TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Februar 2010

Sektion 3.10. Komparatistik und Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung
Sektionsleiterin | Section Chair: Mária Bieliková (Matej-Bel-Universität Banská Bystrica, Slowakei)

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Kulturelle Imagologie: hermeneutische und ästhetische Anmerkungen

Róbert Gáfrik (Slowakische Akademie der Wissenschaften, Bratislava).[BIO]

Email: rgafrik@yahoo.com

 

Die Interkulturalitätsproblematik gewinnt in der letzten Zeit immer größere Aufmerksamkeit. Der Druck der Globalisierung zwingt uns, über die Grenzen der eigenen Kultur zu schauen. Dadurch richtet sich unser Augenmerk darauf, was früher entfernt schien. Mit der Schrumpfung der geografischen Entfernungen schrumpfen auch die Entfernungen zwischen Kulturen. In der Literatur stößt man oft auf Darstellungen fremder Kulturen. Verschiedene Studien haben sich schon mit Thema der kulturellen Fremdheit beschäftigt. Die identitätsstiftende Funktion von Fremd- und Eigenbildern in solchen Texten bildet den Kern der Forschung. In dem Folgenden möchte ich die Aufmerksamkeit auf eine andere Dimension des Zugangs zu den Texten mit fremdkulturellen Darstellungen widmen. Ich möchte sie hauptsächlich ohne die Kategorien von fremd und eigen besprechen. Das Fremde und das Eigene sind zu Recht zu den Grundbegriffen nicht nur der xenologischen Ansätzen in der Literaturwissenschaft, wie z.B. der Interkulturellen Germanistik, sondern auch der Komparatistik geworden, obwohl es, meines Erachtens, manchmal äußerst schwierig sein kann, sie eindeutig zu definieren oder eine klare Grenze zwischen den beiden zu ziehen. Ich möchte mir vor allem ein anderes Wortpaar zunutze machen, und zwar: wahr und falsch. Bei dem Lesen und Verstehen von Texten geht es ja vorrangig um Erkenntnis und um Wahrheit. Der Frage nach der Wahrheit der Texte lässt sich nicht ausweichen. Sie ist natürlich und legitim, obwohl die Begriffe der Erkenntnis und Wahrheit in der neuzeitlichen Philosophie stark relativiert wurden. Die komparatistische Imagologie hat sich mit dieser Frage auf ihre eigene Weise auseinandergesetzt.

Auf die wichtige Funktion der Bilder (image) in der Literatur hat vor allem der Aachener Komparatist Hugo Dyserinck hingewiesen. Dyserinck argumentiert, dass literarische Bilder eine meinungsbildende Funktion haben, die nicht vernachlässigt werden darf. Er kritisiert vor allen die so genannte „Völkerpsychologie“, eine Forschungsrichtung, die etwa um die gleiche Zeit wie die Vergleichende Literaturwissenschaft entstand und vom Glauben an die Existenz von genau definierbaren Völker bzw. Nationen und eines jeweils zu ihnen gehörenden „Volksgeistes“ oder „Volksseele“ ausging. Dyserinck stützt sich auf Karl Poppers Aussage von der Nation als „Anzahl von Menschen, die vereinigt sind durch einen gemeinsamen Irrtum in Bezug auf ihre Geschichte“ und bestreitet die Existenz wesentlicher Unterschiede in Denken, Fühlen und geistigem Schaffen der einzelnen „nationalen“ Bereiche.(1) Die Aufgabe der Imagologie besteht darin, „durch Analyse der sich noch manifestierenden und weiterentwickelnden Images und imagotypen Strukturen das Denken des Menschen [...] zu entideologisieren, so dass das Unheil, das von den vom alten Glauben an eine völkerpsychologisch bedingte und determinierte Differenziertheit der Völker beherrschten Vorstellungen stammt, für die Zukunft gebannt wird.“(2)

Die literarischen Texte sind fiktionaler Art und als solche sind sie gekennzeichnet durch einen nicht unmittelbaren und einfachen Bezug zur Wirklichkeit. Nach Karl Ulrich Syndram, einem Schüler von Dyserinck, nimmt die Imagologie eine Zwischenstellung zwischen dem in pragmatischen Texten gegebenen Referenzbezug einerseits und der Möglichkeit der fiktionalen Literatur, eigene Entwürfe herzustellen, anderseits(3). Das in der Literatur dargestellte Bild vom anderen Land ist deshalb weder direkter Ausdruck der Eigenart eines Landes noch direkte Übernahme existierender Images oder Stereotypen. Die Literatur gewinnt jedoch eine spezifische Funktion bei der Entstehung imagotyper Bilder. Die Bilder selbst sind an den jeweiligen Text gebunden, in dem sie eine besondere Funktion erfüllen. Das literarische Referenzsystem unterscheidet sich größtenteils von den externen Bezügen. Die Literatur entwickelt laut Syndram eine innere Plausibilität in Bezug auf die von ihr entworfenen Bilder.

Syndrams Standpunkt hat zur Folge, dass die imagotypen Strukturen der Literatur als kein unmittelbarer Ausdruck oder Widerspiegelung eines Nationalcharakters gelten kann. Nichtsdestotrotz, die Literatur als Raum des „Imaginären“ beteiligt sich an der Bildung von nationalen Images. Welche Funktion sie im jeweiligen Text haben und wie sie sich zur „Wirklichkeit“ verhalten, ist die Aufgabe der Interpretation. Entsprechend dem gängigen Fiktionsverständnis sind die literarische Images weder wahr noch falsch.(4) Dennoch gehört ihre lexikalische und semantische Ladung der wirklichen Welt an. Sie bilden die Bindung zwischen der künstlerischen und der empirischen Bedeutung.(5) Die komparatistische Imagologie bewegt sich in einem Zwischenreich, in dem die Unterschiede von realen und imaginierten Ländern, Völkern und Gegenden verschwimmen, so dass manche „fremde“ Landschaft ihren Ort nicht in der konkreten Geografie, sondern nur in der Vorstellung des Autors hat.

Nach Daniel-Henri Pageaux ist es hoffnungslos, den Unwahrheitsgrad des Bildes des Fremden zu messen.(6) Das Bild (image) ist nicht Abbild der Realität, sondern Repräsentation, Darstellung in der Sprache, die von einer inneren Logik bestimmt wird. Als Repräsentation steht es für jemanden oder etwas anderes. Es ist nur ein Substitut. Das Bild ist Referenz zu einer Idee, die es schon vor der Repräsentation gegeben hat. Auf diese Weise ist die Imagologie verbunden mit der Mentalitätsgeschichte. Das Bild des Fremden ist sekundär. Zuerst gibt es die Ideen, die ideologischen Systeme zwischen den Ländern, Nationen oder Kulturen. Images sind richtig betreffend der ihnen zugrundeliegenden Vorstellungen. Sie können aber in Bezug auf ihren Gegenstand gar nicht als wahr oder falsch beurteilt werden.

Images bilden also Konzepte ab, nicht Objekte. Damit scheint die Frage nach der Richtigkeit der imagotypen Bilder erledigt(7). Lässt sich aber die Diskussion um diese Frage wirklich nicht mehr fortsetzen? Ich glaube, dass Darstellungen fremder Kulturen in der Literatur die Verdrängung der Frage nach der Richtigkeit der Images problematisieren. Die Kultur selbst beinhaltet Konzepte. Sie lässt sich im Allgemeinen definieren als ein System der Artefakte (d.h. materiellen Produkte des menschlichen Tuns), der sozio-kulturellen Regulative (Bräuche, Gesetze, Tabus usw.) und der Ideen (symbolischen und kognitiven Systeme), die von den Mitgliedern einer Gesellschaft geteilt und tradiert werden.(8)

Nehmen wir zum Beispiel Hermann Hesses Siddhartha. Diese „indische Dichtung“ ist vielleicht der noch heute wirksamste Ausdruck der deutschen Indiensehnsucht und des deutschen Glaubens an die Kraft und Weisheit der indischen Philosophie. Inwiefern ist aber der philosophische Gehalt dieser „indischen Dichtung“ indisch? Inwiefern ist es Hesse gelungen die indischen Wert- und Denksysteme richtig darzustellen? Welches Bild lässt er von der altindischen Philosophie (und auf diese Weise indirekt auch davon, was man heute als Indien bezeichnet) mit seiner Dichtung entstehen? Ist es wahr oder falsch? Können diese Fragen mit dem Argument, dass es sich um eine Fiktion handelt, und dementsprechend Hesses Altes Indien kein historisches Land bezeichnet, auskommen? Ist indische Philosophie etwas Imaginäres wie z.B. Nationen?(9)

Die Antworten auf diese Fragen rehabilitieren die Frage nach der Wahrheit der literarischen Images. Die komparatistische Imagologie hat ein literaturtheoretisches Konzept geliefert, das auf die Wichtigkeit der Erforschung von literarischen Images aufmerksam gemacht hat. Sie hat die deutschsprachige Diskussion zu Alteritätsthemen vorangetrieben und steht den modernen Kulturdebatten nahe, obwohl sie den Kulturbegriff nicht erörtert. Der Kulturbegriff, wie z.B. Daniel-Henri Pageaux in seinem imagologischen Ansatz argumentiert, eröffnet jedoch neue Möglichkeiten der Forschung innerhalb der komparatistischen Imagologie.

Die Begegnung der englischen Germanistin Eliza M. Butler mit einem indischen Pandit namens Chandrashekhar Sastri(10) veranschaulicht die Unumgänglichkeit der Verfolgung der Frage nach der Authentizität der fremdkulturellen Darstellungen. Eliza Butler hatte dem Pandit Goethes Ballade Der Gott und die Bajadere und die Gedicht-Trilogie Paria gezeigt. Pandits Reaktion auf die beiden Werke war interessant, indem dem Pandit nicht so sehr die sachlichen Fehler bezüglich der hinduistischen Mythologie empört haben, wie die Fremdheit des Inhalts, das in das indische Milieu eingebettet wurde. Aus hinduistischer Sicht ist nämlich Goethes Bemühen, aus der verdorbenen Prostituierten eine begnadete Frau zu machen, absurd: Eine devadasi (eine indische Bezeichnung für Bajadere) benötigt keine Läuterung oder Vergebung, denn sie übt mit ihrem Tun Gottesdienst. Ihre Himmelfahrt ist Entschädigung genug, Entschädigung für ihre Hingabe. Vielleicht noch schlimmer ist bei dem Pandit die Gedicht-Trilogie Paria ausgefallen: Das Gedicht selbst sei, wie schon die Ballade zeigte, ein Werk eines Paria, der des richtigen religiösen Gefühls unfähig sei.

Die hier kurz zusammengefassten Beispiele einer Rezeption Goethes Werke, die indische Stoffe bearbeiten, von einem indischen Pandit zeigen, dass die Frage nach der Authentizität der Darstellungen fremder Kulturen in der Literatur von Belang ist, und dass die Analyse und der Vergleich der zugrunde liegenden Konzeptionen der in der Literatur dargestellten fremden Kulturen mit der fremdkulturellen Wirklichkeit, eine fruchtbare Forschungsrichtung innerhalb der komparatistischen Imagologie sein können. Selbstverständlich geht es in solcher Forschung nicht so sehr um die Richtigkeit der Realien, sondern eher um den kognitiven Wert der fremdkulturellen Darstellungen.

Die Rolle des Vorverständnisses als Basis des Verstehens ist wohl bekannt. Das Vorverständnis ist von immenser Bedeutung gerade in Bezug auf Texte, die fremde Kulturen darstellen. Bei seiner Beschreibung des hermeneutischen Zirkels führt Gadamer den Begriff des Vorgriffs der Vollkommenheit ein. Wenn wir einen Text lesen, machen wir immer die Voraussetzung, dass er eine vollkommene Einheit vom Sinn darstellt, dass das, was er sagt, wahr ist. Nach und nach, wenn wir den Text mit unserem eigenen Verständnis vergleichen, reihen wir ihn in das höhere Ganze der Zusammenhänge ein, und so sind wir im Stande, unseren eigenen Standpunkt zu ihm zu gewinnen. Gadamer fügt hinzu: „Es wird nicht nur eine immanente Sinneinheit vorausgesetzt, die dem Lesenden die Führung gibt, sondern das Verständnis des Lesers wird auch ständig von transzendenten Sinnerwartungen geleitet, die aus dem Verhältnis zur Wahrheit des Gemeinten entspringen.“(11)

Gadamer gibt ein Beispiel, dasdas zugrundeliegende Prinzip erläutert:

„So wie der Empfänger eines Briefes die Nachrichten versteht, die er enthält, und zunächst die Dinge mit den Augen des Briefschreibers sieht, d.h. für wahr hält, was dieser beschreibt – und nicht etwa die sonderbaren Meinungen des Briefschreibers als solche zu verstehen sucht –, so verstehen wir auch überlieferte Texte auf Grund von Sinnerwartungen, die aus unserem eigenen vorgängigen Sachverhältnis geschöpft sind. Und wie wir Nachrichten eines Korrespondenten glauben, weil er dabei war oder es sonst besser weiß, so sind wir grundsätzlich der Möglichkeit offen, dass ein überlieferter Text besser weiß, als die eigene Vormeinung gelten lassen will. Erst das Scheitern des Versuches, das Gesagte als wahr gelten zu lassen, führt zu dem Bestreben, den Text als die Meinung eines anderen – psychologisch oder historisch – >zu verstehen<. Das Vorurteil der Vollkommenheit enthält also nicht nur dies Formale, dass ein Text seine Meinung vollkommen aussprechen soll, sondern auch, dass das, was er sagt, die vollkommene Wahrheit ist.“(12)

Fremde Kulturen sind für uns gerade deshalb fremd, weil wir kein Wissen über sie besitzen, kein Verständnis von ihnen haben. Das Vorwissen, mit dem wir an Darstellungen fremder Kulturen herangehen könnten, fehlt uns gänzlich. Es gibt nichts, womit wir die Darstellung vergleichen können und deshalb kommt es vor, dass wir willig oder unwillig an die Darstellungen als Quelle unseres Wissens über fremde Kulturen angewiesen sind. So schaffen wir uns ein Bild, das unsere Einstellung zu fremden Kulturen prägt. Der kognitive Wert solcher Darstellungen ist also offensichtlich.

Wenn man ein Werk liest, das eine fremde Kultur darstellt, kann man sich legitim nach der Authentizität ihrer Beschreibung erkundigen. Es wird freilich angenommen, dass Texte dieser Art glaubhafte Informationen über fremde Kulturkreise nicht vermitteln. Meistens fehlt aber das spezifische Wissen über die Unterschiede, Abweichungen, Missverständnisse oder auch Vorurteile, die diesen Texten zugrunde liegen. Man kann zwar die Texte erfolgreich interpretieren, ohne das Verstehen des Werkes in Bezug auf den Kulturkreis, in den die Geschichte eingebettet ist, nimmt man das Werk in seiner Komplexität allerdings nicht wahr.

Die hier skizzierten Gedanken werfen auch einige ästhetische Fragen auf. Wenn die rezipierte Erscheinung ihre Funktion in einem neuen Kontext ändert, wird aus der Sicht der Ästhetik vorausgesetzt, dass diese Veränderung eine ästhetische Wirkung haben wird, die unsere Einstellung zur Welt bereichert. Die ästhetische Funktion hat in der Kunst die dominante Rolle. Sie unterscheidet den Bereich der Kunst von nichtkünstlerischen Bereichen. Der tschechische Strukturalist Květoslav Chvatík bemerkt in dieser Hinsicht, dass diese Dominanz nicht als eine quantitative Überlegenheit verstanden werden darf. Sie bedeutet eher, dass die ästhetische Funktion als der symptomatische Pol wahrgenommen werden soll. Sie hat die vereinigende und organisierende Funktion. Sie verbindet andere Funktionen in ein Ganzes und färbt es mit einer spezifischen Tönung der ästhetischen Wirkung. Auf diese Weise greift die ästhetische Funktion ins Leben des Menschen und der Gesellschaft ein und leitet und beteiligt sich an ihrer Beziehung zur Welt.(13)

Die Konzeption der ästhetischen Funktion geht von der Voraussetzung aus, dass wir im Alltag, in unserem praktischen Leben, an die Dinge einseitig und utilitaristisch herangehen; wir behandeln sie automatisch. Wir benutzen sie, nehmen sie aber nicht wahr. Je mehr etwas automatisiert wird, desto weniger wird es vom Bewusstsein begleitet. Die Aufgabe der Kunst ist es deshalb, unsere automatisierte Einstellung zu den Dingen und zur Welt mit Hilfe von „Verfremdung“ zu stören, d.h. sie zu entautomatisieren, oder anders gesagt, zu aktualisieren. Fremde Kulturen haben schon in sich das Potenzial auf den europäischen Leser verfremdend zu wirken und so ihre Einstellung zur Welt zu „aktualisieren“. Der kognitive Wert der Darstellungen fremder Kulturen gewinnt deshalb an Bedeutung. Es ist gerade die Spannung zwischen dem außerästhetischen Wert und den Lebenswerten des Menschen, die aktiv auf seine Einstellung zur Welt wirkt. Die ästhetische Funktion vereinigt die außerästhetischen Werte in ein Ganzes, das ästhetische Wirkung hervorruft. Der kognitive Wert zusammen mit dem ästhetischen Wert des jeweiligen Textes trägt so zu dem resultierenden künstlerischen Wert bei. Die Unterscheidung zwischen künstlerischem und ästhetischem Wert ist eine entscheidende, aber leider auch oft vernachlässigte, Grundkonzeption der Ästhetik.(14) Der künstlerische Wert ist sozusagen die Summe aller außerästhetischen Werte und des ästhetischen Wertes.(15) Diese Unterscheidung zwischen künstlerischem und ästhetischem Wert, sowie das Verständnis der organisierenden Rolle der ästhetischen Funktion, macht Raum für  Erforschung der außerliterarischen Elemente, deren Darstellungen fremder Kulturen ein Teil ist, ohne den  ästhetischen Wert der Texte, der die Texte zu Literatur macht, zu gefährden.

Wahrnehmung und Beschreibung des Fremden sind innerhalb von letzten dreißig Jahren zu wichtigen Forschungsfeldern der Literaturwissenschaft geworden. Anstöße dazu haben unter anderen die Mentalitätsgeschichte und die aus ihr fortentwickelte Historische Anthropologie geliefert, die der Frage nach den Weltbildern, den Mentalitäten von Gruppen und den historisch variablen Bedingungen der Selbstdeutung des Menschen nachgehen. Zum Gegenstand der Forschung sind vor allem Reiseberichte geworden, wobei es nicht darum ging, aufzufinden, ob sie wahr oder falsch sind, authentisch oder nicht-authentisch, als ob es möglich wäre in Texten Wirklichkeit abzubilden, sondern darum, auf welchen Wahrnehmungsmustern und psychischen Dispositionen sie beruhen. Die Aufmerksamkeit ist also nicht den beschriebenen Kulturen, sondern eher der Art und Weise sowie den Bedingungen der Konstitution ihrer Beschreibungen gewidmet. Die Frage nach der Authentizität der Beschreibungen einiger Texte in der Weltliteratur kann aber nicht einfach vom Tisch geräumt werden. Von der Leserperspektive ist die Frage, ob die Texte, die fremde Kulturen darstellen, auch authentische Beschreibungen der fremden Kulturen anbieten, natürlich und legitim.

 


Anmerkungen:

1 Hugo Dyserinck: Von Ethnopsychologie zu Ethnoimagologie. Über Entwicklung und mögliche Endbestimmung eines Schwerpunkts des ehemaligen Aachener Komparatistikprogramms. In: Neohelicon XXIX (2002), 1, s. 57-74, darin S. 66.
2 Ebd., S. 68.
3 Karl Ulrich Syndram: The Aesthetics of Alterity. Literature and Imagological Approach. In: Yearbook of European Studies 4, S. 177-191.
4 Ebd. 185.
5 Ebd. 186.
6 Daniel-Henri Pageaux: Recherche sur l'imagologie de l'Histoire culturelle à la Poétique. In: Revista de Fililogía Francesca, 8. Servicio de Publicationes. Univ. Complutense, Madrid 1995, S. 135-160, darin S. 146.
7 Angelika Corbineau-Hoffmann: Enführung in die Komparatistik, 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Erich Schmidt, Berlin 2004, S. 210.
8 Václav Soukup: Přehled antropologických teorií kultury. Praha, Portál 2000, S. 16.
9 Siehe dazu meine eigene Analyse von Hermann Hesses Siddhartha: Róbert Gáfrik: Vergleich der Weltanschauung in Hermann Hesses Siddhartha und im indischen Denken. In: Slovak Review XII (2003), S.142-159. Diese „indische Dichtung“ scheint jedoch eher, vom chinesischen Denken beeinflusst zu sein. Dazu siehe: Mária Bieliková: Hermann Hesse und das Fremde Teil I. Der Einfluss der chinesischen Geistigkeit auf das Schaffen Hermann Hesses. Banská Bystrica, FF UMB 2007, S. 64-70.
10 Eliza M. Butler: Pandits and Pariahs. In: German Studies, presented to Leonhard Ashley Willoughby. Oxford, Blackwell 1952, S. 26-51.
11 Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik. Tübingen, Mohr 1990, S. 299.
12 Ebd.
13 Květoslav Chvatík: Strukturální estetika. Brno, Host 2001, S. 71-73.
14 Tomáš Kulka: Umění a falzum.Praha, Academia 2004, S. 87-90 und 97-104.
15 Chvatík, op. cit., S. 86.

3.10. Komparatistik und Weltliteratur in der Epoche der Globalisierung

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For quotation purposes:
Róbert Gáfrik: Kulturelle Imagologie: hermeneutische und ästhetische Anmerkungen - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/3-10/3-10_gafrik17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-02-22