TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. April 2010

Sektion 5.7. Fachsprachen – Kreativität und Verstehensprobleme
Sektionsleiterin | Section Chair: Olga A. Kostrowa (Staatliche Pädagogische Universität Samara, Russland)

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Metaphorische Reflexionen über die Sprache
im linguistischen Diskurs

Larissa M.  Njubina [BIO], Roman Beljutin [BIO] (Staatliche Universität Smolensk, Russland)

Email: ryubelyutins@rambler.ru

 

Wir müssen uns klar machen, dass die Sprache nicht für uns arbeitet,
sondern dass wir an ihr arbeiten müssen,
wenn wir ihr Klarheit und Schönheit ablisten wollen.

W. Schneider

 

1. Einleitung

Was ist die Sprache eigentlich? Wie erscheint sie? Wie stellt sie sich dar? – diese und auch mehrere andere Fragen, die sich auf die Wesensbestimmung der Sprache beziehen, haben schon Tausende Gemüter bewegt. Seit Generationen wird darüber diskutiert und reflektiert, aber trotz der verschiedensten Definitionsansätze, die es von der Sprache gibt, ist das Bedürfnis nach Aufklärung und Klarstellung dieses Phänomens immer noch immens. 

Die Komplexität des Konzepts „Sprache“, seine phänomenologischen Besonderheiten lassen immer neue Konzeptionen, Theorien, Interpretationen und Betrachtungsweisen entstehen. Aber das Paradoxon und die Pointe der Sprache bestehen eben darin, dass die Kumulation des Wissens über dieses Konzept nicht zur Lösung der alten Probleme führt, sondern neue Probleme und neue Fragestellungen provoziert.

Die Sprache, die jedem Menschen „so vertraut wie sein tägliches Brot und die Luft zum Leben ist“ (Eggers 1986: 10), bleibt ein Wunder und ein Rätsel. Das Terrain „Sprache“ gleicht immer noch eher einem Gelände voller Abgründe, Überraschungen und Fallgruben als einer akkuraten Parklandschaft (vgl. Thalmayer 2005). Unabhängig davon, unter welchem Aspekt die Sprache betrachtet wird – in ihren äußeren Beziehungen und Bestimmungen oder in ihrer inneren Wirklichkeit und Struktur, in ihrer objektiven, rein phänomenologischer Wirklichkeit (vgl. Coseriu 1971)  oder in bezug auf die Zweckvorstellungen, ist der Spaziergang immer eine abenteuerliche Entdeckungsreise –  manche Wege führen ins Gestrüpp der Dialekte und auf die kahlen Lichtungen der linguistischen Abstraktion; anderswo locken die Labyrinthe des Satzbaus und die Spielwiesen der Dichter; es gibt Pfade, die sich im Halbdunkel der Sprachgeschichte und der Etymologie verlieren; andere Routen weisen uns auf orthographischen Treibsand hin oder bringen uns übers stilistische Glatteis; und an der einen oder anderen Weggabel steht man vor dem unfassbaren Reichtum der Sprache wie der Ochs vorm Berg (vgl. Thalmayr 2005).

Eine wichtige Untersuchungsinstanz bildet Wissen über die Sprache bzw. Fähigkeit zu metasprachlichen Urteilen in der Sprachtheorie. Sprache gilt als Grundkonzept der Sprachkunde, der allen sprachwissenschaftlichen Richtungen gemeinsame Gegenstand, und da sie ein einzelsprachlich ausgeprägtes System von Zeichen bzw. Symbolen und Kombinationsregeln darstellt, wäre es eine berechtigte Intention, die Sprache als ein semiotisches Konzept zu analysieren.

Vom Standpunkt der Methodologie aus ist es zweckmäßig, die Analyse der Konzepte mit der Forschung der Bewusstseinstypen zu beginnen, in denen die jeweiligen „mentalen Organisationseinheiten“ (Schwarz 1996: 87) objektiviert werden. Für das Konzept „Sprache“ sind es das „naive“ sprachliche Bewusstsein und das spezielle Bewusstsein, u. a. das wissenschaftliche. Das letztgenannte Gebiet „der Niederlassung“ dieses Konzepts – die wissenschaftliche Ebene – spiegelt sich im entsprechenden Diskurstypus wider. Nach Polinitschenko (2007) sind wissenschaftliche Ausführungen, die im Rahmen verschiedener Konzeptionen systematisiert wurden, universell, präziser und detaillierter, denn die Sprachwissenschaft versucht bewusst, Persönliches und Emotionales auszublenden, um so das System und seine Veränderungen objektiv beschreiben zu können (Unsere Übersetzung). Diese Tatsache erfordert die Notwendigkeit der Explikation der linguistischen Reflexionen zwecks der vollständigen Erkenntnis der Natur und des Wesens des Konzepts. Es muss aber zugleich bemerkt werden, dass auch die wissenschaftliche Betrachtung eines Gegenstandsbereiches stets an „allgemeine, dem Menschen eigene Mechanismen der Erfahrungsbewältigung, an bestimmte Perspektiven der Betrachtung“ gebunden ist,  die „aus bestimmten Interessen am Gegenstandsbereich hervorgehen und die Art der Erkenntnis beeinflussen“ (Romanyshyn 1981 – In: Baldauf 1997: 277). Dementsprechend lassen sich fünf Bereiche metasprachlicher Forschung unterscheiden:

  1. Grammatikalitäts- und Akzeptabilitätsurteile;
  2. Segmentierungen;
  3. sprachliche Transformationen und Manipulationen;
  4. Produktion und Verstehen von Ambiguität;
  5. Konzeptualisierungen von Sprache (Bussmann 1990).

Dieser Beitrag versucht, Erkenntnisse über die Sprache zu vermitteln, indem ein Phänomen aus einer metaphorischen Perspektive betrachtet wird. Mit der Verfahrensweise, die wir „Analyse mittels Metaphern“ nennen, wollen wir zeigen, was in den Köpfen der Sprachwissenschaftler so alles bildlich über Sprache herum spuckt, wenn sie von Sprache denken, sprechen (und schreiben) (vgl.  Bamberg, Lindenberger 1984: 18).

 

2. Metaphorische Interpretationen der Sprache

Dass im metasprachlichen Diskurs so viele Metaphern verwendet werden, liegt zunächst an der Abstraktheit und Komplexität des Gegenstandes. Sprache ist ja ein hochkomplexes und heterogenes, vielschichtiges Gebilde, das auch wissenschaftlich nur in Form von Modellen erfasst, beschrieben und erklärt werden kann. Linguisten haben nur leider nicht den Vorteil, eine Sprache in der Retorte erzeugen und dann beobachten zu können, wie sie gesprochen, gelernt und verändert wird (vgl. Pinker 2000: 249). In diesem Fall müssen sie über Umwege gehen, um das Phänomen vereinfacht abbilden zu können. Vor dem Hintergrund der kaum mehr bestrittenen kognitionslinguistischen These, dass unser Wissen metaphorisch strukturiert sei (vgl. Baldauf 1997, Lakoff, Johnson 2000, Baranov 2004 u. a. ), drängt sich die Metaphernanalyse als Zugriff auf Sprachreflexionen geradezu auf.

Als Ausgangspunkt für unsere Analyse dient eine der grundlegendsten Funktionen der Sprache und zwar deren schöpferische Charakter, der dem Phänomen „Sprache“ bei seinem erkenntnishaften Wesen zu Eigen ist. Nach Coseriu (1971: 29) ist „sprachliche Erkenntnis“ nun vielfach „metaphorische Erkenntnis, aus Bildern gewonnene Erkenntnis“. Es muss also herausgefunden werden, wie all diese Eigenschaften zum Verständnis der Sprache selbst verhelfen können.  

Metaphorische Darstellung der Sprache als linguistischen Gegenstands kommt bereits in mehreren sprachwissenschaftlichen Kontexten vor, die das Licht in den Ursprung der Sprache bringen wollten.  

In der organischen Version der Frage wird davon ausgegangen, die Sprachen seien Naturorganismen, die ohne vom Willen des Menschen bestimmbar zu sein, entstanden, und nach bestimmten Gesetzen wuchsen und sich entwickelten (Keller 1990). In der Organismusmetaphorik erscheint Sprache als selbständig und autark funktionierendes System. Die Verdinglichung der Sprache zieht, wie die Geschichte zeigt, nahezu notwendigerweise die Vitalisierung nach sich: die Sprache lebt, in ihr wirken Kräfte, sie wächst, altert und stirbt (ebd., 20).

Ein ganz anderes Modell wird von den Vertretern der mechanistischen Konzeption nachkonstruiert.  Die Artefaktmetaphorik basiert auf dem Bild der Sprache, die das Werk von Menschen sei, dessen Entwicklung mithin den Sprechern obliege, ein Mechanismus, den sie herzustellen und umzubauen imstande sind (ebd., 21).

Nach R. Keller und M. Müller (Keller 1990) haben beide Versionen etwas Irreführendes an sich. Jeder Experte begründet das auf seine eigene Art und Weise, die beiden stimmen jedoch darin überein, dass es da noch eine Kategorie geben sollte, die den Ursprung der Erscheinung Sprache erklären kann.  

Max Müller schreibt: „Wenn die Sprache wachsen soll, so bedarf sie eines Bodens dazu, und dieser Boden kann nur der Mensch sein. Die Sprache vermag nicht durch sich selbst zu bestehen. Wenn Fr. Schlegel von der Sprache redet als von einem Baum, der Knospen und Schösslinge hervortreibe in Gestalt von Verbal- und Nominalendungen, oder wenn Schleicher sie ansieht als ein Ding für sich, als ein organisches Wesen, das ein ihm eigenes Leben führe, zur Reife gelange, Nachkommenschaft hervorbringe und ganz und gar dahin sterbe, so ist dies als eine jenen Gelehrten eigentümliche Mythologie zu betrachten. Und wenn wir auch nicht umhin können, metaphorische Ausdrücke zu gebrauchen, so sollten wir doch immer auf der Hut sein, damit wir nicht zu weit fortgerissen werden durch die Worte, deren wir uns bedienen“ (ebd., 72). Müller nimmt einen neuen Herkunftsbereich der metaphorischen Übertragung und sieht in der Sprache Phänomen einer dritten Art, das die Züge sowohl von Naturphänomenen, als auch  Artefakten aufweist.

R. Keller greift diese Idee auf: „Die Ontogenese wie die Tätigkeit des Handwerkers haben ein Ende. Das Leben der Sprache hingegen ist eine potentiell unendliche Geschichte“ (ebd., 21). Seine zentrale These lautet daher: Sprachen sind weder Naturphänomene noch Artefakte. Der Ausweg aus diesem Dilemma liegt in der Erkenntnis, dass die Sprachen als Phänomene der dritten Art spontane Ordnungen darstellen. Die Metapher der unsichtbarer Hand, die zur Erklärung herangezogen wird, ordnet die Sprache der Kategorie der kollektiven Phänomene zu, zu denen auch solche soziokulturellen Ordnungen wie Geld, Moral, Geschmack etc. gehören. Sehr interessant ist in dieser Hinsicht die Gleichsetzung der Sprache mit dem Markt. Vgl.: „Markt und Sprache dienen verwandten Zwecken. Beide sind Institutionen, die dazu dienen, den anderen zu etwas Bestimmtem zu bringen. Markt ist die Institution, die ich bemühe, wenn ich einen dazu bringen will, mir etwas Bestimmtes zu geben; die Sprache ist die Institution, derer ich mich bediene, wenn ich einen dazu bringen will, etwas Bestimmtes zu tun bzw. zu glauben“ (ebd., 66).

Ähnliche Überlegungen finden sich bei L. Reiners: „so entspricht die Sprache ... den güterschaffenden, weltgestaltenden Teilen der Wirtschaft“ (Reiners 1943: 10).  

Aus diesen Ideen ergibt sich noch ein heikles Thema für die Experten – der Sprachwandel. Das Thema ist schon seit langem in der Diskussion, und es bleibt eine der brisantesten Fragen, mit denen sich die Sprachforscher beschäftigen, vor allem in jenem Teil, der sich  auf Import von Wörtern bezieht. Warum? „Sprachgrenzen sind immer durchlässig, es sind Grenzen, die immer sperrangelweit offen standen, an denen kein Pass verlangt und kein Zoll erhoben wurde“ (Thalmayer 2005: 70).

Die Metaphern, die diesen Aspekt des konzeptuellen Feldes „Sprache“ beleuchten, demonstrieren die Spaltung der Meinungen  in linguistischen Kreisen. Wir zeigen es am Beispiel der deutschen Sprache, die nach der Ansicht einiger Experten, auch wie die meisten Sprachen, „über einen großen Magen verfügt (ebd., 72).

National gesinnte Sprachreiniger treten gegen die Interventionsmaßnahmen der Angloamerikanismen auf, mit ihren unaufhörlichen Versuchen (Seit 1945 schwappt nun, vor allem aus Amerika, die englische Welle um die Erde, in der manche Sprache kaum zum Atemholen kommt), die Sprache platt zu walzen oder zu überfahren. Die Professoren sind eben zu Feinden der Sprache geworden (vgl. Schneider 1991: 11-12) und ihre Mission ist darauf gerichtet, an die Öffentlichkeit zu appellieren, auf die  Sprachpflege  zu achten und etwas für die Betonierung der deutschen Sprache zu tun. Daher rührt die Sorge um das Schicksal der Sprache, die Angst, die Sprache könne ihre Eigenart einbüßen oder überhaupt untergehen.

Solchen Bedrohungsszenarien werden die Argumentationen derjenigen gegenübergestellt, die das Fremde in der Muttersprache problemlos verdauen können. H. M. Enzensberger ist einer derjenigen, die sich dem Schutz der Entlehnungen verschrieben haben. Dabei bedient sich wird der Autor der Medizin-Metaphorik: „die Herren, die unserer Sprache da so eilfertig beispringen, als wäre sie eine altersschwache Patientin ... Diese muskulösen Pfleger machen sich ja nicht erst seit gestern an ihrem Rocksaum zu schaffen. Die Sprache ist nämlich immer lebendiger und jünger als ihre arthritischen Leibwächter. Sie pfeift darauf, von ihnen reingehalten und beschützt zu werden. Die Rache der Impotenten sind die Vorschriften, mit denen unsere Kinder in der Schule misshandelt werden“ (Enzensberger 1979: 491)

Der plötzliche Wechsel zur Pflanzen-Metaphorik verleiht der Aussage einen zusätzlichen Nachdruck. Vgl.: „Da ist mir, offen gestanden, der Disco-Slang, der Kneipen-Jargon ... noch lieber: denn der gedeiht und verwelkt wie die Lilien auf dem Felde, und nach ein paar Jahren bleibt nur ein Komposthaufen davon übrig, wogegen die machtgeschützten Bandwurmsätze der Schreibtischtäter immer neue Glieder, Haken und Saugnäpfe ansetzen (ebd., 492).

Wie die angeführten Beispiele zeigen, wird das von Amerikanismen durchsetzte Deutsch noch lange den Wissenschaftlern zu schaffen machen. Und noch lange wird man der Frage nachgehen, ob dieses oder jenes Wort nicht „auf deutschem Mist gewachsen ist“.

Es gibt aber eine Überlegung, die wohl kaum jemand bestreiten wird. In jeder Sprache findet beständig zwischen den Wörtern und grammatischen Formen ein Kampf ums Dasein statt. Die besseren, kürzeren und leichteren Formen gewinnen fortwährend die Oberhand, und sie verdanken ihren Sieg der eigenen ihnen innewohnenden Kraft (Keller 1990).

Zum Nachdenken bewegt auch der vielzitierte Satz  aus Goethes „Maximen und Reflexionen“: Die Gewalt der Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt. Diese Art der Tätigkeit von Sprache – man darf nicht vergessen, dass „Tätigkeit“ neben dem“ Produkt“ eine der Realitäten der Sprache ist – ist durchaus von Nutzen beim Blick auf die Neuerungen in den Sprachen. Denn  „In Bewegung ist die Sprache immer: durch das Wechselspiel von Erfindung und Verschleiß, durch Entdeckungen oder neuartige Ereignisse, die nach Benennung riefen; durch Moden; durch den Anprall einer anderen Sprache, der vom Nachbarvolk kommen konnte oder von der jeweils dominierenden Kulturnation“ (Schneider 1991: 304). Dieser ständige Wandel, dieses beständige Streben nach Schöpfung und Neuschöpfung, bei dem, wie auf einem wehenden Tuch mit Tausenden von farblichen Nuancen oder wie auf der unter der Sonne glitzernden Meeresoberfläche, in keinem einzigen Augenblick ein wirklich statisches System erstellt werden kann – dieser ständige Wandel ist nun gerade das, was wir die Wirklichkeit der Sprache nennen (Coseriu 1971: 52).

Die Sprache ist also im ständigen Wandel begriffen. Was aber konstant bleibt, sind die Funktionen der Sprache, d. h. das, wofür wir die Sprache eigentlich verwenden. Dieses Thema zieht auch die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich, deshalb ist die Zahl der Sprachfunktionen, auf die in verschiedenen Arbeiten zu diesem Thema verwiesen wird, relativ groß. Wir möchten nur auf einige, die grundlegendsten und allgemein anerkannten Funktionen der Sprache eingehen, aber es wird schon aus diesen Beispielen  ersichtlich, dass auch über die Funktionen der Sprache die Sprachforscher in metaphorischen Bildern und Gestalten reflektieren.  

Eine fundamentale Funktion der Sprache ist die kommunikative Funktion, d. h. Einsatz der Sprache für die Kommunikation. Vgl.: „Wir Menschen verfügen über ein Werkzeug, das uns erlaubt, den unermesslichen Reichtum unserer Gedanken miteinander zu teilen“ (Pinker 2006: 1). Aber die Sprache dient auch noch zu anderen Zwecken als nur dazu, Gedanken auszutauschen.

In einer festen Verbindung mit dem kommunikativen Aspekt der Sprache steht ihr pragmatischer  Bestandteil, der auf die Intention der Diskursteilnehmer abzielt. In dieser Funktion zeigt sich die soziale Natur der Sprache – zur Hervorbringung des geringsten Sprechaktes sind mindestens zwei Personen erforderlich, nämlich Sprecher und Hörer, und die verwendeten sprachlichen Zeichen müssen für eine bestimmte Sprachgemeinschaft verständlich und akzeptabel sein. Das Spiel als Form eines zielgerichteten (intentionalen) Handelns, das von bestimmten Regeln geleitet wird und eine anschauliche Form des Gegeneinanders darstellt, scheint mit der pragmatischen und sozialen Funktion der Sprache gut zu korrelieren.  

„Die Sprache soll der Verständigung eines Bauenden A mit einem Gehilfen B dienen. A führt einen Bau auf aus Bausteinen; es sind Würfel, Säulen, Platten und Balken vorhanden. B hat ihm die Bausteine zuzureichen und zwar nach der Reihe, wie A sie braucht. Zu dem Zweck bedienen sie sich einer Sprache, bestehend aus den Wörtern „Würfel“, „Säule“, „Platte“ „Balken“.  A. ruft sie aus; - B bringt den Stein, den er gelernt hat, auf diesen Ruf zu bringen“ (Wittgenstein 1990: 182).  

Die dargestellte Szene ist ein kommunikatives Handlungsspiel, in dem sich alle Elemente der Spielmatapher wiederfinden: Spieler sind der Bauende und sein Gehilfe; Spielfeld ist der Bauplatz; Spielelemente sind die Bausteine und die Wörter; die Spielregel besteht darin, dass der Gehilfe einen Baustein bringt, wenn der Bauende ihm das betreffende Wort zuruft; organisierendes Prinzip des Spiels ist die Aufgabe, den Bau hochzuziehen. Die verwendeten Wörter haben die Funktion von Anweisungen (es wird eine Sprache verwendet, die nur aus Befehlen besteht).  Das ist ihr pragmatisches Prinzip.

Die Spiel-Metapher als Referenz auf die kommunikative Funktion der Sprache wird ergänzt und erweitert mit dem Ziel, die uneingeschränkten Möglichkeiten der Sprache hervorzuheben. Die Kommunikation ist in diesem Bild die Altstadt, deren Verwinklung  sich nicht auf ein einziges Modell (oder auch: eine fest abgegrenzte Menge von Sprachspielen) reduzieren lässt. Vgl.: „Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gässchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern (ebd., 184).

Dass zwischen diesen Modellen Querverbindungen bestehen, zeigt noch eine Stadt-Metapher: „Sie (Sprache) ist geworden wie eine große Stadt: Kammer an Kammer, Fenster an Fenster, Wohnung an Wohnung, Haus an Haus, (...), Viertel an Viertel, und das alles ineinander geschlachtet, miteinander verbunden, durcheinander geschmiert (Schneider 1991: 17).

Die kognitive Funktion der Sprache wurde erst mit der Herausbildung der kognitiven Wissenschaften in den Vordergrund gerückt. Obwohl es Meinungen gibt, „die Beziehung zwischen Sprache und Denken zu analysieren sei ein wenig, als versuchte man eine Wolke zu umarmen“ (R. Langacker –In: Texte, Themen uns Strukturen, S. 377), wendet man sich dieser Problematik unermüdlich zu, um einem wesentlichen Teil der menschlichen Kognition – der Sprache auf die Spur zu kommen. In ihrer kognitiven Funktion lässt sich die Sprache als mentales Phänomen („mentales Organ“, „neuronales System“ oder als „Berechnungsmodul“ – Schwarz 1996: 39 ff.) mit eigenständigen Gesetzmäßigkeiten beschreiben. Sehr verbreitet und erwiesen ist auch der Ansatz, dass man vom sprachlichen Kenntnissystem auf die Einstellungen und Denkmuster, also auf die Mentalitäten einer gegebenen Gesellschaft schließen kann. „Der Wortschatz wächst und verarmt, der Satzbau wird schlank oder formelhaft; diese jeweilige Verfassung einer Sprache steht mit Volkscharakter und Volksgeist in unlösbarer Wechselwirkung. Ob das Denken erstarrt oder beweglich bleibt, ob das Urteil lebendig ist oder konventionell, ob die Geisteshaltung kraftvoll ist oder schlaff und der Geist schwungvoll oder papieren: das alles wird zum guten Teile vom Zepter der Sprache regiert“ (Reiners 1943: 15).

Die Daten, die für die kognitiven Modelle sprechen, haben auch Erneuerungen theoretischer Art zum Verständnis des gesamten Sprachverhaltens einschließlich der sprachlichen Kompetenzen wie Sprachvermögen, Spracherwerb, Rezeptions- und Produktionsmodelle geliefert. In diesen Konzeptionen findet die Sprachfähigkeit auch auf andere Weise einen Weg.

Steven Pinker meint, die Sprache sei kein kulturelles Artefakt, sondern eine komplexe, hochentwickelte Fertigkeit. Sprache ist genauso wenig eine kulturelle Erfindung wie der aufrechte Gang. Instinkt – In diesem Begriff drückt sich die Vorstellung aus, dass das Sprachvermögen des Menschen mehr oder weniger mit der Webkunst der Spinne vergleichbar ist. Vgl.: „Die Herstellung eines Spinnennetzes wurde nicht etwa von irgendeinem in Vergessenheit geratenen Sinnengenie erfunden und ist unabhängig von einer soliden Ausbildung oder der Begabung zum Architekten oder Bauingenieur. Vielmehr spinnt eine Spinne ihr Netz, weil sie ein Spinnengehirn besitzt, das in ihr den Drang zu spinnen weckt und sie befähigt, diesem Drang mit Erfolg nachzugeben“ (Pinker  1999: 392).

Die These, dass bei den fundamentalen Kategorisierungen alle Sprachen von ähnlichen kognitiven Mechanismen geformt werden und dass die Sprachen nie allzu weit auseinandertreiben, so dass die Verständigung möglich bleibt,  klingt natürlich sehr erfreulich, aber es gibt auch eine andere Seite der Medaille, und zwar sind das die Spezifik  und die Eigenart jeder Sprache, die sie für die jeweilige Sprachgemeinschaft „zu einem außergewöhnlichen und wunderbaren Geschenk machen“ (Pinker 2006: 1).  

Die außerordentliche Bedeutung, die der Sprache im Kontext der nationalen und kulturellen Fragen zukommt, drückt sich in folgenden Metaphern aus: „Die Sprache ordnet die Welt, und eben darum regiert sie zum guten Teil den geistigen Haushalt der Nation. ... die Sprache ist nur eine der mannigfachen Kräfte, die den Geist und Charakter einer Nation beeinflussen. Auch im Kampf der Nationen sind Glanz und Kraft einer Sprache von jeher gewichtige Trümpfe gewesen. Jeder Verfall des Volksgeistes schlägt sich in der Sprache nieder, jede Krankheit der Sprache zieht den Volksgeist mit herab“ (Reiners 1943: 11 –13).

Diese metaphorischen Projektionen demonstrieren eine starke emotionale Bindung der Sprecher zur Sprache. Die Sprecher sehen sich als Teil der Nation, innerhalb derer eine oder mehrere Sprachen als Konvention gelten, und die Sprache wird somit zum integralen Bestandteil der Persönlichkeit. Diese identitäts- und sinnstiftende Funktion der Sprache macht die Beziehungen zwischen zwei Konzepten – „Mensch“ und „Sprache“ – so verschiedenartig, dass sie im linguistischen Diskurs ständig ihre semantischen Rollen austauschen.

Die Sprache kann als handelndes Wesen agieren. Die Vitalisierung der Sprache wiederum lädt zu Antrophomorphisierungen ein: die Sprache sucht nach Lösungen, sie merzt aus, sie verführt, kämpft ums Dasein und siegt. Und weil die Sprache das alles recht klug und geschickt tut, wird sie zu gutem Letzt mit einem „Geist“ versehen, der in ihr waltet (Keller 1990: 20). Ausgestattet mit dem Geist, zwingt uns die Sprache, in bestimmten Formen zu denken, zu fühlen, ja sogar wahrzunehmen (Reiners 1943: 11). Die Sprache kann pervers, verdreht, sogar sadistisch sein (Pinker 2006). Aber sie kann auch überraschen und begeistern, amüsieren  und faszinieren.

Den Benutzern der Sprache kann auch eine agierende Rolle zugewiesen werden. Die Sprache tritt in solchen Fällen als menschliches Artefakt auf: man kann die Sprache entwerfen, ausbauen.

In der erweiterten Metapher wird das kulturbotanische Konzept aktualisiert. Die Sprache  wird mit einem Park gleichgesetzt, sie ist also teils Naturobjekt, teils Artefakt: „Manche Teile des Parks, durch den der Weg führt, machen einen verwilderten Eindruck: da ist offenbar lange kein Gartner vorbeigekommen“ (Thalmayer 2005: 12)…

Betrachten wir noch eine Ebene des konzeptuellen Raums „Sprache“ - Sprache im Sinn von Einzelsprachen wie Deutsch, Russisch, Englisch usw. Unser Interesse gilt der deutschen Sprache, über die die Sprachforscher schon so viel geschrieben haben. Die Metapher, die die deutsche Sprache darstellt, entstammt einem gebräuchlichen Metaphernbereich und kann somit leicht „dekodiert“ werden:  

Nicht unbillig wird die Hochdeutsche Sprache einem fruchtbaren Baume verglichen / welcher nicht allein seine saftreichen Wurzeln / so sich in der Erden weit und reumig ausbreiten / tief eingesetzet hat / sondern auch seine fruchtbaren Zweige / Reiser und Nebensprösslein in unzehlbarer Menge / wundersamer Mannigfaltigkeit / auch herrlicher Lust und Pracht heraustreibet. Sintemal dieser ansehnliche Sprachbaum / aus seinen vielen Stammwörtern einen solchen grossen Vorraht hervorgiebet / dass noch niemand auf Erden gefunden worden / welcher der Reichtum seiner Wunder / so durch dessen glückliche Auswachs- und Fortpflanzung sich zu tage legen / gnugsam undersuchet / und völlig erkannt hätte (K. Stieler – In: Thalmayr 2005).

Die lexikographischen Quellen, die mit wissenschaftlicher Kompetenz Orientierungen im Bereich „Sprache“ geben, enthalten auch eine Reihe von Metaphern, die zur Erklärung komplizierter sprachlichen Gegebenheiten herangezogen werden. Einige der lingiustischen Metaphern sind zwar explizit als „theoriekonstitutive Metapher“ eingeführt worden. Im Laufe der Zeit wurden sie  aber so oft gebraucht, dass sie mit Usualität verblassten und in der Sprachtheorie schon den Status der konventionellen Metaphern erlangt haben. Diese Metaphern basieren auf den Konzepten, die verschiedenenen semantischen Feldern entstammen: „Organismus“, „Raum“, „Technik“, „Gebäude“ usw. Vgl.: Sprachkörper, Sprachtod, Sprachfeld, Sprachgebiet, Sprachmodell, Sprachbau,  Spracherzeugung u. a. m. (Bussmann 1990).

Wie schon eingangs erwähnt wurde, ist die Sprache eine ziemlich komplizierte Angelegenheit. Sie besteht aus einer Menge Komponenten, die von den Sprachwissenschaftlern aus den Sprachorganen und – geweben, in die sie eingebettet ist, herausgefiltert werden. Auch hier wird die Metapher eingesetzt, um diesen Erscheinungen fassbare Gestalt zu verleihen. So sagt man zum Beispiel über die „Bedeutungen“, dass sie  das semantische Minenfeld bilden oder dass sie sich im Laufe der Zeit wie die Kaninchen vermehren. Die Bedeutungen können alle möglichen Mäander bilden, sie können sich verästeln und verzweigen wie der Lauf eines wilden Flusses, der in ein breites Delta mündet (Thalmayr 2006).

 

3. Fazit

Das Material des Beitrages gestaltet nur ein Eckchen (Pinker 2006: 275) der Sprache als linguistischer Erscheinung im Spiegel der Metapher, aber die bereits angeführten Beispiele zeugen davon, dass metaphorische Bezeichnungen der Sprache im metasprachlichen Diskurs gar nicht vereinzelt und sporadisch sind. Was auf der Hand liegt: die Einsicht der Komplexität, Variabilität, Widersprüchlichkeit des Phänomens „Sprache“ zwingt die Sprachforscher dazu, nach verfeinerten, aber auch verständlicheren, einfacheren Mitteln zu suchen, um die Sprache in all ihren Erscheinungsformen und Gestalten vorzustellen.  

Die Metaphern sind ein reicher Born an Erkenntnissen über Sprache (ebd. 248). Die Produktivität des Verständnisses der Sprache mittels der Metaphern wird durch die Zahl der eingesetzten konzeptuellen Ressourcen belegt, die ihrerseits aufgrund der semantischen und assoziativen Ähnlichkeit in verschiedene größere oder kleinere thematische Modelle synthetisiert wurden: Antrophomorphisierungen, Pflanzen-Metaphorik, Artefakte, Medizin, Technik usw.

Diese komplexen Metaphernbereiche illustrieren noch einmal nachdrücklich, dass die Metaphorik im metasprachlichen Diskurs weit mehr ist als eine bildlich-ornamentale Repräsentation von Sprache. Sie ist Fragment und Form eines komplexen metasprachlichen Wissens, sie schafft immer neue Bilder und Spracheinstellungen, die die Tatsachen der Bildung, der Funktionen, der Entwicklung, der Diachronie und Synchronie der Sprache zusammenfassen. Daher ermöglichen die metaphorischen Beschreibungen der Sprache in linguistischen Studien die skizzierte Schaffung des semantischen Prototyps der Sprache.

So wurden im Laufe unserer Analyse viele  Definitionsmerkmale der Sprache „entdeckt“: Evolution (uneingeschränkte Fähigkeit zur fortwährenden Entwicklung und zum ständigen Wandel); uneingeschränkte semantische Leistung der Sprache (die grundsätzliche Uneingeschränktheit in der Fähigkeit zur Vermittlung der Information bezüglich beliebiger Bereiche der wahrnehmbaren und imaginären Fakten); erkenntnishafter Charakter der Sprache, enorme Ausdruckskraft der Sprache, die in der Produktion immer neuer Analogien besteht u.a.m.

Ein wesentliches Merkmal der Sprache ist ihre Dualität. Die analysierten Metaphern haben diesen Aspekt der Sprache genau spezifiziert, und es haben sich dann folgende Antinomien (Dichotomien) der Sprache herauskristallisiert: Antinomie des Objektiven und Subjektiven in der Sprache; Antinomie der Sprache als Tätigkeit und Ergebnis der Tätigkeit; Antinomie der Beständigkeit und des Wandels in der Sprache; Antinomie des Materiellen und Ideellen; Antinomie der ontologischen und  gnoseologischen Natur der Sprache; Antinomie der Sprache als Naturphänomen und Artefakt; Antinomie des Individuellen und Kollektiven in der Sprache usw.

Eine große Rolle spielt auch die Mannigfaltigkeit der Versprachlichung der kognitiven Modelle, die das Phänomen „Sprache“ beschreiben. Als Metaphernlexeme, die auf die Übertragung aus einem konzeptuellen Bereich auf den anderen hinweisen, treten die verschiedensten lexikalischen Einheiten auf: Verben, Nomen, Adjektive, Adverbien usw.  

Jedes linguistische Paradigma hat seine eigene Metaphorik über die Sprache. So entstehen mit der Zeit zahlreiche Bildwelten der Sprache. Diese alternativen metaphorischen Konzeptualisierungsweisen von Sprache öffnen einen Zugang zu neuem Wissen  über diesen äußerst komplexen Sachverhalt und machen somit die Sprache zu einem immer aufs Neue faszinierenden Erbstück (Pinker 2006: 2).

 

Literatur:


5.7. Fachsprachen – Kreativität und Verstehensprobleme

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For quotation purposes:
Larissa M. Njubina, Roman Beljutin: Metaphorische Reflexionen über die Sprache im linguistischen Diskurs - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/5-7/5-7_njubina-beljutin17.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-04-02