TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. März 2010

Sektion 5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehungionstitel
Sektionsleiterin | Section Chair: Tamara Janssen-Fesenko (Bad Zwischenahn, Deutschland)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Ambiguisierende Nonce-Bildungen im deutsch-englischen Sprachkontakt –
ein Ausdruck von interlingualer Kreativität?
(1)

Sebastian Knospe (Universität Greifswald) [BIO]

Email: sebastian_knospe@web.de

 

1. Mehrsprachigkeit im Zeitalter der Globalisierung

1.1. Wichtige Einflussfaktoren

Angesichts der immensen Mobilität, die das Wirtschafts- und Wissenschaftsleben sowie den Alltag heute generell bestimmt, stehen sich dort kommunikativ häufig Vertreter diverser Sprachen und Kulturen gegenüber, für die insbesondere das Englische als wichtige Brückensprache fungiert. Ein weiterer Faktor, der unter dem Dach der großen Sprachen Szenarien der Mehrsprachigkeit(2) befördert, wird aber auch durch die modernen Medien bereitgestellt: Im Umfeld einer Kultur des Edutainment transportieren diese nämlich selbst oft bestimmte interkulturelle Inhalte, die nicht selten ebenso anglophon geprägt sind. Über Begegnungen mit realen Sprechern und konkrete Unterrichtserfahrungen hinaus bieten Pop- und Rock-Musik, internationale Nachrichten, Dokumentationen, TV-Shows usw. daher vielfach zusätzliche Berührungserlebnisse mit dem Englischen, was für Sprecher mit einer anderen Erstsprache Anlässe zum unbewussten Weiterlernen schafft (vgl. auch Androutsopoulos 2004 sowie Koll-Stobbe 2000: 47, 64).

1.2. Besonderer Stellenwert des Englischen: Sprachkontakte Deutsch-Englisch

Vor diesem Hintergrund hat sich das Englische inzwischen in vielen formellen wie informellen oder populären Gebrauchskontexten zu einer weithin beherrschten und breit eingesetzten lingua franca entwickelt (vgl. u. a. Crystal 2003; Graddol 1997). Selbst außerhalb seiner angestammten, nativen Wirkkreise wird es als eine additive linguale Ressource genutzt, die in unterschiedlichem Maße mit anderen Sprachen – wie bspw. dem Deutschen – verschränkt werden kann. Entgegen dem noch immer nachhallenden europäischen Einsprachigkeits-Mythos (vgl. z. B. Putzer 2006) setzt dies seinerseits wenigstens graduell bilinguale Kompetenzen voraus, die keine ausgeglichene Form der Zweisprachigkeit bezeichnen, sondern sich als eine Art des Bilingualismus ausnehmen, bei dem sich das Sprachkönnen in der Zweitsprache an bestimmten kommunikativen Funktionsbereichen oder Domänen festmacht (Koll-Stobbe 2000: 64). Dies schließt dann u. U. ebenso die Kapazität ein, das Englische ggf. auch ad hoc-artig für kreative sprachliche Problemlösungen, also kontaktkreativ, einzusetzen, etwa in Kombination mit dem Deutschen (vgl. auch Androutsopoulos 2004).

1.3 Kontaktkreativität

Der soeben angeschnittene Begriff der Kontaktkreativität wurde von Csaba Földes (2005: 252-267) geprägt. Der Autor versteht darunter einen situativ konstituierten Synergieeffekt an der Schnittstelle zwischen zwei Sprachen und Kulturen, der sich – in nachfolgend noch zu präzisierender Weise – über ein strukturell oft komplexes Zusammenspiel wie auch den erzielten Effekten nach von den erwartbaren Folgen von Sprachkontakten, zumal von etablierten Entlehnungen, deutlich abhebt.(3) Kontaktkreative Resultate sind deswegen zwar meistens nicht leicht zu dechiffrieren. Dafür lassen sie aber ob ihrer besondere Verarbeitungsmuster offenbarenden Tiefenstruktur eine hohe Sprachbewusstheit erkennen und generieren oft überraschende, mit den Mitteln nur der einen Sprache so nicht erzeugbare und damit als bereichernd aufzufassende diskursive Wirkungen. Wegen der starken Kontextdependenz solcher von der Linguistik oft als peripher betrachteten Phänomene befinden wir uns entsprechend in einem Ad hoc-Diskursmodus, der einem sprachlichen Zwischenraum zuzurechnen ist und durch den wir uns von der gängigerweise in linguistischen Modellierungen berücksichtigten Achse der sprachlichen Produktivität (mit linearer Kodierung) entfernen.

 

2. Generelle Anlage, Zielstellung und Gliederung dieses Beitrages

Ziel dieses Beitrages ist es, anhand einiger illustrativer Beispiele kontaktkreative Phänomene aus der Pressesprache zu diskutieren, so wie sie ad hoc durch die Berührung zwischen dem Englischen und dem Deutschen zustande kommen können, und die Wirkungsbreite sowie die sparten- bzw. domänenübergreifende Verbreitung dieser Erscheinungen herauszustellen. Einer der kardinalen Funktionen journalistischer Texte folgend, tragen die hier diskutierten Exempel meist eine stark meinungsbildende Komponente in sich, sodass sie von der inhaltlichen Seite her ausgesprochen kontrovers diskutiert werden können. Aufgrund der Annahme, dass (sprachliche) Kreativität den Prinzipien fester Normiertheit zuwiderläuft, wird bewusst auf das Postulat genereller ‚Ingredienzien’ solcher Prägungen verzichtet und Kontaktkreativität, wie angedeutet, in diesem Beitrag lediglich an einer (Unter-)Klasse interlingualer Bildungen erläutert werden; denn der Versuch, einen umfassenden Katalog an „Kreativitäts-Tools“ zu erarbeiten, könnte leicht Gegenteiliges bewirken: Die betreffenden Redeprodukte vorschnell auf ein paar extraordinäre Kombinationsmuster zu reduzieren hieße nämlich u. U. mehr zu zerstören als letztlich zu erklären.

Unter Wahl eines von vornherein eher begrenzten Analysefokus soll insoweit zunächst verdeutlicht werden, weshalb (d. h. aufgrund welcher theoretischen Annahmen) die Sprachkontaktforschung, wie schon angeklungen, bislang – wenigstens jenseits der Betrachtung literarischer oder etwa werbesprachlicher Kontexte – kaum auf die kreativen Potenzen von Sprachkontakten eingegangen ist. Anschließend wird die Untersuchung, wie erläutert, auf eine für kreative bilinguale Gebrauchsmuster besonders fruchtbare Kategorie der zwischensprachlichen Interaktion einschwenken: eine Phänomenklasse, die man als bilinguale Puns (Stefanowitsch 2002) bezeichnen könnte, welche nicht lexikalisierte, ambiguisierende Nonce-Bildungen, englisch: nonce formations, darstellen.(4) Über die fallstudienartige Erörterung interessanter Gebrauchsfälle dieses Musters, die sich in primär deutschsprachigen journalistischen Texten  (genauer: in einzelnen Ausgaben des Focus, der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, des Handelsblatt sowie der beiden norddeutschen Regionalzeitungen Kieler Nachrichten und Ostseezeitung, Jahrgänge 1995-2007) manifestieren, wird danach detailliert erarbeitet werden, wie hier durch die spezielle Art des strukturellen Zusammenspiels zwischen dem Englischen und Deutschen spezifische diskursive Wirkungen entstehen.(5) Damit wird sich letztlich zeigen, dass die hier gemeinten Sprachkontaktphänomene ein kommunikationsstrategisch durchdachtes Mittel beschreiben, das von investigativen Journalisten dazu genutzt wird, um spezifische Ausdrucksbedürfnisse realisieren und auch gebildete Leser an sich binden zu können, die Sprachspiele gemeinhin besonders goutieren (vgl. auch Robinson 2003, Knospe 2007a), und zwar selbst dann, wenn sie sich mit den durch die Bildungen transportierten – oft pointiert meinungsbildenden – Inhalten nicht identifizieren können.

 

3, Theoretische Einbettung

3.1 Allgemeine Charakteristika von Sprachkontakten und Besonderheiten des Englischen als Kontaktsprache

Bevor nun aber konkrete Beispiele für ambiguisierende Nonce-Bildungen in Betracht genommen werden können, sollten auch die Begrifflichkeiten Sprachkontakt bzw. Sprachkontakt mit dem Englischen ausgehend von den Bedingungen der Globalisierung, die ebenso sprachlich abstrahlen (vgl. etwa Maurais/Morris 2003), nochmals näher umrissen werden:

  1. Allgemein soll unter Sprachkontakt das Berührungsverhältnis zwischen zwei oder mehreren Sprachen verstanden werden, das im abstrakten Sinne auf zwei interpermeablen Ebenen manifest wird:
  2. Sucht man nun Sprachkontakte speziell mit dem Englischen zu beschreiben, so gilt es des Weiteren unbedingt dessen plurizentrische Verankerung als Folge seiner immensen Verbreitung als intra- und internationale Verkehrssprache zu berücksichtigen (vgl. etwa hierzu auch Clyne (Hrsg.)) 1992). Um mit Kachru (1985) zu sprechen, wirkt das Englische gegenwärtig sozusagen in drei Kreisen mit unterschiedlichen sprachlichen Normativitäten und Spracherwerbsgewohnheiten auf makrosoziolinguistischer Ebene: Der innere Kreis umfasst dabei die einstigen „Kernstaaten“ Großbritannien, USA, Kanada, Australien und Neuseeland, in denen das Englische mehrheitlich die Mutter- bzw. Erstsprache darstellt. Vornehmlich treten die in ihm versammelten (Standard-)Varietäten ob ihres Prestiges gegenüber anderen Sprachen auch als Spendersprachvarietäten in Erscheinung. Der äußere Kreis schließt dagegen die einstigen, durch Großbritannien oder die USA eroberten Kolonialstaaten in Afrika und Asien ein. Hier wirkt das Englische auch nach deren Unabhängigkeitsgewinn als Zweit- und Administrationssprache, hat dort aber – und dies ist der Grund dafür, von New Englishes (im Plural!) zu reden – z. B. über Prozesse der Sprachenmischung und die Institutionalisierung von deren Ergebnissen selbst eine merkliche sprachliche Ausdifferenzierung erfahren, womit die entsprechenden Varietäten kaum noch den normativen Maßstäben des inneren Kreises gehorchen.(7) Hinzu tritt allerdings auch der für die Stellung des heutigen Englischen fast noch bedeutsamere expandierende Kreis, in dem sich die betreffenden Lerner das Englische, sei es nun in der Schule oder im sekundären bzw. tertiären Bildungsbereich, als Fremdsprache aneignen, obgleich die EU-geförderten CLIL-Projekte jedoch inzwischen gezielt einen bilingualen Sachfachunterricht zu etablieren suchen (vgl. z. B. Fruhauf/Coyle/Christ 1996; Garotti 2006). Der sich ausdehnende Kreis umfasst grundsätzlich auch den deutschen Sprachraum. Als aktuell dominierende Kultursprache kann das Englische dort die Funktion einer integrierenden, instrumentellen Zweitsprache übernehmen (Koll-Stobbe 2000: 63-64). Über Prozesse der (ad hoc-artig betriebenen, graduell bilingualen) Sprachmischung tut sich dort jedenfalls in gewissen Gebrauchsfeldern ein kreatives Potential auf, das erst recht eigenständige Kontaktphänomene hervorbringen kann.

3.2 Kreative Potentiale in graduell bilingualen Kontaktsituationen: Sprachmischung mit dem Englischen im Rahmen eines situativ-modifizierenden Sprachkönnens

Der Begriff kreatives Potential schließlich lässt sich inhaltlich weiter anreichern, indem man die aus dem sich dahingehend öffnenden Gebrauchsmodus entspringenden Redemuster nochmals den von der Sprachwissenschaft hauptsächlich beleuchteten habitualisierten (d. h. lexikalisierten bzw. soziolinguistisch gut integrierten und der langue zuzurechnenden) Ergebnissen von Sprachkontakten gegenüberstellt (vgl. Görlach 2003; Onysko 2007). Diese erweisen sich hauptsächlich als Entlehnungen – hier in Form von Anglizismen. Oft denotativ motiviert, schließen sie meist Bezeichnungslücken in einer anderen Sprache, was wiederum besonders dann der Fall ist, wenn neben der Bezeichnung zugleich ein neues Konzept aus dem angloamerikanischen Kulturkreis mitübernommen wird. (Kontaktbedingte) Kreativität beginnt dagegen nach Koll-Stobbe (2000: 29-34, 136), erst dort, wo das Englische, hier im Zusammenspiel mit dem Deutschen, im Rahmen eines „situativ-modifizierenden Sprachkönnens“ als Zweitsprache eingesetzt wird. „Situativ-modifizierendes Sprachkönnen“ heißt mit Blick auf Sprachkontakte(8), dass die betreffenden Sprachbenutzer sich dann nicht nur an usuellen, regelgeleiteten und linguistisch produktiv gewordenen Gebrauchsmustern (z. B. Entlehnungen qua Anglizismen) orientieren, die unter das theoretische Pendant des „habituellen Sprachkönnens“ (Koll-Stobbe 2000: 27 f.) fallen. Vielmehr hebt das Konzept darauf ab, dass wenigstens graduell bilinguale Sprecher auch dazu bereit und imstande sind, hoch kontextabhängige, semantisch und strukturell dichte, über Sprachgrenzen hinweg gehende sprachliche Innovationen zu produzieren, um besondere Ausdrucksbedürfnisse zu verwirklichen. Da die Redeprodukte erst durch Sprachkontakte – hier zwischen dem Deutschen und dem Englischen – zustande kommen, eignet ihnen eine emergente Qualität (Földes 2005: 20); denn die sprachlichen Resultate lassen sich nicht aus der bloßen Summe oder dem Produkt der jeweiligen einzelsprachlichen Strukturen und Bedeutungen erklären, sondern sind Resultat einer kontextuellen, kreativen Verschmelzung der beiden Sprachkodes im expandierenden Kreis – mit lingualen Reflexen, die Koll-Stobbe (2000: 92 ff.) als Produkte von situativ manifesten Prozessen bewussten bilingualen Wortens (wording) apostrophiert.

Aspekte wie diese wurden in der kontaktlinguistischen Forschung bislang kaum berührt, weil es ihr eher darum ging und geht, Prozesse und Produkte der Entlehnung wie auch des Sprachwechsels (d. h. des Codeswitching und des Codemixing) auszuleuchten. In der Nachwirkung Chomskys wurden diese Prozesse zum Nachweis ihrer Regelgeleitetheit bis dato insbesondere grammatisch zu erfassen versucht (Muysken/Milroy 1987; Myers-Scotton 2006; Onysko 2007; vgl. auch die nur kurze Anmerkung zu kreativen Bildungen bei Görlach 2003: 99). – Auf diese Weise wird aber letzten Endes nur ein Teil des realen Sprachkönnens heutiger, kontaktoffener Sprecher abgebildet (vgl. hierzu auch die Kritik von Erfurt 2003: 25). Als Paradebeispiel für kreative,  nicht lexikalisierte Erscheinungen der bilingualen Rede soll hier daher eine Kategorie des ad hoc-artigen Codemixings erarbeitet werden, die kontaktinduzierte Punning-Effekte in Form von bedeutungsambivalenten Nonce-Bildungen kreiert. Ihrem Wirkungsprinzip nach knüpfen sie zwar allesamt an Eigennamen an, sind in ihren Wirkungsdimensionen allerdings dennoch recht unterschiedlich beschaffen sowie in unterschiedlichen Sektionen vertreten.

 

4. Beispiele für ambiguisierende Nonce-Bildungen als Resultat deutsch-englischen Codemixings in der deutschen Pressesprache – linguistische Wirkungsgrundlagen und diskursive Effekte

4.1 Sektion Politik und Gesellschaftsthemen

Analysieren wir zur Annäherung an die hier maßgebliche Problematik als erstes Beispiel die auf einem Protesttransparent angebrachte ambige Nonce-Bildung verDAMPt, es reicht! (vgl. Ostseezeitung vom 17.08.2006, S. 1). Im Prinzip vermag man diese nur aufgrund eines bestimmten Weltwissens (bei Verortung im lokalen norddeutschen Kontext), genauer durch die Kenntnis der Krankenhausgruppe Damp Holding und der sie tangierenden zahlreichen Mitarbeiterstreiks, welche angesichts als zu gering befundener Entgelthöhen für das Personal weithin Diskussionen auslösten, sinnstiftend zu interpretieren – freilich aus der Perspektive der Urheber heraus. Faktisch beschreibt die betreffende Nonce-Bildung ein sprachliches Phänomen, das lexikalisiert weder im Deutschen noch im Englischen vorliegt. Um deskriptiv noch ein wenig präziser zu operieren, kann man festhalten, dass die situative Nonce-Bildung auf das deutsche Adjektiv verdammt verweist. Letzteres Lexemist an sich völlig in absentia, gleichwohl indirekt präsent. Die besagte indirekte Kopräsenz geht ihrerseits, und dies ist wesensbildend für diesen Typus kreativer Nonce-Prägungen, zurück auf die phonetische Quasi-Kongruenz des (morphologisch eigentlich nicht isolierbaren) Portmanteau-Morphems damm und dem Firmennamen DAMP.(9) Dadurch bedingt wird, orthographisch entsprechend durch Kapitalschrift markiert, das ursprüngliche Adjektiv gleichsam ad hoc semantisch „hochgradiert“; denn die neue, emergente Bildung ist darauf angelegt, ein Signal an die Klinikleitung zu setzen, wonach weiteren Einsparmaßnahmen unbedingt Einhalt geboten werden müsse, da aus der Sicht der Betroffenen längst die Grenze des Zumutbaren bei der rigoros betriebenen Expansionspolitik erreicht sei. Die Nonce-Bildung erschafft damit über einen zunächst simpel anmutenden Prozess der lingualen Equation damm ßà DAMP der Bedeutung (und Struktur) nach etwas Neues, das aber noch keine kontaktkreativen Züge birgt, sondern rein innersprachlich durch das Deutsche geprägt wurde. Die zusätzliche englisch beeinflusste Komponente kommt dagegen erst zum Tragen, wenn man sich den genauen Anlass für die hier von der Presse beleuchteten Protestaktionen zu Gemüte führt. Wie bereits erwähnt, hingen die Demonstrationen in diesem Falle insbesondere mit der von den Klinikangestellten als dumpinghaft empfundenen Bezahlung zusammen. Bezieht man dieses Moment in die Analyse mit ein, so öffnet sich eine weitere Bedeutungsebene, die sich an dem indirekt mitaktivierten Partizip verdumpt (auf Basis eines möglichen, ad hoc-haft anmutenden Infinitivs *verdumpen, abgeleitet vom substantivischen Anglizismus Dumping) festmacht. In einem Wort: Die als Protestparole angelegte und damit auch mediale Aufmerksamkeit erlangende Nonce-Bildung verschmilzt das Bild einer Holding mit spezifischem Namen mit der Klage über nicht gerade motivierende Arbeitsbedingungen. Der Unmut drückt sich dabei konkret über eine Art Ursache-Wirkungs-Komplex mit der Zustandsbeschreibung verdampt = verdumpt und das Exklamativwort verdammt aus.

Anders gewendet, ist hier ein Fall gegeben, bei dem mehrere Bedeutungen in eine relativ kondensierte sprachliche Struktur hineinprojiziert werden. Der Bedeutung nach äquivoke Charakter dieser Ad hoc-Bildung resultiert an sich aus der strukturellen Realisierung über eine innerdeutsche und eine zwischensprachliche (deutsch-englische) Homophonie. Sie gehorcht ferner dem Prinzip der sprachlichen Ökonomie, einem Prinzip, das auch die Sprachwahl in der Pressesprache bestimmt. Wie Stefanowitsch (2002: 68) im Übrigen herausarbeitet, müssen zum Verständnis solcher Ad hoc-Bildungen die koaktivierten englischen und deutschen Elemente sprachlich gut verankert sein, und zwar im Repertoire der deutschen Journalisten wie auch der betreffenden deutschen Zeitungsleser.

Um eine profundere Theoriebildung zu ambiguisierenden Nonce-Bildungen zu ermöglichen, die auf interlingualen Gleichklängen mit Eigennamen beruhen, sollen nachfolgend ein paar weitere interessante Fälle dieser Art, die durchaus auch in anderen Zeitungen angetroffen werden können, betrachtet werden. Die jeweiligen Exempel sind ausdrücklich vor dem Hintergrund des Wesens kritischer journalistischer Texte zu sehen und sollen hiermit ungeachtet ihrer oft pointierten Qualität, zumal im Rahmen einer sprachwissenschaftlichen Analyse, ihrem inhaltlichen Gehalt nach nicht bewertet werden. Die Betrachtung dieser und anderer Beispiele beinhaltet somit keine, sich zu der einen oder anderen Seite hin neigende Positionierung des Verfassers dieses Beitrages zu den durch diese Bildungen beleuchteten Sachverhalten.

So lautete in der Ausgabe des als Wirtschaftszeitung aufgemachten Handesblatt vom 03.10.2007 etwa eine provokant daherkommende Überschrift „Ost-SPD kämpft gegen ‚Roll Beck’ an“. Dies war eine deutliche Anspielung auf die vom bundesdeutschen SPD-Vorsitzenden und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck – nach früherer Ablehnung eines entsprechenden Vorschlags der CDU – Ende 2007 plötzlich selbst geforderte, erneute Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Der Titel dieses Artikels nimmt unter Berufung auf angesichts dieses Positionswechsels zunächst selbst kritisch eingestellte Parteikollegen Becks die Tatsache aufs Korn, dass dieser mit dem – inzwischen durch die Gesetzgebung umgesetzten – Ansinnen parteipolitisch quasi eine Rolle rückwärts (englisch: roll back) vollzogen habe. Denn nur zwei Jahre zuvor war unter dem SPD-Kanzler Schröder in Deutschland eine Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes durchgesetzt worden, die im Zuge der durch Beck angestoßenen Debatte schließlich teilweise revidiert wurde. Entgegen dem von Beck auf Landesebene erarbeiteten Ruf, ein verlässlicher Politiker zu sein, habe er hier, so schwingt als Vorwurf mit, aus rein taktischen Gründen gehandelt, um den Kritikern vom linken SPD-Flügel just vor dem Parteitag im Herbst 2007 den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der so entstehende bildhafte Effekt (indirekter Vorwurf eines Mangels an Standfestigkeit und Prinzipientreue) beruht aber nicht nur auf der strukturellen Seite, d. h. auf der Homophonie des Politikernamens und der englischen Präposition back. Das Verständnis der Nonce-Bildung setzt vielmehr auch eine gewisse Kenntnis der deutschen Innenpolitik (mit Blick auf die Agenda-Politik der SPD-geführten Regierung von Kanzler Schröder) voraus (vgl. ähnlich auch Stefanowitsch [2002: 72 f.]).

Ein ähnliches Punning über Sprachgrenzen hinweg, das gleichfalls die phonetischen Ähnlichkeiten eines Eigennamens und eines anderen (englischen) Wortes ausnützt, ist im Falle des früheren Wahlslogans der bundesdeutschen Christlich-Demokratischen Union (CDU) gegeben, den Die Zeit im Jahre 1998 und – in anderer Form – wiederum im Jahre 2000 aufgegriffen hat.In der Parole Keep Kohl (vgl. Die Zeit 42/98, S. 6) war der frühere deutsche Kanzler, Helmut Kohl, durchaus ein wenig selbstironisch, von den von seiner Partei 1998 beauftragten Werbestrategen gewissermaßen als Inbegriff für politische Coolness präsentiert worden. Vermittels einer begleitenden Illustration in der ursprünglichen, hier nur noch einmal rückblickend journalistisch beleuchteten Wahlkampagne war der Kohl’sche Körper, einen Topos von Karikaturisten aufgreifend, mit dem eines Elefanten verglichen worden, wobei Elefanten ja als von Natur aus cool (gemächlich, in sich ruhend) angesehen werden. Dies sollte – und Die Zeit reflektiert darüber wie gesagt retrospektiv – seinerzeit in dem Versuch, das in der Medienlandschaft weit verbreitete und durch seine Assoziation mit dem Begriff Reformstau wenig schmeichelhafte Kanzler-Bild neu (und positiv) zu besetzen, signalisieren, dass Kohl ob der ihm laut Slogan eigenen Coolness ein Garant für politische Stabilität und Berechenbarkeit sei. Auf diesem Wege wurde die Abgrenzung zu seinem damaligen Gegenbewerber, dem späteren Kanzler Schröder, gesucht, der schon als Kanzleraspirant von Teilen der deutschen Presse als aktionistisch und sprunghaft hingestellt worden war. So betrachtet wird hier die phonetische Beinahe-Kongruenz des Nachnamens mit dem englischen Adjektiv cool „ausgenützt“, um eine – von der Zeit ironisch beleuchtete – Wahlwerbebotschaft zu übermitteln.

Interessanterweise erfuhr der besagte Slogan aber 1999/2000 durch die Grünen eine Art Recycling, als diese den Spruch in Kiep Kohl umwandelten (vgl. Die Zeit 3/2000).  Dies war seinerseits eine Replik auf die von Kohl nach seiner Abwahl selbst eingeräumten und inzwischen juristisch weitgehend aufgearbeiteten Unregelmäßigkeiten bei der Behandlung von Parteispenden an die CDU – ein System, in das auch der frühere CDU-Schatzmeister Kiep involviert war. Die geschickt verpackte und abermals von der Zeit aufgegriffene Aussageintention der Grünen war jedenfalls, dass Kohl auf Seilschaften (mit Kiep und anderen) gebaut habe und sich nach dieser parteiischen Darstellung womöglich nicht zuletzt auch deswegen trotz ebenso parteiintern aufgekommener Kritik 16 Jahre an der Macht habe halten können. Dies zeigt, dass es möglich ist, Nonce-Bildungen wie die hier diskutierte aus dem Jahr 1998 später unter gewissen Umständen intertextuell umzudeuten, also gleichsam der äußeren Form nach wiederzuverwerten, inhaltlich aber völlig neu zu besetzen, zumal ja die Lesart vom konkreten Kontext bestimmt wird.

Die beiden politikbezogenen Beispiele belegen zudem, dass auf interlingualen Gleichklängen fußende Puns einer Nachricht eine überraschende Wende geben bzw. dass sie sie in ein neues, oftmals ironisches oder sarkastisches Licht tauchen können – ganz im Sinne eines investigativ verstandenen, kritischen Journalismus. Sich gerade ambiguisierender Nonce-Bildungen zu bedienen mag dabei aus journalistischer Sicht, wenn man so will, auch als eine Strategie des go safe dienen bzw. als schicklicher gelten als sich zu expliziter formulierteren Aussagen hinreißen zu lassen. Gleichwohl wird bei aufmerksamen und gebildeten, zumindest graduell bilingualen Lesern die beabsichtigte journalistische Kritik sichtbar, zumal wegen der häufigen „Verwertung“ von Eigennamen, die gegenüber englischen Wörtern oder Wortelementen homophon sind, und reizt damit zur Auseinandersetzung.

Im Zeitungsjahr 2006 wiederum sah sich bspw. auch der inzwischen aus dem Amt geschiedene britische Premierminister Tony Blair u. a. wegen seiner langen und als zu groß empfundenen Loyalität gegenüber der Irak-Politik des amerikanischen Präsidenten George W. Bush immenser Kritik ausgesetzt. Sie mündete unter dem Druck der Öffentlichkeit im September 2006 in der Ankündigung seines Rücktrittes vom Parteivorsitz der Labour-Partei wie auch vom Amt des Premierministers, um seinem Nachfolger Gordon Brown 2007 rechtzeitig vor den nächsten Wahlen das Regiment übergeben zu können. Die Kieler Nachrichten (Ausgabe vom 08.09.2006, S. 2) veranlasste dies, eine Blair-Karikatur mit Septemblair zu untertiteln, was – wegen des eingeschobenen Liquids l – keine interlinguale Homophonie im strikten Wortsinne ergibt, einer solchen allerdings recht nahe kommt.(10) Die dadurch erzielte diskursive Wirkung ist die eines spöttischen Abgesangs auf die Ära Blair: So wie der Herbst das Ende des Sommers markiere und Blätter verwelken lasse, so werde auch Blair Abschied nehmen müssen. Für ihn und Großbritannien sei, so wird suggeriert, der September 2006 in der Eigenwahrnehmung eine echte Zäsur, ein wahrhafter Septemblair. Interessant ist das Beispiel aber auch in der Hinsicht, dass man das in der Bildung identifizierbare lateinische Element septem als für das verflixte siebte Jahr stehend betrachten kann, obschon Blair eigentlich weitaus länger amtierte. Gerade dies ist nun ein Aspekt, der angesichts seiner auch von Journalisten für durchaus nicht schlecht befundenen Bilanz die Unverständlichkeit dieses Geschehens aus der Sicht des Betroffenen und seiner Anhänger dokumentieren mag und damit eine (im doppelten Sinne zu Unzeiten hochkochende) Krise charakterisiert, die den Vorgängen im berühmt-berüchtigten siebten Ehejahr augenscheinlich ähnelt.

Das Beispiel belegt überdies erneut, dass Nonce-Prägungen dieses Typus, zumal in journalistischen Texten, insbesondere (leicht) pejorative Aussageabsichten hinter einer nicht für jeden Leser ersichtlichen komplexen Struktur kaschieren. 

4.2 Sektion Sport

Indes können Ad hoc-Prägungen, die sich zwischensprachliche Homophonien zunutze machen, sehr wohl auch positiv konnotiert sein. Ein Beispiel hierfür bildet die vor dem Hintergrund der Fußball-WM 2006 und ihrer Folgen für manchen Spieler zu sehende kontaktkreative Prägung Bal-luck (vgl. Kieler Nachrichten, Ausgabe vom 08.03.2007, S. 10). Diese amalgamiert die Bedeutungshorizonte von englisch luck bzw. luckiness und dem Eigennamen Ballack. Gemeint ist Michael Ballack, ein gefragter deutscher Nationalspieler, der nach der WM 2006 gegen eine hohe Ablösesumme nach Chelsea wechseln konnte. Die Ad hoc-Bildung betont die bei ihm sichtbare Gleichzeitigkeit von Balltalent und daraus abgeleiteter finanzieller Fortune nach dem geglückten Chelsea-Transfer.

Weiterhin fällt auf, dass bilinguale Puns generell besonders im Zuge medialer Ereignisse wie großer Sportevents bzw. im Rahmen bewegter Nachrichtenzeiten, die Sprachspiele wie diese inhaltlich zulassen, auftreten(11). Die Nonce-Bildung Dollhaus (Süddeutsche Online vom 17.04.2007) bezieht sich z. B. klar auf eine aktuelle Größe im deutschen Herrenfußball, genauer auf Thomas Doll und dessen Leistungen als Trainer. Zufällig korrespondiert der Name dabei phonetisch wie orthographisch mit dem englischen Substantiv doll (dt. ‚Puppe’). Der Artikel als Ganzes kommt auf die bei Spielen des HSV Hamburg unter Doll fast immer greifbare große Begeisterung der Fans zu sprechen. Mithin verwandele sich das Stadion meist in ein echtes Doll-Haus: zum einen in dem Sinne, dass Doll und sein Team dort stets auf den breiten Rückhalt der Anhänger setzen können (Heimspiel Doll), zum anderen aber auch in der Weise, dass hier gleichsam ebenso die „Puppen“, d. h. die attraktiven weiblichen Fans, mit zum Tanzen gebracht werden (wobei die Grenze zum Toll-Haus durch die Begeisterungsstürme im Publikum als fließend gelten kann.) Auch hier überschneiden sich also wegen der phonetischen Similaritäten zwischen DOLL als deutschem Eigennamen und englischem Substantiv sowie TOLL als deutschem Adjektiv mehrere Bedeutungen, wobei der vollbesetzten Ränge wegen ferner die Idee des full house mitschwingt.

4.3 Sektion Boulevardthemen/Film

Das folgende, ebenso mit einem Eigennamen verbundene Schlussbeispiel muss wiederum vor dem Hintergrund der in Hollywood gepflegten Filmkultur und dem damit einhergehenden Star-Rummel gesehen werden. Dass der Focus in seiner Ausgabe vom 20.03.1995 (in der Sparte Boulevard) mit einem kurzen Abriss über die Geschichte des Aufstiegs der heutigen Hollywood-Filmgröße Brad Pitt in einer Art Metakommentar die Textzeile Brad vorm Kopf verwendet, ist zunächst einmal ein sachter Verweis auf die beschränkten Karriereaussichten, die sich dem Schauspieler vor seiner Entdeckung, nicht zuletzt wegen seines abgebrochenen Studiums, geboten hatten. Konkret wird denn auch in der vom Magazin dargestellten Biografie Pitts ausgeführt, dass dieser in jungen Jahren, „als Riesen-Brathähnchen kostümiert“, für ein Fast-Food-Lokal hatte Werbung machen müssen, um sein finanzielles Auskommen sichern zu können. Das durch die Verkleidung eingeengte Sichtfeld, die damit verbundene Eintönigkeit sowie die Schmalheit des ihm vom Arbeitgeber zugestandenen Handlungsraumes hätten, so wird hier suggeriert, auf lange Sicht – einem deutschen Sprichwort nach – zu einem echten Brett vorm Kopfgeraten und Pitt u. U. daran hindern können, sein Talent jemals auf der Leinwand zu entfalten. Zugleich hätten, so klingt weiterhin an, die vom Restaurant umgarnten Passanten schon damals den jetzt gefeierten Brad Pitt direkt „vorm Kopf“ (bzw. vor ihrer Nase) gehabt; nur schenkten sie ihm eben zu dieser Zeit keinerlei Beachtung – ein Aspekt, der als Beleg für das Erst-geboren-werden-Müssen eines Stars betrachtet werden kann.

 

5. Zusammenfassung der Ergebnisse

Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung wie folgt beschreiben:

  1. Bilinguale Puns stellen Fälle eines durch strukturelle, in Sonderheit durch phonetische Gemeinsamkeiten ermöglichten „intimen“ Zusammenspiels zweier Sprachen wie des Englischen und des Deutschen dar. Sie sind in der Pressesprache zwar nicht absolut ungewöhnlich, jedoch auch nicht sonderlich häufig anzutreffen. Wenn sie auftreten, dann aber offenbar vor allem in bestimmten Sparten wie dem Politik- oder Sportteil, sofern darin besonders publikums- und medienwirksame Ereignisse angesprochen werden und sich die Sachverhalte ggf. auch zur humorvoll-bissigen bzw. kontroversen Aufarbeitung eignen.
  2. Die relative Rarität solcher Bildungen hängt aber auch mit deren strukturell intrikatem Charakter zusammen. Sie lassen sich als ad hoc-artige interlinguale Kodeverschmelzungen auffassen, die sehr stark kontexteingebunden sind und sowohl auf Produzenten- wie auch auf Rezipientenseite hohe Anforderungen an das Sprachvermögen stellen.(12)
  3. Traditionelle kontaktlinguistische Arbeiten neigen dazu, diese kontaktkreativen Potenzen auszublenden und sich in Sonderheit auf die Untersuchung etablierter Lehnwörter, hier: in Form von Anglizismen, (vgl. z. B. Görlach 2003; Onysko 2007) zu konzentrieren. Dies dürfte in der Auffassung wurzeln, dass eine kontaktinduzierte, ad hoc-artige Bildung wie eine ambige Nonce-Prägung allenfalls im individuellen Gebrauch anzutreffen sei, was sie zu einem Randphänomen mache. Die hier besprochenen Beispiele verdeutlichen dagegen, dass derartige Phänomene sehr wohl auch Bestandteil einer – wenn auch sozusagen sprachexperimentell angereicherten – Alltagssprache sind, sofern man denn den Pressestil (ob des Gebrauchstextcharakters vieler Texte) darunter subsumieren mag.

 

Bibliographie


Anmerkungen

1 Ich möchte hiermit meiner Dissertationsbetreuerin, Frau Prof. Dr. Amei Koll-Stobbe (Universität Greifswald), für ihre zahlreichen Ratschläge und Anregungen danken, von denen dieser Artikel entscheidend profitiert hat.
2 Zu Szenarien bi-/multilingualen Sprachgebrauchs vgl. z. B. Milroy/Muysken 1995 sowie Myers-Scotton 2006.
3 Földes (2005: 252-267) stellt dem Konzept der Kontaktkreativität, für das der Begriff interlinguale Kreativität (vgl. Überschrift) hier lediglich synonym gebraucht wird, zugleich den der Kontaktmutation zur Seite (vgl. auch Knospe 2007b). Er betont, dass die Grenze zwischen beiden denkbaren Folgen aus Sprachkontakten nicht immer leicht und eindeutig zu ziehen sei. Die Wertung hängt demnach ganz entscheidend davon ab, unter welchen Bedingungen Sprecher – in diesem Kontext auf das Englische – zugreifen, welche Motive sie dabei leiten und wie das Zusammenwirken zwischen dieser ethnolinguistisch mächtigen Sprache und dem Deutschen im konkreten Diskurs bzw. zunächst einmal aus strukturellen Sicht beschaffen ist. Kontaktmutationen gründen in das Verständnis unnötig erschwerenden „lexikalischen bzw. morphosyntaktischen Verirrungen“, sind also anders als kontaktkreative Gebrauchsfälle dysfunktional (Földes 2005: 252).
4 Vgl. zu innersprachlichen Nonce-Bildungen im Englischen etwa Hohenhaus 1996; zu einer kontaktlinguistischen Modellierung kreativer, gemischt deutsch-englischer Verwendungsfälle vgl. auch Knospe 2007a.
5 Eine solide Untersuchung derartiger Phänomene ist mittels gängiger Korpusverfahren nicht zuletzt wegen des situativ-emergenten Charakters solcher Bildungen bislang kaum zu leisten. Insoweit versteht sich dieser Essay ausdrücklich nicht als das Ergebnis einer systematischen korpuslinguistischen Datenauswertung, sondern als eine an interessanten Gebrauchsmustern, die in verschiedenen Pressequellen nachgewiesen werden konnten, orientierte Fallstudie. Schließlich konzediert selbst der für seine korpusgestützte Forschung zu Fragen der grammatischen Variation und des Sprachwandels des Englischen bekannte Freiburger Linguist Christian Mair (2006: 33-34), dass zunächst nur impressionistisch angelegte Studien auch Erkenntnisfortschritte bringen können und verbindet dies mit einer Forderung nach einem Methodenpluralismus. Allgemein ist zudem anzumerken, dass bilinguale Puns im deutschen Pressestil eine gewisse Markiertheit haben und daher sozusagen nicht in regelmäßiger Verteilung erwartet werden können. Allerdings illustrieren die Ergebnisse der Auswertung der vielfältigen Quellen auch, dass derartige zwischensprachliche Interaktionsmuster – in unterschiedlichem Maße – sowohl in regionalen als auch in überregionalen Zeitungen angetroffen werden können (vgl. auch Stefanowitsch (2002).
6 Vgl. auch Grosjean 1983: 292, der von einem Übergang von einem speech borrowing zu einem language borrowing spricht.
7 Diese Ausdifferenzierung zu New Englishes ist an sich gleichfalls das Ergebnis von Sprachkontakten – mit indigenen, in Afrika oder Asien beheimateten sprachlichen Varietäten (zu kontaktkreativen Erscheinungen im äußeren Kreis vgl. z. B. auch Kachru 1995).
8 Koll-Stobbes (2000) Konzept des situativ-modifizierenden Sprachkönnens deckt aber expressis verbis auch innersprachliche Innovationen ab, die sie am Beispiel des Englischen untersucht.
9 Wichtig ist aber auch der Umstand, dass das /p/ in verdampt angesichts des nachfolgenden partizipalen /t/ „verschliffen“ wird.
20 Davon ausgehend könnte als Klassifikationskriterium auch eine Ordnung nach ambiguisierenden Nonce-Bildungen erfolgen, deren Kontaktkreativität auf einer kompletten interlingualen Homophonie beruht und solchen, bei denen die letztere nur partiell ausgeprägt ist (weiteres Beispiel: Keep/Kiep Kohl, siehe oben!). Auch könnte danach differenziert werden, wo solche Bildungen bevorzugt auftreten: mitten im Text oder doch eher in Überschriften. Die hier diskutierten Fälle sind dahingehend gemischt.
11 Dem journalistischen Ethos nach sind Puns etwa bei Berichten über Erdbebenkatastrophen und ihre Opfer, die selbst zu journalistischen Großereignissen werden können, selbstredend unangebracht. Im Übrigen wäre es verfehlt, anzunehmen, ein Punning über Sprachgrenzen hinweg könne nur aufgrund der Homophonie zwischen Eigennamen einerseits und anderssprachigen freien Morphemen andererseits erfolgen, obwohl zu konzedieren ist, dass dies ein besonders beliebtes Szenario in Zeitungen und Zeitschriften ist, wenn diese ihren Blick auf Personen des öffentlichen Lebens richten (vgl. weiterführend auch Stefanowitsch 2002).
12 Zu diesen Anforderungen gehört aus Sicht der Produzenten, über Sprachgrenzen hinweg denken, die besagten strukturellen (hier: phonetischen) Similaritäten erkennen und danach in eine semantisch hochgradierte Ad hoc-Bildung gießen zu können, die an bekannte Lexeme (oder Eigennamen) anknüpfen und die man sinnvoll auf den spezifischen Kontext münzen können muss. Für den Leser (oder Hörer), der diese Sequenzen dekodieren muss, stellt sich hingegen primär die Aufgabe, die verschmolzenen Bedeutungsebenen auf dem Hintergrund (mehr oder minder ausgeprägter) bilingualer Kompetenzen und außersprachlicher Wissensbestände gedanklich rekonstruieren und sinnstiftend interpretieren zu können.

5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung

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For quotation purposes:
Sebastian Knospe: Ambiguisierende Nonce-Bildungen im deutsch-englischen Sprachkontakt – ein Ausdruck von interlingualer Kreativität? - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-6/5-6_knospe17.htm

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