TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Juni 2010

Sektion 5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln – Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehungionstitel
Sektionsleiterin | Section Chair: Tamara Janssen-Fesenko (Bad Zwischenahn, Deutschland)

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Sektionsbericht 5.6.

Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln.
Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung

Tamara Janssen-Fesenko (Bad Zwischenahn, Deutschland) [BIO]

Email: tamaraalina@hotmail.com

 

Der Eröffnungsvortrag wurde von Tamara Janssen–Fesenko (Bad Zwischenahn, BRD) zum Thema Kreative  Intelligenz und Authentizität aus der Sicht moderner  gesellschaftlicher  Standards gehalten. Im Beitrag wurden solche wichtigen Fragen wie standardisiertes und befreites Denken, Emotionen und Intelligenz, Stereotype und Normen etc. diskutiert. Die meisten Fragen aus dieser Forschungsserie scheinen subjektiv gefärbt zu sein, weil das Forschungsobjekt selbst nicht eindeutig/ exakt zu schätzen, zu fassen oder zu verstehen ist. Zur Verifizierung eigener Erörterungen benutzte Janssen-Fesenko in ihrer Forschung Testangaben, die sie von den Kollegen aus der Russischen Föderation, der Ukraine, Polen, Spanien und  Weißrussland erhalten hat (darunter sind sowohl assoziative als auch fachberuflicher Tests zu verstehen – je nach der „Selbsteinstellung“ der Testpersonen).

Der Begriff „kreative Intelligenz“ scheint für den Testpersonen besonders schwer zu interpretieren zu sein. Bedeutungsrelevante Seme dafür sind „schöpferisch“, „neu, nicht standardisiert“, „geistig begabt“.

 Die kognitive Basis der Kreativität ist von vielen Komponenten bestimmt, darunter auch vom Denken (und in erster Linie vom befreiten Denken), Gefühlen, Emotionen und anderen rein menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten. Von besonderer Bedeutung scheint dabei das befreite Denken zu sein. Was ist das? Sinnerschließende Seme vom  befreiten Denken sind „nicht abgedroschen“, „stereotypfrei“, „befreit von Vorschriften und Dogmen“, „institutionell und doktrinär nicht eingeschränkt“, „einflussfrei“, „flexibel“, „klischeefrei“, „frei von Ängsten“. Wie soll sich der Mensch mit befreitem Denken präsentieren? Mindestens soll er sich in seiner Position ganz frei und unabhängig  von subjektiven Meinungen und Einschätzungen anderer Menschen fühlen; in seinem Handeln muss er sich auch in erster Linie nach  seinen eigenen Ansichten und  Überzeugungen richten - unabhängig von Regeln, Dogmen, Vorschriften, Strafpredigten etc. Die Referentin diskutierte weiterhin solche Begriffe wie emotionale Intelligenz, Kreativität, Authentizität etc. Es wurde im Beitrag betont, dass die emotionale Intelligenz als eine komplexe Fähigkeit des Menschen zu verstehen ist, die ihm hilft, negative Situationen zu vermindern und positive zu fördern, auch sich mit eigenen und fremden Gefühlen rechtzeitig und korrekt auseinanderzusetzen. Die  emotionale Intelligenz soll nach der Meinung der Referentin mit großer konzeptueller Vorsicht bewertet und als Bestandteil der menschlichen geistigen Wesens nicht übertrieben werden. Kreative Intelligenz ist eine Basiskomponente der Authentizität sowohl von Personen als auch von Kulturen. Im Kontext der begrenzten Problemstellung wird  „Authentizität“ im Beitrag als Gesamtheit von menschlichen Gefühlen, Leidenschaften, Emotionen, Kompetenzen, Fähigkeiten etc. interpretiert, die sein  wahres echtes Sein bestimmen und zu erhalten/zu bewahren ermöglichen.

Authentische Persönlichkeiten wirken echt und ein Bild, welches sie von sich vermitteln, wird von Kommunikanten, Partnern, Beobachtern als ungekünstelt und real wahrgenommen.

Kann ein Mensch immer hundertprozentig urwüchsig, unverbogen und echt sein oder können Eindrücke, die er in Bezug auf einen Betrachter macht, etwa auch einen Teil einer gelungenen Inszenierung darstellen?  Über diese und andere Fragen wurden von der Referentin im Beitrag diskutiert.

Im Beitrag von Oliver Fellbaum (Bielefeld, BRD) Schreiben als Widerspiegelung der Eigenkreation handelt es sich um die Eigenkreation in der menschlichen Tätigkeit (darunter auch im Schreiben), welche  den Geist und die Phantasie beim Menschen erfordert. In seinem Beitrag hat sich O. Fellbaum mit  der Kunst des Schreibens in der heutigen Zeit befasst. Es gibt sehr viel „Hobby-Schreiber" - das heißt Menschen, die ihre Phantasien, Gefühle und Ideen in Worte setzen, in Gedichte und Geschichten. Warum? Und welche Rolle spielt die Eigenkreation in der "Schreibbeschäftigung" bis sie zur "Schreibkunst" wird? Der Referent behauptet, dass gerade in der heutigen Zeit die Menschen die "Schreibmöglichkeit" mehr benutzen, um sich ihrer Umwelt mitzuteilen oder ganz einfach für sich selber die Umwelt, die Gedanken und Ideen widerzuspiegeln. Wozu braucht man das?  Der Mensch  ist kein isoliertes Lebewesen und durch seine Schreibkreation will er seinerseits seine Umwelt beeinflussen. Bei der Schreibkreation sind dem Alter keine Grenzen gesetzt: Menschen eines jeden Alters schreiben (egal wie jung, egal wie alt) ihre Vorstellungen und Phantasien, ihre Erlebnisse und Erfahrungen nieder. Der Autor versuchte anhand seines eigenen Lebens im Beitrag zu zeigen, wie die Kunst des Schreibens ihn bis jetzt begleitet hat, wie sie Einfluss auf ihn nahm, wie sie sein Leben mitgeprägt hat und ihm auch einen großen Traum erfüllt hat. Eine besondere Rolle der Eigenkreation im menschlichen Leben illustrierte der Referent  auch anhand von Beispielen von Menschen aus seinem Umfeld.

Die Eigenkreation soll auch ein Bestandteil der übersetzerischen Tätigkeit sein, worüber beispielsreich und detailliert im Beitrag von Alina Fesenko (Bielefeld, BRD) Übersetzerische Kreativität oder Willkür? diskutiert wurde. Die Referentin stellt in ihrem Beitrag die Frage: Ist Kreativität ein Teil vom menschlichen Leben oder ist sie dieses Leben selbst? Eins scheint unbestritten zu sein: ohne Kreativität wäre das menschliche Leben schwarzweiß. Eine eindeutige Antwort auf die gestellte Frage gibt es nicht, und dieser von der Referentin gewählte Untersuchungsbereich lässt für die Forscher bis jetzt mehr Fragen offen, als Antworten gegeben werden könnten. Kreativität findet in allen Tätigkeits- und Handlungsbereichen ihren Ausdruck - in erster Linie aber in denen, die mit der künstlerischen/ schöpferischen Tätigkeiten verbunden sind (und darunter ist bestimmt auch die Sprachproduktion im übersetzerischen Sinne zu betrachten, d.h. die Übersetzung). Die Referentin illustriert verbal in ihrem Beitrag, dass in Übersetzungsvarianten der Psychotyp des Übersetzers seinen Ausdruck findet, wodurch die Übersetzungsstrategien und Problemlösungen, die vom Übersetzer getroffen werden,  bestimmt sind. Ist ihre  Mannigfaltigkeit immer als Kreativitätsausdruck des Übersetzers und Realisierung seiner Kompetenzen oder  auch als Widerspiegelung seiner verbalen Willkür  zu betrachten? Worauf basiert die Kreativität? Die Referentin diskutiert dies in dem Sinn, dass man die Antwort auf diese (und andere) Fragen bekommen kann, nachdem man ein mental-verbales Porträt des Übersetzers  als eine der Hauptpersonen des interkulturellen Kommunikationsprozesses  „gemalt“ hat. Als moderne „Porträttechnik“  benutzt die Referentin eine „konzeptuelle“ Analyse, welche es ermöglicht, den Inhalt des Gesamtkonzeptes Übersetzung detailliert zu erforschen und zu repräsentieren. Dieses Konzept hat nach der Meinung der Referentin eine hierarchische mehrschichtige Struktur, in welcher zwei Hauptebenen zu unterscheiden sind: eine äußerliche/ „referenziale“ Ebene und eine tiefe/ kognitive Ebene. Die äußerliche Ebene enthält allgemeine Eigenschaften und Charakteristika, die konkrete Situationen in maximal vollem Umfang identifizieren lassen. Die kognitive Ebene (wie ein abstraktes konzeptuelles Schema) gibt die Struktur und Charakteristika der potentiellen Assoziationseigenschaften von Dingen, Sachverhalten etc. wieder. Solche konzeptuelle Darlegungen ermöglichen uns das Übersetzen als eine kausale Folge von zu lösenden Problemen und zu beschreibenden/wiederzugebenden Situationen zu interpretieren.

Das Hauptkonzept Übersetzung umfasst daher mehrere kausale Verkettungen von übersetzerischen Strategien, Handlungen, Persönlichkeiten etc., die weiterhin Vernetzungen bilden können. Alle diesen Vernetzungs- und Verkettungsstrukturen bilden das kognitive Modell der Übersetzung. Alina Fesenko fasst  anhand der konzeptuellen Analyse zusammen, dass beim Übersetzen das übersetzerische Handeln, die Taktik und übersetzerischen Strategien durch objektive mentale Prozesse bestimmt sind. Willkür spielt bei den Berufsübersetzern (nicht bei Amateurübersetzern!) keine Rolle. Man kann akzeptieren, dass auch die Intuition dabei von großer Bedeutung ist; doch Intuition und Willkür sind Begriffe ganz unterschiedlicher Art.

Die Frage der übersetzerischen Kreativität wurde  im Beitrag von Elena Kuzmina (Tambov, Russland) zum Thema Kreativität als translatorische Strategie bei der Übersetzung der kulturellen Besonderheiten weiterdiskutiert.  Die Referentin betrachtet die Kreativität als Basis für die Übersetzung der schöngeistigen Literatur und betont, dass der Begriff „Kreativität“ auch Vernünftigkeit, Anerkennung, Übereinstimmung mit einer bestimmten Anfrage enthält. In erster Linie tritt die Kreativität in der Linguistik (auch in der Übersetzung) durch Restrukturierung und Integration der akkumulierten Kenntnisse in Erscheinung. Das sprachliche Schaffen entsteht in der Spannung des gewohnten Alten und des unbekannten Neuen. Die Übersetzung der kulturellen Besonderheiten ist ein kreativer Vorgang, weil die Lösung dieser translatorischen Aufgabe zu neuen, unerwarteten Ergebnissen führen kann, die nach der Meinung der Experten einer bestimmten Kultur in einem bestimmten Zeitabschnitt entspricht (Fesenko 2005). Der Übersetzer kann nicht in vollem Umfang den Sinn des AT übertragen, den der Autor in seinen Text „hineinlegt“, weil jede Kultur viele Besonderheiten, ein eigenes System sozialer Stereotypen, Gestalten und kognitiver Schemen hat. Frau Dr. E. Kuzmina  betont, dass konzeptuelle Systeme bei der Übersetzung des Textes in ZS eine grundlegende Rolle spielen, weil die Übersetzer keine Wörter, sondern Konzepte übersetzen sollen. Die Methoden der Interpretation eines Konzeptes vom Autor und vom Übersetzer können oft nicht zusammenfallen. Das ist damit zu erklären, dass es wichtige Unterschiede bei der persönlichen Kategorisierung und Konzeptualisierung der Wirklichkeit gibt. Jedes Volk verfügt über verschiedene moralische und sittliche Orientierungspunkte. Die universellen Kategorien des Lebens sind in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichem Inhalt erfüllt. Die Schwierigkeiten im Prozess der Translation werden in erster Linie durch Inkongruenz der assoziativ-bildlichen Vorstellungen der einzelnen sprachkulturellen Gesellschaften hervorgerufen. Die Referentin illustriert ihre Ansichten anhand vieler verbaler Beispiele. Sie fasst zusammen, dass die Übersetzung ein kreativer Vorgang ist, der etwas ganz Neues und Schöpferisches im Vergleich zum AT darstellt.   

Das Problem  der Übersetzung kulturell markierten verbalen Einheiten ist das Forschungsobjekt  von  Svetlana Bannikova (Tambov, Russland), worüber sie in ihrem Beitrag Creative element in the translation of precedent phenomena diskutiert hat. Die Referentin erörterte ihre Position zum Wesen von verbalen Präzedenzphänomenen, die in jeder sprachkulturellen Gesellschaft  vorhanden sind, analysierte Präzedenztexte aus der englischen und russischen Sprachkultur und fasst zusammen, dass die verbalen Präzedenzphänomene eine kognitiv-kulturelle Basis haben, die von der Kultur und vom historischen Gedächtnis der Gesellschaft bestimmt ist. Ihre Meinung argumentiert die Referentin mit zahlreichen „Präzedenz-Beispielen“, die sie konzeptuell analysiert, und sie beachtet dabei auch ethnologische Komponenten.

Dr. Svetlana Bannikova betont, dass die Übersetzung der verbalen Präzedenzphänomenen vom Übersetzer nicht nur seine fachliche und kulturelle Kompetenz erfordert, sondern auch seine Kreativität, seine schöpferische Kraft, die es ihm ermöglicht, optimale sprachliche Übersetzungsvarianten in der ZS zu akzeptieren. Zusammenfassend wurde von der Referentin gesagt, dass anhand der von ihr durchgeführten Analyse folgende für die Präzedenzphänomene wichtigen Übersetzungsweisen von ihr als produktiv genannt werden können: Transkription/ Transliteration, Generalisierung, “antonymische“ Übersetzung, beschreibende Übersetzung, wörtliche Übersetzung. Die Referentin diskutiert über die kognitive Grundlage der kreativen Übersetzung und stimmt der Auffassung (Fesenko 2002, 2006) zu, dass sie durch Denkmodelle der Übersetzer bestimmt und mit ihnen verbunden ist. Mit zahlreichen verbalen Übersetzungsbeispielen der sprachlichen Präzedenzphänomene aus der russischen und englischen Sprachkultur illustriert S. Bannikova ihre Forschungsposition.

Über die Besonderheiten der verbalen und konzeptuellen Metapher und ihre Übersetzung in die ZS wurde im Beitrag von Ekaterina und Wladimir Ryabykh (Tambov, Russland) zum Thema Kreative Funktion und Übersetzung der Metapher diskutiert. Die ReferentInnen gehen in ihrer Forschung von einem integrativ-semantisch-kognitiven Standpunkt aus, dessen Besonderheit in der Entwicklung der These über die kreative Funktion der Metapher besteht, die sich darin offenbart, dass Metaphern unsere Weltanschauung organisieren und regulieren; dabei können  einige Einzelheiten unterstrichen  und andere „verdunkelt“ werden.

Grundlegend für solche Problemstellungen ist das „klassische“ Problem der Beziehung zwischen Denken, Bewusstseins und Sprache. Das Denken als ein dynamischer Prozess, als Quelle der Wissensspeicherung und Systematisierung wird also im Bewusstsein als einem „wissensgespeicherten Produkt“ realisiert. Das Bewusstseins ist diejenige „kognitive Ebene“, die alles Umweltwissen des Menschen akkumuliert; zeigt, wie, auf welche Art und Weise der Mensch dieses Umfeld sieht und erfasst, wie er das Weltbild/ auch das sprachliche Weltbild in seinem Bewusstsein fixiert. Die im Denkprozess widergespiegelte Umwelt wird in verschiedenen mentalen Formen kodiert und repräsentiert und eine der Repräsentationsmöglichkeiten ist die Sprache [Janssen-Fesenko 2007].

Die Untersuchung der Metapher nicht nur als mentale, sondern auch als verbale Konstruktion führt zur komplexen Untersuchung der konzeptuellen Metapher. Darunter wird auf Grund der bestehenden Konzeptionen ein abstraktes Modell (eine Invariante) verstanden, die jedes Mal aufs neue als Ergebnis seiner Auffüllung von bestimmten metaphorischen Redewendungen realisiert wird. Solche Begriffe wie „Invariante“/“Variante“ sind im Rahmen dieser Arbeit relevant, weil jede metaphorische Redewendung nur die individuellen Vorstellungen des einzelnen Sprechenden widerspiegelt, doch die  Analyse von mehreren solchen Redewendungen ermöglicht, typische kollektive konzeptuelle Metaphern, die Besonderheiten von verschiedenen Sprachkulturen wiedergeben, auszusondern.

Die ReferentInnen betonten, dass bei der Translation der Metapher die konzeptuelle Übersetzung eine große Rolle spielt. Der Grundgedanke der konzeptuellen Übersetzung besteht darin, dass man der Übersetzung nicht verbale Einheiten, sondern Konzepte unterlegt. Auf diese Weise präzisiert man den Bereich der Anwendung der konzeptuellen Übersetzung. Praktisch wird die konzeptuelle Übersetzung in folgendem Regime realisiert: der Übersetzer ruft zur gegebenen Verbaleinheit der Ausgangssprache des Ausgangstextes die entsprechende Mentalgestalt hervor, die seinerseits durch verbale Einheit der  Übersetzungssprache repräsentiert wird [Janssen-Fesenko 2002]. Die Optimalübersetzung der Metapher kann nur in diesem Fall vorhanden sein, wenn der Inhalt, der vom Autor des Ausgangstextes „hineingelegt“ wird, in Einklang mit der von dem  Übersetzer herausgezogenen Information steht. Das erreicht man ohne große Schwierigkeiten, wenn gleiche konzeptuelle Metaphern in dem Alltagsbewusstsein der Vertreter von unterschiedlichen Sprachkulturen vorhanden sind und gleiche Nominationen haben, z.B. konzeptuelle Metapher „der Hirt → der Mond“ (sowohl in der deutschen als auch in der russischen Sprachkultur).

Betreffend die Standfestigkeit des konzeptuellen Inhaltes ist es zu bemerken, dass sie voll oder partiell sein kann. Außerdem kann „die Füllung“ des konzeptuellen Inhaltes der Spenderkultur und der Rezipientenkultur überhaupt nicht zusammenfallen. Von dem Standpunkt der Strukturstandfestigkeit aus können die Metapher der Ausgangssprache mit Hilfe der gleichwertigen oder verschiedenen Konstruktionen der ZS (mit Hilfe des Vergleiches oder der Periphrase oder der neutralen Spracheinheiten etc.) übersetzt werden.

Im Beitrag von Stella Fesenko (Moskau, Russland) Sprachkulturologischer Aspekt beim Unterrichten – „Russisch als Fremdsprache“ aus Sicht der Kreativität geht es um die Integrationsmöglichkeit der Ausländer durch den Unterricht, wenn  der Unterricht dabei nicht nur Routine sondern auch kreative Zielsetzung und Inhalt enthält. Die Referentin diskutiert darüber, dass der Russischunterricht bei den ausländischen Studenten als eine der wichtigsten Quellen ihres kulturologischen, sozialen, politischen und rein sprachlichen Wissens zu betrachten sein soll. Diese sozi-kulturelle Pragmatik des Studiums fordert die Anwendung nicht nur methodischer Routine, sondern auch kreativer Methoden, die je nach den pragmatischen Bedürfnissen verschiedene Zielsetzungen zu erfüllen haben  und  im integrativen Modul optimal zu realisieren sind. Der sprachkulturologischer Aspekt ist aus Sicht der kreativen Methodik von besonderer Bedeutung und spielt im integrativen Modul eine große Rolle. Die ausländischen Studierenden sollen durch den Russischerwerb in die Lage versetzt werden, neue Kommunikationspartner kennen zu lernen, ihre  eigene Person anpassend einzubringen und ihre Interessen und Meinungen auf adäquate Weise gegenüber Institutionen und Personen  zu vertreten. Es soll beachtet werden, dass ein für Bildungsausländer wichtiges Thema in einen von lexikalischen und grammatischen Kriterien bestimmten Text gepresst werden nicht muss; es muss aber in möglichst differenzierter Weise vorgestellt werden, mit Berücksichtigung  der unterschiedlichen Varianten und Aspekte, die in der russischen Realität vorkommen, und dabei ist sprachkulturologischer Aspekt von besonderer Bedeutung. - Dr. Stella  Fesenko erörtert in ihrem Beitrag die Übungen und Methoden zur Entwicklung und Festigung von grammatischen Fähigkeiten, auch  der sprachkulturologischen, fachlichen etc. Kenntnisse. Im Rahmen der kreativen Methodik nennt und illustriert die Referentin  unterschiedliche Lehr- und Lernprojekte, Rollenspiele, Tests etc.

Über diese Problemstellung wurde weiters im Beitrag von Zehra Ipsiroglu Mecklenburg (Duisburg–Essen, BRD) zum Thema Möglichkeiten und Chancen des Rollenspiels im Hochschulunterricht mit Studierenden mit Migrantenherkunft diskutiert. Es wurde die Methodik der Rollenspiele im Unterricht weiterentwickelt. Die Referentin betont, dass das Spannungsfeld zwischen darstellendem Spiel und sozialer Wirklichkeit der Migranten  heutzutage im Vordergrund steht, weil es dabei um folgende Fragen geht:

Wie können  Rollenspiel und  Improvisation dazu verhelfen, die  Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse in der Gesellschaft  hinter der Fassade der bestehenden Sicherheiten zu zeigen, stereotype Rollennormen, die  die Machtverhältnisse stabilisieren,  zu problematisieren oder tradierte und verfestige Interpretationen der Autoritäts-  und Geschlechterrollen in Frage zu stellen?

Die Referentin versuchte  sich diesem Thema  mit Beispielen aus der eigenen Theater-Praxis an der Universität Duisburg-Essen anzunähern. Dabei geht es um anschauliche Beispiele des Forum-Theaters nach dem Theater der Unterdrückten von Augusto Boal. 

Solange die  gesellschaftlich und politisch bedingten Probleme nicht gelöst werden, werden Menschen mit  Migrantenherkunft - vor allem Frauen - sich immer wieder benachteiligt fühlen, behauptet die Referentin. In vielen Medienprogrammen wird viel über die  heutige Situation der Jugendlichen und ihrer Ausbildung  diskutiert: Dabei kamen nach Meinung der Referentin Begriffe vor wie Bildung,  Elitenausbildung und Leistungsgesellschaft, aber kein Wort fiel  zu sozialen Problemen und Schwierigkeiten der Unterschichten. Voraussehbar ist, dass die sozialen Unterschiede,  die schon heute zu groß sind,  in Zukunft sich noch verschärfen werden, wodurch die Probleme  der Unterschichten immer mehr anwachsen werden. Die Etablierung  der Studierenden  aus der dritten Migrationsgeneration in die Gesellschaft war ein Thema für die weitere Sektionsdiskussion. 

Der Referent Sebastian Knospe (Greifswald, BRD) diskutierte in seinem Beitrag Kongruente Lexikalisierungen im deutsch-englischen Sprachkontakt – ein Ausdruck interlingualer Kreativität? über verbale “alltagsprägende Merkmale unserer Zeit“, die als Globalisierungsfolge zu charakterisieren sind. Der Referent behauptet, dass gerade mit Blick auf die Folgen der Globalisierung als dem bestimmenden makrosozioökonomischen Prozess unserer Zeit wie auch vor dem Hintergrund der noch nicht abgeschlossenen „EUisierung“ der Untersuchung von Sprach- qua Kulturkontakten in der Linguistik generell eine wesentliche Rolle zukommt. Das bedeutet  im Grunde, dass Sprecher linguale Grenzen überschreiten und damit potenziell auch ihre Erstsprache oder - wenn schon nicht diese selbst (auf der Ebene der langue), dann zumindest ihr eigenes Ausdrucksrepertoire - kreativ erweitern können (vgl. hierzu auch das Konzept der Kontaktkreativität bei Földes (2005)). Knospe betont, dass lexikalische Transferprozesse (etwa zwischen dem Englischen und dem Deutschen) insoweit in der Tat merklich über die Einspeisung etablierter Lehnwörter (sogennanter Anglizismen) hinausgehen können, zumal wenn man annimmt, dass sich inzwischen vor allem bei urbanen deutschen Sprechern hinsichtlich des institutionell wie medial gut verankerten Englischen graduell bilinguale Kompetenzen entwickelt haben. Die gängige Fachliteratur für diese spezifische Kontaktkonstellation beschränkt sich – jedenfalls außerhalb von Theorien zum Zweit- oder Drittsprachenerwerb – indes weiterhin hauptsächlich auf die Untersuchung von Lehnprozessen oder puristischen Gegenbewegungen. Im Unterschied dazu zielt der Beitrag von Knospe  darauf ab, kreative ad hoc Verschränkungen aus deutsch-englischem Sprachmaterial anhand von Beispielen aus journalistischen Texten zu beleuchten. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die von Pieter Muysken (2000) in seiner einflussreichen Studie zum bilingualen Codemixing beschriebene Kategorie der kongruenten Lexikalisierungen gerichtet. Diese nehmen sich u. a. als interlinguale Homophone aus und ermöglichen dadurch - wohlgemerkt über Sprachgrenzen hinweg - kreativ zu sprechen. Der Referent diskutierte über linguistisch-anarchische Sprachspiele, die – unterhalb der sprachlichen Systemebene – die denkbare Intimität des zwischensprachlichen Zusammenspiels - hier insbesondere mit dem Englischen - aufzeigen.

Über die Besonderheiten des englischen Sprachsystems wurde auch im Beitrag von Elena Arsenteva (Kazan, Russland) zum Thema Three Levels of Phraselogical Unit Cultural Peculiarities weiterdiskutiert. Die Referentin postuliert, dass dieses Spezifikum der phraseologischen Einheiten auf folgenden drei Ebenen repräsentiert werden kann: a) als phraseologische Gesamtbedeutung, b) als Bedeutung von einzelnen lexikalischen Komponenten, c) als Bedeutung von phraseologischen Prototypen.

Das in der Gesamtbedeutung widergespiegelte national-kulturelle Spezifikum der phraseologischen Einheiten ist nach Meinung der Referentin mit phraseologischen Lakunen verbunden, die im Prinzip in jeder Nationalsprache vorhanden sind.

Von der Referentin wurde mit zahlreichen verbalen Beispielen illustriert, dass das national-kulturelle Spezifikum der 2. Ebene durch Eigentümlichkeit der einzelnen Wörter, die diese phraseologische Einheit bilden, markiert ist.

 Sprachkulturologische Analyse ermöglicht der Referentin folgendes zusammenzufassen: die dritte Ebene des national-kulturellen Spezifikums ist damit verbunden, dass die phraseologischen Einheiten die Geschichte, Tradition, Sitten, Charaktereigentümlichkeiten des Volkes etc.  widerspiegeln können, die von Anfang an in verbalen Prototypen inne wohnen.

Diese These findet ihre Weiterentwicklung im Beitrag von Yulia Arsentyeva (Kazan, Russland) zum Thema  Phraseological Euphemisms in Modern English. Die Referentin versucht in ihrem Beitrag phraseologische Euphemismen aus Sicht der Kultur und Semantik zu analysieren. Sie stimmt  der in der Linguistik bekannten Theorie bei, dass aus Sicht der Semantik phraseologische Euphemismen in viele phraseo-semantische Gruppen geteilt werden. Yulija Arsentyeva analysiert den kontext-bedingten Gebrauch solcher Euphemismen und stellt fest, dass am gebräuchlichsten im modernen Englischen solche Transformationstypen von phraseologischen Euphemismen sind als auch Ergänzungen, phraseologische Wiederholungen, phraseologische „Sättigung“ etc. Die Referentin stellt fest, dass Ellipse oder erweiterte Metapher viel seltener gebraucht werden und diskutiert über die semantisch-kulturelle Grundlage dieser Einheiten.

Im Beitrag von Maxim Belau und Albina  Ivanova (Tambov, Russland) Creativity in Cognitive Taxonomic Modelling (by the example of English verbs of non-caused motion) geht es um die kognitiv-taxonomische Modellierung als eine der Forschungsmethoden in der kognitiven Linguistik. Die ReferentInnen gebrauchen diese Methode bei der Erforschung der Verben, die zur semantischen Gruppe „Räumliche Bewegung/ Umstellung“ gehören. Maxim Belau und Albina Ivanova stellen fest, dass bei dieser Modellierung die Kreativität eine führende Rolle spielt, weil dank dieser Modellierung solche linguistischen Konstruktionen gebildet werden können, die auf konzeptuelle Hierarchie basiert sind.  In dieser Hierarchie unterscheidet man folgende Ebenen: Grundebene, übergeordnete und untergeordnete Ebene. Diese Modellierung ermöglicht den ReferentInnen die zu erforschenden Verben in einige Gruppen unterzugliedern, welche ihrerseits unterschiedliche Charakteristiken und Aspekte dieser Bewegung/ Umstellung versprachlichen lassen. Die  durchgeführte konzeptuelle Analyse ermöglicht den ReferentInnen, die  Klassifikationskriterien zu präzisieren und die Verben nach ihrer Semantik in verschiedene Ebenen dieses taxonomischen Modells zu verteilen.

Es soll beachtet werden, dass ein für Bildungsausländer wichtiges Thema nicht in einen von lexikalischen und grammatischen Kriterien bestimmten Text gepresst werden muss; es muss aber in möglichst differenzierter Weise vorgestellt werden, mit Berücksichtigung  der unterschiedlichen Varianten und Aspekte, die in der russischen Realität vorkommen, und dabei ist der sprachkulturologische Aspekt von besonderer Bedeutung.


5.6. Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung

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INST

For quotation purposes:
Tamara Janssen-Fesenko: Sektionsbericht 5.6.: Vom kreativen Denken zum kreativen Handeln - Kreativitätsprobleme in der Sprache, Ausbildung und Erziehung - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-6/5-6_sektionsbericht17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-06-05