Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. August 2006
 

7.3. Bericht: Das Eigene und das Fremde. Schnittflächen kulturanthropologischer und literaturwissenschaftlicher Fragehorizonte
HerausgeberInnen | Editors | Éditeurs: Andrea Horvath (Universität Debrecen) / Eszter Pabis (Universität Debrecen) / Tamás Lichtmann (Debrecen)

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"Habe illudiert und illudiert und dabei mein Selbst verjuxt" - das fremde Wort in Hermann Burgers Diabelli, Prestidigitateur

Eszter Pabis (Debrecen)
[BIO]

 

Der Turmbau zu Babel und das Pfingstereignis: die Geschichten der Sprachverwirrung und des Redens in anderen Sprachen oder des "Zungenredens" belegen deutlich, dass die Fremdheit der fremden Sprache die unmittelbarste Form, den Prototyp der Fremdheit, d.h., der Unzugänglichkeit, der Unverständlichkeit, der Nichtzugehörigkeit, der Distanz darstellt.(1) Die Erfahrung des Fremden am Text gilt seit Dilthey und Schleiermacher als Ausgangspunkt der hermeneutischen Praxis, als Voraussetzung der Auslegung.(2) So betrachtet auch Gadamer die Fremdsprachlichkeit als einen gesteigerten Fall der hermeneutischen Grundsituation, d.h. der Erfahrung der Fremdheit und ihrer Überwindung durch Verstehen. Die augenfällige Anhäufung von Fremdwörtern in Hermann Burgers Text Diabelli, Prestidigitateur. Eine Abschiedsvolte für Baron Kesselring ("460 Fremdwörter auf 54 Seiten"(3)) und ihre unauflösbare Fremdheit scheinen aber dem Verstehen im Sinne der Horizontverschmelzung immer wieder im Wege zu stehen. Die Fremdheit des Fremdwortes im Text ist gerade jenes Medium, das der Zauberkunst ähnlich und einem metaphorischen Spiegel gleich die Kontingenz, die Selbstreferenzialität, die Künstlichkeit und Simulierbarkeit der Sprache, der Identität und der Wirklichkeit zum Vorschein kommen lässt. Die Fachtermini der Zauberkunst, der "Wortschatz als Kuriositätenkabinett" erweisen sich außerdem als "phonetischer Lärm um nichts", als "Kautschukakrobatik der Zunge ohne inneren Auftrag" (84), wo das Nachschlagen im Fremdwörterbuch zu nichts führt. Daher liegt es auch nahe, dass wir es hier mit jener radikalen Form der Fremdheit im Sinne von Waldenfels zu tun haben, die sich der Verständigung, der semiotischen Annäherung entzieht, d.h. durch keinerlei Erklärung oder Zurückführung auf das Eigene (so beispielsweise in einem Akt der Horizontverschmelzung) aufzulösen ist, sondern einem performativen Ereignis ähnlich erfahren werden kann, als eine "Zugänglichkeit des Unzugänglichen"(4).

In der Brieferzählung, die Burger 1979 verfasste und Beethovens 33 Diabelli Variationen ähnlich in 33 Volten einzuteilen ist, erklärt die Titelfigur Diabelli seinem Mäzen Kesselring seine abzubrechende Laufbahn als Großillusionist, seine "Hokuspokuskrise" (30(5)) und "Desillusionierung" (31). Diesem anfangs klar deklarierten Ziel gemäß verfährt er quasi autobiografisch: er führt die Geschichte seines vielfach betonten Scheiterns psychologisierend auf sein Geburtstrauma und seine Kindheitserlebnisse zurück. So erklärt er, dass alle seine Anstrengungen in Magie darauf hinausliefen, die "durch den Akt der Geburt umgebrachte, geborenwordenerweise beiseite geschaffte und also für immer eskamottierte einzige Frau, auf die es in den ersten Lebensjahren - wenn nicht in der ganzen Vita überhaupt- ankommt, herbeizuzaubern"(6) (73); "Der Ursprung meiner Zauberkarriere war meine Einzelkindsituation und die aus der Einzelkindsituation resultierende Sucht nach Originalität, Andersartigkeit, Einmaligkeit, Unverwechselbarkeit" (69). Diese Mangelsituation verbindet er mit der Fremdartigkeit seiner reflexiv verwendeten Sprache: "Woher [...] sollte ich eine sogenannte Muttersprache nehmen, wenn es mir zeitlebens am mütterlichen Element gefehlt hat?"(7) (85); - die Sprache wird allein deswegen schon zu einem metaphorischen Spiegel der Zauberkunst, worauf ich noch zu sprechen komme. Seine eigene Biographie verortet Diabelli ferner im Kontext der Geschichte der Zauberkunst bzw. der Zauberkünstler, in deren Lebensgeschichten er nach jenem wunden Punkt sucht, wo diese großen Meister "infolge einer tödlichen Verletzung ihrer Kinderwelt gezwungen waren, sich mit einer List zu retten, mit einer Notlüge als Nummer" (46). Dementsprechend (und da auch sein Adressat ein "Kollege", ein Eingeweihter ist) wimmelt es in den Schachtelsätzen in seinem Redefluss von akkuraten Fachausdrücken wie "»eskamotieren«, zum Verschwinden bringen, »doublieren«, verdoppeln, »palmieren«, verbergen, »Servante« Geheimtasche in der Jacke, »Levitation«, Schwebeeffekt, »Disparation«, das Verschwinden«".(8)

Trotz des offenen Insistierens auf der wissenschaftlichen Akribie, der unzähligen Beispielen und Angaben, trotz der Wiederholungen und der Anreden des Adressaten wird Diabellis Monolog nicht zu einer zusammenhängenden Darstellung seiner Persönlichkeit oder einer verstehbaren Illustration der Geschichte der Zauberkunst. Einerseits öffnet sich schon am Anfang des Textes eine Kluft zwischen dem Subjekt des Textes (dem Erzähler) und dem Subjekt in dem Text (der Figur), d.h., zwischen dem Subjekt der Aussage und dem ausgesagten Subjekt. Diabelli beschwört schon am Anfang seine "Eigendisparation" (39), sein Zerschellen: "Habe illudiert und illudiert und dabei mein Selbst verjuxt" (33). Der Leser ist hiermit gezwungen, die Frage nach dem sprechenden Ich zu beantworten, und kann nur die Konsequenz ziehen, dass das Subjekt des Textes allein in und durch seine Beziehung zu dem Du des Adressaten Kesselring vorhanden ist und von der thematisierten Figur, dem Subjekt des Textes völlig verfremdet ist. Am augenfälligsten illustriert das die Bemerkung über seine Pseudonyme: "Man moduliert sich von einer Tonart in die andere, und um herauszufinden, als wer ich eigentlich zu Ihnen spreche, Baron Kesselring, muss ich Diabelli in Graziani, Graziani in Mondelli, Mondelli in Masturbanni, Masturbanni in Santambrogio zurückübersetzen. Ich fürchte, dass auf dem Scheitelpunkt meiner Karriere im alter-egoistischen Fächer kein Ich mehr zurückbleibt, sich zum Bankrotteur zu bekennen" (34). Der Name ist nur ein Pseudonym, Identität existiert nur als Pseudoidentität: "jeder Artistenname steht für einen Superlativ im Bereich der Magie, aber auch für eine existentielle Katastrophe" (78). Das Ich verschwindet hinter den Masken, den Alter-Egos, wie das in dem Zaubertrick mit dem palmierten Elefant metaphorisch erläutert wird: der Varietékünstler Buatier de Kolta ließ einen fünfunddreißig Zentner schweren Elefanten "verschwinden", indem er das Tier im Schwarzen Kabinett (wo "das Verschwindenlassen schwarz drapierter Gegenstände einerseits durch die blendenden Scheinwerfer, andererseits durch den samtdunklen Hintergrund möglich ist(9)") mit einer gelben und darunter auch einer schwarzen Seidendecke abdeckte (38).

Die Metaphorik der Mehrschichtigkeit ist auf die sprachlichen Decken des Ichs oder die Natur der Intertextualität (Palympsest) auch zu beziehen und ist nicht das einzige Beispiel dafür, dass ein Zaubertrick, bzw. die Zauberkunst die Problematik der Identität metaphorisch interpretiert und verkörpert (was auch im Gebrauch der Pseudonyme übrigens der Fall war). Diabellis Identitätsschwund ist auch nichts anderes als die Verwirklichung einer Utopie der Körperlosigkeit, die ein "Traum aller großen Fluchtillusionisten" ist: d.h., die "Entleibung" (41): sich "unter Verzicht auf das Schwarze Kabinett, ohne Levitationskünste und Spiegelzauberei zum Verschwinden zu bringen" (34). Etwas ähnliches geht in dem Trick des Lebendigbegrabenwerdens vor (79), oder wo Diabelli sich als Scheintoten definiert (30): er versucht das Unbeherrschbare (das Körperliche, das Kontingente, das Vergängliche) im Griff zu behalten, was nur mit der Erzeugung von Scheinwirklichkeiten als Wirklichkeiten auf der Bühne zu leisten ist, d.h., als Täuschungsartist, dessen Körper unter den Schichten der Verkleidung genauso verschwindet, wie der Name unter den Pseudonymen, das Ich unter den sprachlichen Decken oder der palmierte Elefant im Schwarzen Kabinett ("Eine Klabautermannhaut der Lüge. Unter dem Frack mit den satinglänzenden Revers ist der Wundersimulant eine Marionette mit saitengezogenen Gliedern, ein aufklappbarer Anatomiemensch: Bänder, Haken, Ösen, Verschlüsse: korsettiert mit technischer Perfidie" [53]). Unvergesslich bleibt in diesem Kontext der Trick der zersägten Jungfrau, die mit einer augenfälligen Metaphorik der Sexualität verbunden wird: "Ich spannte ein Sperrholzblatt um den Bauch meiner Assistentin, damit das Eindringen der Fräse in ihrer Körper akustisch vernehmbar sei. Und Anastasia hatte zu kreischen wie eine Gebärende. Die Nummer in Masturbannis Ausführung hieß: der Kaiserschnitt mit der Kreissäge" (67). Der Geschlechtsakt nach dem Auftritt wird mit jener Sprache der Sterilität und des Narzismus beschrieben, die auch hinter Diabellis Pseudonym Masturbanni und seiner Zeugung mit "doppeltem Pariser" (46) steckt: "wäre sie gravid geworden, wäre es aus gewesen mit der Illusion vom aufgeschnittenen Bauch, daher immer bei allen Kopulationen die doppelte Verhütung, weiblicherseits durch das Pessar, männlicherseits durch den Kondom. Gummi stieß auf Gummi" (68). Eros und Thanatos, die Sexualität, die Geburt und der Tod werden auf der Bühne des Illusionisten zu Wirklichkeiten, die doch keine sind: sie bezeugen die Möglichkeit von Simulationen und Pseudorealitäten. Und nicht nur bei der Entjungferung der zersägten Assistentin, sondern auch im Falle des Todes von Chung Ling Soo bei seiner Abschiedsvorstellung: "im Pulverdampf brach der Schamane zusammen, der Vorhang wurde so schnell gezogen, dass die vivatschreienden Besucher meinten, der Tod, so trefflich gemimt, gehöre zur Nummer: Der Schuss war aber nicht ins Leere gegangen, sondern ins Herz. [...] Selbst die Todesnachricht in der Times wurde für eine virtuose Dreingabe gehalten" (40). Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktionalität löst sich hier auf, da bei der Wirklichkeitskonstruktion das Begehren des Illusionisten und/oder des Publikums maßgebend ist. Und gerade dieses performative, konstitutive, schöpferische Potenzial des Begehrens ist die Hybris Diabellis, des "Teuflischen", der sich in die Rolle des Schöpfers setzt: nomen est omen... Der Zauberer spielt nämlich "unter soufflierender Mithilfe des Publikums, denn ihm wird suggeriert, es müsse sich wünschen, was der Manipulator demonstiert." (39); und "wenn sie glauben, meine Damen und Herren, jetzt tut er etwas Entscheidendes, ist es bereits geschehen" (52). Der Zuschauer ist daher "des Zauberers Stift" (62), "die unbezahlte, die Eintrittsgeld entrichtende Souffleuse des Schnellfingerartisten" (39).

Die Zauberkunst und die Identitätsproblematik (die Identitäts- und Körperlosigkeit) sind folglich metaphorisch aufeinander bezogen in dem Text. Die Zauberei interpretiert metaphorisch die Identitätsproblematik (so in dem Fall des palmierten Elefanten) und vice versa: der Konstruktcharaker, die Rezeptionsabhängigkeit, die Pluralität lebensweltlicher Wirklichkeiten modelliert die Zauberkunst Diabellis. Sie beide bestätigen die Künstlichkeit, die Simulierbarkeit, die Kontingenz der Realität: der Prestidigitateur erzeugt Pseudorealitäten, lebensweltliche Identitäten und Wirklichkeiten erweisen sich aber ähnlicherweise als Konstrukte und/oder Simulationen, als nicht mehr kenntliche Fiktionen. Die Sprache bzw. die Mehrsprachigkeit und die sprachliche Fremdheit der Fachtermini sind in dieser Konstellation wesentlich mehr, als bloße Verfremdungseffekte, Medien der Autoreferenzialität und der Literarizität. Es geht auch nicht nur darum, was Burger in seiner Interpretation des Textes mit einer Umkehrung der These Wittgensteins illustrierte, nämlich, dass Diabelli als Prestidigitateur und Mitglied des Magischen Zirkels nicht erlaubt war, seine Kunst zu verraten. D.h., um den magischen Eid nicht zu brechen, musste und konnte er mit Hilfe der Fremdwörter "wortreich und in exotischen Termini" über das schweigen, wovon er nicht sprechen durfte(10). Die fremden Wörter (sowie die Schachtelsätze, Neologismen, Helvetismen, historisierende Ausdrücke, Wortspiele und Grammatikalisierungen) sollten für die Authentizität und die wissenschaftliche Akribie des Gesagten sorgen, doch sind sie nur "eine möglichst kuriose Ansammlung von Buchstaben in kurioser Reihenfolge [...], die sich bei der Enthüllung - und das Ihnen, verehrter Herr Baron, aufoktroyierte Nachschlagen im Fremdwörterbuch führt ja zu nichts anderem als dem Entlarven solcher Lautverrenkunggsgebilde - als phonetischer Lärm um nichts erweisen, als Kautschukakrobatik der Zunge ohne inneren Auftrag: das ist der dem Zauberer angemessene Duktus" (84). Diabellis Text ist folglich auch nichts anderes als eine Tarnrede, seine Sprache ist ein Medium der Tarnung (der Unverständlichkeit) und der Täuschung, der Ablenkung und Verführung, also ein metaphorischer Spiegel der Zauberkunst, ein Musterbeispiel für die Trickhandlung. Diese bestätigt aber wiederum die performative Verfasstheit der Identitäten, so auch die Interdependenz von Sprache und Subjektkonstitution, die sprachliche Verfasstheit der Subjektivit ät. Wir haben es hier also mit jenem mise en abîme zu tun, das auch ein Schlüsselerlebnis des jungen Diabelli war: "Als ich entdeckte, dass man, vor einem Spiegel stehend, mit einem zweiten, hinter das Ohr gehaltenen Frisierspiegel das Ich vervielfachen kann bis ins Unendliche, blockierte ich das Badezimmer. Wo meine Eltern Toilette machten, erprobte ich die Kindermaske eines Tausendkünstlers" (44): Die Sprache (so das fremde Wort in dem Text) bezeichnet nichts sondern bezieht sich lediglich auf eine unabschließbare Kette von Bezeichnenden: hinter der von Fremdwörtern und Fachausdrücken wimmelnder Sprache Diabellis steckt kein finaler Sinn, die Zaubertricks werden nicht erklärt (der magische Eid wird nicht gebrochen), so, wie auch "im alter-egoistischen Fächer kein Ich mehr zurückbleibt, sich zum Bankrotteur zu bekennen" (34). Die Sprache, die Zauberkunst und die Identität interpretieren einander metaphorisch in beinahe jedem Absatz des Textes: "Die Volte wird erst dann geschlagen, wenn sie sich von selber schlägt: "Das Ich muss zum Reflexivpronomen werden, die Trickhandlung zur rückbezüglichen. Ich düpiere mich, ich werde von mir düpiert, es düpiert sich in mir, jetzt wird sich düpiert" ( 50). Die dynamische Natur, de performative Gestaltbarkeit der Sprache, der Wirklichkeit und der Identität werden beispielsweise mit folgender Anekdote belegt: "Als der Lehrer einmal fragte, welche Wörter man steigern könnte, antwortete ich: die Namen: und als er mich belustigt aufforderte, meinen Vornamen zu steigern, steigerte ich meinen Vornamen, bildete, unter Gelächter den Komparativ zu Xaver und den Superlativ zu Xaver: am Xaversten. Ich war der Xaverste, der Spottname wurde zur Rangbezeichnung" (45). Der Name, bzw. das Wort Xaver wird in diesem Fall zum metaphorischen Spiegel des erwähnten mise en abîme, indem seine Steigerung die Vervielfachung des Ichs konkret, grammatisch verwirklicht (wie es auch im gerade zitierten Beispiel des Düpierens der Fall war.)

Der Zaubertrick und das Fremdwort zwingen den Rezipienten, so wie auch der literarische Text, in die Rolle des Ermittlers (daher die intertextuellen Hinweise auf Poe und Sherlock Holmes: 44, 61). Am Ende der Spurensuche findet man aber keine Erklärung für den Trick, keinen finalen Sinn, kein ersehntes, eindeutiges Signikifat höchstens nur die immer entstehenden Verschiebungen, Unterschiede zwischen dem Bezeichneten und dem Bezeichnenden, die unabschließbare Kette der sprachlichen Konstruktion der Identität und der Realität.

Schließlich erweist sich auch der ganze Text Diabellis als Täuschung, als Tarnrede: "Ich muss Sie bitten, Baron Kesselring, Diabelli um meinetwillen kein Wort zu glauben, meiner Wenigkeit aber, Diabellis unerachtet, der Prestidigitateurs und Wirbelwindillusionisten, dessen Name [...] ein gelöschter sein wird, alles zu glauben, auch was nicht respektive nur sagbar war." (88-89). Das mise en abîme, die erwähnte unabschließbare Kette ist hier nur abzuschließen und aufzuheben, indem die anfangs erwähnte Spaltung zwischen dem Subjekt des Textes und dem Subjekt im Text, der Figur und dem Sprecher aufgehoben wird, bzw. indem beide aufhören zu sprechen, zu täuschen und zu existieren: "Genug jetzt! (88).

© Eszter Pabis (Debrecen)


ANMERKUNGEN

(1) Daher das "verfremdende" Gebrauch der Ausdrücke "fremde Sprache" und "fremdes Wort", die diese Kategorien der Unzugänglichkeit klar betonen, im Gegensatz zu den Formen "Fremdwort" und "Fremdsprache", wo gerade eine mögliche Überwindung der Distanz suggeriert und damit das Fremde aufgehoben wird. Zu den erwähnten biblischen Geschichten vgl. Harald Weinrich: Fremdsprachen als fremde Sprachen. In: Wierlacher, Alois (Hg.): Kulturthema Fremdheit: Leitbegriffe und Problemfelder kulturwissenschaftlicher Fremdheitsforschung. München: iudicium, 1993., 129-153, S. 132, 136.

(2) Vgl. Waldenfels: "In den grundlegenden Betrachtungen von Wahrheit und Methode weist Gadamer der Hermeneutik eine "Stellung zwischen Fremdheit und Vertrautheit zu. [...] Schon Schleiermacher und Dilthey betonen, dass Hermeneutik sich als unmöglich erwiese, wenn alles schlechthin fremd wäre, und dass sie sich als unnötig erwiese, wenn gar nichts fremd wäre." (F.D. Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik, hg.v. M. Frank (1977), S. 313 und W. Dilthey, Ges. Schriften, Bd. VII., S. 225., zitiert nach Waldenfels, Bernhard, Vielstimmigkeit der Rede. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1999., S. 68.

(3) Burger, Hermann: Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben. Frankfurter Poetikvorlesung. Frankfurt a.M.: Fischer, 1986., S. 71.

(4) Vgl. Waldenfels, Bernhard: Topographie des Fremden. Studien zur Phänomenologie des Fremden. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1997., S. 85-109.

(5) Die Seitenangaben beziehen sich auf die folgende Ausgabe: Burger, Hermann: Diabelli, Prestidigitateur. Eine Abschiedsvolte für Baron Kesselring. In: ders. Diabelli-Blankenburg. Zürich: Amman 1986 [1979]. S. 29-88.

(6) Die Krise der Beziehung zur Mutter bzw. zur Muttersprache kommt als zentrales Thema in Burgers Roman Die künstliche Mutter (1982) explizit zum Vorschein.

(7) Vergleiche die im Schweizer literarischen und literaturwissenschaftlichen Diskurs geläufige Verbindung der emotionalen Nähe mit der sprachlichen Vertrautheit, so die bekannte Unterscheidung zwischen der Muttersprache (des Schwyzerdütschen) und der Vatersprache (des Schriftdeutschen). So Dürrenmatt: "Der deutschschweizerische Schriftsteller bleibt in der Spannung dessen, der anders redet, als er schreibt. Zur Muttersprache tritt gleichsam eine ‚Vatersprache’. Das Schweizerdeutsche al seine Muttersprache ist die Sprache seines Gefühls, das Deutsche als seine ‚Vatersprache’ die Sprache seines Verstandes, seines Willens, seines Abenteuers. Er steht der Sprache, die er schreibt, gegenüber " (Friedrich Dürrenmatt: Persönliches über Sprache. In: Franz Josef Görtz (Hg.): Dürrenmatt. Gesammelte Werke in sieben Bänden. Zürich 1988., 460-464., S. 462.). Vgl. auch Michael Böhlers Konzept einer Differenzästhetik, wo das gesprochene Schweizerdeutsch und die geschriebene Hochsprache als Medien des Eigenen, während das gesprochene Schriftdeutsch und die geschriebene Mundart als jene des Fremden behandelt werden. (Michael Böhler: Schweizer Literatur im Kontext deutscher Kultur unter dem Gesichtspunkt einer "Ästhetik der Differenz". In: Text und Kontext Sonderheft, Bd.30. "Deutsch - Eine Sprache? Wie viele Kulturen?" Kopenhagen/München 1991., S. 73-100.)

(8) Burger, Hermann: Die allmähliche Verfertigung der Idee beim Schreiben. Frankfurter Poetikvorlesung. Frankfurt a.M.: Fischer, 1986., S. 56.

(9) Ebd. Zur Interpretation des Ichs als palmierter Elefant s. Monika Schmitz-Emans: Wort-Zaubereien bei Hermann Burger. Zur Artistik der Sprachenmischung in der Moderne, In: Baumberger, Christa et al. (Hg.): Literarische Polyphonien in der Schweiz. Bern: Peter Lang, 2004.

(10) Burger, Hermann: Die allmähliche Verfertigung der Ide ebeim Schreiben. Zur Entstehung der Erzählung "Diabelli, Prestidigitateur", In: ders. Ein Mann aus Wörtern. Frankfurt a. M.: Fischer, 1983., 214-223., S. 217.


7.3. Bericht: Das Eigene und das Fremde. Schnittflächen kulturanthropologischer und literaturwissenschaftlicher Fragehorizonte

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For quotation purposes:
Eszter Pabis (Debrecen): "Habe illudiert und illudiert und dabei mein Selbst verjuxt" - das fremde Wort in Hermann Burgers Diabelli, Prestidigitateur. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/07_3/pabis16.htm

Webmeister: Peter R. Horn     last change: 12.8.2006     INST