist zu Ende - es ist passiert - nicht aus Zufall" (1) noch nicht abzusehen ist, fällt mir auf, dass diese Geschichte eine Abfolge von Gewalt, Tricksereien, Vernebelungen, aber auch von Beschwichtigungen ist, zu denen zum Beispiel die Angebote der Emanzipation und der Assimilation zählen. Dabei bitte ich zu beachten, dass sich die Emanzipation im Gegensatz zu unserer landläufigen Überzeugung in erster Linie an Männer gerichtet hat und noch richtet, während das Angebot der Assimilation heutzutage an Frauen geht, um sie einerseits zu beschwichtigen, andererseits in Unkenntnis zu lassen, dass dank des Technikfortschritts ihre ausschließlich weiblichen Potenzen nur noch teilweise benötigt werden. Zu dieser Aussage einige wichtige Erläuterungen, beginnend mit der zugrunde liegenden Bedeutung des Begriffes "Patriarchat" wie ich sie aus den Ausführungen von Claudia von Werlhof übernehme. (2)

Der Begriff "Pater" als "Vater" ging historisch einher mit der Etablierung patriarchaler Gesellschaften, stand aber in erster Linie nicht für den leiblichen Vater, sondern für den Herrn, die Herrschaft und Gott. "Arché" kreist um Inhalte wie "Ursprung, Beginn und Anfang", aber auch "Gebärmutter". Erst seit Durchsetzung des Patriarchats heißt arché auch "Herrschaft". Der Begriff Patriarchat ist also doppeldeutig mit "Gebärmutter oder am Anfang die Väter" wie auch "Väterherrschaft" und beschreibt ein völlig neues historisches Phänomen.

Claudia v. Werlhof führt dazu aus, dass "Patriarchat im Grunde der Ausdruck einer Gesellschafts-Utopie darüber ist, dass es nicht Mütter, sondern so genannte Väter sind, die das Leben hervorbringen, schaffen oder die idealerweise irgendwann dazu imstande wären." Um diese Utopie zu verwirklichen, bedienen sich alle patriarchalen Gesellschaften in nur leichten Abänderungen weltweit ähnlicher Mittel mit weit reichenden Folgen als da sind: Das Führer- und Gefolgschaftsprinzip, Kriege, Besitzansprüche gegen unterworfene Menschen in Form von Sklaverei und Menschenhandel, aber auch Auslöschung von Völkern, Unterwerfung und Bändigung der Natur, Hierarchisierung der Geschlechter in der Form, dass der Mann/der Vater Frauen und seine Kinder als Eigentum besitzt, sie ihm gehören wie Knechte, Mägde, Vieh, Haus und Hof, usw. (Siehe 10. Gebot), er mit ihnen nach Gutdünken verfahren kann. Zur Untermauerung der Ansprüche wurden mannzentrierte Religionen erdacht und durchgesetzt, die herrschende Götter kannten, bis viele dieser Religionen in das Ein-Mann-Prinzip des Monotheismus wechselten. Wohlgemerkt - das alles ist in der Geschichte der Menschheit relativ neu, in Europa nur zwischen 2.500 und 3.000 Jahre alt.

Ein dermaßen rigides System fordert entweder Widerspruch heraus oder große Anstrengungen, um an der herrschaftlich gedeckten Tafel mitspeisen zu dürfen. Es förderte und fördert die Emanzipationsbestrebungen von Männern, die nicht zur Herrschaftsschicht gehören, und schafft in ihrem Kampf um Teilhabe männliche Solidarität, in der sich nun alle Männer als Brüder fühlen, nun nicht aus einer Gebärmutter, sondern aus dem System des Patriarchats Geborene. Und sie feierten und feiern Erfolge: Ein Teil von ihnen entwindet sich der Sklaverei, dem Leibeigenen- und Untertanenstatus. Nun dürfen auch sie an der Hierarchisierung der Geschlechter teilhaben, Herrscher über eine Frau und die eigenen Kinder werden, ungestraft das "Besitztum Frau" vergewaltigen, an Prostitution und Menschenhandel verdienen, selber Haus und Hof besitzen, als Ingenieure dazu beitragen, die Natur zu beherrschen und/oder sie einzudämmen sowie zu zerstückeln.

Im heutigen Europa ist die Emanzipation der Männer zu Brüdern im Patriarchat so weit fortgeschritten, dass diese gar nicht mehr darüber nachdenken und den Wunsch nach Emanzipation für eine originäre Sache von Frauen halten. Frauen dagegen reden in der Tat von Emanzipation und wollen sich emanzipieren. Dabei übersehen sie, dass das Patriarchat ihnen keine Emanzipation bieten kann, ohne sich selbst - anders als bei der Emanzipation der Männer - zu gefährden. Auch das moderne Patriarchat braucht ein paar Grundlagen, ohne die es nicht überlebensfähig wäre, nämlich:

Die Hierarchisierung der Geschlechter sowie die Ausbeutung der Natur und der Ressourcen der Frauen, so lange die Technik noch keine Gebärmütter konstruieren kann.

Anstelle der Emanzipation hält das moderne Patriarchat aber für Frauen die Assimilation bereit. Da es heute in vielen Lebensreichen nicht mehr auf Muskelkraft ankommt, dürfen Frauen fast so werden wie Männer: Im Denken, in der Lebensführung, in der Politik. Na ja - beinahe. In den vormodernen monotheistischen Kirchen dürfen sie nicht Päpstin oder Patriarcharchin oder artverwandte Stellungen einnehmen. Die mann-zentrierten Religionen können sich nicht so schnell wandeln wie das kapitalistische Patriarchat, wenn überhaupt. Deshalb denken heute fälschlicherweise einige Frauen, die Kirchen stünden auf ihrer Seite. Doch alle monotheistischen Religionen können von ihrem Selbstverständnis her eben nicht die aus dem Patriarchat geschaffene Geschlechterhierarchie über Bord werfen und müssen sogar allmählich Sorge haben, vom modernen, sprich dem kapitalistischen Patriarchat abgeschafft, zumindest zur Staffage reduziert zu werden.

Frauen reden dann von Emanzipation, wenn sie die Erziehung und Ausbildung wie Männer erfahren, sogar zum Militär dürfen und zum Töten ausgebildet werden. Eine dreitausendjährige patriarchale Gehirnwäsche - nach der die Fähigkeit von Frauen Leben zu geben, zu erhalten und zu fördern als unbedeutend bis sündig angesehen wurde und wird - zeigt Wirkung. Schon mit 14 Jahren lassen sich heute viele Mädchen hormonell ohne Rücksicht auf ihren Zyklus und ihre Gesundheit beschränken und hoffen sogar auf die Abschaffung der Menstruation, diese "unnötige Weiblichkeit", wie es ihnen Forscher versprechen. (SZ vom 18. Juli 2000) So werden Frauen - oft ohne es selbst zu merken - zu assimilierten Brüdern und sind von dem neuen Status begeistert.

Die amerikanische Philosophin und kath. Theologin Mary Daly nennt in ihrem Buch "Gyn/Ökologie" das Angebot der Assimilation die größte Falle des Patriarchats für Frauen und Mädchen. Es droht ihnen der Verlust der Mütter, der Mütterlichkeit, der eigenen Geschichte, des eigenen Selbst. Sie schreibt: "Wir hätten diesen Blackout voraussehen müssen und vermutlich hätten wir ihn auch vorausgesehen, wäre da nicht die Tatsache, dass das Rad der patriarchalen Prozessionen (ein Begriff von Virginia Woolf, A. d. A.) immer wieder die feministischen Errungenschaften zu unerkennbaren Staubpartikeln zermalmt, dabei unseren Sinn für unsere eigene Tradition (jenseits und vor dem Patriarchat, A. d. A.) zerstörend."(3)

Doch was macht und hat die eigene Tradition von Frauen und den ihr verbundenen Männern ausgemacht, bevor sie patriarchal verfremdet wurde und weiterhin in Schrift und Ton unaufhörlich wird? Eine gewichtige Tradition stammt aus der Erkenntnis, dass alles Leben auf der Erde und im Universum in großen und kleineren Zyklen verläuft und dass Frauen selber einen sichtbaren und nachvollziehbaren Zyklus repräsentieren. Dieses Wissen wiederum führte zur bewussten Sexualität und Fortpflanzung sowie zu Liebesbeziehungen, führte zur Tierhaltung, zu Landwirtschaft und Obstanbau, zu Feiern der Sonnen- und Mondrhythmen, zur Poesie, zu Gesang und Musik, zu Transzendenz sowie zu Respekt und Weisheit, kurzum zu Kultur und Zivilisation. Sehr gut nachzulesen im "Schwarzmond-Tabu", die kulturelle Bedeutung des weiblichen Zyklus von Jutta Voss. (4)

Die Bedeutung dieser Erkenntnis fand ihren Niederschlag in bestaunte Steinanlagen quer durch Europa, in Höhlenmalereien, in Labyrinthen und Spiralen. Diese Erkenntnis wurde in Mythen über die All-Eine, die das Universum geboren hatte und in Zyklen immer wieder neu gebar, über die Große Mutter, über Drachen und Schlangen und die Bedeutung des Wassers fürs Leben vertieft. SIE war ALLES und ALLES war SIE. Aus IHR ging alles hervor, zu IHR kehrte alles zurück, um verwandelt wiederum aus IHR hervorzukommen. Diese sich immer bewegende Ordnung der Welt war heilig, war Hierarchie, eine heilige Ordnung, eine Ordnung ohne Herrschaft.

Das zyklische Erleben der Frauen, das Ausbleiben der Menstruation bei Schwangerschaften für einen errechenbaren Zyklus, das Fortbleiben der Menstruation in einem bestimmten Alter führte vermutlich auch zu der Vorstellung von weiblichen Trinitäten. Auffallend ist die Verwendung der Zahl Drei als eine in sich stimmige zyklische Einheit bis zur Zeit der Kelten (Bronzezeit) in Europa, die als frühpatriarchale Gruppen als erste auf die alteuropäischen religiösen Vorstellungen trafen und Vieles davon im Gegensatz zu nachfolgenden patriarchalen Gruppen unverfälscht überleben ließen. So die Bedeutung der Zahl Drei und die Verehrung einer namenlosen weiblichen Trinität an besonderen Standorten, die Quellen, Hügel, Bäche und Flüsse, Höhlen und Moore umschlossen und die die nachfolgenden römischen Besatzer westlich des Rheins zwischen Köln und Eifel nachweislich von ca. 70 bis 450 u.Z. die Matronen und Göttin (dea) nannten und in Stein meißelten.

Jede Dreiheit bei den Kelten stand für wichtiges, einzuprägendes Wissen, für Anfang, Mitte und Ende in einem Zyklus. (Sylvia u.Paul E. Botheroyd,1992) (5): "Durch die Drei lassen sich augenscheinliche Gegensätze gleitend verbinden wie

a. Hell - Zwielicht - Dunkel b. Heiß - lau - kalt c. Jugend - Reife - Alter." (ebd., 1992)

Doch erst die Aufschlüsselung des Begriffs "Matronen" im Zusammenhang mit der Bezeichnung "dea" (also Göttin im Singular!) und die Abbildung der kapitolinischen Trias des Landesmuseums in Trier halfen mir nachzuvollziehen, wie die zyklische weibliche Dreiheit als Negativpause bei der Gründung Roms zur patriarchalen Hierarchisierung der Geschlechter benutzt worden war.

Den Aspekt der Enteignung des Mythos und seine Zementierung in der Archetypenlehre von C.G. Jung und die therapeutischen Folgen daraus, zeige ich heute nicht auf. Das hat vorzüglich Gerda Weiler mit ihrem Werk "Der enteignete Mythos" getan. (6) Mir geht es an dieser Stelle um die folgenschwere Geschlechter-Hierarchisierung im Himmel wie auf Erden. Frage ich bei Führungen zu den Matronenheiligtümern der Nord-Eifel Frauen und Männer, was sie mit dem Wort "Matrone" verbinden, sind die meisten um eine Antwort verlegen, weil ihnen die Bedeutung des Begriffs in der deutschen Sprache peinlich ist. Demnach sind Matronen füllige und zänkische alte Weiber, die immer das letzte Wort haben wollen und ihrem Umfeld auf die Nerven gehen. Nichts von dem negativen Touch finden wir in der lateinischen Sprache wieder. Dort bedeutet Matrone noch:

Frau von Stand, Familienmutter, ehrbare Ehefrau, vornehme Dame, Herrin und Gebieterin, und wurde einer römischen Göttin als Beiname oder Anrede beigegeben.

Noch bedeutungsvoller ist das innewohnende Wort "Mater", steht es in der lat. Sprache nicht nur für die leibliche Mutter, sondern auch

für Schöpferin der Natur und aller Dinge sowie - Urheberin, Quelle, Ursprung, Wurzel und Grund.

Diese Bedeutungsschwere macht uns wundern, sehen wir doch in der Mitte der Weihesteine eine ganz junge Frau sitzen, fast noch ein Mädchen, mit offenem langen Haar, eingerahmt von zwei älteren Frauen mit auffallenden Hauben. Auf die beiden älteren mögen die genannten Bedeutungen wie Familienmutter, ehrbare Ehefrau und Herrin ja zutreffen, aber auch auf die junge in der Mitte? Weitere Unterscheidungsmerkmale gibt es allerdings nicht. Die Schöße der drei Frauen sind durch Korbschalen mit Früchten wie Birnen, Äpfel und Granatäpfel betont, als Halsschmuck tragen die drei oft sichelförmige Anhänger, deren Form an den zunehmenden Mond erinnert, und die Seiten der Weihesteine bieten eine Fülle von pflanzlichen und tierischen Symbolen, u. a. Bäume, Schlange und Raute sowie den Kranich und Füllhorn mit Birnen, Granatäpfel und Pinienzapfen an. Es würde in diesem Rahmen zu weit führen, alle Symbole zu erläutern, doch sie alle gemeinsam bilden ein zyklisches Gewebe von Erde, Sonne und Mond, den Jahreszeiten, der Menstruation und Gebär-Potenz der Frauen, von Leben und Tod und Transformation.

Diese Frauendreiheit stellen Göttinnen dar, die zugleich aber nur eine Göttin sein soll: Juno. Wo aber ist die dreifaltige Juno zu finden? Die Juno der römischen Mythologie nämlich passt so gar nicht mit dem Bild der weiblichen Trinität der Matronensteine zusammen, sie wird in Caesars "De Bello Gallico" gar nicht erwähnt und findet sich in der Zeit der römischen Besetzung Galliens 65 mal als Ehefrau Jupiters wieder, dort in Abhängigkeit von ihm. Wo fand ich nur diese Matrone Juno als Dreiheit wieder? Wo suchen?

Spuren fand ich bei der Auflistung ihrer Funktionen, u.a. von wem sie laut römischer Mythologie abstammen sollte, wen sie geboren haben sollte, welche Orte, Früchte, Zeiten, Fähigkeiten und Menschen unter ihrem Schutz standen. Auffallend sind dabei die Beziehungen zu griechischen Namen. So ist Juno die Tochter von Rhea, der Großen Mutter der Ägäis vor der patriarchalen Machtübernahme, Juno ist aber auch die Mutter von Hebe und eine Himmelskönigin wie Hera.

Drei griechische Göttinnennamen als Verwandte bzw. wesensgleiche: Rhea, Hebe, Hera, und gleichzeitig so viele Verschleierungen. So ist Hebe, die Tochter, die Jugendkraft der Göttermutter Hera/Juno, der Himmelskönigin. Hera gebietet in ihrem Mutteraspekt über den Baum des Lebens und dessen magische Äpfel. Die mannfreie Hera wurde Mutter aller Götter, auch der olympischen, denen sie als Hebe Nektar des ewigen Lebens schenkte. In ihrem Tempel in Argos durchlief sie endlose Zyklen, erneuerte ihre Jugendkraft durch ein Bad in einer heiligen Quelle. Heras Kult verbreitete sich in ganz Europa. Auch der Name Europa ist eine Inkarnation Heras und heißt: Vollmond. (Barbara Walker, 1993) (7) Erst bei der Eroberung Griechenlands durch die Hellenen wurde Hera gegen ihren Willen die angeblich eifersüchtige Frau des Zeus und noch später bei den Römern, nun als Juno, die Frau des römischen Jupiters.

Nun kennen wir zwei Aspekte der verborgenen weiblichen Trinität: den jungen Aspekt, die Hebe, den umfassend-mütterlichen Aspekt, die Hera. Wo bleibt der dritte Aspekt, der der Unterwelt, wie es in Griechenland hieß? Heras/Junos zerstörender Winteraspekt oder das Alte Weib war in der weiblichen Trinität die Göttin Hekate, auch Athene oder römisch die Minerva, bekannt als Göttin der Weisheit und des Mondes. Ihr waren die Eule und die Raute, im Mittelmeerraum auch der Ölbaum, die Olive und das Öl geweiht. Die winterliche Hekate war auch die Geburtshelferin der Sonne bei der Wintersonnenwende, versehen mit dem Begleittier Frosch gleich Fötus. (Barbara Walker, 1993) Auch Hekate für sich stand für die weibliche Trinität, die sowohl mit dem Himmel, der Erde als auch der Unterwelt mit ihren Höhlen und Wassern verbunden war.

Kommen wir zu Hekates römischem Pendant der Minerva. Ihrwurden zugeordnet:

  1. Personifikation der menschlichen Intelligenz

  2. Beschützerin der Künste und Wissenschaften

  3. Hüterin der Städte im Frieden und des Gewerbes, bes. des Spinnens und Webens, das in Frauenhänden lag

  4. im Altertum auch als Kriegsgöttin. (Lat. Lexikon, 1955).

Nun haben wir die vielfältigen, bedeutsamen griechischen und prähellenistischen Wurzeln der trinitären Juno kennen gelernt. Es gibt noch eine sabinisch-etruskische Wurzel auf italienischem Boden, die sich in der römischen Mythologie mit den griechischen verband. Danach hatte Juno ihren Ursprung in der sabinisch-etruskischen Uni, einer triadischen weiblichen Gottheit, aus deren Name unser Universum-Begriff hervorgegangen ist. (Barbara Walker, 1993). Bei Barbara Walker las ich auch, dass sogar noch in patriarchaler Zeit "jede römische Frau einen Teil des Wesens der Göttin Uni verkörperte, nämlich ihre Juno, so wie jeder Mann seinen Genius besaß".

Doch noch immer ist die dreifaltige Juno nicht vollständig. In der römischen Mythologie ist Minerva die Tochter von Jupiter und Juno, keineswegs der dritte Aspekt der Juno. Wo war ihre erotische Kraft, die junge Juno geblieben? Minerva war es auf keinen Fall! Die junge Kraft nämlich, die es zu schützen und zu stärken galt, müsste wie bei den Matronen in der Mitte gedacht werden. An dieser Stelle der Überlegungen stieß ich auf den Stein der kapitolinischen Trias im Landesmuseum in Trier, benannt nach einem Tempel auf dem Kapitol in Rom. Welch ein Kontrastprogramm! Auffallend, keineswegs Schutz erheischend, sitzt dort seit der patriarchalen Machtübernahme durch die Römer im Jahr 503 v.z.Z. im Alten Rom mit hehrer offener Männerbrust Jupiter in der Mitte einer Dreiergruppe, links von ihm Juno als Ehefrau und rechts ihre nun gemeinsame Tochter Minerva. Er ist eindeutig der mächtige Chef. Doch wessen Position hat er besetzt, verdrängt? Etwa die griechische Hebe? Gibt es keine römische oder vorrömische Entsprechung? Doch, nur sie wurde auch namentlich verdrängt. Ihr lat. Name ist Iuventas oder Iuventa, die personifizierte Göttin der Jugend, der Jugendkraft, -frische und des Jugendmuts, der jugendlich-erotische Aspekt von Juno und Minerva. Mit der Verdrängung der Iuventa - nicht nur ihr Name wurde verschleiert - und der Umfunktionierung der Minerva zur Tochter sprengte Jupiter das ursprüngliche Weltbild, das Einsicht in die Naturzusammenhänge anbot, den Menschen in Beziehung zu Sonne, Mond und Erde sowie zu den Tieren, den Pflanzen und der jeweiligen Topographie setzte und etablierte den männlichen Herrschaftsanspruch unter Ausnutzung der Potenzen alter Göttinnenvorstellungen.

Wie stark das stimmige zyklische Weltsicht noch als Sehnsucht in den Menschen gewohnt haben muss, beweist meines Erachtens die geglückte Adaption der namenlosen alt-europäischen Matronen durch die neue Mischbevölkerung von Kelten, Germanen und Römern und der Akt ihrer Steinwerdung durch römische Bildhauer 650 Jahre später, deren Verehrung noch bis 450 u.Z. nachweislich andauerte. Um diese Zeit wurden auch Jupiter und Zeus und ähnliche Hochgötter abgelöst, die sich immer wieder und für uns offensichtlich der zyklischen Potenzen der weiblichen Trinitäten Alt-Europas bedienen mussten, um ihren eigenen Mangel zu verschleiern und ihren Herrschaftsanspruch zu untermauern. Dennoch waren sie Wegbereiter für eine monotheistische Religion wie das Christentum und seine mit dem Hellenismus verknüpfte Philosophie, in der das Weibliche nur noch das "reine Gefäß" für den "männlichen Geist" zu sein hatte und in der zum ersten Mal in der Geschichte eine Mutter ihren Sohn anbetete. (Mary Daly, 1991)

Nach der Lehre der kath. Kirche bedeutet das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Marias, dessen Fest auch hier in Österreich am 8. Dez. begangen wird, nichts anderes, als dass sie bereits im Leib ihrer Mutter von der Erbsünde, ihrer Unreinheit, also der späteren Menstruation, befreit worden ist. Dieses Dogma ist eine Dokumentation der patriarchalen Unzumutbarkeit der weiblichen Potenz. Auch wenn das kath. Kirchenvolk überwiegend in Maria noch die starke Mutter und Himmelskönigin sieht (die meisten Gläubigen wissen übrigens mit dem Dogma nichts anzufangen oder verbinden es mit der Jungfrauengeburt), sollten wir realistisch erkennen, dass mit der Gentechnik und der sog. Reproduktionsmedizin die Utopie des Patriarchats, nämlich aus sich selbst schöpferisch zu sein, mit allen Mitteln umgesetzt werden soll - koste es, was es wolle.

Sehr eingängig und beklemmend hat sich Claudia v. Werlhof mit den Folgen der Gen-Technik und der Gen-Manipulation auseinandergesetzt. Im Folgenden fasse ich einige ihrer Thesen und Erkenntnisse zusammen. Bei der neuen Technik der Gen-Manipulation geht es um das Ende der selbstschöpferischen Qualität der Natur, die uns Menschen, Tiere und Pflanzen und noch mehr hervorgebracht hat. Diese Natur wurde im Laufe der Menschheitsgeschichte auch als "Mutter Natur" oder "Mutter Erde" bezeichnet. Der philosophische Fachbegriff ist lat. und heißt "natura naturans".

Welchen Bedeutungsinhalt hat dieser Begriff? Natur bedeutet erstens "Geburt". Des Weiteren die Beschaffenheit der uns umgebenden Natur und unseres eigenen Charakters, unser Naturell. Dann erweitert sich der Begriff zur "Naturordnung" und zur "Weltordnung", die wir in ihr erkennen können. Natur bedeutet aber auch schöpferische Kraft, Grundstoff, Weltall und Naturgebilde. Eine "natura naturans" verstärkt diese inhaltsschwere Palette noch mit "leiblich" und "angeboren". Hinter leiblich und angeboren können wir unschwer den Zusammenhang zur Mutter erkennen.

Sogar der Begriff der Ebenbürtigkeit gehört hierher, führt Claudia v. Werlhof aus. Wie konnte das vergessen werden? Ebenbürtig bedeutet demnach, dass Wesen von gleicher Geburt sind. Das könnte erstens sich auf die Geburt aller Wesen aus der Natur beziehen, bei Menschen bedeutet Ebenbürtigkeit, dass wir alle gleichermaßen von Frauen geboren worden sind. Auf dieser Einsicht beruht im Grunde genommen das postulierte gleichwertige Mitspracherecht in einer Demokratie. Auch sie setzen wir mit den Eingriffen der Gentechnik auf Spiel. Mit diesem Hintergrunds-Wissen hören wir nun den ersten Satz noch einmal: Bei der neuen Technik der Gen-Manipulation geht es um das Ende der selbstschöpferischen Qualität der Natur, auch "Mutter Natur" und "Mutter Erde" genannt.

Claudia von Werlhof sagt dazu weiter: "Es geht um ihre wirkliche Zerstörung durch eine irreversible und nicht wieder gutzumachende Unterbrechung, Zerfransung, Durchlöcherung und Auflösung der "Kette des Wesen", der Zusammenhänge, Gewebe, Symbiosen und Kreisläufe in der Natur ..." Die Menschen, Männer, aber leider auch Frauen, kündigen das Vertrauens- und Kindschaftsverhältnis zur Natur auf, wollen sie sich nicht nur untertan machen wie es ihnen der Gott des AT angetragen hat, nein es geht um ihre gewaltsame Veränderung. "Gentechnik hat ähnliche Wirkungen wie die Freisetzung von Radioaktivität. Auf Dauer wird dadurch unvermeidlich potentiell allem Leben auf dieser Erde Schaden zugefügt, und zwar so, dass Heilung nicht nur nicht mehr möglich ist, sondern auch die Selbstheilungskräfte der Natur nicht mehr wirksam werden können. Sie verpuffen wegen der Auflösung der Natur-Zusammenhänge oder sind blockiert. Dasselbe gilt für die Heilungskräfte aus Menschenhand, weil weder der Grund, noch die Ursache, noch die Verantwortung für die Schäden, noch ihr wahres Ausmaß erkennbar oder zu ihren Anfängen zurückzuverfolgen sein werden", sagt Claudia von Werlhof in ihrem Beitrag "Schöpfung aus Zerstörung?" (1997).

Für uns als Laien und Laiinnen ist kaum nachvollziehbar, dass es bei der Gentechnik tatsächlich um, und hier zitiere ich Gerda Weilers Feststellung von 1991, dass es also um den "konkreten Muttermord an der Natur und die Ermordung, Zerstückelung, Verstümmelung und Invalidisierung prinzipiell aller Lebewesen dieses Globus geht." Die Gentechnik ist eine Zersetzung der natürlichen Lebens- und Todesprozesse durch ihre immer weitergehende Aufspaltung und Neu-Zusammensetzung. Ihr Ziel ist es, alles Leben ständig zu kontrollieren. Angeblich zum Nutzen der Menschheit. Ständige Kontrolle, vollständige Kontrolle? Mich erinnert dieses Begehren an Zwangneurosen. Sind wir in die Hände von Zwangneurotikern gefallen und weit schlimmer, merken wir es nicht? Und warum merken wir es nicht? Weil der Schlüsselbegriff "zum Nutzen der Menschheit" gefallen ist?

Heute ist es bereits technisch möglich, sämtliche Artgrenzen unter und zwischen Pflanzen, Tieren und Menschen zu überschreiten und Leben in neuen "Kombinationen" herzustellen. Wissenschaftler, Geldgeber und Gesetzgeber "behaupten, es ginge dabei lediglich um eine Beschleunigung natürlicher Mutationen oder gar um Unterstützung der Natur". (Claudia von Werlhof, 1997) Und wiederum zum Wohle der Menschheit. So sieht es leider auch die Bioethik-Kommission der UNESCO, die feststellte: "Das Erbgut eines Menschen befindet sich zweifellos in einer ständigen Fortentwicklung, d.h. in dauernder Interaktion mit der Umwelt, wodurch Mutationen entstehen können." Die Schlussfolgerung lautet: "Somit kann nicht auf Unantastbarkeit beharrt werden". Folglich erleben wir bereits die Freisetzung von neuartigen Organismen mit unabsehbaren Folgen für das ökologische Gleichgewicht, die Entstehung neuartiger - auch als Waffe zu nutzen - Viren als Erreger von Infektions- oder Krebs-Erkrankungen; die totale genetische (Erbgut-) Kontrolle des Menschen, um das neue Leben angeblich ohne Defekte entstehen zu lassen, die die Kontrolle der Frauen, die Kinder austragen, miteinbezieht. Die Definition von Defekten liegt wiederum bei den Wissenschaftlern, den Geldgebern, den Regierungen. Auch das weibliche Geschlecht kann als unerwünscht gelten. Sozusagen ein sozialer Defekt.

Wir wurden und werden immer noch gelehrt, daran zu glauben, dass die Natur voller Defekte steckt und es uns allen besser gehen wird, wenn wir die Natur mit menschlicher "Hilfe" von diesen Defekten heilen ließen. Auch wenn Heilung mit gewaltsamen Eingriffen verbunden ist. Menschen, die anders denken und handeln, die natürliche Prozesse im Naturablauf durch eine Art "sanfter Naturwissenschaft" verstehen wollen, um sie auch so nutzbringend zu machen, werden als fortschrittsfeindlich diffamiert. Mir scheint, dass es vielen von uns offenbar sehr schwer fällt, sich selber liebe- und respektvoll anzunehmen, sich als ein Teil der Natur zu begreifen, wenn seit gut 3000 Jahren das Gegenteil gelehrt wird.

Die Reproduktionsmedizin wird willige und unwillige Frauen in Zukunft als Eizellenlager und Gebärmaschinen nutzen, bis es künstliche Gebärmütter gibt, an deren Herstellung eifrig geforscht wird. Der Wahn des Patriarchats scheint grenzenlos zu sein. Auch wenn Wissenschaftlerinnen wie Claudia von Werlhof sicher sind, dass die Utopie des Patriarchats scheitern muss, fordert sie uns auf, uns nicht seinem quälerischen Gang zu unterwerfen und nicht erst sein Scheitern abzuwarten. Aus dem Erkennen der dramatischen Situation muss Handeln folgen, das Handeln von Frauen: Das Wiedererlangen und Ausbauen des einstigen Frauen-Wissens um die Zyklen des Lebens könnte Frauen dazu verhelfen, ihre Eigenmacht wiederzubeleben, und so nicht mehr fremdbestimmt, sondern eigenverantwortlich handeln zu können, wozu Männer unbedingt und herzlich ebenfalls eingeladen sind.

© Gudrun Nositschka (Gerda-Weiler-Stiftung für feministische Frauenforschung)


LITERATUR

(1) Libreria delle donne di Milano, Das Patriarchat ist zu Ende (RotesSottosorpra), Rüsselsheim 1996

(2) Claudia v. Werlhof: Fortschritts-Glaube am Ende? Das kapitalistische Patriarchat als "Alchimistische System in: Subsistenz und Widerstand, Wien 2003

(3) Mary Daly: Gyn/Ökologie, S. 366, 5. Auflage, München 1991

(4) Jutta Voss: Das Schwarzmond-Tabu. Die kulturelle Bedeutung des weiblichen Zyklus, Stuttgart 1996.

(5) Sylvia u. Paul E. Botheroyd: Lexikon der kelt. Mythologie, 1992

(6) Gerda Weiler: Der enteignete Mythos. Eine feministische Revision der Archetypenlehre C.G. Jungs und Erich Neumanns, Frankfurt 1991

(7) Barbara Walker: Das Geheime Wissen Der Frauen. Ein Lexikon, Frankfurt 1993

(8) Claudia v. Werlhof: "Schöpfung aus Zerstörung?" Die Gentechnik als moderne Alchemie und ihre ethisch-religiöse Rechtfertigung in: Gentechnik - Einführung und Kontroverse, Hg. Wilhelm R. Baier, Graz 1997


3.4. Sind die Weltreligionen friedensfähig?

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For quotation purposes:
Gudrun Nositschka (Gerda-Weiler-Stiftung für feministische Frauenforschung): Die männliche Hierarchisierung der zyklischen weiblichen Trinität des Alten Europas und ihre Konsequenzen bis zum Ersatz der Mütter im 21. Jahrhundert . In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/03_4/nositschka16.htm

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