TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Juni 2010

Sektion 6.5. Die Künste und Menschenrechte / The Arts and Human Rights
Sektionsleiter | Section Chair: Sebastian Wogenstein (University of Connecticut, Storrs, USA)

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Sektionsbericht: 6.5.

Die Künste und Menschenrechte /
The Arts and Human Rights

Sebastian Wogenstein (University of Connecticut, Storrs) [BIO]

Email: sebastian.wogenstein@uconn.edu

 

Ziel der Sektion Die Künste und Menschenrechte war es, eine Diskussion über die Bedeutung der Künste für die Idee der Menschenrechte anzuregen und zugleich über die Rolle der Künste in politischen Kontexten zu diskutieren, in denen Menschenrechte eingeklagt oder Menschenrechtsverletzungen thematisiert werden. Anhand von Einzelfällen wurden einerseits Beispiele für eine Wechselbeziehung zwischen der Idee der Menschenrechte und den Künsten erörtert, andererseits auch über theoretische Aspekte der zu berücksichtigenden Faktoren, Mechanismen und Dilemmata gesprochen.

Sabine Buck (Universität Göttingen) eröffnete mit ihrem Beitrag (K)eine Ästhetik ohne Ethik: Die Rolle der Ethik in der zeitgenössischen Literaturbewertung die Sektion. Am Beispiel ausgewählter Rezensionen ausgewählter Gegenwartstexte zeigte Buck, dass ethische und ästhetische Werturteile in der Kommunikation über Literatur miteinander verbunden sind und in welchem qualitativen und quantitativen Verhältnis diese zueinander stehen.

Sebastian Wogenstein (University of Connecticut) verwies in seinem Beitrag Im Reich der Zwecke: Das Subjekt der Kunst und die Menschenrechte auf die Subjektfunktion, die Kunstwerken eigne. In struktureller Analogie zu menschlichen Subjekten bedeute das Missverständnis oder der Missbrauch von Kunstwerken als Mittel und nicht als Zweck eine Verletzung der Würde, d.h. des innersten Wertes. Wogenstein vertrat die Auffassung, dass im Menschenrechtskontext die Bedeutung der Kunst in ihrer Autonomiesetzung als Korrektiv politischer Vereinheitlichung liege.

Margarete Fuchs (Universität Tübingen) ging in ihrem Beitrag Rechtsproduktion durch Subversion: Kracauers Roman Ginster, Warburgs Ikonologie und die Herstellung von Menschenrechten den performativen Aspekten nach, durch die Menschenrechtsdiskurse einer prozesshaft verstandenen Kultur entspringen. Obgleich selbst Teil der Kultur, schaffen Kunstwerke eine Distanz, die beispielsweise bei Kracauer die Rechtsproduktion durch eine "Versenkung ins Material" der Sprache beleuchten oder in Warburgs Verständnis von Kunstwerken als "Energiekonserven" zeitliche und räumliche Grenzen überschreiten.

Eliza Szymańska (Uniwersytet Gdański) setzte sich in ihrem Beitrag Die Rezeption von Franz Kafkas Der Proceß im polnischen Theater der 80er Jahre mit Bühnenversionen des Romans im Polen der 80er Jahre, nach der Solidarność-Streikbewegung und ihrer Niederschlagung, auseinander. Anhand der Beispiele von Inszenierungen Henryk Baranowskis (1980), Lech Raczaks (1983) und der Adaption von Henryk Boukołowski und Magda Teresa Wójcik (1986) zeigte Szymańska, auf welche Weise das Theater Kommunikationssituationen auf verschiedenen Ebenen herzustellen vermag, die die Zensurversuche der totalitären Herrschaft unterlaufen und so eine politische Wirkung entfalten.

Yomb May (Universität Bayreuth) untersuchte in seinem Beitrag Menschenrechte für die Wilden? Widersprüche zwischen Instruktionen und Wirklichkeit in der literarischen Weltreise Georg Forsters mit Forsters Reisebericht eines der Gründungsdokumente einer kritischen Wahrnehmung der europäisch-südpazifischen Kulturbegegnung im Zeitalter der Aufklärung. May verwies darauf, dass Forster, indem er die Begegnung zwischen Europäern und Insulanern vom Standpunkt der Nichteuropäer aus zu betrachten versucht, er die paradigmatischen Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Umgang der Europäer mit Bewohnern nichteuropäischer Kulturen vor Augen führt und zugleich dasjenige problematisiert, was Europa seit der Aufklärung vielleicht am meisten für sich beansprucht hat: den Export der Menschenrechte.

Vrääth Öhner (Wien) beschäftigte sich in seinem Beitrag Anklage und Verteidigung. Zu Rolle und Funktion von dokumentarischem Bildmaterial in deutschen TV-Sendungen über NS-Verbrechen mit den Implikationen von Bildauswahl und -anordnung. Im Unterschied zum Essayfilm, der die Anordnung des Bildmaterials selbst zum Thema macht, kann der Kompilationsfilm, in dem vorhandenes Material aus Archiven am Schneidetisch zusammengestellt wird, aus der bloßen Juxtaposition des Materials vorher nicht vorhandene Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge suggerieren. Die Beliebtheit der Verwendung von Kompilationsfilmen zu Propagandazwecken ist auf diese Macht der Auswahl und Zusammenstellung der Bilder zurückzuführen. Vor diesem Hintergrund bot die Analyse von Kompilationselementen in deutschen TV-Sendungen über NS-Verbrechen Einblick in Strategien der Verteidigung und Anklage und deren geschichtliche Veränderungen.

Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien) wandte sich mit ihrem Beitrag Towards a universalization of holocaust memory? Visuelle Repräsentationen des österreichischen Gedächtnisses der Frage zu, wie veränderte Darstellungen oder Interpretationen von Bildern die Wahrnehmung der Vergangenheit ändern. Am Beispiel Österreichs zeigte sie verschiedene Phasen der nationalen Selbstbezugnahme im öffentlichen Bildrepertoire. Das Imaginaire der Gesellschaft reicht dabei von der Opferthese, die Österreich als ein Opfer des Faschismus unter anderen stilisiert, über negative nationale Selbstbezugnahme hin zur populistischen Opferthese, die Österreich als ein Opfer des Kampfes gegen den Antifaschismus betrachtet.


6.5. Die Künste und Menschenrechte / The Arts and Human Rights

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For quotation purposes:
Sebastian Wogenstein: Sektionsbericht 6.5.: Die Künste und Menschenrechte / The Arts and Human Rights - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/6-5/6.5_sektionsbericht17.htm

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