TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Februar 2010

Sektion 2.8. Tourismusprospekte in Europa – Herstellung und Übersetzung im Zeitalter der Globalisierung
SektionsleiterInnen | Section Chairs: Dagmar Neuendorff und Michael Szurawitzki (Universität Åbo Akademi, Germanische Philologie)

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Die Rezeption von übersetzten Touristikbroschüren:
Vergleich von Erwartungshaltungen und konkreter Evaluation

Marie-Louise Nobs Federer (Universidad de Granada / España) [BIO]

Email: mnobs@ugr.es

 

Abstract:

Im Beitrag werden Resultate einer empirischen Studie präsentiert und diskutiert, die in Südspanien mit deutschsprachigen Touristen im Rahmen eines Forschungsvorhabens unter Einbezug von 180 Probanden ausgearbeitet und durchgeführt wurde (Nobs, 2003 & 2006a).

Dazu wird zuerst kurz auf die hauptsächlichen Fragestellungen der gesamten Studie zur Erforschung der Rezeption von übersetzten Touristikbroschüren eingegangen. Anschließend werden der übersetzungstheoretische Ansatz und die angewendete Methode (Umfrage unter realen Touristen) dargestellt. Den Kernpunkt des Beitrages stellt der Vergleich der Erwartungshaltungen der befragten Touristen und deren konkrete Evaluation zweier aus dem Spanischen ins Deutsche übersetzter Touristiktexte dar. Bei diesem Vergleich stellen die mittels Fragebögen bei 180 Subjekten erhobenen Resultate bezüglich des Qualitätsparameters „Grammatische Korrektheit“, und „Unbeabsichtigte lächerliche/ lustige Wirkung des Zieltextes“ die Grundlage dar.

Der Vergleich zeigt, dass sich Erwartungshaltungen und konkrete Evaluation durchaus unterscheiden. Der Beitrag wird abgerundet mit der Präsentation von Ergebnissen, aus denen ersichtlich wird, wie die befragten realen deutschsprachigen Touristen, die globale Qualität des ihnen vorgelegten Touristiktextes einschätzen, sowie den Grad der Professionalität der Person, die diesen Text übersetzt hat.

 

Einleitung

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit einigen Aspekten einer empirischen Studie, die mit 180 Versuchspersonen durchgeführt wurde, und bei der es um zwei Hauptziele ging: einerseits die Erwartungshaltungen, die reale deutschsprachige Touristen in Bezug auf bestimmte übersetzte Touristikbroschüren haben, kennen zu lernen und andererseits, die konkrete Evaluation von zwei konkreten Übersetzungen durch dieselben Probanden zu erheben (Näheres in Nobs, 2003 und Nobs, 2006a). Beide Zielsetzungen sollten, unter anderem, dazu beitragen, die Frage zu beantworten, ob Erwartungshaltungen und konkrete Evaluation durch reale Übersetzungsrezipienten übereinstimmen oder nicht.

Um in diesem Beitrag erste Antworten auf diese Frage zu geben, lege ich dem Artikel folgende Gliederung zu Grunde: Als erstes werde ich die hauptsächlichen Gründe darlegen, die mich bewogen haben, eine empirische Studie zur Erforschung der Rezeption von übersetzten Touristiktexten durchzuführen.

Damit die Evaluation der dargelegten Studienergebnisse möglich ist, werde ich vor der Präsentation der konkreten Resultate kurz auf meinen theoretischen Ansatz eingehen und Ihnen einen Überblick über die hauptsächlichen Faktoren meines Studiendesigns geben.

Den Kernpunkt meiner Ausführungen werden die Resultate darstellen, die ich sowohl bezüglich der Erwartungshaltungen, als auch der Evaluation eines konkreten übersetzten Touristiktextes durch reale Touristen erheben konnte und zwar ausschließlich im Zusammenhang mit den folgenden zwei Qualitätsparametern:

  1. ’Grammatische Korrektheit’
  2. ’Lächerlichkeit’ als unbeabsichtigte Wirkung einer Übersetzung

Zum Abschluss meiner Ausführungen werde ich die präsentierten Daten vergleichen und auf eine mögliche Interpretation bezüglich des Begriffs der Professionalität eines Übersetzers oder einer Übersetzerin eingehen, die als Ausgangspunkt einer Diskussion dienen könnte.

 

1. Gründe für eine Studie mit realen Nutzern von übersetzten Touristikprospekten

Gründe dafür gibt es viele. An dieser Stelle möchte ich nur die folgenden zwei erwähnen:

  1. Als reale Nutzerin von Touristiktexten konnte ich in den letzten Jahren feststellen, dass in Andalusien, wo ich lebe und arbeite, seitens der zuständigen Behörden sehr große Anstrengungen unternommen werden, um die Qualität der Touristikprospekte (1) zu steigern, besonders bezüglich ihrer graphischen Gestaltung aber auch in Bezug auf die Attraktivität der verbalen Elemente. Bei den übersetzten Prospekten konnte ich diese Qualitätssteigerung jedoch nicht im gleichen Maß feststellen. Um diese subjektive Wahrnehmung zu überprüfen, schien es mir angebracht, sie mit der Wahrnehmung anderer realer Nutzer und Nutzerinnen zu vergleichen, weshalb ich mich schließlich zur Ausarbeitung einer Umfrage entschied.
  2. Als Übersetzerin und Übersetzungsdozentin finde ich es sinnvoll, in die Diskussion über die Qualität einer Übersetzung neben dem Standpunkt der Translationskritik, der Übersetzenden und dem häufig nicht expliziten Standpunkt der Auftraggebenden auch den Standpunkt der Übersetzungsrezipienten einzubeziehen. Die Kontaktaufnahme mit realen Nutzern von übersetzten Touristikprospekten schien mir machbar, weshalb ich mich zur Durchführung einer empirischen Studie entschied.

Ein weiterer Grund für ein zunehmendes Interesse der Übersetzungswissenschaft an der Übersetzung von Texten aus der Tourismusbranche wird in der Einleitung zum Band Pragmatics at Work (Navarro Errasti et al. 2004) gegeben, in dem Folgendes zu lesen ist:

"Tourist texts, whether promotional or purely informative, have a particular significance because it may transcend the merely speculative aspects and have some impact on the economic of social affairs" (Navarro Errasti et al. 2004: 7).

 

2. Übersetzungstheoretischer Ansatz

Bei der Ausarbeitung der Untersuchung hat mich ein handlungstheoretisches Verständnis von Translation geleitet, das davon ausgeht, dass sich professionelles Übersetzen in einer transkulturellen Kommunikationshandlung äußert, die Teil eines bestimmten Handlungsgefüges ist, in dem alle beteiligten Akteure und Faktoren untersucht werden können, da es sich um eine soziale Praxis handelt, die für fremden Bedarf ausgeführt wird. (Holz-Mänttäri, 1984 und 1993; Nord, 1997 und 2006; Prunč, 2007; Risku, 2004). Studien, die wie meine eigene, die Erwartungshaltungen von realen Nutzern von übersetzten Gebrauchstexten in den Blick nehmen und die Evaluation dieser Texte durch deren Leser, gibt es nur vereinzelt. Interessant für meine Untersuchung waren vor allem die übersetzungsbezogene Studie von Jänis & Priiki (1993) und die Arbeiten von Vehmas-Leito (1987), Kemppinen (1989), Rydning (1991), Leppihalme (1997) und González Álvarez (1998). Besonders aufschlussreich sind auch die erst nach Abschluss meiner Studie publizierten Beiträge in zwei Bänden, die ausschließlich dem Thema der Übersetzung von Touristiktexten gewidmet sind (Fuentes Luque, A. (ed.). 2005 und Navarro Errasti, M. et al. 2004) sowie das Vorwort von Christiane Nord in Nobs, M.L. (2006a).

Im Bereich der Dolmetschforschung, in dem die Erforschung der Erwartungshaltungen und die Evaluation von Dolmetschleistungen durch reale Adressaten bisher auf größeres Interesse gestoßen ist, konnte ich mich unter anderem auf die interessanten Beiträge von Bühler (1986), Gile (1990 ; 1995) Collados (1998) und Collados et al. (2007) stützen.

2.1. Qualität einer Übersetzung

Zusammen mit einer großen Zahl von praxisorientierten Übersetzungstheoretikern gehe ich davon aus, dass die Qualität einer Übersetzung ein relativer Wert ist. Darum stimme ich mit folgender Aussage von Sager (1989: 91) vollkommen überein: “There are no absolute standards of Translation quality but only more or less appropriate translations for the purpose for which they are intended.“

Gestützt auf Collados (1998: 22ff.) unterscheide ich zwischen “abstrakter Qualität“ und “konkreter Qualität“ sowie zwischen der “Qualität einer Übersetzung“ und dem “Erfolg einer Übersetzung“. In den Worten von Collados: “(...) fracaso no equivale necesariamente a deficiente calidad, ni éxito a constatada calidad”(2) (Collados 1998: 25). Ausgehend von der Tatsache, dass die realen Leser eines Touristiktextes in einer üblichen Kommunikationssituation keinen Zugriff auf den Ausgangstext haben und damit den Zieltext als selbständigen Text rezipieren, scheint mir der von Brunette (2000:173) gebrauchte Begriff Fresh Look relevant, den die Autorin als Parameter in ihre Bewertungsverfahren aufnimmt.

 

3. Studiendesign

Das konkrete Design einer Studie ist nichts anderes als der Versuch, einen gangbaren Weg zur Erreichung der Ziele (Einzelheiten in Nobs, 2003, 2005a, 2005b, 2005c und 2006a) aufzuzeigen. In diesem Fall habe ich mich für ein Querschnittdesign entschieden, das sich auf eine Umfrage mit zwei Fragebögen stützt, die bestimmten Gruppen von realen Nutzern von ins Deutsche übersetzten Touristikbroschüren(3) vorgelegt wurden. Die Umfrage wurde durch einen Pretest (Nobs, 2001 y 2004a) optimiert. Bei der Ausarbeitung des Designs wurde die von der empirischen Sozialforschung vorgeschlagene Methodik angewandt (Bericat, 1998; Diekmann, 1998; Schnell et al, 1999; Sierra Bravo 1994 und auch in Nobs 2005c und 2004b). Die Untersuchung besteht aus zwei Teilen. Der erste Teil ist deskriptiv und konzentriert sich auf die Erwartungshaltungen der deutschsprachigen, befragten Touristen. Der zweite Teil ist als Quasi-Experiment angelegt, bei dem die Erhebung von Daten im Zentrum steht, welche die Evaluation von zwei übersetzen Touristikbroschüren(4) durch die Versuchspersonen in den Mittelpunkt stellt.

 

4. Resultate

Wie am Anfang angekündigt, konzentriere ich mich im Rahmen dieses Beitrages auf zwei (von den sieben in der Studie benutzten) Qualitätsparameter (Näheres in Nobs, 2003 , Nobs, 2005a), nämlich auf den Parameter ’Grammatische Korrektheit’ und auf den Parameter ’Lächerlichkeit als unbeabsichtigte Wirkung einer Übersetzung’.

Zuerst stelle ich die Resultate bezüglich der Erwartungshaltung vor, die im 1. Teil der Studie erhoben wurden und an zweiter Stelle die Ergebnisse, die sich auf keine konkrete Evaluation eines übersetzten Textes beziehen.

4.1. Erwartungshaltungen: Einfluss aller Qualitätsparameter

Auf die Frage, in wie weit die Nichtbeachtung der benutzten Qualitätsparameter für eine Qualitätseinbuße verantwortlich sind, wurden folgende Ergebnisse erzielt (dabei ist zu beachten, dass den Versuchspersonen eine Skala von 1-5 zur Verfügung stand, in der 1=keine Qualitätseinbuße bedeutet und 5=maximale Qualitätseinbuße):

Abb. 1: Qualitätseinbußen einer übersetzten Tourismusbroschüre

Graphik 1: Erwartungshaltungen: Qualitätseinbuße einer übersetzten Touristikbroschüre durch Nichtbeachtung der einzelnen Qualitätsparameter. Durchschnittswerte.

Bei der Betrachtung der Resultate fällt auf, dass die beiden Parameter, die in diesem Beitrag fokussiert werden, an letzter, bzw. an vorletzter Stelle liegen, das heißt also, dass die Befragten a priori davon ausgehen, dass weder grammatische Unkorrektheiten, noch eine lächerliche oder lustige Wirkung eine beträchtliche Qualitätseinbusse eines übersetzten Touristiktextes zur Folge hat. Da sich diese Resultate auf die Erwartungshaltungen der Befragten beziehen, wird es interessant sein, aufgrund der Antworten, die von denselben Versuchspersonen bezüglich der konkreten Evaluation von zwei verschiedenen Touristikbroschüren erhoben wurden, die Frage zu stellen, ob Erwartungshaltungen und konkrete Evaluation übereinstimmen oder nicht.

Bei der Beantwortung dieser Frage stütze ich mich auf die Ergebnisse, die im zweiten Teil meiner Studie erhoben wurden und sich, unter anderem auf die Antworten auf folgende Fragen stützt:

Haben Sie im Text, den Sie gelesen haben, Stellen festgestellt, die ’grammatische Fehler’ oder ’lächerlich oder lustig wirkende Elemente’ enthalten, wenn ja, in wie weit haben diese eine Qualitätseinbusse zur Folge?

4.2. Einfluss des Parameters ’Grammatische Korrektheit’

Die folgende Tabelle (Tabelle 1) und die Graphik 2 geben die Antworten bezüglich des Parameters ’Grammatische Korrektheit’ wieder. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Hälfte der Befragten ihre Evaluation auf den Text aus einer publizierten Touristikbroschüre stützten (Tradpubl) und die andere Hälfte dasselbe tat, aufgrund einer zweiten, manipulierten Übersetzung (Tradmanipul), die sich auf denselben Ausgangstext stützte, wie die publizierte Übersetzung (Näheres in Nobs, 2003: 111-118). In diesem Beitrag werde ich mich auf die Ergebnisse bezüglich der publizierten Übersetzung (Tradpubl) konzentrieren. Den Befragten stand eine Skala von 1-5 zur Verfúgung, wobei 1=keine Qualitätseinbuße bedeutet und 5=maximale Qualitätseinbuße.

 

Abb. 2: Einfluss des Parameters ‘Grammatische Korrektheit’

Tabelle 1: Einfluss des Parameters ‘Grammatische Korrektheit’ auf die Qualitätseinbusse.

Einfluss des Parameters ‘Grammatische Korrektheit’

Graphik 2: Einfluss des Parameters ‘Grammatische Korrektheit’ auf die Qualitätseinbusse.

Wenn wir die Resultate bezüglich der Erwartungshaltungen (EXPECTATIVAS) mit denjenigen bezüglich der konkreten Evaluation (EVALUACIÓN) vergleichen, fällt auf, dass für beide evaluierten Texte (Trapubl und Tradmanipul) relativ große Unterschiede festzustellen sind. Dabei ist vor allem die Beobachtung hervorzuheben, dass die Befragten im ersten Teil der Studie, in dem die Erwartungshaltungen erhoben wurden, ohne dass die Befragten sich auf einen konkreten übersetzten Text stützten, den Einfluss von grammatischen Fehlern viel gravierender finden als im zweiten Teil der Studie, wo die Befragten ihre Antworten aufgrund der Evaluation eines konkreten Textes (Tradpubl oder Tradmanipul) formulierten.

4.3. Einfluss des Parameters ’Lächerliche/lustige Wirkung’

Aus der folgenden Tabelle (Tabelle 2) und der Graphik 3 wird ersichtlich, dass die Werte, die sich auf die Erwartungshaltungen beziehen niedriger (also besser) sind als die Werte der konkreten Evaluation, was einen klaren Unterschied im Vergleich zum Parameter der ’Grammatischen Korrektheit’ darstellt, wo dies gerade umgekehrt ist. Auch hier bedeutet 1=keine Qualitätseinbuße und 5=maximale Qualitätseinbuße.

Einfluss des Parameters ‘Lächerliche /lustige Wirkung’

Tabelle 2: Einfluss des Parameters ‘Lächerliche /lustige Wirkung’ auf die Qualitätseinbusse.

Einfluss des Parameters ‘Lächerliche /lustige Wirkung’

Graphik 3: Einfluss des Parameters ‘Lächerliche /lustige Wirkung’ auf die Qualitätseinbusse.

5. Diskussion der präsentierten Resultate

Die präsentierten Resultate unterstützen die Arbeitshypothese, wonach sich Erwartungshaltungen und konkrete Evaluation im Zusammenhang mit übersetzten Touristikbroschüren nicht decken. Besonders erwähnenswert scheinen mir im Zusammenhang mit den untersuchten Parametern folgende Überlegungen: In Bezug auf den Parameter ’Grammatische Korrektheit’ sind die Befragten sowohl bei den Erwartungshaltungen, als auch bei der konkreten Evaluation der Meinung, dass diese die Qualität eines übersetzten Zieltextes kaum beeinflusst. Dies dürfte ihre Erfahrung mit übersetzten Zieltexten wiedergeben, wonach eine übersetzte Touristikbroschüre ohne Grammatikfehler kaum vorstellbar ist. Etwas Ähnliches ist bei den Resultaten des Parameters ’Lächerliche/lustige Wirkung’ festzustellen, was übrigens auch in der Tatsache zum Ausdruck kommt, dass der Langenscheidt-Verlag mit der Herausgabe des Buches Übelsetzungen Sprachpannen aus aller Welt einen Bestseller landete, in dem den Lesern eine sog. “witzige Übersetzungs-Sammlung“ (Schaffrath & Betz, 2007) vorgelegt wird.

 

6. Nützlichkeit einer Studie zur Rezeption von Touristiktexten

Nach einer Studie, die die Rezeption von Touristiktexten durch reale Touristen in den Blick nimmt, drängt sich die Frage nach der Nützlichkeit derartiger Untersuchungen auf. Bei der Beantwortung dieser Frage ist Vorsicht angebracht, denn sie ist nicht einfach mit ja oder nein zu beantworten. Es kommt darauf an, mit welchen Zielsetzungen derartige Studien verbunden werden. Besteht die Zielsetzung darin, die Komplexität der Übersetzungsprozesses in seiner Gesamtheit zu erforschen, kann die Frage, ob Studien zur konkreten Rezeption durch reale Adressaten nützlich sind, klar mit ja beantwortet werden, denn die realen Nutzer von Touristiktexten gehören zweifellos zu den am Übersetzungsprozess beteiligten Akteuren. Wenn die hauptsächliche Zielsetzung der Studie aber in der Qualitätssteigerung von übersetzten Touristikbroschüren liegt, ist der Nützlichkeitsgrad derartiger Studien nur gering /mäßig, denn in diesem Falle, wäre es meiner Meinung nach angebracht, die Untersuchung der Rezeption von Touristikbroschüren durch reale Touristen mit einem anderen, ebenso wichtigen Blickwinkel zu erweitern, zum Beispiel, indem ebenfalls die Textsortenkonventionen fokussiert würden, wie Nord dies im Vorwort zu Nobs. 2006a: XIII tut:

“Hay dos métodos para conocer mejor al posible destinatario: En primer lugar, podemos analizar los textos existentes destinados a esta clase de público, partiendo de la hipótesis de que las expectativas que un receptor tiene frente a un determinado texto se han formado a partir de la experiencia adquirida mediante la recepción de textos anteriores en situaciones análogas. Si los textos pertenecientes a un determinado género se redactaran según un único modelo convencional, se confirmarían las expectativas del receptor, quien consideraría entonces el texto como aceptable e idóneo en la situación dada. Sin embargo, los resultados de tal análisis seguirán siendo hipotéticos mientras no hayan sido verificados empíricamente. En segundo lugar, podemos empezar estudiando la reacción (real) de unos receptores (reales) de textos pertenecientes a cierto género en un trabajo de campo. La ventaja que este segundo método tiene frente al primero es que ya no se trata de resultados hipotéticos, sino de resultados fácticos. La desventaja consiste en que son muchas las variables que influyen la reacción de un receptor frente a un determinado texto, de modo que será siempre difícil generalizar los resultados.” (Nord, 2006: XIII).(5)

 

7. Überlegungen und Fragen

Bevor ich meinen Beitrag abschließe, möchte ich Ihnen ein weiteres interessantes Ergebnis meiner Studie bezüglich der Einschätzung der Professionalität eines Übersetzers durch reale Übersetzungsnutzer präsentieren. Mir haben diese Resultate zu denken gegeben, vor allem, wenn man sie mit der Evaluation der Qualität der vorgelegten übersetzten Texte (Tradpubl und Tradmanipul) durch die Versuchspersonen vergleicht, wie dies in der folgenden Graphik (Graphik 4) zum Ausdruck kommt:

Evaluation der globalen Qualität der übersetzten Touristikbroschüre

Graphik 4: Evaluation der globalen Qualität der übersetzten Touristikbroschüre und Grad der Professionalität der ÜbersetzerIn

Beim Betrachten der erhobenen Ergebnisse fällt auf, dass bezüglich der beiden Zieltexte (Tradpubl und Tradmanipul), die von deutschsprachigen Touristen bewertet wurden, die Professionalität (Grado profesionalidad) der Person, die den Text übersetzt hat, höher eingestuft wird, als die globale Qualität (Calidad global) der Übersetzung. (Hier ist zu berücksichtigen, dass den Befragten eine Skala von 1-5 zur Verfügung stand, wobei 1= exzellente Qualität der übersetzten Touristikbroschüre, sowie maximale Professionalität bedeutet und 5=sehr defiziente Übersetzung sowie minimale Professionalität der ÜbersetzerIn).

Die erhobenen Resultate werfen zweifellos verschiedene Fragen auf. Ich möchte diesen Beitrag damit beenden, auf eine dieser möglichen Fragen kurz einzugehen (und denke, dass dies vielleicht als Grundlage zur Beantwortung weiterer Fragen dienen könnte.)

Im Zusammenhang mit jeglichen anderen Berufen, wäre es höchstwahrscheinlich undenkbar, den Grad der Professionalität höher einzuschätzen als die Qualität einer beruflichen Tätigkeit. Denken wir nur kurz an einen Architekten oder einen Arzt, von dem gesagt würde, sein professionelles Handeln sei besser als die Qualität seiner Arbeit.

Warum ist diese Bewertung im Zusammenhang mit dem professionellen Handeln eines Übersetzers überhaupt möglich? Eine mögliche Antwort auf diese Frage sehe ich darin, dass eine große Zahl der Befragten, wahrscheinlich aus Unkenntnis, daran zweifelt, dass eine Übersetzung auf professionelle Weise ausgeführt werden kann, das heißt, im Einklang mit bestimmten Qualitätsparametern, die bereits vor dem eigentlichen Übersetzen festgelegt oder ausgehandelt wurden. (Näheres in Nobs, 2006b, 2006c).

Ein weiterer Grund für dieses auffallende Ergebnis kann auch darin gesehen werden, dass die Versuchspersonen durch die relativ gute Bewertung der Professionalität des Übersetzers die Versuchsleiterin nicht blamieren wollten, in der (falschen) Annahme, dass diese für die vorgelegte Übersetzung verantwortlich war. Die Ergebnisse sind meiner Meinung nach aber auch der Ausdruck davon, dass für die Rezipienten von übersetzten Touristiktexten der Begriff der Professionalität im Zusammenhang mit übersetzerischem Handeln nicht klar definiert ist und sie (wenn überhaupt) sehr unterschiedliche Ansprüche an das konkrete übersetzerische Handeln stellen.

Ich mache diese Aussage auch deshalb, weil ich in meiner Studie auch diesbezügliche Ergebnisse erhielt. Dabei beziehe ich mich vor allem auf die Antworten auf die Frage, ob sie sich als Übersetzungsnutzer gestört fühlen, wenn sie es einer Touristikbroschüre ansehen, dass es sich um eine Übersetzung handelt (siehe Nobs, 2006b) oder woran sie sehen, dass es sich um einen übersetzten Text handelt (siehe Nobs, 2006c). Antworten wie „Übersetzen ist kompliziert und im Vornherein zum Scheitern verurteilt“ unterstreichen diese Undefiniertheit des Begriffs der Professionalität eines Übersetzers klar und deutlich.

 

Bibliographie

 


Anmerkungen:

1 Im Rahmen unserer Studie brauchen wir den Begriff Touristikprospekte oder Touristikbroschüre für diejenigen Touristiktexte, die die zuständigen spanischen Behörden den Touristen zur Information über bestimmte Gegenden kostenlos auflegen.
2 Übersetzung (meine eigene :M.L.N.): So wie eine gescheiterte Kommunikation nicht unbedingt mangelhafte Qualität bedeutet, kann eine gelungene Kommunikation nicht mit nachgewiesener Qualität gleichgesetzt werden.
3 Es wurde ein Prospekt mit dem Titel „La Granada monumental“ zu Grunde gelegt, der den Touristen kostenlos zur Verfügung gestellt wird von einer für den Tourismus zuständigen spanischen Behörde [Patronato Provincial de Turismo de Granada], aus dem ein Teiltext über die Sierra Nevada verwendet wurde.
4 Den Versuchspersonen wurde entweder die publizierte Übersetzung des o.g. Teiltextes über Sierra Nevada (Tradpubl) oder eine zweite, manipulierte Übersetzung (Tradmanipul), die auf der Basis desselben spanischen Ausgangstextes ausgearbeitet wurde, zur Evaluation vorgelegt (Nobs, 2003 und 2005).
5 Übersetzung (meine eigene M.L.N.):“Es gibt zwei Methoden, den potentiellen Adressaten besser kennen zu lernen: Als Erstes besteht die Möglichkeit, existierende Texte, die sich an ein bestimmtes Publikum wenden, zu analysieren. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass sich die Erwartungshaltungen eines Rezipienten bezüglich einer bestimmten Textsorte auf dessen Erfahrungen stützen, die er/sie bei der Rezeption früherer Texte in analogen Kommunikationssituationen gemacht hat. Wären die Texte einer bestimmten Textsorte wirklich nach einem konventionellen Modell verfasst, würden die Erwartungen des Rezipienten oder der Rezipientin erfüllt, weshalb er/sie den Text in der gegebenen (Kommunikations-) Situation für akzeptabel oder angebracht hielte. Doch die Ergebnisse derartiger Analysen sind hypothetisch, solange sie nicht empirisch nachgewiesen werden. Als zweite Möglichkeit, können die (realen) Reaktionen (realer) Rezipienten bestimmter Textsorten in einer Feldarbeit untersucht werden. Im Vergleich mit der ersten Methode hat diese zweite Methode den Vorteil, dass die Ergebnisse, die damit erzielt werden, nicht hypothetisch sondern faktisch sind. Der Nachteil besteht darin, dass die Reaktion eines Rezipienten bezüglich eines bestimmten Textes durch eine Vielzahl von Faktoren beinflusst werden, so dass es immer äußerst schwierig sein wird, die erzielten Resultate zu verallgemeinern“.

2.8. Tourismusprospekte in Europa – Herstellung und Übersetzung im Zeitalter der Globalisierung

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For quotation purposes:
Marie-Louise Nobs Federer: Die Rezeption von übersetzten Touristikbroschüren: Vergleich von Erwartungshaltungen und konkreter Evaluation - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/2-8/2-8_nobs.htm

Webmeister: Branko Andric     last change: 2010-03-09