Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. März 2006
 

6.6. Das Jiddische als Kulturvermittlung
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Astrid Starck Adler (Basel)

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"alle Sprachen kann ich..." Evidenzen des Jargon in der Prager deutschen Literatur

Ekkehard W. Haring (Univerzita UJEP Usti nad Labem)
[BIO]

 

Der Einzug des ostjüdischen Jargon in die literarischen Kulturen der Moderne wurde in Prag nicht allein durch Außenseiter wie Franz Kafka begrüßt. Dennoch bildet gerade Kafkas Rede über den Jargon eine Zäsur, die hinsichtlich der gesellschaftlichen (Identitäts-) Diskurse in Mitteleuropa denkwürdig erscheint. Der folgende Beitrag versucht die Diskussionen und Debatten um Jargon in ihren wichtigsten Aspekten zu beleuchten und fragt nach der kulturellen Symbolik solcher Debatten in den Konzeptionen literarischer Identität.

Welche Zukunft hat der Jargon? - diese Frage gewann für eine Reihe jüdischer Intellektueller um 1900 unerwartet an Bedeutung als es um die Konzeption eines Judenstaates ging, welcher dereinst ‚autonom’ und ‚mündig’ unter die großen Nationen treten würde. Eine von vielen essayistischen Antworten darauf gab der Wiener Publizist Bernard Tag 1899:

Es ist wohl möglich, dass der Jargon in nächster Zukunft, und zumal unter dauernder Anregung durch den nationalen Gedanken, einen größeren, besonders poetischen Aufschwung nehmen wird. Aber von tiefer, von bleibender Wirkung auf das Judentum dürfte diese Poesie kaum sein. Denn bleiben wird der Jargon nicht! (...) Der Jargon ist kein so integrierender Theil des jüdischen Volksthums, dass er bestehen müsste, solange das Judenthum bestehen wird. (...) es gebricht ihm an Kraft, an gewaltigem Ausdrucke nationaler Empfindung, nationaler Leidenschaft. Er ist von lässigem, zerfahrenem Charakter; die höchste Noth, die Abenteuer und Zufälle, unter denen er geworden, haben ihn zu dem gemacht, was er ist, zu einem Clown unter den Sprachen, zu einer Mißgestalt, bei deren Anblick man zugleich lachen und weinen möchte.(1)

Ähnlich ironisch bemerkt Heinrich Löwe im zionistischen Wochenblatt Die Welt:

Diese Pseudo-Nationalsprache mag zum Hebräischen in einem Verhältnisse stehen, wie eine aufgeputzte Vogelscheuche zu einem munteren Mädchen, aber wenn sie nur den einen Zweck erreicht, lästige und schädliche Vögel zu verscheuchen, soll sie uns schon recht und willkommen sein.(2)

Hebräisch oder Jiddisch? - das war für viele Zionisten die Frage zweier weltanschaulicher Horizonte. Dass dem Jargon, dem Jiddischen, der Sprache der sogenannten Ostjuden etwas Groteskes anhafte, war für die meisten ein unumstößlicher Grundkonsens. Freilich, zuweilen meldeten sich auch "Jiddischisten" zu Wort. Einer von ihnen, Nathan Birnbaum, Mitinitiator der Sprachkonferenz von Czernowitz, setzte sich mit seinen Beiträgen unermüdlich für die Anerkennung des Jiddischen als Nationalsprache und für die Wiederbelebung der jiddischen Volksliteratur ein. In seinen Artikeln stellte er die Ostjuden als authentische, "ganze, lebensfrohe und lebenskräftige Menschen, mit einem starken ursprünglichen Humor" vor.(3) Sein Ansatz war dabei durchaus aufklärerisch:

Wir wollen nichts anderes, als die Westjuden aus der jüdischen Sprache die festgelegte kulturelle Einheit und Selbständigkeit der Ostjuden kennen lernen lassen. Von der Ansicht ausgehend: Von Verständnis zur Verständigung!(4)

Das Thema Jargon war spätestens seit der Jahrhundertwende ein Dauerthema in der jüdischen Publizistik, insbesondere den zionistisch inspirierten Periodika wie DieWelt (ab 1900 mit eigener Jargon-Ausgabe), Ost und West, Jüdischer Almanach, Illustrierte Monatsschrift für modernes Judentum sowie später dann DieFreistatt und Der Jude räumten der Auseinandersetzung mit jiddischer Sprache und Kultur bemerkenswert viel Platz ein. Der Blick auf die Ostjuden blieb von Skepsis geprägt, doch im Fortlauf der Debatten stellte sich auch eine differenziertere Sicht ein.

Der beachtliche Erfolg, den das jiddische Theater in New York hatte, färbte nur langsam auf das kulturelle Leben in Wien, Berlin, Budapest und Prag ab. Wanderbühnen aus Galizien, Russland und Polen suchten zögerlich in den deutschsprachigen Metropolen ihr Glück, indem sie eigene, den Ansprüchen des westeuropäischen Publikums angepasste Programme darboten. Diese Wanderbühnen gastierten oftmals unter schwierigsten sozialen Rahmenbedingungen in zwielichtigen Lokalen und auf Hinterhöfen. Eine in bescheidenem Maße größere Öffentlichkeit fanden hingegen die in akademischen Rahmen organisierten Volksliederabende und Rezitationsveranstaltungen.

So brachte auch die Prager Selbstwehr in ihrem ersten Jahrgang 1907 Gedichte von Isaak Leib Perez "im jiddischen Original", der Sprache, die "heute von fast 2/3 unseres Volkes gesprochen wird" - wenngleich mit lateinischer Transkription und mit deutschem Glossar. Die vergessenen Sprache jenen näher zu bringen, deren Väter sie beim Verlassen des Gettos selbstbewusst abgestreift hatten,(5) war bereits ein symbolischer Schritt, den die jungen Prager Zionisten vollzogen.

Freilich repräsentierte der Klassiker Juda Lejbusch Perez mit seinen Stücken und Gedichten weniger authentischen Chassidismus als Neo-Chassidismus. Seine Chassidim erschienen als "verkappte Sozialisten im schwarzen Kaftan" und die Zioniden des jiddischen Mädchens vernahm man als "Lied des Arbeitermädchens".(6) Bei aller Würdigung des Jargon mussten die Reaktionen westjüdischer Leser zurückhaltend bis despektierlich ausfallen. Noch dazu bestanden unter Prager Intellektuellen kaum konkrete Vorstellungen über Jargon und seine native Speaker - außer den landläufig bekannten Vorurteilen (für viele stand Jargon in einer synonymischen Reihe mit Jiddisch, Mauschel, Rotwelsch, Kauderwelsch oder schlicht als polnisch-russisches Idiom, als Sprachform also, deren prägnante Mischverfassung die deutsch-assimilierten Juden Prags befremden musste).

So etwa musste das auch der Prager deutsch-jüdische Autor Franz Kafka empfinden, als er in den Jahren 1911/12 die nähere Bekanntschaft mit einer ostjüdischen Wanderbühne machte, und darüber im Tagebuch minutiös berichtete. Der starke Einfluss, den die jiddisch sprechenden Schauspieler, namentlich Jizchak Löwy, auf den Schriftsteller ausübten, wird inzwischen von der Forschung nahezu einhellig betont. Nirgends empfindet Kafka Sprache so eindrucksvoll wie in den Darbietungen des jiddischen Theaters. Als z.B. Löwy mit der für ihn typischen Gestik und Mimik Jargon-Gedichte von Perez und Aleichem vorträgt, quittiert der Tagebuchschreiber begeistert die "Vollständige Wahrheit der ganzen Vorlesung" (Tagebuch 20.Okt.1911).(7) Anders als die meisten Westjuden entdeckt Kafka im verfemten Jargon der Ostjuden eine Identität, die ihm als Kind Prager Verhältnisse abgeht. Jargon ist für ihn eine Antithese auf die westeuropäische Kultur. Aus den verpönten Ostjuden, denen man nachsagt schmutzig zu sein, leuchtet ebenso Reinheit,(8) aus Schmierenkomödie und Groteske wird gleichzeitig wahrhafte Darstellung. So gegensätzlich sind die Werteordnungen, die Kafkas Blick nicht einfach ausblendet, sondern in einer Mischung aus Faszination und Befremden konstatiert und nebeneinander setzt. Was zunächst auf der Bühne als Theatersketch angesagt ist, verdient die tiefe Bewunderung des Tagebuchschreibers: "seht ihr, alle Sprachen kann ich, aber auf jiddisch!" zitiert er ebenso ironisch wie bewegt nach einer Veranstaltung am 6.Januar 1912.

Das Identifikationsmuster Jargon erweist sich zwar nicht als greifbare Alternative für den Schriftsteller, aber als gültige Sprachrealität mit einem Höchstmaß an Authentizität. Dabei spielte vor allem die Nähe von mündlicher Rede und geschriebener Sprache (die im Deutschen weitaus kontrastreicher ist) eine entscheidende Rolle - das Konzept Jiddischkejt mit seiner Konvergenz von Oralität und Literalität: Man muss diesen Jizchak Löwy hören: "Erzählen kann er besser als alles Vorlesen, Recitieren und Singen", schreibt Kafka begeistert in einem Brief, und - "da schlägt sein Feuer wirklich zu einem herüber".(9)

Die Selbstwehr (Hans Kohn) schreibt indes ein wenig distanzierter über das Ereignis Jargonbühne in Prag:

Die Schauspieler, die mit Ausnahme der Träger der humoristischen Dienerrollen, nicht allzu viel Routine verrieten, und deren Bemühungen Hochdeutsch zu sprechen, dem Pathos des Stückes nicht gerade zuträglich waren, wurden oft auf offener Szene (...) mit Beifall überschüttet.(10)

Auch Max Brod kommt in seinem Bericht im Prager Tagblatt nicht ganz umhin, seinen Lesern die Sprache der Schauspieler unter umständlichen Formulierungen als ein "sogenannte(s) ‚Jiddisch’" zu erklären.(11)

Kommentare wie diese machen deutlich, wie groß die Kluft von Ost- und Westjuden hinsichtlich des kulturellen Selbstverständnisses war und welche besondere Rolle gerade die Sprache spielte. Betrachtet man den Kontext, so ist hier vor allem die Bewegung der Jüdischen Renaissance bzw. den Prager Bar-Kochba-Kreis hervorzuheben.

Der Prager Zionismus hatte unter dem Einfluss Martin Bubers seit 1909 eine Entwicklung vollzogen, die sich bewusst von der politischen Utopie des Herzlschen Judenstaates abwandte und statt dessen die Richtung einer geistigen Neubesinnung auf jüdische Identität, kurz eines Kulturzionismus, einschlug. Diese in drei Reden von Buber verkündete Erneuerung des Judentums orientierte sich nicht zuletzt am Vorbild des chassidischen Ostjudentums. Gottentbrannte Frömmigkeit der Ostjuden und westjüdische Bildung sollten in Synthese einen neuen Menschentypus hervorbringen. Damit wurde das Bild des Ostjuden aus der Sicht mitteleuropäischer Intellektueller zunächst positiv aufgewertet. Buber selbst übertrug chassidische Legenden und Sagen ins Deutsche und erschloss damit für die expressionistische Generation, die sich gern auch Kosmopoliten nannte, neue literarische Horizonte. Das Kulturbild dieses Ostjudentums war bei genauerer Betrachtung jedoch eine einseitig idealisierende Projektion aus der Ferne, die mit der Realität ostjüdischen Lebens nur vage korrespondierte (und sich in erster Linie aus den heilschaffenden Bedürfnissen der jungen Geisteszionisten ergab). Jargon - als Sprache des neuen jüdischen Menschen - stand aus dieser Perspektive nicht zur Disposition. Im Übrigen bekräftigten die Bar-Kochbaner stets nachdrücklich:

Die Sprache des Buches, das nur in seiner Sprache verstanden werden kann, soll wieder unsere Sprache werden. Diese Sprache gibt unserem Volkstum innere Kraft; sie schafft uns auch die Beziehung zu dem in unseren Tagen neu beginnenden jüdischen Gemeinschaftsleben in Palästina, das (...) nur als die Schöpfung der ungeheuren Enthusiasmus neuer Juden begriffen werden kann.(12)

Man versteht die Zurückhaltung und das Befremden, das junge Zionisten wie Hans Kohn, Max Brod, Robert Weltsch befallen musste, als sie zum ersten Mal die sonderbaren Vorstellungen des jiddischen Theaters im Prager Café Savoy besuchten. Gewohnt, die Sprache als Indikator für den "Kulturwert" einer Ethnie zu betrachten, mussten sie bei ebendiesen Vorführungen erstaunt feststellen, dass in den Dialogen willkürlich zwischen Russisch, Polnisch, Hebräisch und einem offenbar fehlerhaften Deutsch gesprungen wurde. Der Kaffeehausbetrieb trug sein Übriges zu diesem Eindruck bei: Während der Sterbeszenen konnten einige Gäste nur durch laute Rufe zur Ruhe gebracht werden. Unter Hinweis dieser Mängel und den unübersehbaren Dilettantismus forderte denn auch der Prager Verein jüdischer Kanzleidiener ‚Zukunft’ empört die Absetzung der "allgemein verachteten Schmiere".(13)

Ein Blick auf die Veranstaltungen und Diskussionen der Vorkriegsjahre zeigt, dass der Prager Zionismus keineswegs an mangelndem Sprachbewusstsein litt. Im Gegenteil: Bubers Vorträge trafen in Prag auf eine sensibilisierte Zuhörerschaft, der die Probleme ihrer Zeit weitgehend bewusst waren.

Heftig diskutiert wurden um 1912 vor allem die Aufsätze Werner Sombarts und Max Goldsteins, die sich für eine strikte "Entmischung" der deutsch-jüdischen Kultur aussprachen. Die damit anhebende Kunstwart-Debatte zog sich bis in die zwanziger Jahre hin und fand in Prag starke Resonanz. Insbesondere Goldstein sah in der jüdisch-deutschen Literatur die Symptome eines fortgeschrittenen Zersetzungsprozesses zweier Kulturlandschaften und forderte daher eine neue jüdische Literatur.(14) Ausgehend von dem Gedanken, dass westeuropäische Juden weder eine hebräische noch eine jiddische Nationalliteratur schreiben könnten, regte er das Programm einer "Nationalliteratur ohne Nationalsprache" an.(15)

Nathan Birnbaum trat am 18.1.1912 anlässlich eines Volksliederabends des Bar-Kochba-Kreises mit seinem Vortrag Das Lied der Ostjuden im ausverkauften Festsaal des Hotels Central auf.(16) Sein Ruf als heimlicher Begründer des mitteleuropäischen Zionismus und als Querdenker der Bewegung eilten ihm voraus.(17) Vor allem aber sein Eintreten für die jiddische Volkssprache musste bei Zuhörern wie Franz Kafka einen besonderen Eindruck hinterlassen haben. Am stärksten, so Birnbaum, komme die Bedeutung der jiddischen Sprache für die geistig-gesellschaftliche Einheit der Ostjuden in der jiddischen Literatur zum Ausdruck. Anders als Buber, der die ostjüdische Gemeinschaft in einem Entwicklungsprogramm an westjüdische Bildung heranführen wollte, verlieh Birnbaum dem Jiddischen einen eigenen Status als Nationalsprache der Juden. Wie schon in seinen Streitschriften betonte er die Überlegenheit des größten jüdischen Kulturblockes gegenüber westjüdischen Verhältnissen. (18)

Noch weit provozierender in seiner Befürwortung des Jargon musste den Pragern das Kalkül des zionistischen Publizisten Davis Trietsch erscheinen. Der bekannte Wirtschaftsexperte hielt im März 1912 einen, wie Kafka im Tagebuch vermerkt, "ausgezeichneten Vortrag über Kolonisation in Palästina", in dem er Jiddisch als Lingua franca des Welthandels beschrieb. Trietsch, der die Hauptgedanken seines Vortrags später in dem Buch Juden und Deutsche (1915) verarbeitete, argumentierte hier, dass Deutschland in anbetracht seiner notwendigen Expansion (!) vom weltweit verbreiteten jüdisch-deutschen Idiom profitieren könnte. Mit Hilfe von Statistiken veranschaulichte er, dass die deutschredenden jüdischen Bevölkerungs­gruppen einen wachsenden Markt- und Machtfaktor darstellten, da sie indirekt die deutsche Sprache als eine der bedeutendsten Verkehrssprachen in der Welt verbreiteten. Ohnehin seien Juden in den außer­deutschen Sprachgebieten von größerer Bedeutung als deutsche Aussiedler, welche zumeist nur das flache Land bevölkerten und nicht die maßgeblichen Kulturzentren.(19) In diesem Sinn trat Davis Trietsch für eine Symbiose von Juden und Deutschen au­ßerhalb Deutsch-Mitteleuropas in den zu erobernden Ko­lonien ein.

In einem mit "Judenarien" über­schriebenen Kapitel wirft der Autor einen Blick in die Zukunft und skizziert ein Bild vom Leben in den Jischuw (jüdische Siedlungen in Israel), das wie eine Karikatur der Verhältnisse in Mitteleuropa erscheint. Im gelobten Land, von dem hier geschrieben wird, bewerben sich deutsche und internationale Verwaltungen um die Gunst von jiddisch-sprechenden Juden.(20)

Kafka selbst hielt im Februar, genau einen Monat nach Nathan Birnbaums Vortrag, seine Rede über die jiddische Sprache(21); jedoch unter weniger günstigen Vorzeichen als seine Vorgänger.(22) Die von ihm gesuchte Unmittelbarkeit - eine authentische Präsentation seines jiddischen Schauspielerfreundes Jizchak Löwy - fand kaum Zuspruch bei den Intellektuellen des Prager Bar-Kochba. Jiddisch galt als verpönte Sprache, die an die Zeiten des jüdischen Gettos erinnerte. So war Kafkas Rede sicherlich nicht als kultureller Höhepunkt im Vortragsleben der Kultusgemeinde angesagt. Sie macht allerdings deutlich, dass der Redner das breite Spektrum an zionistischen Überzeugungen sehr gut kannte.

Der Vortrag versuchte den Jargon aus westjüdischer Sicht positiv zu bewerten. Jargon erscheint hier als ein Idiom vital angereicherter Sprachvielfalt, das von erstaunlicher Kraft zusammengehalten wird: eine missachtete, inoffizielle Weltsprache. Weiters machte Kafka darauf aufmerksam, dass jargonähnliche Dialekte "vor nicht langer Zeit" noch von deutschen Juden gesprochen wurden. Darum hätte die historische Entwicklung dieser Sprache "(...) ebensogut wie in die Tiefe der Geschichte, in der Fläche der Gegenwart verfolgt werden können". Mit anderen Worten: Kafka insinuierte eine Karte der jüdischen Zerstreuung, auf der - mit graduellen Unterschieden - überall Jargon gesprochen wird. So zielte sein Vortrag vor allem darauf, das Verständnis für Jargon als vergessene oder verdrängte gemeinsame Sprache zu wecken:

Bleiben Sie still, dann sind Sie mitten im Jargon. Wenn Sie aber einmal Jargon ergriffen hat - und Jargon ist alles, Wort, chassidische Melodie und das Wesen des ostjüdischen Schauspielers selbst, - dann werden Sie Ihre frühere Ruhe nicht mehr wiedererkennen. Dann werden Sie die wahre Einheit des Jargon zu spüren bekommen, so stark, daß Sie sich fürchten werden, aber nicht mehr vor dem Jargon, sondern vor sich.(23)

Was Kafka in seiner Rede entwarf, war die Vision einer synästhetischen Offenbarung, bei der Sprache zu einer "wahren Einheit" führt. - Für die meisten Prager Juden eine zugleich unliebsame Einheit: Der unter "westjüdischen Verhältnissen" verdrängte Jargon machte gerade deshalb fürchten, weil er mit der noch allzu nahen Vergangenheit des Gettos konfrontierte. So verbreitet war diese Furcht, dass der Redner sie buchstäblich auf die Gesichter seiner Zuhörer geschrieben sah.

Für Kafka war Jargon das letzte Verbindungsstück, um an die abgeschnittenen Wurzeln jüdischer Tradition anzuknüpfen. Mit seinem Plädoyer für den Jargon konfrontierte er im Grunde das elaborierte Kultur-Bewusstsein seiner zionistischen Prager Freunde mit einem weithin ausgeblendeten ostjüdischen Kulturbegriff. Jargon stand für ihn nicht nur als ein sprachliches Getto integrativen Charakters, sondern auch als Ausdruck größtmöglicher Authentizität. Jenseits der melancholisch gefärbten Folklore ostjüdischer Liederabende und fern der übermächtigen deutschen Nationalsprache entdeckte Kafka gerade hier die Möglichkeiten einer Literatur, die frei von den Zwängen von Selbstbehauptung und Geniekult zu einem intensiven Ausdruck findet.

Die hier skizzierte Rede ist zumindest in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen wirft sie ein Licht auf die tatsächlichen Voraussetzungen, die der Prager Geisteszionismus in seinen Konzeptionen einer künftigen jüdischen Gemeinschaft verkannte. In diesem Sinne dürfte wohl auch Nathan Birnbaums Kritik von 1913 ihre Adressaten nicht verfehlen:

Da treten sie an Fragen heran, zu deren Beantwortung es nötig ist, mitten im Volke zu sein, um über alle seine Kräfte zu verfügen - und drechseln irgendwo in einer Ecke neue Emotionen für ein paar fremdgewordene, losgelöste, sehnsuchtskranke Intelligenzler, meist des jüdischen Westens... Da wollen sie Aufgaben lösen, zu deren Bewältigung man Lebensschaffer, Völkerbauer braucht und sind letzten Endes nichts als Literaten.(24)

Die von Birnbaum vorgebrachte Kritik ging nicht umsonst von der Sprachenfrage aus. Jene "Literaten", allen voran Martin Buber und Max Brod, standen letztlich mit ihren Argumenten auf sehr dünnem Eis, da sie weder hebräisch noch jiddisch sprachen.

Als einer der wenigen fortgeschrittenen Hebräischschüler reagierte immerhin Hugo Bergmann. Der Kopf der Prager Bar-Kochbaner lancierte im Februar 1914 auf der Titelseite der Welt eine ausführliche Stellungnahme zum Jiddischen. Bergmann zeigte sich darin als Pragmatiker und wies auf den Widersinn des fundamentalen Sprachenstreits Jiddisch - Hebräisch hin. Indem er die reale Bedeutung des Jiddischen in den östlichen Gebieten in Erinnerung rief, warnte er zugleich seine zionistischen Freunde davor, das Jiddische zu unterschätzen. Sein Fazit lautete dementsprechend moderat: "Wir Zionisten müssen das Jiddische unterstützen!" (25)

Die Prager Bar Kochbaner sollten bald schon Gelegenheit haben, die ostjüdische Realität in ihre Diskussionen einzubeziehen. Während der Kriegsjahre wurde Böhmen mehrfach von ostjüdischen Flüchtlingswellen aus Polen bzw. Galizien überflutet. Prag sollte, zumindest an den Rändern, für einige Monate eine ostjüdische Stadt werden.(26)

Der zweite Aspekt ist eng mit der zwiespältigen Beziehung zum Sprachenkanon verbunden. Kafkas Votum für Jargon lässt sich so auch als Stellungnahme zum ästhetischen Modell eines jüdischen Literaturbegriffs verstehen. Max Brod war es, der 1913, in Anknüpfung an Moritz Goldstein (Kunstwart-Debatte), vom "jüdischen Dichter deutscher Zunge" sprach. In seinem gleichnamigen Essay schlug er die Möglichkeit vor , dass die westjüdischen Schriftsteller über den Umweg der deutschen Sprache nationale "Einheit fühlen" könnten. Er sei überzeugt, dass die "national empfindenden jüdischen Dichter", die sich mit dem hebräischen Schrifttum der Bibel und der jiddischen Literatur der Ostjuden vertraut gemacht hätten, auch in deutscher Sprache zu "großer dichterischer Gestaltung" fähig seien. Dazu sei das Jüdische insgesamt zum dichterischen Stoff zu erheben, gleichsam zur Einübung echter "nationaler Sprachwerte". Die dialektische Einheit von jüdischem Geist und deutschem Format sollte am literarischen Produkt "das Jüdische" hervortreten lassen.(27)

In letzter Konsequenz hieß das für Brod, dass man die jüdische Identität des Dichters am Gebrauch der deutschen Sprache erkennen musste (!). Die Brisanz solcher Überlegungen ändert nichts an der Tatsache, dass Brods Konzept für die Prager Dichtung geradezu paradigmatisch erscheint. Mochten die individuellen Auffassungen noch so unterschiedlich sein - Literatur war eine gültige Währung aus der Sicht des akkulturierten Prager Judentums.

Damit war gleichzeitig aber auch der enge Rahmen abgesteckt, in dem sich Autoren wie Max Brod bemühten, Identität buchstäblich zu erschreiben. Der Zwiespalt aus dem diese Bemühungen hervorgingen, wurde in den fortgesetzten, teilweise heftig diskutierten Bekundungen nur noch augenscheinlicher. Denn im Grunde führte das Prager Deutsch, das vornehmlich von Prager Juden als Ausweis einer Hochkultur gepflegt, gesprochen und geschrieben wurde, ein ähnliches Schicksal wie das Jiddische: Zwei Sprachen, die ihre assimilatorische Leidenschaft zur Schau stellten.(28) Als einer der wenigen Prager Zeitgenossen bemerkte Franz Kafka am Ende seines Lebens, dass gerade der makelloseste, brillanteste Gebrauch des Deutschen, eine Angst vor dem Jargon, und damit auch eine Gegenwart des Jargon bezeugte. Für ihn bedeutete die von Brod anvisierte jüdisch-deutsche Poetik letzthin nicht mehr als "eine von allen Seiten unmögliche Literatur".(29)

© Ekkehard W. Haring (Univerzita UJEP Usti nad Labem)


Anhang: Rede über die jiddische Sprache (Franz Kafka)

Vor den ersten Versen der ostjüdischen Dichter möchte ich Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, noch sagen, wie viel mehr Jargon Sie verstehen als Sie glauben. 

Ich habe nicht eigentlich Sorge um die Wirkung, die für jeden von Ihnen in dem heutigen Abend vorbereitet ist, aber ich will, dass sie gleich frei werde, wenn sie es verdient. Dies kann aber nicht geschehen, solange manche unter Ihnen eine solche Angst vor dem Jargon haben, dass man es fast auf ihren Gesichtern sieht. Von denen, welche gegen den Jargon hochmütig sind, rede ich gar nicht. Aber Angst vor dem Jargon, Angst mit einem gewissen Widerwillen auf dem Grunde ist schliesslich verständlich wenn man will. 

Unsere westeuropäischen Verhältnisse sind, wenn wir sie mit vorsichtig flüchtigem Blick ansehn, so geordnet; alles nimmt seinen ruhigen Lauf. Wir leben in einer geradezu fröhlichen Eintracht, verstehen einander, wenn es notwendig ist, kommen ohne einander aus, wenn es uns passt, und verstehen einander selbst dann; wer könnte aus einer solchen Ordnung der Dinge heraus den verwirrten Jargon verstehen oder wer hätte auch nur die Lust dazu? 

Der Jargon ist die jüngste europäische Sprache, erst vierhundert Jahre alt und eigentlich noch viel jünger. Er hat noch keine Sprachformen von solcher Deutlichkeit ausgebildet, wie wir sie brauchen. Sein Ausdruck ist kurz und rasch. 

Er hat keine Grammatiken. Liebhaber versuchen Grammatiken zu schreiben, aber der Jargon wird immerfort gesprochen; er kommt nicht zur Ruhe. Das Volk lässt ihn den Grammatikern nicht. 

Er besteht nur aus Fremdwörtern. Diese ruhen aber nicht in ihm, sondern behalten die Eile und Lebhaftigkeit, mit der sie genommen wurden. Völkerwanderungen durchlaufen den Jargon von einem Ende bis zum anderen. Alles dieses Deutsche, Hebräische, Französische, Englische, Slawische, Holländische, Rumänische und selbst Lateinische ist innerhalb des Jargon von Neugier und Leichtsinn erfasst, es gehört schon Kraft dazu, die Sprachen in diesem Zustande zusammenzuhalten. Deshalb denkt auch kein vernünftiger Mensch daran, aus dem Jargon eine Weltsprache zu machen, so nahe dies eigentlich läge. Nur die Gaunersprache entnimmt ihm gern, weil sie weniger sprachliche Zusammenhänge braucht als einzelne Worte. Dann, weil der Jargon doch lange eine missachtete Sprache war. 

In diesem Treiben der Sprache herrschen aber wieder Bruchstücke bekannter Sprachgesetze. Der Jargon stammt zum Beispiel in seinen Anfängen aus der Zeit, als das Mittelhochdeutsche ins Neuhochdeutsche überging. Da gab es Wahlformen, das Mittelhochdeutsche nahm die eine, der Jargon die andere. Oder der Jargon entwickelte mittelhochdeutsche Formen folgerichtiger als selbst das Neuhochdeutsche; so zum Beispiel ist das Jargon'sche ›mir seien‹ (neuhochdeutsch ›wir sind‹) aus dem Mittelhochdeutschen ›sîn‹ natürlicher entwickelt, als das neuhochdeutsche ›wir sind‹. Oder der Jargon blieb bei mittelhochdeutschen Formen trotz des Neuhochdeutschen. Was einmal ins Ghetto kam, rührte sich nicht so bald weg. So bleiben Formen wie ›Kerzlach‹, ›Blümlach‹, ›Liedlach‹. 

Und nun strömen in diese Sprachgebilde von Willkür und Gesetz die Dialekte des Jargon noch ein. Ja der ganze Jargon besteht nur aus Dialekt, selbst die Schriftsprache, wenn man sich auch über die Schreibweise zum grössten Teil geeinigt hat. Mit all dem denke ich die meisten von Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, vorläufig überzeugt zu haben, dass Sie kein Wort des Jargon verstehen werden. 

Erwarten Sie von der Erklärung der Dichtungen keine Hilfe. Wenn Sie nun nicht einmal imstande sind, Jargon zu verstehen, kann Ihnen keine Augenblickserklärung helfen. Sie werden im besten Fall die Erklärung verstehen und merken, dass etwas Schwieriges kommen wird. Das wird alles sein. Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen: 

Herr Löwy wird jetzt, wie es auch tatsächlich sein wird, drei Gedichte vortragen. Zuerst ›Die Grine‹ von Rosenfeld. Grine das sind die Grünen, die Grünhörner, die neuen Ankömmlinge in Amerika. Solche jüdische Auswanderer gehen in diesem Gedichte in einer kleinen Gruppe mit ihrem schmutzigen Reisegepäck durch eine New Yorker Strasse. Das Publikum sammelt sich natürlich an, bestaunt sie, folgt ihnen und lacht. Der von diesem Anblick über sich hinaus erregte Dichter spricht über diese Strassenszenen hinweg zum Judentum und zur Menschheit. Man hat den Eindruck, dass die Auswanderergruppe stockt, während der Dichter spricht, trotzdem sie fern ist und ihn nicht hören kann. Das zweite Gedicht ist von Frug und heisst ›Sand und Sterne‹.

Es ist eine bittere Auslegung einer biblischen Verheissung. Es heisst, wir werden sein wie der Sand am Meer und die Sterne am Himmel. Nun, getreten wie der Sand sind wir schon, wann wird das mit den Sternen wahr werden? 

Das dritte Gedicht ist von Frischmann und heisst ›Die Nacht ist still‹. 

Ein Liebespaar begegnet in der Nacht einem frommen Gelehrten, der ins Bethaus geht. Sie erschrecken, fürchten verraten zu sein, später beruhigen sie einander. 

Nun ist, wie Sie sehen, mit solchen Erklärungen nichts getan.

Eingenäht in diese Erklärungen werden Sie dann bei dem Vortrage das suchen, was Sie schon wissen, und das, was wirklich da sein wird, werden Sie nicht sehen. Glücklicherweise ist aber jeder der deutschen Sprache Kundige auch fähig, Jargon zu verstehen. Denn von einer allerdings grossen Ferne aus gesehn, wird die äussere Verständlichkeit des Jargon von der deutschen Sprache gebildet; das ist ein Vorzug vor allen Sprachen der Erde. Sie hat dafür auch gerechterweise einen Nachteil vor allen. Man kann nämlich Jargon nicht in die deutsche Sprache übersetzen. Die Verbindungen zwischen Jargon und Deutsch sind zu zart und bedeutend, als dass sie nicht sofort zerreissen müssten, wenn Jargon ins Deutsche zurückgeführt wird, das heisst es wird kein Jargon mehr zurückgeführt, sondern etwas Wesenloses. Durch Übersetzung ins Französische zum Beispiel kann Jargon den Franzosen vermittelt werden, durch Übersetzung ins Deutsche wird er vernichtet. ›Toit‹ zum Beispiel ist eben nicht ›tot‹ und ›Blüt‹ ist keinesfalls ›Blut‹. 

Aber nicht nur aus dieser Ferne der deutschen Sprache können Sie, verehrte Damen und Herren, Jargon verstehen; Sie dürfen einen Schritt näher. Noch zumindest vor nicht langer Zeit erschien die vertrauliche Verkehrssprache der deutschen Juden, je nachdem ob sie in der Stadt oder auf dem Lande lebten, mehr im Osten oder im Westen, wie eine fernere oder nähere Vorstufe des Jargon, und Abtönungen sind noch viele geblieben. Die historische Entwicklung des Jargon hätte deshalb fast ebenso gut wie in der Tiefe der Geschichte, in der Fläche der Gegenwart verfolgt werden können. 

Ganz nahe kommen Sie schon an den Jargon, wenn Sie bedenken, dass in Ihnen ausser Kenntnissen auch noch Kräfte tätig sind und Anknüpfungen von Kräften, welche Sie befähigen, Jargon fühlend zu verstehen. Erst hier kann der Erklärer helfen, der Sie beruhigt, so dass Sie sich nicht mehr ausgeschlossen fühlen und auch einsehen, dass Sie nicht mehr darüber klagen dürfen, dass Sie Jargon nicht verstehen. Das ist das Wichtigste, denn mit jeder Klage entweicht das Verständnis. Bleiben Sie aber still, dann sind Sie plötzlich mitten im Jargon. Wenn Sie aber einmal Jargon ergriffen hat - und Jargon ist alles, Wort, chassidische Melodie und das Wesen dieses ostjüdischen Schauspielers selbst -, dann werden Sie Ihre frühere Ruhe nicht mehr wiedererkennen. Dann werden Sie die wahre Einheit des Jargon zu spüren bekommen, so stark, dass Sie sich fürchten werden, aber nicht mehr vor dem Jargon, sondern vor sich. Sie würden nicht imstande sein, diese Furcht allein zu ertragen, wenn nicht gleich auch aus dem Jargon das Selbstvertrauen über Sie käme, das dieser Furcht standhält und noch stärker ist. Geniessen Sie es, so gut Sie können! Wenn es sich dann verliert, morgen und später - wie könnte es sich auch an der Erinnerung an einen einzigen Vortragsabend halten! -, dann wünsche ich Ihnen aber, dass Sie auch die Furcht vergessen haben möchten. Denn strafen wollten wir Sie nicht.(30)


ANMERKUNGEN

(1) Bernard Tag (B. Sopher ): Der Jargon, in: Die Welt N° 7, 7.2.1899, S.7.

(2) Heinrich Loewe: Wer spricht Jargon?, in: Die Welt N° 49, 6.12.1901, S. 15-16.

(3) Anonym: Der jüdische Volksliederabend, in: Selbstwehr, 26.1.1912, S.3f.

(4) Mathias Acher (N. Birnbaum): Die Sprachen des jüdischen Volkes, in: Jüdische Abende. Vorträge aus der Literatur der ostjüdischen Volkssprache ("Jargon"), 18.12.1904, S.10.

(5) Selbstwehr 1, N° 6, 4.4.1907, S.5.

(6) Walter Schmitz / Ludger Udolph (Hg.): Tripolis Praga. Die Prager Moderne um 1900, Thelem-Verlag Dresden 2001, S.269.

(7) Alle folgenden Tagebuch-Zitate entnommen aus Franz Kafka. Gesammelte Werke in 12 Bänden. Nach der kritischen Ausgabe, hrsg. v. Hans-Gerd Koch, Fischer-Verlag Frankfurt a.M. 1994.

(8) Vgl. die Tagebuch-Bemerkungen zum jüdischen Reinigungswasser, (27.10.1911); ebenso wird der Wunderrabbi als "schmutzig und rein" betrachtet (14.9.1915).

(9) Vgl. Kafkas Briefe an Felice vom 6.11.1912 und 10.6.1913, ausführlich dazu: Reiner Stach: Kafka. Die Jahre der Entscheidung, Fischer-Verlag Frankfurt a.M. 2002, S.46ff.

(10) Selbstwehr, 29.9.1911.

(11) Max Brod: Eine Jargonbühne in Prag, in: Prager Tagblatt, N° 297, 27.10.1911, S.3.

(12) Robert Weltsch: Herzl und wir, in: Vom Judentum. Ein Sammelbuch hrsg. vom Verein jüdischer Hochschüler Bar Kochba Prag, K.-Wolff-Verlag Leipzig 1913, S. 162.

(13) Max Brod: Streitbares Leben. Autobiographie, Kindler-Verlag München 1960, S.138.

(14)Werner Sombart: Die Zukunft der Juden, 1912; ders.: Arterhaltung oder Artvernichtung?. In: Selbstwehr, 9.2.1912; Max Goldstein: Deutsch-jüdischer Parnaß. In: Selbstwehr, 15.3.1912, ders.: Offene Aussprache, ebda. 16.8.1912.

(15) Moritz Goldstein: Begriff und Programm einer jüdischen Nationalliteratur, Berlin 1913, S.2.

(16) Der Vortrag leitete das Programm eines Volksliederabends ein, an dem Leo Gollanin ostjüdische Lieder und Margarethe Neff Dichtungen vortrugen, vgl. Selbstwehr, 26.1.1912.

(17) Birnbaum gründete bereits 1883, als Herzl noch der deutsch-nationalen Studentenvereinigung Albia beitrat, den jüdisch-nationalen Studentenverein Kadima und polemisierte schon dreizehn Jahre vor dem Judenstaat, 1982 gegen die "Assimilationssucht der sogenannten Deutschen mosaischer Konfession". Aus dem Zionisten Birnbaum wurde der Befürworter eines jüdischen Diaspora-Nationalismus und später sogar einer der Weltführer der orthodoxen Agudat Israel.

(18) Mathias Acher (N. Birnbaum): Wir haben gesündigt. In: Selbstwehr Prag, 20.9.1912, ders.: Was sind Ostjuden? Zur ersten Information, Wien R.-Löwit-Verlag 1916, S.11ff.

(19) Trietsch spricht diesbezüglich vom "Mehrwert der Juden", in: Davis Trietsch: Juden und Deutsche. Eine Sprach- und Interessengemeinschaft, Löwit-Verlag, Wien 1915, S.24f.

(20) Trietsch: Juden und Deutsche, 1915, S.50.

(21) Franz Kafka: Rede über die jiddische Sprache (Text sh. Anhang)

(22) Aufschlussreich ist bereits das Zustandekommen der Veranstaltung: nur mit Mühe konnte Kafka sein Vorhaben, von dem ihm die Mehrheit seiner zionistischen Freunde abriet, durchsetzen; der Verein übernahm schließlich widerstrebend das Patronat des Abends. Da kaum Gäste erwartet werden konnten, verkaufte Familie Brod die Karten unter ihren nächsten Bekannten. Die Einnahmen dieser Veranstaltung waren sogar so niedrig, dass Kafka bei der Kultusgemeinde beantragte, die Spesenvergütung von 60 Kronen Saalmiete zu erlassen, um Löwy eine Rückreise nach Warschau zu ermöglichen.

(23) Franz Kafka: Rede über die jiddische Sprache, sh. Anhang.

(24) Nathan Birnbaum: Sprachadel. Zur jüdischen Sprachenfrage (Schluß), in: Die Freistatt, N° 3, 15.6.1913, S. 145.

(25) Hugo Bergmann: Unsere Stellung zum Jiddischen, in: Die Welt, N° 8, 20.2.1914, S.1ff.

(26) Anfang 1915 zählte man in Prag rund 15.000 Flüchtlinge. Erst mit der Erklärung Prags zum Sperrgebiet für galizische Flüchtlinge wurde der Zustrom gedrosselt. Als im Mai 1916 weitere 120000 Ostjuden in Böhmen eintreffen, werden diese auf die umliegenden Dörfer verteilt.

(27) Max Brod: Der jüdische Dichter deutscher Zunge, in: Vom Judentum. Ein Sammelbuch hrsg. vom Verein jüdischer Hochschüler Bar Kochba Prag, Kurt-Wolff-Verlag Leipzig 1913, S.261ff.

(28) Vgl. Ekkehard W. Haring: Auf dieses Messers Schneide leben wir... Franz Kafkas Spätwerk im Kontext jüdischen Schreibens, Braumüller-Verlag Wien 2004, S. 204ff.

(29) Franz Kafka: Briefe 1902-1924, Fischer-Verlag Frankfurt a.M. 1975, S.336f., Andreas B. Kilcher: Was ist "deutsch-jüdische Literatur"?, in: Weimarer Beiträge 45, 1999, 4, S.(485-517) 50 7ff.

(30) Franz Kafka. Gesammelte Werke in 12 Bänden. Nach der kritischen Ausgabe, hrsg. v. Hans-Gerd Koch, Fischer-Verlag Frankfurt a.M. 1994, Bd.5, S.149-153.


6.6. Das Jiddische als Kulturvermittlung

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For quotation purposes:
Ekkehard W. Haring (Univerzita UJEP Usti nad Labem): "alle Sprachen kann ich..." Evidenzen des Jargon in der Prager deutschen Literatur. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/06_6/haring16.htm

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