TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. September 2008

Sektion 7.12.

Eliten als Orientierungsgeber oder als ‚Sozialschmarotzer’? Zur soziokulturellen Bedeutung von Elitehandeln in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

Sektionsleiterin | Section Chair: Jens Aderhold (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und ISInova – Institut für Sozialinnovation e.V. Berlin)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Intellektuelle als Eliten? Eliten als Orientierungsgeber? −

Ein Plädoyer für die Integration der Intellektuellensoziologie in die Elitensoziologie

Philipp Korom (Karl-Franzens-Universität Graz/Österreich) [BIO]

Email: philipp.korom@uni-graz.at

 

Ich möchte ein Plädoyer für die Integration der Intellektuellen- in die Elitensoziologie halten. Meine Argumente für eine Integration dieser gänzlich voneinander abgeschnittenen Forschungszweige bauen einerseits auf theoretischen Überlegungen, andererseits aber auch auf einer jüngst durchgeführten empirischen Studie über österreichische Intellektuelle auf.(1) Auf der analytischen Ebene möchte ich nachweisen, dass definitorische Abgrenzungsversuche zwischen Intellektuellen- und Elitenforschung wissenschaftstheoretisch nicht haltbar sind. Auf der Eben der „harten Fakten“ - damit meine ich die Studienergebnisse zu 107 österreichischen, öffentlichen Intellektuellen aus der Gegenwart - soll gezeigt werden, dass das Nebeneinander der beiden Bindestrichsoziologien dem Wissensfortschritt abträglich ist.

 

1. Über die wechselhafte Konjunktur eines Forschungsthemas: Die Macht der Intellektuellen

Die Notwendigkeit, Sozialwissenschaftlern ins Gedächtnis zu rufen, dass es sich bei Intellektuellen um machtvolle Eliteangehörige handelt, scheint mir heute mehr als je zuvor gegeben. Schließlich haben Sozialwissenschaftler diese Sichtweise auf die Intellektuellen – wie es mir scheint – weitgehend aufgegeben. Während des Bestehens des Ostblocks verhielt es sich mit der Zuschreibung von Macht und Einfluss umgekehrt: Linke, mit dem Kommunismus sympathisierenden Intellektuelle wurden aus ihren eigenen Reihen scharf kritisiert. Die Kritiker sahen es geradezu als ihre gesellschaftlichen Verantwortung, Angehörige ihrer eigenen geistigen Familie als irrationale, orakelnde Ideologieanhänger zu demaskieren, die eine ganze Gesellschaft in die Irre führen könnten. Wer aber eine ganze Bevölkerung auf Abwege bringen kann, der muss mächtig sein.

Wenn Julien Benda den Intellektuellen Verrat(2)an den universellen Idealen der Intellektuellen vorwarf, dann wohl vor allem deswegen, weil er ihr Eintreten für Ideologien, National- und Klasseninteressen als politisch einflussreich einschätzte. Ich habe auch keine Zweifel daran, dass der französische Soziologe Raymond Aaron sein Buch Opium für Intellektuelle(3) deswegen verfasste, weil er die Ideen der französischen linken Intellektuellen, die damals mehrheitlich eine die Wirklichkeit verfälschende Pseudovernunft propagierten, als relevante politische Kräfte einschätzte. Auch der deutsche Antisoziologe Helmut Schelsky hätte in seiner polemisch gehaltenen Schrift Die Arbeit tun die anderen(4) die Intellektuellen nicht als Reflexionselite tituliert und sie aufgefordert, ihre angeblich illegitime Kritik an den staatlichen Autoritäten bleiben zu lassen, wenn er der linken deutschen Intelligenz nicht einen erheblichen gesellschaftlichen Einfluss zugewiesen hätte. Eine Auflistung der Kritik an Intellektuellen, vornehmlich linken Intellektuellen(5), könnte beliebig weitergeführt werden. Für meine Zwecke scheint es aber fruchtbarer, aufzuzeigen, dass auch in theoretischen soziologischen Werken Intellektuellen während der Vorherrschaft des Kommunismus im Osten besondere Machtpositionen zugeschrieben wurden. Man denke an György Konrád und Iván Szelényis 1978 verfasstes Essay Die Intelligenz auf dem Weg zur Klassenmacht(6). Die Autoren machten sich daran, das Nicht-Vorhandensein der Intellektuellen in der marxschen Klassentheorie zu revidieren. Die Marxsche Dichotomie von Arbeitern und Bourgeoisie spart die Intellektuellen, und somit nicht zuletzt Marx und Engels selbst, gänzlich aus. Konrád und Szelényi führen die Intellektuellen als machtvolle Sozialakteure – zumindest in der Theorie - wieder ein: Die Marktwirtschaft hätte der osteuropäischen Intellektuellen nicht genug Handlungsspielräume ermöglicht, weshalb sie für eine Gesellschaft kämpfen musste, in der sie, an die Stelle der Bourgeoisie tretend die Wirtschaft ihren Interessen unterordnen konnte. Mit anderen Worten: Kommunistischen Parteien würden in erster Linie von der Klasse der Intelligenz angeführt werden. Diese Bewertung scheint uns aus heutiger Perspektive nicht nachvollziehbar – nichts desto trotz dient sie doch zur Untermauerung meiner These, dass in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts Intellektuelle mehr denn je als machtvolle Gesellschaftsmitglieder gesehen wurden.

In eine ähnliche Kerbe wie Konrád und Szelényi schlug Gouldner mit seinem 1980 verfassten Buch Die Intelligenz als neue Klasse(7). Gouldner sprach von dem Aufkommen einer neuen Klasse. Diese würde sich im Gegensatz zur „alten“ Besitzklasse durch Humankapital, einen elaborierten linguistischen Code und die Kultur des kritischen Diskurses (CDD) auszeichnen und würde ihr Fachwissen zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen gebrauchen.

Die bisherigen kurzen Ausführungen sollen gezeigt haben, dass, wenn Soziologen über Intellektuelle schrieben, sie sich auch mit Macht auseinandersetzten. Meine These lautet, dass dies heute nicht mehr der Fall ist. Die einzige Ausnahme stellt das umfangreiche Werk von Bourdieu(8) dar. Nach Boudieu befindet sich der Intellektuelle als Kulturkapitalbesitzer mit der finanzkräftigen Klasse in einem ständigen Kampf um die Definition der letztendlich legitimen Form von Herrschaft – kulturelle oder ökonomische Herrschaft. Er charakterisiert die Intellektuellen soziostrukturell als „beherrschte Herrschende“. Denn einerseits zeige sich, dass die Besitzklasse oftmals stärkere Ausgangspositionen habe, andererseits würden Intellektuelle – so zumindest in der Wahrnehmung von Bourdieu – als Fürsprecher für die schlechthin Beherrschten auftreten und sich von Zeit zu Zeit mit ihnen gegen die Besitzklasse verbünden. Wobei Bourdieu hervorhebt, dass sie selbsternannte Wortführer des Proletariats sind und auch ihre ureigenen Interessen verfolgen könnten.

Nach Boudieu kann symbolische Produktion, also etwa die viel beachteten Eröffnungsreden Intellektuellen zum Beginn der Salzburger Festspiele, durchaus politische Auseinandersetzungen dominieren. Bourdieu hebt hervor, dass das Monopol der Intellektuellen das Entwerfen von Vorstellungen über die (soziale) Welt ist:

Es ist nicht dasselbe ob man jemanden sagt: „Was dir zustößt, kommt daher, weil du eine unglückliche Beziehung zu deinem Vater hattest“ oder „Was dir zustößt, kommt daher, weil du ein Proletarier bist, dem man den Mehrwert stiehlt“.(9)

Es sind also nicht immer die Wortführer aus der Wirtschaft und Politik, die bestimmen, was als legitimer Diskurs oder gar als gerechtfertigte politische Maßnahme zu gelten hat. Auch Intellektuelle können spezifische Denkkategorien durchsetzen und so indirekt den „politischen Apparat“ entscheidend beeinflussen.

Bourdieus Entwurf des universellen Intellektuellen und Foucaults Gegenentwurf(10), nämlich die theoretische Konzeption des spezifischen Intellektuellen (s. weiter unten), sind die letzten soziologischen Versuche, die Intellektuellen unter einer machtheoretischen Perspektive zu erfassen. Alle anderen, neueren Schriften in der Intellektuellensoziologie(11) diskutieren „Das Ende der Intellektuellen“, „Das Jahrhundert der Intellektuellen“, „Den Niedergang der Intellektuellen“ u. ä., ohne die Intellektuellen in der Gesellschaft zu verorten. Es geht diesen Autoren allein darum, die soziologische Kategorie „Intellektueller“ genauer zu erfassen und den Transformationen des Strukturtypus „Intellektueller“ unter verschiedenen gesellschaftlichen Bedingungen auf den Grund zu gehen. Gänzlich vergessen wird dabei, dass Intellektuelle mit anderen sozialen Gruppen verflochten sind, auf sie Einfluss ausüben können und sie – um auf Bourdieus Terminologie zurück zu greifen – durch den Einsatz unterschiedlicher Kapitalsorten um die besseren gesellschaftlichen Positionen untereinander und mit Akteuren anderer Gesellschaftssphären (Wirtschaft, Politik) konkurrieren.

Die erste Forderung in diesem Plädoyer lautet daher: Die Intellektuellen sollen von Sozialwissenschaftler wieder aus einer machtheoretischen Perspektive betrachtetwerden. Es soll daher danach gefragt werden, welche Machtquellen Intellektuelle besitzen und in welchen Ausmaß sie auf andere Einfluss nehmen bzw. welche (gesellschaftlich relevanten) Konsequenzen diese Einflussnahme haben kann. Als mächtig möchte ich dabei all jene betrachten, die möglichst viele andere Akteure durch bestimmte Machtstrategien dahingehend beeinflussen können, dass sie identische Ziele und Bestrebungen entwickeln, wie der handelnde Akteur sie selbst besitzt.

Die zweite Forderung ist untrennbar mit der ersten verbunden: Der Intellektuelle sollte nicht mehr als homo clausus behandelt werden. Schließlich tritt er stets in der Öffentlichkeit auf, um auf andere Einfluss zu nehmen. Er ist in Figurationen eingebunden, und je nachdem stehen ihm unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Eine adäquate soziologische Analyse darf daher Intellektuelle nicht als isolierte Individuen auffassen. Soziale Kontexte müssen berücksichtigt werden.

Nachdem ich die wechselhafte Konjunktur des Forschungsthemas „Die Macht der Intellektuellen“ beschrieben habe, möchte ich nun die Begriffe „Elite“, „Intellektuelle“ und „Macht“ erörtern. Mein Anliegen ist es aufzuzeigen, dass „Eliten“ und „Intellektuelle“ nicht als unterschiedliche Gegenstände betrachtet werden müssen. Oder vorsichtig formuliert: Dass Interferenzen Unterschiede überwiegen. Als wichtigste Querverbindung zwischen den beiden soziologischen Kategorien sehe ich die Macht mit all ihren vielseitigen Ausprägungen.

 

2. Über die definitorische Ausklammerungsversuche spezialisierter Elitesoziologen

Bevor ich zum Kern des Plädoyers vordringe, sollen noch einige definitorische Ausklammerversuche deutscher Elitensoziologie angeführt werden. Sie finden es nicht der Mühe wert, Intellektuelle als Elite zu untersuchen. Das soll an wenigen Beispielen nachgewiesen werden:

In der Potsdamer und Mannheimer Elitestudien(12) wird die so genannte Positionsmethode angewendet, um zu einer objektiven Definition von nationalen Eliten, also von Personen zu kommen, die an den für die Gesamtgesellschaft zentralen Entscheidungen maßgeblich und regelmäßig mitwirken. Es werden ausschließlich Führungspositionen aus den Hauptsektoren Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Massenmedien, Wissenschaft, Militär und Kultur betrachtet. Die Begründung für diese selektive Stichprobenziehung lautet: Wir benötigen ein objektives Kriterium. Als ein solches kann am besten die institutionalisierte Macht herangezogen werden, bei welcher die Herrschenden einen rechtlich begründeten Anspruch auf Macht haben. Nur wer in gehobenen Positionen sitzt, kann regelmäßig und maßgeblich auf seine von der Gesellschaft als legitim betrachteten Machtressourcen zurückgreifen. Jene, die kein bedeutsames Amt inne haben, aber dennoch Einfluss ausüben werden als graue Eminenzen(13) bezeichnet, die man weitgehend vernachlässigen könnte.

Der wohl populärste deutschsprachige Eliteforscher, Michael Hartmann, selektiert nochmals. Seine (vergleichenden) Analysen(14)  konzentrieren sich alleine auf die besonders mächtigen Positionseliten, also auf die Sektoren Politik, Verwaltung; Justiz und Wirtschaft.

Auch in allen einschlägigen Buchneuerscheinungen(15) zur Elitensoziologie tauchen die Intellektuellen nicht einmal in der Fußnote auf. Wenn wir all diese Beobachtungen auf eine Kurzformel bringen müssten, so könnte diese  folgendermaßen lauten: Elitesoziologen interessieren sich für die wirklich Mächtigen in der Gesellschaft, zu denen die Intellektuellen nicht gezählt werden sollen.

Diese Abgrenzung soll hier kritisch hinterfragt werden. Als Ausgangspunkt möchte ich die Elitendefinition von Dreitzel wählen, der auch von Spitzenpositionen spricht, aber neue, für meine Argumentation wichtige Akzente setzt:

…diejenigen Inhaber von Spitzenpositionen in einer Gruppe, Organisation oder Institution, die auf Grund einer sich wesentlich am (persönlichen) Leistungswissen orientierenden Auslese in diese Positionen gelangt sind, und die kraft ihrer Positionsrolle die Macht oder den Einfluss haben, über ihre Gruppenbelange hinaus zur Erhaltung oder zur Veränderung der Sozialstruktur und der sie tragenden Normen unmittelbar beizutragen oder die aufgrund ihres Prestiges eine Vorbildrolle spielen können, die über ihre Gruppe hinaus das Verhalten anderer normativ mitbestimmt [eigene Hervorhebungen].(16)

Ja, Intellektuelle sind in der Regel keine Inhaber von Spitzenposition. Wobei die Frage, auf welchen Prozentsatz der Intellektuellen diese Aussage zutrifft, eine empirisch zu beantwortende Frage ist. Dass Leistungswissen auch für Intellektuelle nicht irrelevant ist, werden wir noch sehen. An dieser Stelle möchte ich nur näher auf den normativen Einfluss von Eliten augrund von Prestige eingehen. Das scheint mir doch ganz interessant, wenn man bedenkt, dass jeder einzelne Staatsbürger vor die Aufgabe gestellt wird, aus einer Vielfalt von moralischen Urteilen, sozialen Normen und Werten seine politische Haltung zu konstruieren. Schließlich kann er/soll er Stellung beziehen, wenn ein Umfeld gesellschaftsrelevante Themen diskutiert: Soll der Frauenanteil in Spitzenpositionen durch Quotenregelungen gehoben werden? Soll unter die nationalsozialistische Vergangenheit Österreichs endlich ein Schlussstrich gezogen werden? Sollen Kinder in die Gesamtschule? Soll die österreichische Neutralität abgeschafft werden? Sollen wir Verbrecher einsperren? Sind wir auf genmanipulierte Lebensmittel angewiesen? Ist Sterbehilfe mit Humanität vereinbar?

Für diese und andere Fragen sind keine letzten Instanzen reserviert, die ein Deutungsmonopol für sich beanspruchen könnten, dennoch kennen wir Spezialisten, die geübt sind, soziale Phänomene zu vergeistigen, ihre Genese zu erklären und ihre Auswirkungen mit Weitblick zu analysieren. Für diese Spezialisten hat sich der Begriff Intellektuelle etabliert. Diese professionellen Denker entwerfen die Definition dessen, was wesentlich und was unwesentlich ist, was würdig ist, dargestellt zu werden und was nicht. Sie bestimmen ganz wesentlich die Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien, derer wir uns bedienen, wenn wir unsere Meinungen entwerfen. Was bedeutete eigentlich Souveränität Österreichs? Wie ist heute zu bewerten? Welche Implikationen hat sie? Oder: Wann liegt Sterbehilfe vor? Sollte man Sterbehilfe oder Euthanasie sagen? Was sind die Möglichkeiten und Grenzen der palliativen Medizin? Wann beginnt das Leben? Intellektuelle liefern zu diesen Fragen nicht nur reine Informationen zum Sachstand, sie bestimmen auch den Diskurs, formen das allgemeine Meinungsklima, grenzen das Optionenspektrum, entwerfen Zukunftsvorstellungen und Weltsichten, die wir übernehmen. Als Orientierungsgeber scheinen sie mir unersetzbar und bedeutsam. Umso wichtiger ist es daher den Begriff Intellektueller genauer zu fassen und alle möglichen Phänomenologien des Intellektuellen zu erörtern.

 

3. Eine Phänomenologie elitärer Gesellschaftsangehöriger: Die Intellektuellen

Die gesellschaftliche Position der Intellektuellen in der Gesellschaft kann am besten mit der Habermaschen(17) begrifflichen Unterscheidung zwischen „Zentrum“  und „Peripherie des politischen Systems“ beschrieben werden. Intellektuelle gehören zumeist nicht dem Zentrum, also der Regierung, den Parteien, der politischen Verwaltung oder der Gerichtsbarkeit an. Sie sind  in der Peripherie, also in der Kunst, der Literatur oder der Wissenschaft verortet und treten in der Öffentlichkeit, also in dem kommunikativen Raum, der nach Habermas zwischen dem Zentrum und der Peripherie gespannt ist, auf. Kurz: Intellektuelle sind keine Gelehrten im Elfenbeinturm. Ganz im Gegenteil sind sie per definitionem an die Öffentlichkeit gebunden.

Objektiviert man alle in der Soziologie vorhandenen Intellektuellenkonzepte, indem man die Eigeninteressen der Autoren berücksichtigt und nach den gemeinsamen größten Nenner sucht, dann stellen sich folgende sechs Merkmale als universal für Intellektuelle heraus:

Für unsere Zwecke wollen wir diese Merkmale als Kriterien sehen, die erfüllt sein müssen, damit tatsächlich von einem Intellektuellen gesprochen werden kann. Wenn dies der Fall ist, so sind dennoch unterschiedliche Ausprägungen von Intellektualität vorstellbar. In der Soziologie der Intellektuellen findet man eine ganze Reihe von Idealtypen, die zumindest kursorisch erwähnt werden sollen:

Es stellt sich die Frage, inwiefern die vier verbleibenden Typen voneinander abgrenzbar sind. Zur Überprüfung der Distinktheit sollen die Vergleichsdimensionen „Tatsachen (Wissen) versus Werte“ und „Handlungsempfehlung versus keine Handlungsempfehlung“ und „exemplarischer Einzelner versus „Fürsprecher einer sozialen Gruppe“ herangezogen werden: 

Tab. 1: Typologie für den Zusammenhang zwischen „Handlungsempfehlung“, „Tatsachenbezug versus Wertebezug“ und „Fürsprecherfunktion“

Handlungsaufforderung

Fürsprecherfunktion

 

ja

nein

 

Tatsachen      <     Werte

Tatsachen     >     Werte

 

 

ja

                             Universeller I.

                                                             Spezifischer I.

              Organischer I.

 

                                                                  Synthesebildender I.

nein

Unsere Typologie ermöglicht es die Intellektuellen von anderen Personengruppen wie etwa den Politikern, den Wissenschaftlern, den Künstlern und den reinen Experten abzugrenzen. Mit dem Politiker kann der Intellektuelle das engagierte Eintreten für Werte in der Öffentlichkeit gemeinsam haben. Vom diesem trennt ihn aber die Tatsache, dass er kein Amt auszuüben hat und so von institutionellen Zwängen frei ist. Zwischen dem Wissenschaftlern und dem Intellektuellen kann es die Gemeinsamkeit geben, dass beide intersubjektiv nachvollziehbar und systematisch Sachverhalte zu ergründen versuchen. Die Tätigkeit des Intellektuellen verfolgt aber stets einen praktischen Zweck – es geht nie allein um den reinen Erkenntnisgewinn. Reine Experten zeichnen sich im Gegensatz zu den Intellektuellen durch einen Fachjargon aus und treten selten in der Öffentlichkeit auf.

 

4. „Der Versuch, irgendeine Macht […] zu isolieren, […] ist eine Fehlerquelle von großer praktischer Bedeutung“ (22) -  Über die Vielfältigkeit der Macht

Ich möchte im Folgenden der Frage nachgehen, warum Intellektuelle bislang als graue Eminenzen aus den empirischen Studien von Elitesoziologen ausgeschlossen worden. Zu diesem Zwecke wollen wir uns noch einmal die Definition von Dreitzel ins Gedächtnis rufen, in der es heißt, Eliten würden durch eine am Leistungswissen orientierende Auslese in Spitzenpositionen gelangen. Wir haben schon festgestellt, dass Intellektuelle in der Regel beruflich kein machtvolles Amt innehaben. Auch muss anerkannt werden, dass das Etikett „Intellektueller“ jemanden in der Regel von anderen Intellektuellen verliehen wird und nicht erst zur Geltung kommt, wenn objektive Leistungsstandards erfüllt wurden. Diese scheinen, folgt man Hartmann(23), auch nicht für Wirtschaftseliten vorhanden zu sein – subjektive Wertungen fallen ebenso bei der Auswahl von Managern ins Gewicht. Ich möchte behaupten, dass objektive und von sozialen Prozessen unabhängige Zurechnungskriterien zu einer Elite oder zu dem Kreis der Intellektuellen gar nicht existieren. Der Erwerb des Elitestatus erfolgt genauso wie der Erwerb des Status eines Intellektuellen durch Kooption(24), daher nachdem ein Konsens über die Wertigkeit des Kandidaten getroffen wurde. Dieses Verfahren ist in beiderlei Fällen nicht objektiv, im Falle der Intellektuellen ist aber zumindest ein objektives Kriterium von großer Bedeutung: das Wissen, die erworbenen Kompetenzen bzw. die öffentliche Anerkennung dieses Wissens. Intellektuelle kritisieren – so zumindest die Theorie - institutionelle Bereiche (Politik, Wirtschaft, etc.), in denen sie selbst nicht tätig sind. Dem Vorwurf inkompetente Kritik zu üben, können sie nur auf zwei Arten abwehren: a) Entweder durch außerordentlich gute Informiertheit oder (b) durch ihren diffusen Status eines erfolgreichen Publizisten, Wissenschaftlers etc. Dieser Status ist erworben und baut auf  erbrachten, „objektiven“ Leistungen auf. 

Intellektuelle können also durchaus als Leistungseliten betrachtet werden.

Es dürfte also weniger die definitorische Leistungskriterien für Funktionseliten, sondern vielmehr der Machtbegriff sein, der Eliteforschern im Falle der Intellektuellen problematisch erscheint. Wie wir erwähnt haben, pochen sie darauf, dass nur institutionalisierte Macht relevant sei. Institutionalisierte Macht weist nach Popitz(26) folgende drei Merkmale auf: a) Es kommt zu einer Entpersonalisierung der Machtverhältnisse, b) die Machtausübung wird formalisiert, c) Machtverhältnisse werden in eine bestehende, höhere Ordnung integriert. Prototypische Intellektuelle sitzen nicht auf dem Amt des Verfassungshofpräsidenten. In welchem Ausmaß aber Intellektuelle insgesamt im 21. Jahrhundert bedeutsame Positionen besetzen, welche die Reichweite und den Geltungsgrad ihrer Machtwirkungen verstärken, bleibt eine offene  Frage. Sie kann nur auf der Basis von empirischen Daten beantwortet werden.

Ich halte es außerdem für einen folgenschweren Denkfehler, wenn Machtformen in eine simple Rangordnung gebracht werden und somit eine Vielzahl von Machtressourcen, die in einer komplexen Gesellschaft ohne Zweifel vorhanden sind, systematisch ausgeblendet werden. Für den Fall der Intellektuellen sind zumindest folgende zwei  Machtformen relevant:

Institutionalisierte Macht: Wie wir noch sehen werden, hat sich in der Wissensgesellschaft der Typus des so genannten Expertenintellektuellen herausgebildet – dieser kann ist in der Regel in Institutionen, zum Teil mächtigen Institutionen verortet werden. Als solche Machtinhaber üben Intellektuelle durchaus institutionalisierte Macht aus.

Symbolische Macht: Darunter möchte ich die Macht zur Durchsetzung von Bedeutungen verstehen. Mit Bourdieu lässt sich feststellen, dass die ökonomische Welt auf Erkenntnisprozesse nicht mechanistisch, sondern über symbolische Konstruktionen wirkt.(27)  Jede gesellschaftliche Elite benötigt sinnstiftende Begriffe und Denkschemata. Das lässt aber auch darauf schließen, dass jene, die Spezialisten für Sinngebungen sind, mächtige Gesellschaftsmitglieder sind. Intellektuelle können - stärker als alle anderen – die symbolischen Legitmierungen der herrschenden Eliten logisch erscheinen lassen oder machen. Sie können also zur Aufrechterhaltung der vorherrschenden Denk- und Beurteilungsschemata beitragen. Sie können aber auch den „common sense“, das Schweigen der Doxa, wie das Bourdieu nennt, aufbrechen und neue Diskurse an deren Stelle setzen.

In ihrer Extremform kann sich symbolische Macht als ideologische Macht(28) manifestieren. Säkulare Ideologien haben sich als besonders einflussreich erwiesen. Deswegen wurden wohl linke Intellektuelle in der Vergangenheit am stärksten von Soziologen als mächtige Eliten diskutiert. Ich meine, dass auch bei Abwesenheit von Intellektuellen als Träger von Ideologien nach ihrer symbolischen Macht gefragt werden muss.

Die oben genannten Machtformen können  auf folgenden Machtressourcen basieren:

 

5. Öffentliche Intellektuelle in Österreich: Ein Fallbeispiel

Ich schließe an dieser Stelle meine theoretische Argumentation ab und gehe zur Präsentation einiger Ergebnisse über österreichische öffentliche Intellektuellen über. Die Stichprobe setzt sich aus 107 schreibenden Intellektuellen zusammen, die entweder in Österreich geboren wurden oder über Jahre hinweg in diesem Land als Intellektuelle tätig waren und in den Jahren 2005 und 2006 in Printmedien durch eigene Artikel hervorgetreten sind. Sie alle erfüllen die oben erwähnten universellen Merkmale eines Intellektuellen.

Die in die Stichprobe aufgenommenen Intellektuellen haben in den letzten zwei Jahren 1167 Artikel verfasst. Alle Artikel wurden einer typisierenden Inhaltsanalyse unterzogen. Als Typisierungsdimensionen wurden gewählt: „Themenbreite“, „Engagement“, „Expertentum“, „Kritik“ (Erläuterungen zu diesen Dimensionen findet sich im Anhang).Inhaltlich präsentieren diese Dimensionen die weiter oben genannten fünf Typen von Intellektualität. Weiters erhoben wurden folgende Kontextmerkmale:

Mithilfe von statistischen multivariaten Verfahren (Clusteranalyse) wurden die Intellektuellen anhand der vier Typisierungsdimensionen gruppiert. Gruppierungen von Intellektuellen wurden sodann charakterisiert und miteinander kontrastiert. Es sollen an dieser Stelle lediglich die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst werden:

Erstens: Der organische Intellektuelle, der eine Fürsprecherfunktion für soziale Gruppen einnimmt, ist eine Ausnahmeerscheinung. Die wenigen organischen Intellektuellen Österreichs sind außerdem stets spezifische Intellektuelle, die ihre politischen Interventionen auf wenige Bereiche beschränken.

Zweitens: Eine Gruppierung von Intellektuellen übt tendenziell keine Kritik, sondern erklärt dem Publikum (komplizierte) Sachverhalte. Ihre Interventionen verfolgen dennoch einen praktischen Zweck, geht es ihnen doch darum, durch Informationen und neue Sichtweisen eine öffentliche Debatte um Argumente zu bereichern und sie zugleich in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Drittens stützen die Ergebnisse die These, dass Intellektuelle durchaus die dominierenden gesellschaftlichen Kräfte unterstützen können. So haben Signifikanztests ergeben, dass jene Intellektuellen, die in ihren Artikeln keine konkrete Kritik äußern, in der Regel als „Befürworter der Regierung Schüssel I“ eingestuft und im politischen Spektrum der konservativen Seite zugeordnet werden.

Viertens ergaben die quantitativen Auswertungen, dass universelle Intellektuelle in Österreich am stärksten sozialistisch geprägt sind. Sie schreiben überdurchschnittlich viele kritische Zeitungsbeiträge, verfügen aber dennoch über eine vergleichsweise schwache Breitenwirksamkeit, d. h. ihre Stellungnahmen werden von wenigen Österreichern wahrgenommen.

 

6. Schlussfolgerungen: Die Intellektuellen und ihre Macht

Allgemein lässt sich feststellen, dass ein Wandel der Intellektualität stattgefunden hat. Die Breitenwirksamkeit klassischer Intellektueller nimmt ab, der Einfluss aber von Intellektualität auf die geistige Situation bleibt erhalten.  Intellektuelle scheinen kein Korrektiv darzustellen – vom „Aufbrechen der Doxa“ kann keine Rede sein -, auch den Unterprivilegierten unserer Gesellschaft verleihen sie nicht ihre Stimme. Der Mythos des organischen Intellektuellen sollte endlich aus der Welt geschafft werden. Das Charisma des Intellektuellen scheint ebenso an Bedeutung abgenommen zu haben – Österreich hat keinen Sartre. Meines Erachtens spielt deshalb die Macht durch Identifikation keine nennenswerte Rolle. In den Zeitungsartikeln steht der Wissens- und Wissenschaftsbezug im Vordergrund, wobei Intellektuelle als Orientierungsgeber auftreten. Sie erklären dem Leser, der Leserin Sinn und Unsinn des „Projektes EU“, die Ursachen für den Rückgang des Einflusses der Gewerkschaft, die Relevanz der Religion in der Postmoderne, das Gefahrenpotential eines „Kampfes der Kulturen“. Sie besprechen Formen der Integration und legen die aktuellen Fort- und Rückschritte der Friedenspolitik im Nahen Osten aus. Es liegt also nahe zu sagen, dass die eigentlich Machtquelle der Intellektuellen ihr breites Wissen ist.  Etwas zynisch könnte man natürlich fragen, ob denn dann die untersuchten öffentliche Intellektuelle in Österreich nicht mehr als die „besseren Journalisten“ seien? Ob denn ihr Einfluss etwas gleich zu bemessen sei, wie jener eines Chefredakteurs, der ja bekanntlich auch wesentlich mehr weiß als der durchschnittliche Leser? Ich möchte darauf zweierlei entgegnen:

Im Gegensatz zu Journalisten üben öffentliche Intellektuelle nicht nur über ihre Artikel Einfluss auf die Gesellschaft. Symbolische Macht verleiht ihnen auch ihre Zugehörigkeit zu Institutionen. Einige dieser Institutionen, denen die Intellektuellen aus der präsentierten Studie angehören seien kurz aufgezählt: der Verfassungsgerichtshof, die Österreichische Salinen AG, das Fessel-GfK-Institut, die politische Akademie der ÖVP, ein bildungspolitische Beratergremium der ÖVP, die österreichische Gentechnikommission, die österreichische Bioethik-Kommission, das österreichische Verteidigungsministerium, das österreichische Institut für Wirtschaftsforschungsinstitut, die freiheitliche Parteiakademie, der Wiener Stadtschulrat, das Österreichische Informationsbüro für Sicherheitspolitik. usw. Wenn also auch Zeitungsleser ihren Artikeln allzu viel Aufmerksamkeit widmen mögen, ihr Einfluss durch Wissen auf die Wirtschaftselite und die politische Elite bleibt immer noch. 

Meines Erachtens sollte daher zukünftige empirische Forschung nicht an den Bourdieuschen Fragestellungen orientiert werden: Den Antagonismus zwischen beherrschten Herrschenden (Intellektuellen) und Herrschenden könnte man relativieren und stattdessen fragen, in welchem Maße Intellektuelle durch ihr kulturelles Kapital die herrschenden Eliten stützen (und inwiefern sie von ihnen abhängig sind).

Auch wenn Intellektuelle sich im 21. Jahrhundert nicht mehr besonders durch ihr Charisma auszeichnen, so ist ihre Meinung doch einflussreicher als die bekannter Journalisten. Ein Expertenintellektueller, wie etwa Peter Filzmaier, der als renommierter österreichischer Professor für Politikwissenschaften gilt, hat in der Diskussion mit einem österreichischen Chefredakteur, wie etwa Michael Fleischhacker von der „Presse“, a priori einen höheren Status. Wir sehen in diesen Expertenintellektuellen eine verlässlichere Wissensquelle als in dem Journalisten. Auch wenn der Österreicher vielleicht weiß, dass Wahlprognosen statistisch gesehen ein heikles Unternehmen darstellen, wird er eher den Prognosen des Politologen glauben und  nicht journalistischen Orientierungsgebern. 

Ich darf zusammenfassen: Wenn wir heute über die Macht der Intellektuellen reden, dann müssen wir auch über den Einfluss der Expertenintellektuellen reden. Die klassischen, linken Intellektuellen beherrschen nicht mehr alleine die öffentliche Sphäre.

Die hauptsächliche Machtressource der Intellektuellen der Gegenwart ist ihre Wissen und ihr gesellschaftliches Prestige. Sie leiten zwar selbst keine machtvollen Institutionen, sehr wohl aber können sie diesen angehören. Diese Institutionenzugehörigkeit kann durchaus den Geltungsgrad ihres Einflusses heben.

Expertenintellektuellen haben sich von den „großen Narrationen“ verabschiedet und können im 21. Jahrhundert als wichtige Orientierungsgeber unserer Gesellschaft gesehen werden. Sie befassen sich mit spezifischen Problemen. Ihre Meinung ist einflussreicher als jene der Journalisten.
Elitesoziologen sollten diese Intellektuellen in ihre Untersuchung mit einbeziehen und die Pluralität von Einflussstrategien in modernen Gesellschaften stärker berücksichtigen. Kein vernünftiger Mensch könnte behaupten, dass Marx keine einflussreiche Person gewesen wäre bzw. von ihm keine gesellschaftlich relevante Macht ausgegangen sei. Nun, Marx lebt nicht mehr, die von ihm geprägte Ideologie hat an Bedeutung verloren, dennoch: Lebte der Intellektuelle Marx heute, die Elitesoziologen unter uns würden ihn wahrscheinlich nicht in ihre empirische Untersuchungen aufnehmen und ihn womöglich als irrelevante graue Eminenz abtun. Schließlich findet man ja Marx nicht in der Chefetage eines einflussreichen Wirtschaftsunternehmens an!

 

 7. Anhang

Typisierungsdimensionen

Typisierungs-
dimension

Definition

Analyseeinheit

Kodierregeln

Themenbreite

Verschiedenheit der Themen in den selbst verfassten Artikeln des Intellektuellen,
d. h. 
 - die angesprochenen Überthemen können von Artikel zu Artikel variieren oder nicht 

Alle registrierten selbst verfassten Artikel eines Intellektuellen

Wird von dem Intellektuellen in mehr als der Hälfte der verfassten Artikel dasselbe Überthema angesprochen, liegt ein monothematischer Zugang vor.

Liegt keine derartige Themenkonzentration vor, ist der Intellektuelle ein Generalist.

 

Typisierungs-
dimension

Definition

Analyseeinheit

Kodierregeln

Engagement

Durch die selbst verfassten Artikel kommt das Engagement des Intellektuellen für eine oder mehrere soziale Gruppen zum Ausdruck
d. h.
- der Intellektuelle vertritt oder artikuliert die Interessen einer Gruppe oder
- er beschreibt ausführlich deren soziale Lage, um auf sie aufmerksam zu machen

Alle registrierten selbst verfassten Artikel eines Intellektuellen

Artikuliert oder thematisiert der Intellektuelle in mehr als der Hälfte aller erfassten Artikel die Interessen einer oder mehrerer Gruppen, so nehmen wir an, dass er eine Fürsprecherfunktion erfüllt.

 

 


Typisierungs-
dimension

Definition

Analyseeinheit

Kodierregeln

Expertentum

Die Stellungnahmen des Intellektuellen beziehen sich auf ein Gebiet, auf dem er herausragende Leistungen erbracht hat,
d.h.
- durch seine einschlägige Beschäftigung mit bestimmten Themenbereichen hat sich der Intellektuelle ein Fachwissen erworben, das wenige mit ihm teilen
- der Intellektuelle kann sich mit Zertifikaten ausweisen, die ihm diese erworbenen Kompetenzen bescheinigen

Alle registrierten selbst verfassten Artikel eines
Intellektuellen

Der Intellektuelle ist Experte, wenn er in mehr als der Hälfte aller Artikel Themen anspricht, für die er formal eine Expertise vorweisen kann.

 

Typisierungs- dimension

Definition

Analyseeinheit

Kodierregeln

 

 

 

 

Kritik

Der Intellektuelle übt in erster Linie Kritik und versucht nicht nur durch das Einbringen seines Wissens das Spektrum einschlägiger Argumente zu erweitern bzw. das (Qualitäts-) Niveau der öffentlichen Debatten anzuheben, d.h.
- der Intellektuelle beanstandet, bemängelt oder tadelt etwas;
- die Objekte der Kritik können Personen, Praktiken, Zeittrends, Politiken, etc. sein 

Alle registrierten selbst verfassten Artikel eines Intellektuellen

Von Kritik sprechen wir nur dann, wenn dem Inhalt und der Struktur des Artikels zu entnehmen ist, dass die primäre Intention des Schreibers die Kritik konkreter Objekte ist und er nicht überwiegend
- Sachverhalte erklärt
- aus einer historischen und vergleichenden Perspektive soziale oder andere Phänomene umfassend darzustellen versucht.
-

 


Fußnoten:

1 Korom, Philipp (im Erscheinen): Intellektuelle in der österreichischen Presse. Graz: Universitätsverlag.
2 Benda, Julien: Verrat der Intellektuellen, Frankfurt am Main: Ullstein, 1983 [1917].
3 Aron, Raymond: Opium für Intellektuelle. Oder die Sucht nach Weltanschauung. Berlin/Köln: Kiepenheuer & Witsch, 1957.
4 Schelsky, Helmut: Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1975.
5 Für die jüngste Zeit seien an dieser Stelle angeführt: Payr, Heinrich: Der kritische Imperativ. Zur Psychologie von Intellektuellen. Ein Essay, Wien: Turia + Kant, 2007. Dahrendorf, Ralf: Engagierte Beobachter. Die Intellektuellen und die Versuchung der Zeit, Wien: Passagen Verlag, 2005.
6 Konrád, György,   & Szelényi, Iván:  Die Intelligenz auf dem Weg zur Klassenmacht. Essay, Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1978.
7 Gouldner, Alvin W: Die Intelligenz als neue Klasse. Sechszehn Thesen zur Zukunft der Intellektuellen und der technischen Intelligenz, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1980.
8 Bourdieu, Pierre: Satz und Gegensatz. Über die Verantwortung der Intellektuellen, Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 1989. Bourdieu, Pierre: Die Intellektuellen und die Macht, Hamburg: VSA-Verlag, 1991, Bourdieu, Pierre: Rede und Antwort, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1992, Bourdieu, Pierre: Die Regeln der Kunst. Genese und Struktur des literarischen Feldes, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1999,  Bourdieu, Pierre: Homo academicus, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1988.
9 Bourdieu, Pierre: Soziologische Fragen, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1993, 61.
10 Foucault, Michel: Wahrheit und Macht. Interview von Alessandro Fontana und Pasquale Pasquino, in: ders.: Dispositive der Macht. Über Sexualität, Wissen und Wahrheit, Berlin; Merve Verlag, 1987;  Foucault, Michel: Die Intellektuellen und die Macht. Gespräch zwischen Michel Foucault und Gilles Deleuze, in: ders.: Von der Subversion des Wissens, Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag, 1987.
11 Beispielhaft seien angeführt: Carrier, Martin & Roggenhofer, Johannes (Hrsg.): Wandel oder Niedergang? Die Rolle der Intellektuellen in der Wissensgesellschaft, Bielefeld: transcript Verlag, 2007; Posner, Richard: Public intellectuals. A Study of Decline. Cambridge/Massachusetts: Harvard University Press, 2001; Said, Edward W.: Götter, die keine sind. Der Ort des Intellektuellen, Berlin: Berlin Verlag, 1994; Winock, Michel: Das Jahrhundert des Intellekuellen, Konstanz: UVK-Verlag, 2003.
12 Bürklin, Wilhelm/Rebenstorf, Hilke u. a.: Eliten in Deutschland. Rekrutierung und Integration, Opladen, 1997; Hoffmann-Lange, Ursula: Eliten, Macht und Konflikt in der Bundesrepublik Deutschland, Opladen, 1992.
13 Bürklin, Wilhelm: Die Potsdamer Elitestudie von 1995: Problemstellungen und wissenschaftliches Programm, in: ders.: Eliten in Deutschland. Rekrutierung und Integration, Opladen, 1997, 16.
14 Hartmann, Michael: Eliten und Macht in Europa. Ein internationaler Vergleich, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2007; Hartmann, Michael: Elitesoziologie: eine Einführung, Frankfurt am Main, 2004.
15 Krais, Beate (Hrsg.): An der Spitze. Von Eliten und herrschenden Klassen, Darmstadt, 2001. Imbusch, Peter (Hg.): Oberschichten – Eliten – Herrschende Klasse, Opladen, 2003. Münkler, Herfried et al. (Hrsg.): Deutschlands Eliten im Wandel, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 2006.
16 Dreitzel, Hans Peter: Elitebgriff und Sozialstruktur. Eine soziologische Begriffsanalyse, Stuttgart: Ferdinand Enke, 1962, 444 .
17 Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1992.
18 Berger, Peter L. & Luckmann, Thomas: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2004 [1966].
19 Mannheim, Karl: Ideologie und Utopie. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 1952. Mannheim, Karl: The Sociology of Intellectuals, in: Theory, Culture & Society, 10, 1993 [1932], 69-80.
20 Gramsci, Antonio: Gefängnishefte, Bde 1-10, hrsg. von Klaus Bochmann, Hamburg: Argument Verlag, 1994.
21 Said, Edward W.: Götter, die keine sind. Der Ort des Intellektuellen. Berlin: Berlin Verlag, 1994, 10.
22 Russell, Bertrand: Macht. Eine sozialkritische Studie, Zürich: Europa-Verlag, 1947.
23 Hartmann, Michael: Deutsche Topmanager. Klassenspezifischer Habitus als Karrierebasis, in: Sozial Welt, Jg. 46, 1995, 440-468; Hartmann, Hartmann, Michael: Klassenspezifischer Habitus oder exklusive Bildungstitel als soziales Selektionskriterium? Die Besetzung der Spitzenpositionen in der Wirtschaft, in: Beate Kreis (Hrsg.), An der Spitze. Von Eliten und herrschenden Klassen, Konstanz, 2001, 157-215.
24 Vgl. Paris, Rainer: Autorität – Führung – Elite. Eine Abgrenzung, in: Hradil, Stefan/Imbusch, Peter (Hg.): Oberschichten – Eliten – Herrschende Klassen. Opladen: Leske + Budrich, 2002, 55-71.
25 Diese Begriffszusammensetzung findet sich erstmals in folgendem Werk: Lepsius, Rainer M.: Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 16, 1964, 75-91,Wiederabdruck in: ders.: Interessen, Ideen und Institutionen. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1990, 270-285.
26 Popitz, Heinrich: Phänomene der Macht: Autorität – Herrschaft – Gewalt- Technik. Tübingen: Mohr, Tübingen: Mohr, 1986.
27 Wayand, Gerhard: Pierre Bourdieu: Das Schweigen der Doxa aufbrechen, in: Imbusch, Peter (Hrsg.): Macht und Herrschaft. Sozialwissenschaftliche Konzeptionen und Theorien, Opladen: Leske + Budrich, 1998, 221-237.
28 Mann, Michael: Geschichte der Macht. Von den Anfängen bis zur griechischen Antike, Bde.1, Frankfurt/New York: Campus Verlag, 1990.
29 Imbusch, Peter: Macht und Herrschaft in der Diskussion, in: ders. (Hrsg.): Macht und Herrschaft. Sozialwissenschaftliche Konzeptionen und Theorien, Opladen: Leske + Budrich, 1998, 9-26.


7.12. Eliten als Orientierungsgeber oder als ‚Sozialschmarotzer’? Zur soziokulturellen Bedeutung von Elitehandeln in gesellschaftlichen Transformationsprozessen

Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections


TRANS
INST

For quotation purposes:
Philipp Korom: Intellektuelle als Eliten? Eliten als Orientierungsgeber? − Ein Plädoyer für die Integration der Intellektuellensoziologie in die Elitensoziologie -. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/7-12/7-12_korom.htm

Webmeister: Gerald Mach     last change: 2010-01-26