Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | Juni 2010 | |
Sektion 2.1. | Sprachen und kulturüberschreitende Vorstellungsbildungen Sektionsleiter | Section Chair: Csaba Földes (Veszprém / Ungarn) |
Sektionsbericht 2.1.
Sprachen und kulturüberschreitende Vorstellungsbildungen
Csaba Földes (Pannonische Universität Veszprém) [BIO]
Email: foldes@btk.uni-pannon.hu
Das magische Dreieck Sprache – Kultur – Denken beschäftigt seit langem sowohl die Sprachwissenschaft als auch eine Reihe verwandter – vor allem geistes- und sozialwissenschaftlicher – Disziplinen. Gegenwärtig spiegeln diese Leitbegriffe die interdisziplinäre Besetzung derjenigen geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die im Zuge des so genannten cultural turn ein Selbstverständnis als Kulturwissenschaft formuliert haben. In diesem Rahmen lässt man sich in der Forschung zunehmend von der Einsicht leiten, dass – infolge der engen Verflochtenheit von Kultur und Sprache/Kommunikation – bei den Sprechhandlungen kulturspezifische bzw. kulturtypische Eigenheiten eine bestimmende Rolle spielen und folglich in kulturellen Überschneidungs- bzw. Verschränkungssituationen wechselseitiges Zugrundelegen eigenkultureller Handlungsschemata als Modelle der Interpretation fremdkultureller Kommunikationshandlungen charakteristisch ist. Auch wenn bei der Kommunikation im weitesten Sinne neben der Kultur auch persönliche (d.h. individuumsspezifische), strukturell-kontextuelle (situationsspezifische) und universelle Parameter eine Rolle spielen, so bleibt doch festzustellen, dass kulturelle Aspekte gerade heute von besonderer Relevanz sind. In diesem Zusammenhang hat sich die Sektion damit auseinandergesetzt, wie sich der Faktor ‚Kultur’ auf die grenzüberschreitende bzw. auf die kulturenübergreifende Kommunikation sowie auf die sprachlich vermittelten Vorstellungsbildungen in europäischen Gesellschaften auswirkt.
In diesem inhaltlichen Rahmen wurden zwölf Referate gehalten und diskutiert.
Als Auftakt hat Ingrid Hudabiunigg (TU Chemnitz, Deutschland) zur überaus aktuellen Themenstellung „Europäische Kulturhauptstädte“ Stellung genommen, indem sie europäische Stadtkulturen, die zwischen Monokulturalität und Multi- bzw. Transkulturalität oszillieren und eine zunehmende Kulturvielfalt aufweisen, thematisiert. Es wurde u.a. herausgearbeitet, dass das Konzept „Kulturhauptstadt Europas“ in vielfacher Hinsicht in der Lage ist, mittels kultureller Instrumentarien Lösungswege für gesellschaftliche Entwicklungsprobleme in Europa zu schaffen, die auch für andere Städte Beispielcharakter besitzen.
Anschließend setzte sich Norbert Dittmar (Freie Universität Berlin, Deutschland) mit lebensweltlicher Mehrsprachigkeit in heutigen Großstädten auseinander und stellte „urbane Linguotope“ vor allem am Beispiel von Berlin vor. Intensive Sprachkontakte und eine kommunikative Polyphonie prägen doch das sprachkommunikative Bild moderner Großstädte in hohem Maße.
Tatjana Yudina (Universität Moskau, Russland) befasste sich mit Wissenschaftskommunikation und hob die Kulturgeprägtheit bzw. die kulturelle Relevanz wissenschaftlicher Tätigkeit hervor und konnte diskursive Symbole der Selbstidentifikation von Wissenschaftlern erschließen.
Anniki Koskensalo (Universität Turku, Finnland) äußerte sich zum terminologisch-konzeptuellen Hintergrund der Problematik und versuchte auf Grund modernster Forschungsansätze die Begriffe „transkulturelle Kommunikation“, „Transkulturalität“ und „Transdifferenz“ in einen gemeinsamen Denkrahmen zu integrieren.
Das Thema von Dmitrij Dobrovol‘skij (Universität Moskau, Russland) bezog sich auf kulturbedingte Modifikationen bei der Übersetzung künstlerischer Texte am Material österreichischer Textkorpora.
Ein Stück ‚erlebte Interkulturalität‘ wurde anhand des Beitrags von Ulrike Reeg (Universität Bari, Italien) deutlich, die eine Analyse einer interkulturellen virtuellen Lehr- bzw. Lernsituation am Beispiel eines deutsch-italienischen Online-Seminars durchgeführt hat. Die empirische Untersuchung virtueller Interaktionen zwischen deutsch- und italienischsprachiger Studierender und Lehrender bot viel Aufschluss über kommunikative Strategien in kulturellen Begegnungssituationen, wie z.B. Annäherungsstrategien.
Der Beitrag von József Tóth (Pannonische Universität Veszprém, Ungarn) konzentrierte sich auf intra- und interlinguale lexikalisch-semantische Untersuchungen und war bemüht, mittels von Ereignisstrukturen als Repräsentationen der Wortbedeutung kulturspezifische Bedeutungssysteme aufzudecken.
Ružena Kozmová (Universität Cyrill und Method, Trnava, Slowakei) erörterte ebenfalls sprachsystematische Aspekte, indem sie Probleme der kontrastiven Valenz als einem dependenziell und interdependenziell funktionierenden Phänomen der Kulturgemeinschaften diskutierte.
Zuzana Bohušová (Matej-Bel-Universität, Banská Bystrica, Slowakei) wandte sich Neutralitätsstrategien und Invarianzphänomenen beim Dolmetschen zu: Am Beispiel des Sprachenpaars Deutsch-Slowakisch besprach sie interessante empirische Phänomene und konnte drei Typen von Neutralisierungen der formal-inhaltlichen Markiertheit beim Dolmetschen herausstellen.
Das Referat von Nicole Eller (Universität Regensburg, Deutschland) thematisierte einen Spezialfall interkultureller Kommunikation und stellte interessante kulturgeprägte Manifestationen von Identität durch Sprache im Falle deutschböhmischer Mundarten vor. Es wurde deutlich, wie eng und zugleich vielfältig Sprachidentität durch Mehrsprachigkeit geprägt wird.
Ágota Nagy (Pannonische Universität Veszprém Ungarn) befasste sich mit einer inter- bzw. transkulturellen Sondervarietät des Deutschen und nahm zu „Czernowitzerisch“ als Antipode zu sprachlich vermittelten unikulturellen Vorstellungsbildungen der Zwischenkriegszeit Stellung.
Schließlich erörterte Bianka Burka (Pannonische Universität Veszprém Ungarn) Fremdwahrnehmung als Vorstellungsbildung in der Sprache interkultureller literarischer Texte und fokussierte auf Romane der bilingualen deutsch-ungarischen Schriftstellerin Terézia Mora. Sie konnte nachweisen, wie sich Fremdwahrnehmungen als interkulturelles Phänomen in geschriebenen Texten sprachlich manifestieren können.
Insgesamt war festzustellen, dass einige Referate eher allgemein-konzepttheoretische Fragen des Sektionsthemas behandelt haben, während von den meisten Beiträgen exemplarische Fallstudien oder verschiedene empirische Analysen präsentiert wurden. Der Relationsbegriff ’Interkulturalität‘ erfuhr meist eine Interpretation in einem umfassenden Sinne, wobei eine große Bandbreite ihrer sprachlichen Manifestationen unter verschiedenen Aspekten thematisiert wurden. Einen besonderen thematischen Schwerpunkt bildeten die Mehrsprachigkeit in ihren verschiedenen Facetten und die Möglichkeiten ihrer linguistischen Erfassung. Insgesamt waren ein hohes Niveau, eine rege Beteiligung und eine anregende – und im wahrsten Sinne des Wortes interkulturelle – Diskussion charakteristisch.
2.1. Sprachen und kulturüberschreitende Vorstellungsbildungen
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-06-08