TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr. Februar 2010

Sektion 7.8. SeLandscapes in the context of societies / Landschaft im gesellschaftlichen Kontextktionstitel
Sektionsleiter | Section Chair: Helmut Pfanner (Lochau, Vorarlberg)

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Sibirien im geschichtlichen Umbruch

Ekaterina M. Belotsvetova (Moskau, Russland) [BIO]

Email: M.Kate@relcom.ru

 

Am Übergang vom 20. ins 21. Jahrhundert sind gründliche Veränderungen in der hydropolitischen Lage Russlands in der asiatischen Pazifikregion geschehen.  Die neuen Staaten (die Baltischen Länder, die Ukraine, Weißrussland und Moldawien) haben Russland vom Westen entfernt, es physisch Asien genähert und andere Möglichkeiten für die Entwicklung Sibiriens und des entfernten Ostens geschaffen.

Das russische Gebiet Sibirien bildet den größten Teil Nordasiens und umfasst mit etwa 10 Mio. qkm rund die Hälfte des russischen Territoriums.  Damit ist es größer als die USA.  Es erstreckt sich über 7.000 km vom Ural im Westen bis zu den Gebirgen der pazifischen Wasserscheide im Osten und über 3.500 km von der Küste des Nordpolarmeers im Norden bis an die Grenzen zur Mongolei und zu China im Süden.

Im Sibirien fließen die großen Flüsse – Ob, Jenissei und Lena; hier befindet sich auch der älteste und tiefste See der Welt, d. h. der Baikalsee, die größte Ebene, nämlich  die Zapadno-sibirische Ebene (2,7 Mio. qkm) und die Hälfte der borealen Wälder der Erde und der größte natürliche Wald- und Moor-Komplex unseres Planeten.

Große ostsibirische Flächen sind mit Bergmassiven und Hochebenen besetzt.  Die Bergsysteme umfassen Sibirien im Westen, Osten und Süden und trennen das Land von den Zyklonen des Atlantiks und Pazifiks und von den heißen Zonen Zentral-Asiens.

In Sibirien ist die Zonenbreite der natürlichen Landschaften besondere mannigfaltig.  Vom Norden nach Süden erstrecken sich die Tundra, die borealen Wälder, die Waldsteppe und die Steppe.  Für die Bergterritorien sind die senkrechte Klimazone und der biote (griech.)(1) sehr charakteristisch.

Die Hauptfaktoren für ganz Sibirien sind das heftige kontinentale, kalte Klima und die breite Audehnung des ewigen Bodenfrostes.  Der Name „Sibirien“ bedeutet in der tatarischen Sprache das „schlafende Land“, wofür die industriellen Prozesse, die um das Territorium Sibiriens endlos verlaufen, heute noch Zeugen sind.

Die Gewinnung und die Verarbeitung der Bodenschätze, die industrielle Verschmutzung, die weitgehende Abrodung der Wälder, die extensive Bodennutzung und die Wasserspeicher der großen Wasserkraftwerke beeinflussen die Natur Sibiriens in einem schwierigen Verhältnis, sind aber positiv für die Wirtschaftsentwicklung.(2) Gleichzeitig sind das riesige Gebiete und so verhältnismäßig wenig berührt von anthropogenen (griech.)(3) Prozessen.  Flächenmäßig nimmt Sibirien mehr als die Hälfte des Territoriums der Russischen Föderation ein, das entspricht etwa der Fläche Europas, bildet fast ein Viertel von ganz Asien und eines fünfzehnten Teiles des ganzen Festlandes auf der Erde. Die Dichte der Bevölkerung und die Naturbedingungen sind am ehesten mit denen Kanadas zu vergleichen.

Einige vergleichenden Zahlen(4)

 

 

Russland Sibirien Kanada USA China

Fläche, v.T. qkm

17,075 9,653 9,976 9,373 9,597

Bevölkerung, i.T.

143,098 24,797 31,902 280,563 1,286,453

Wohndichte, Einwohner / qkm

8.4 2.6 3.2 29.9 134.1

In Sibirien befinden sich zwanzig Regionen der Russischen Föderation oder 15 % der Bevölkerung Russlands, die entlang der transsibirischen Eisenbahn und hauptsächlich im Süden konzentriert ist.  Wie viele Industrienationen leidet Russland unter einem Rückgang der Bevölkerung.  Zwar wachsen Ballungsgebiete wie Moskau oder Sankt Petersburg auch heute weiter, doch sehen sich gerade Regionen wie Sibirien und der Ferne Osten einem stärker werdenden Bevölkerungsrückgang durch Abwanderung (in größere Städte oder gar ins Ausland), stagnierende Lebenserwartung und weniger Geburten ausgesetzt.  Im Grenzgebiet zur Volksrepublik China kommt es, seitdem es für chinesische Händler leichter ist, zwischen beiden Ländern zu Pendeln seit den frühen 90er Jahren zu einer verstärkten Handelstätigkeit.  Schätzungen gehen von einigen hunderttausend chinesischen Einwanderern aus, die sich oft temporär aber manchmal auch für unbestimmte Zeit auf der russischen Seite niederlassen.  Immer mehr der neuen Zuwanderer zieht es dabei in die größeren Städte Sibiriens, wie z. B. nach Irkutsk.

Irkutsk ist eine Verwaltungseinheit in Russland (Irkutskaja oblast).  Das Gebiet Irkutsk ist zweimal so groß wie Deutschland, liegt im südlichen Sibirien am Westufer des zum UNESCO-Weltnaturerbe gehörenden Baikalsees.  Es reicht jedoch weit nach Norden ins mittelsibirische Bergland hinein.  Die wichtigsten Flüsse sind die Angara im Westen sowie die Unterläufe der Lena im Norden.  Der Autonome Kreis der Ust-Ordinsker Burjaten wird völlig von dem Gebiet Irkutsk umschlossen.  Das Gebiet war früher von Burjaten und kleinen Turkvölkern bewohnt, heute stellen jedoch die Russen die überwältigende Mehrheit. Nach der ugurischen-mongolischen Herrschaft setzte im 18. Jahrhundert die intensive russische Besiedelung ein.

Im Irkutsker Gebiet von Süd-Sibirien lebt eine sehr kleine Gruppe des sibirischen Turkvolkes – die Tofalaren.  Oft wird davon ausgegangen, dass die Vorfahren der Tofalaren vor einigen Jahrhunderten eine samojedische Sprache(5) benutzten und im 19. Jh. christianisiert wurden.  Sie gehören zu den heute in ihrer Existenz bedrohten indigenen Völkern des russischen Nordens, Sibiriens und Fernen Ostens und unterscheiden sich in ihren Hauptmerkmalen von der dominierenden Mehrheitsbevölkerung. Die dominierende ethnische Gruppe kann niemals als „indigen“ gelten, einfach weil sie die dominierende Gruppe ist.

Die indiginen Völker haben sich seit der Perestojka im Dachverband RAIPON(6) zusammen geschlossen.  RAIPON ist die Abkürzung für “Russian Association of Indigenous Peoples of the North” oder "Assoziation der Kleinen Völker".  Diese Organisation mit Sitz in Moskau vertritt die Interessen der etwa 40-50 indigenen Völker des russischen Nordens.

Die Gründung der Organisation, damals unter dem Namen "Assoziation der Kleinen Völker" erfolgte 1989 auf dem ersten Kongress der kleinen indigenen Völker Russlands im Moskauer Kreml.  Zu den Teilnehmern des Kongresses, bei welchem indigene Vertreter aus ganz Russland erstmals öffentlich und unzensiert über die desasteriöse Lage ihrer Ethnien berichteten, gehörte der damalige Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow.

Erster Präsident der Vereinigung wurde der von der fernöstlichen Halbinsel Sachalin stammende Schriftsteller Vladimir Sangi.  Dieser wurde 1993 durch Jeremej Ajpin, einen weiteren Schriftsteller, diesmal aus dem westsibirischen Volk der Chanten, abgelöst.  Sangi akzeptierte seine Abwahl jedoch nicht, so dass die Organisation unter leicht abgeändertem Namen neu gegründet werden musste.

Die Rolle RAIPONs als Vertretung der indigenen Völker Russlands ist zwiespältig.  Einerseits ist RAIPON die mit Abstand wichtigste Vertretung der Ethnien des Nordens und leistet als solche umfangreiche Arbeit, sowohl national als auch international. Andererseits setzt die traditionelle Staats- und Regierungsnähe den Aktivitäten der Organisation enge Grenzen.

RAIPON engagiert sich vor allem im Bereich der Gesetzgebung. Ihre wichtigste Forderung ist die Umsetzung verbriefter Landrechte in Gestalt so genannter Territorien zur traditionellen Naturnutzung.  Auf dem internationale Niveau engagiert sich RAIPON im Rahmen der UNO, dort insbesondere die WGIP (UN-Arbeitsgruppe über Indigene Bevölkerungen) für die Weiterentwicklung indigener Rechte.  Dieses Anliegen verfolgt RAIPON praktisch seit seiner Gründung, die Umsetzung eines entsprechenden Gesetzes wird jedoch von der Regierung seit Jahren verschleppt.

Es wird gefordert, dass die Regierung für eine Demarkierung der Ureinwohnergebiete sorgt.  Positiv vermerkt sei die Mitwirkung der russischen Regierung am 2004 zu Ende gegangenen ersten internationalen Jahrzehnt der indigenen Völker.  Die starke Präsenz von Regierungs- und Parlamentsvertretern machte sich weitgehend die Sache der indigenen Völker zu eigen.(7)

Die andere von RAIPON beobachte Verwaltungsregion (Oblast) ist die Verwaltungseinheit Magadan, die im Föderationskreis Russisch-Fernost am Ochotskischen Meer liegt.  Sie umfasst einen Teil des Ostsibirischen Berglandes, insbesondere das Kolymagebirge.  Diese Oblast ist äußerst dünn besiedelt, noch dazu wohnt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Hauptstadt Magadan.

Die russische Besiedelung des Gebietes begann im 17. Jahrhundert.  Schon in zaristischer Zeit war Sibirien ein beliebter Verbannungsort für politische Gegner, und 1930 wurde hier auf Befehl Stalins mit der Errichtung der Gulags begonnen.  Zur Zeit des Höhepunkts der Stalinschen Säuberungen 1937/38 wurden um die 7 Millionen Menschen in die sibirischen Straflager gebracht.

Die Stadt Magadan wurde erst 1939 gegründet, nämlich als Transitstadt für die Zwangsarbeiter in die Minen.  In der Oblast Magadan gibt es 2 Städte und 28 Siedlungen städtischen Typs.

Der wichtigste Wirtschaftszweig ist der Bergbau; vor allem Gold, Silber und Zinn werden gefördert.  Ebenfalls von Bedeutung sind der Fischfang und die Energiegewinnung.

Einige ganz nördlich Gebiete Kamtschatkas (Kamtschatski krai) sind ein Föderationssubjekt Russlands, das am 1. Juli 2007 durch den Zusammenschluss der beiden Gebiete Kamtschatka und Autonomer Kreis der Korjaken gebildet wurde.  Als Kamtschatka nimmt es geografisch die gesamte Halbinsel ein.

Die Halbinsel Kamtschatka hat rund 300 Vulkane, von denen 29 als aktiv gelten.  Hier befindet sich die Kljutschewskaja Sopka, der größte Vulkan Eurasiens, sowie das Tal der Geysire.

Die Hauptwirtschaftszweige der Region sind Jagd, Fischerei, Bergbau (unter anderem Gold und Steinkohle) sowie der Tourismus.  In der Landwirtschaft dominiert die Rentierhaltung.  Außerdem ist die Region Kamtschatka der Standort größerer Militärstützpunkte.

Die Ureinwohner Sachalins sind die Niwchen, Nanai, Oroken (auch Ulten oder Ultschen genannt), Orotschen und traditionelle Fischer und Rentierzüchter.  Die Bevölkerung besteht heute vorwiegend aus Russen (82 %), daneben gibt es ukrainische (6,5 %), koreanische (5 %) und andere Minderheiten.  Die Ainu, die hier bis 1945 lebten, wurden nach Japan deportiert.(8)

Die andere weithin berühmte Region des russischen Sibirien ist Tschukotka, die den äußersten Nordosten Russlands umfasst. Sie ist durch die Beringstraße von Alaska getrennt.  Die Oberfläche ist vorwiegend bergig und besitzt Mittelgebirgscharakter.  An den Küsten gibt es mehr oder weniger ausgedehnte Tiefländer.  Die Bergländer rechnet man zum Ostsibirschen Bergland.  Sie umfassen unter anderem den Nordteil des Korjakengebirges, das Anjuigebirge, das Anadyrgebirge bis zur Tschuktschen-Halbinsel, wo im Kap Deschnjow der östlichste Punkt Russlands bzw. Asiens liegt.  Die Wrangel-Insel gehört ebenfalls zu diesem KreisSie liegt fast vollständig nördlich der Baumgrenze und ist  von Tundra bedeckt.  In den höheren Bergregionen geht sie in eine Frostschuttwüste über.  Lediglich in den südlichsten Gebieten des Kreises findet man in geschützten Lagen niedrig wachsende Bäume.

Das Klima ist rauh.  Die Jahresdurchschnittstemperaturen liegen zwischen -5 und -10° C.  Der Winter beginnt im September und endet erst im Mai.  Der wärmste Monat ist der Juli mit etwa 9°C, der kälteste der Januar mit -25°C; Minimaltemperaturen von unter -40°C sind möglich.  Stürme sind zu jeder Jahreszeit möglich und erreichen oft Orkanstärke.

Tschukotka ist abgelegen und äußerst dünn besiedelt.  Infolge des Rückgangs des Goldabbaus hat es in den 90er Jahren etwa um die Hälfte seiner Einwohner durch Auswanderung nach Zentralrussland eingebüßt.  Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Angehörige der indigenen Völker des russischen Fernen Ostens, vor allem Tschuktschen (25.000), daneben Jukagiren (141), Ewenen (1200), Inuit (1.500), Korjaken (78) und Tschuwanen (400). Mit den Kereken, zu denen sich bei der Volkszählung von 2002 nur noch acht Personen (sechs Frauen und zwei Männer) bekannten, ist in dem Gebiet auch das kleinste Volk der russischen Föderation beheimatet.  Die Russen (18.800) bilden die größte Minderheit der Bevölkerung, daneben gibt es 600 Weißrussen und 1.600 Ukrainer.

Die Neusibirischen Inseln von Russland sind sehr attraktiv und interessant zu sehen.  Sie liegen nördlich von Ostsibirien zwischen der Ostsibirische See und der Laptewsee und bestehen aus vier größeren Inseln.

Die erste Sichtung einzelner Inseln des Archipels wird 1710 dem Kosaken Jakow Permjakow zugeschrieben.  1712 wurden sie von ihm und einer Kosakeneinheit unter Merkuri Wagin betreten. Weitere Entdeckungen, insbesondere im Bereich der Anschuinseln, gehen auf die russischen Forscher Jakov Sannikov und Matvei Gedenschtrom 1805 und 1806 zurück.  Eine bekannte Expedition George De Longs führte eine US-amerikanische Expedition 1879-1881 in das Gebiet der Neusibirischen Inseln; dabei entdeckte er die nach ihm benannten De-Long-Inseln.(9)

Auf den Inseln sind reiche Funde an Knochen von Mammuts, Nashörnern und Flusspferden sowie dazugehörigen Zähnen und Stoßzähnen gemacht worden.  Diese Stoßzähne werden von Alters her in den Süden zur Verarbeitung gebracht.

Weil der Norden der kälteste und am schwächstbesiedelte Teil Sibiriens ist, hält er ein Geheimnis in seinem riesigen innernatürlichen Reichtümern.

Naturschätzen von russischen Sibiriens: (10)

Die Aneignung Sibiriens seit der Zeit seines Beitrittes zu Russland am Ende des 16. Jahrhunderts war immer mit der Nutzung seiner Naturschätze verbunden: als erstes die Pelzfabrikation, dann entstanden Landgüter und es wurde Edelmetalle gefördert, und heute sind es vor allem Rohstoffe und Energieträger. Für die Förderung dieser Ressourcen und die Arbeitersiedlungen ist die Energieversorgung Ausschlag gebend Die verarbeitenden Industrien in den Städten wird über tausende von Kilometern an Erdöl- und Gasleitungen, Eisenbahnen und Straßen und über Elektroenergieübertragungsleitungen versorgt.

Der beschleunigte Abbau der Naturschätze Sibiriens begann im Jahre 1950, als dort  die territorial-industriellen Komplexe und die großen Wasserkraftwerke entstanden.  Die stürmische Entwicklung des Brennstoffkomplexes hat auf der Basis des Erdöles und des Gases von Westsibirien 1960 angefangen.  Das ist die Zeit, als die Tätigkeit der Sibirischen Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie (SA RWA) auf eines ihrer Hauptziele – die Förderung der schnellsten Entwicklung der Produktivkräfte Sibiriens, hinarbeitete.(11)

Die sibirische Region Russlands ist der größte Produzent und der Lieferant von Brennstoff und der Elektroenergie, von Edel- und Buntmetallen,  Diamanten und anderer mineralischer Rohstoffe, der Holzproduktion und Holzverarbeitung, der Zellstoff- und Papierindustrie sowie der energieintensiven chemischen Produkte geworden.  Der Maschinenbau, die Leicht- und die Nahrungsmittelindustrie sind auch weit  verbreitet.

Der südliche Teil Sibiriens ist eine große landwirtschaftliche Region, welche infolge ihrer Natur- und Klimaverhältnisse für die intensive Nutzung der Landwirtschaft schwierig ist. In der zweiten Hälfte von 1980 entwickelte sich Sibirien zu einer der mächtigsten wirtschaftlichen Regionen in Russland.  Die Besonderheit der sibirischen Wirtschaft bestand vor allem in der Entwicklung der Rohstoffzweige, sowie auch darin, dass Sibirien noch aus den Vormilitärjahren die Rolle «der Waffenabteilung» der Länder erfüllte.

Beim Übergang zu einem neuen Modell der Wirtschaftsführung wurden die langfristigen Prozesse der Entwicklung Sibiriens infolge der Landessystemkrise aufgehalten. Nach zehn Jahre starker Reformen (laut der von der SA RWA erhobenen Wirtschaftseinschätzungen) hat das Bruttoinlandsprodukt Sibiriens 52—55 % des vorigen Niveaus wieder erreicht.  Der Bevölkerungszuwachs in der Region hat aufgehört.(12)  Die Zukunft Sibiriens hängt vor allem vom angesammelten Wissenschafts- und Ausbildungspotential ab.  Das Potenzial besteht aus der Sibirischen Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie (SA RWA), der Russischen Akademie der medizinischen Wissenschaften, der Russischen Akademie der landwirtschaftlichen Wissenschaften und des Hochschulensystems.

Die Sibirische Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie wurde 1957 von den Akademikern M. A. Lavrentyev, S. L. Sobolyev und S. A. Khristianovich gebildet.  Die SA(RWA) ist die regionale Verbindung der Wissenschafts- und Betriebsstruktur der Russischen Wissenschaftsakademie und ihrer Unterabteilungen, die das Funktionieren der weit verstreut gelegenen Infrastruktur der Wissenschaftszentren in 7 Regionen, 2 Randgebiete und 4 Republiken von Sibirien (das ganze Gebiet von Sibirischen mit nahe 10 Mio.qkm) garantieren.

Die Sibirische Abteilung der RWA ist das Netz der Wissenschaftszentren und der Institute, die in den Verwaltungszentren der Landgebiete, der Regionen und der Republiken von Sibirien – Novosibirsk, Irkutsk, Krasnoyarsk, Kemerovo, Omsk, Tomsk, Tyumen, Ulan-Ude, Yakutsk – gelegen sind.  Einzelne Institute sind auch in Barnaul, Kyzyl und Chita etabliert.

Weil die Begründer der SARWA die natürlichen und historischen Besonderheiten, landwirtschaftlichen und sozialen Gründe der sibirischen Regionen beachteten, sind sie von der Notwendigkeit der Lösung der grundlegenden Prioritäten und der interdisziplinären Probleme ausgegangen.  Die Tätigkeit der Wissenschaftszentren und der Institute ist fest mit den Universitäten, Hochschulen, dem Leben von Industrieunternehmungen und anderen wirtschaftlichen Komplexen der Regionen verbunden.

Die folgende Hauptprinzipien sind Grundlagen der Sibirischen Abteilung:(13)

Diese Prinzipien sind nach Qualität orientiert und in der Arbeit der Abteilung grundlegend.  Sie haben zum Beispiel für die Bildung anderer regionaler Abteilungen der RWA in Rußland (Fern Osten, Ural-) und der wissenschaftlichen Zentren auch im Ausland (in Japan, Korea, Frankreich, Brasilien und anderen Ländern) gedient.

Die Wissenschaftszentren der SA (RWA) sind meistens in der Form der Akademischen Stadt, der so genannten Akademgorodok im Randgebiet der großen Städte (Novosibirsk, Irkutsk, Krasnoyarsk, Tomsk) lokalisiert oder liegen auch in unterschiedlichen Innenstädten (Ulan-Ude, Jakutsk). 

Die Akademische Stadt erfasst die Wissenschafts-, Forschungs- und technischen Institute, Experimentalzentren, die Wohnbereiche (mit sozialen und kulturellen Gesundheitsfürsorgeprogrammen, Schulen und anderen Instituten).  Die entwickelte Infrastruktur schließt die Organisationen der Energie- und Wasserversorgung, Transportunternehmen, Hotels, Konferenzhallen, Geschäftszentren und zeitgenössischen Mittel des Anschlusses ein.

Die Stadtbezirke in den Republiken der Randgebiete und der sibirischen Regionen verleihen Wissenschaftszentren und Instituten der SA RWA ihre Unterstützung.  In einigen Regionen wurden die Gesetze der wissenschaftlichen und technischen Politik mit RWA abgeschafft und die Verträge mit der Sibirischen Abteilung über die gemeinsamen Tätigkeiten abgeschlossen.

Die Sibirische Abteilung spielt eine aktive Rolle in der Erweiterung der internationalen Verbindungen auf verschiedenen Niveaus.  Das erhält die Zusammenarbeit der internationalen Assoziationen und der ausländischen Organisationen im Rahmen der Interregierungsabkommen.  Der internationale Austausch ist durch Verträgen und Protokolle zwischen der europäischen Gesellschaft INTAS und einigen Provinzen, der Akademie der Wissenschaften Chinas, mit Universitäten undHochschulen Deutschlands, der USA, Japans, der Akademien der Wissenschaften der Republik Koreas, Weissrusslands, Kasachstans, Ukraine u.s.w. abgesichert.

Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Aufbau der Akademischen Städte in Sibirien im Stile der 60er Jahre in Sibirien fortgesetzt.  Gleichwohl war die neusibirische Akademische Stadt ein Vorbild für später eingerichtetete wissenschaftliche Zentren in anderen Ländern.  Der Akademische Stadtkomplex hat das Ziel: die neuen Paradigen der Wissenschaftsentwicklung des 21. Jahrhundertes zu erschaffen und die multi-disziplinäre Vorgangsweise zu Lösungder globalen ökologischen, energetischen, technologischen und anderen Probleme voran zu treiben.

Die lokalen Stadtbezirke führen die Wettbewerbe für die Grundlagenforschung anhand der regionalen Probleme, zusammen mit dem Fond von russischer Grundlagenforschung und dem Fond der russischen humanitären wissenschaftlichen (Kapitalen???) Forschung in den russischen Regionen (Republik von Buryatiya, Irkutsk, Tomskaya Provinz), durch.  Die geschaffenen lokalen wissenschaftlichen Fonds finanzieren auf dem konkurrierenden Grund jene Erarbeitungen, die von besonderem Interesse für die Regionalentwicklung sind.  Den wissenschaftlichen Instituten werden besondere Privilegien in lokalen Steuergebührermäßigungen gewährt.

Zur Analyse der neuen Forschungsgrundlagen hat das Gebiet Irkutsk die Arbeit des Baikal-ökonomischen Forums in September 2000 (BÖF-2000) gefördert.(14)  Nach Meinungen seiner Teilnehmer hat das BÖF-2000 für den asiatischen Teil der russischen Wirtschaft eine ebenso große Rolle wie Davos für den Westlichen Teil der russischen Wirtschaft.  Ein Hauptziel des Forums bestand darin, den russischen und internationalen Politikern und dem Business die Notwendigkeit und die Möglichkeiten von Russland zu demonstrieren; i. e. dass die Russische Föderation – die eine zwischen zwei Integrationsgruppierungen gelegene euroasiatische Macht ist – sich in Westeuropa im Rahmen von EU bildet und im nordöstlichen Asien sich mit der Teilnahme Japans, Chinas, der Republik Koreas entwickelt.  Mittels Erarbeitung der Entwicklungsstrategie Russlands für das 21. Jh. findet sich die Idee der Notwendigkeit der aktuellen hydroökonomischen und hydropolitischen Nnutzung Russlands, ihrer weitreichenden intellektuellen und quellenden Potenzenen in BÖF-2000.  Um  die nationale und regionale Sicherheit Russlands zu garantieren, ist es wichtig, die militär-politischen und strategischen Beziehungen mit den ausländischen Partnern auf das einzige Prinzip - "Sicherheit durch Partnerschaft und Zusammenarbeit"(15)  - zu stellen.

Nach der Vorbereitung des Dritten Baikal-ökonomischen Forums (BÖF-2004) wurden die gemeinsamen Sitzungen der SA RWA, der Arbeitsgruppen des Föderationsrates der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation und der Verwaltung des Gebietes Irkutsk geleitet.  Die Teilnehmer an der Beratung haben richtig bemerkt, dass einer der Hauptunterschiede dieses Forums seine internationale Ausrichtung und die größere Anzahl von ausländischen Teilnehmern war.  Die ständigen Teilnehmer der  SA RWA, des Föderationsrates, des Ministeriums für Wirtschaftsentwicklung und die Mitarbeit des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der Russischen Föderation haben im Forum aktiv zusammengearbeitet.  Die russischen Teilnehmer haben mit ihren Kollegen aus Europa und Asien die Probleme des Wälder, der Energetik, der Ökologie, sowie auch andere Fragen erörtert.(16)

Es ist selbstverständlich, dass die Situation in allen Instituten der russischen Regionen sich unterscheiden, doch insgesamt haben das System und die kollektiven Bemühungen in den vergangenen Jahren ihre Lebensfähigkeit bewiesen.  Die Einschätzungen der Perspektiven der Sibirischen Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie sind vom ersten Gesichtspunkt gesehen (welcher??) aus sehr widersprüchlich; aber natürlich gelten für alle Projekte nicht nur die Teilnahme sondern auch die Grenzen des gesteuerten sozialen Wirtschaftssystems in den Verwaltungseinheiten und autonomen Regionen des außereuropäischen Rußland.

 


Anmerkungen

1 Biote – in der griechischen Sprache ist alles lebendig, das in biologischer Natur zur Existenz kommt.
2 Gulwaira Schermatowa: „Privatisierung der Wälder: Neue Gesetzgebung in Russland. Rechte indigener Völker werden beschnitten“, in: infoeMagazin 19, 30-31.
3 Antropogen –  bedeutet in der griechischen Sprache „durch menschliche Entstehung, Verursachung“.
4 Sibirische Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie/ Novosibirsk. INFLIO-press, 1999.
5 Eine knappe Übersicht findet sich in UNESCO Red Book of peoples of the Russian Empire and of endangered languages: North Asia.
6 RAIPON Assoziation der Indigenen Kleinen Völker des Nordens. Ethnologische, linguistische und ethnografische Informationen.
7 „Die Landrechte sind die Schlüsselfrage“, Interview mit Michail Todyschew, RAIPON, in: infoMagazin 19, S. 36-38.
8 V. A. Turayew, R.W. Suliajandsiga, P.W. Suiajandsiga, W.N. Botscharnikow: Enzyclopedie der kleinen Ureinwohnern  des russischen Nordens, Sibiriens und des Fernen Ostens. Moskau, 2005.
9 D. Gath Whitley: The Ivory Islands in the Arctic Ocean, Journal of the Philosophical Society of Great Britain, XII, 1910.
10 Sibirische Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie/ Novosibirsk. INFLIO-press, 1999.
11 a.a.O. S. 151-153.
12 Yuri Slezkine: Arctic Mirrors. Russian and the Small Peoples of the North. Ithaca, London (C.U.P.), 1994.
13 Sibirische Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie/ Novosibirsk. INFLIO-press, 1999.
14 Russische Regionen. Nationalische Prioritäten, # 3/15/ April 2007.
15 Sibirische Abteilung der Russischen Wissenschaftsakademie/ Novosibirsk. INFLIO-press, 1999.
16 Die Ost-sibirische Wahrheit, 204, 6. Apr.

7.8. Landscapes in the context of societies / Landschaft im gesellschaftlichen Kontext

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Autor: Titel - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/7-8/

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