Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

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Grundlagentext

Mit den INST-Konferenzen der letzten Jahre konnte erreicht werden, daß im Bereich der Wissenschaftskommunikation (Nutzung des Internet), der Methodologie (Transdisziplinarität), der Sprachverwendung ("Enzyklopädie vielsprachiger Kulturwissenschaften"), des Selbstverständnisses der Wissenschaften ("Das Verbindende der Kulturen") und damit auch der Gegenstandserfassung sowie der transnationalen Kooperationen wichtige Grundlagen erarbeitet werden konnten. Mit der Konferenz "Das Verbindende der Kulturen" - bei einer Teilnahme von 4.000 WissenschafterInnen aus über 70 Ländern, der Kooperation mit der UNESCO, dem Europarat und der EU sowie der Stadt Wien und weiterer Regionen- zeigte sich die Bedeutung dieser Arbeit nicht nur in der International Science Community, sondern auch in gesellschaftlichen Prozessen. Die Dokumentation des Projektes "Das Verbindende der Kulturen" - Hardcoverbuch mit namhaften Beiträgen, DVD mit Dokumentarfilm zum Projekt, CD mit 1.050 Beiträgen aus 72 Ländern - wurde weltweit sehr positiv aufgenommen. Und diese Dokumentation wurde bereits mit dem Bruno Kreisky Anerkennungspreis ausgezeichnet.

Ziel der Konferenz

Das Ziel der Konferenz "Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften" ist nicht mehr "nur" darauf beschränkt, auf die Bedeutung der Kultur und ihrer Erforschung in heutigen Prozessen aufmerksam zu machen, neue Voraussetzungen für die Auseinandersetzung mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu schaffen. Das erweiterte Ziel der Konferenz ist, Grundlagen zu entwickeln, die eine Beteiligung an der Gestaltung der Gegenwart und Zukunft ermöglichen. In diesem Sinne werden die Konferenzergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Zur Konferenz sind daher nicht nur WissenschafterInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen, sondern auch PolitikerInnen, KünstlerInnen, PädagogInnen etc. eingeladen. Es geht darum, gemeinsam in neuer Weise Wissen zu erarbeiten.

Innovation und Reproduktion

In diesem Prozeß der Wissenserarbeitung wird Innovation als etwas verstanden, das ausgehend von bisherigen Erkenntnissen neues Wissen ermöglicht bzw. schafft. Dies war in vielen Bereichen in den letzten Jahrhunderten die Basis dafür, das Leben der Menschen zu erleichtern und im Durchschnitt auch wesentlich zu verlängern. Voraussetzung dafür war, daß dieses Wissen nicht nur im kleinem Kreis verblieb, sondern Lesen, Schreiben, Bildbetrachtung, Interpretation, Bekleidungen, Arbeitsgeräte, Heizung, Elektrizität, Kühlschränke, Waschmaschinen, Telephon, Medizin, neue Raumorganisationen, heute auch die Künste, Psychologie und vor allem auch via Bildung Erkenntnisse aus Wissenschaften und Forschung usw. für Massen nutzbar gemacht wurden.

Innovation und soziale Stabilität

Über Innovationen und Reproduktionen als solche nachzudenken, wird also durchaus Gegenstand der Konferenz sein, aber ohne eine breite gesellschaftliche Reproduktion sind Innovationen nur bedingt von Bedeutung. Innovation ist in diesem Zusammenhang aber durchaus nicht nur positiv besetzt. Eine breite gesellschaftliche Reproduktion führte seit dem Mittelalter auch immer wieder zu grundlegenden Erschütterungen der sozialen Sicherheit und oftmals einer In-Frage-Stellung der Planbarkeit eigener Lebensziele. In diesem Sinne hat Innovation auch immer wieder einen negativen Beiklang gehabt - nicht nur dann, wenn Innovationen mit (der Potenzierung von) Zerstörung (Gewalt, Krieg) verbunden waren.

Schrift/Zeichen - die zentralen Elemente der Wissensreproduktion

Die Reproduktion hat aber nicht nur ihre Bedeutung im Sinne einer (massenhaften) Wiederholung. Die wesentlichste Maßnahme für gesellschaftliche Reproduktion zur Erlangung von Wissen war die Einführung der Schrift (bzw. generell von Zeichen). Reproduktion war davor auch mit Lauten etc. möglich. Diese Form der Reproduktion hat aber nicht nur den Nachteil, daß sie einer Person bedürfen, sondern mit der "oral tradition" konnten vor allem die Veränderungen in der Wiedergabe nicht festgehalten werden. So verbleiben von (mündlich tradierten) Mythen zwar Bruchstücke, aber die (schriftlich dokumentierten) Mythologien zeigen die Sinnveränderungen über die Jahrtausende. Die schriftliche Reproduktion bietet daher die Möglichkeit einer breiteren Rezeption und vor allem auch der Kritik, da nur eine exakte Fixierung auch Unterscheidungen, Differenzierungen, eine genaue Kritik ermöglicht. Es ist daher die Frage zu stellen, wie heutige Reproduktionen von Wissen beschaffen sein sollen, um optimales Wissen zu gewährleisten und was überhaupt optimales Wissen in heutigen Prozessen sein könnte.

Widersprüchlichkeit und Komplexität

Sich dem Konferenzthema anzunähern, bedeutet daher, sich mit den Widersprüchen (der Janusköpfigkeit) sowie der Komplexität der Prozesse auseinander zusetzen. Im Kontext heutiger Umbruchsprozesse (Lesen, Sehen, Gestik, Interpretation, Produktion, Arbeit, Alltag u.v.a.) soll danach gefragt werden, wie Innovationen und Reproduktionen gestaltet werden sollen. Das ist gerade in einer Zeit von Bedeutung, da versucht wird, Strukturen aus anderen Bereichen (Industrie, Verwaltung) auf kreative Prozesse zu übertragen, womit bereits bisher weltweit einiger Schaden angerichtet wurde. Dies ist aber kein einheitlicher Trend. Von der neuen EU-Kommission wurden für die künftige Arbeitsweise der ForscherInnen zum Beispiel einige Aspekte berücksichtigt, die bei der INST-Konferenz 2003 herausgearbeitet wurden.

Öffentlichkeit und Wissensqualität

Es wird daher durchaus auch von relevanten Institutionen anerkannt, daß die Erforschung und Darstellung von Widersprüchlichkeiten und Komplexitäten einer Organisation bedürfen, die ihnen gemäß ist. Dort, wo es sich um unmittelbare kreative Arbeit handelt, ist die Frage nach den Spezifika dieser Arbeit zu stellen. Von übergreifender Bedeutung dürfte aber allgemein die Öffentlichkeit sein. Nur eine demokratisch funktionierende Öffentlichkeit kann gewährleisten, daß in einer hocharbeitsteiligen Gesellschaft, in der es kaum möglich ist, in einem Spezialgebiet den Überblick zu bewahren, Wissen eine hohe Qualität hat und nicht auf Schlagzeilen reduziert wird. Zentrale Begriffe waren in diesem Kontext im INST-Diskurs der letzten Jahre unter anderem Plurikulturalität, Polylog, Transdisziplinarität.

Struktur der Konferenz, Öffentlichkeit, Gestaltung

Bei der Organisation der Konferenz wird vom INST versucht ,die Unterschiedlichkeiten, Widersprüchlichkeiten, die Vielfalt, die Unüberschaubarkeiten der Informationen, die Komplexitäten zu berücksichtigen. Ihre Vorbereitung wird wieder im wesentlichen von SektionsleiterInnen aus Dutzenden Ländern und Disziplinen getragen. Durch diese Struktur wird nicht nur die Pluralität gesichert, sondern auch die Basis für eine hohe Qualität der Synergie geschaffen. Das INST stellt für die SektionsleiterInnen und ReferentInnen die Plattform (Homepage mit rund 60.000 NutzerInnen aus über 100 Ländern pro Monat) und die Öffentlichkeit für die Präsentation der Ergebnisse zur Verfügung. Die Dokumentation der Ergebnisse und deren Bewerbung erfolgt wieder im WWW, als Hardcoverbuch (INST-Reihe: "TRANS-Studien zur Veränderung der Welt", mit und durch einen Dokumentarfilm sowie einer CD mit den Beiträgen sowie Präsentationen weltweit. Weiters bemüht sich das INST auch darum, daß die Ergebnisse in die gesellschaftliche Gestaltung einfließen, was in den letzten Jahren vor allem auf internationaler Ebene (UNESCO, EU, Europarat) durchaus gelungen ist.

Sektionsgruppen/Aspekte

Mit dem Vorschlag zu den Sektionsgruppen, die 2004 in einem breiten Rahmen erarbeitet wurden, sollen einige Aspekte hervorgehoben werden, die bei den Vorschlägen zu den Sektionen zu berücksichtigen sind.

Ein Aspekt ist die Bedeutung der Lebensinteressen (wie bereits frühere Konferenzen zeigten), weil es nicht nur um Hermeneutik, Kategorisierung, Einordnung geht. Diese Elemente der Wissenschaft bzw. der Alltagsorganisation können - wie andere auch - zum Teil als Instrumente der Gewalt eingesetzt werden. Der Begriff Lebensinteressen umfasst wesentlich mehr Verständnis und Organisation, berücksichtigt Vielfalt und Komplexität in der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.

Die Sektionsgruppe "Grundlagen" soll es ermöglichen, die Spezifika der einzelnen Richtungen der Wissensproduktion herauszuarbeiten, die nicht nur in Methodologie, Gegenstand, sondern auch in ihren Kommunikationsweisen und Organisationsstrukturen zum Teil grundsätzlich voneinander unterschieden sind.

Die Sektionsgruppe "Gedankliche Voraussetzungen gesellschaftlicher Innovationen" hat eine ähnliche Zielsetzung, aber es wird in dieser Sektionsgruppe auch danach gefragt, welche Auswirkungen Innovationen haben. Hervorgehoben wird weiters das Denken als eine Tätigkeit, nach deren Besonderheiten gefragt wird.

Mit der Sektionsgruppe "Centrope" wird der Versuch unternommen, auf der Basis der bisherigen INST-Erkenntnisse erstmals neue Wissensstrukturen zu entwickeln und diese Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen dieser Sektionsgruppe werden auch Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt werden - auch in Form einer Ausstellung im Informationszentrum der Konferenz.

Künste, Wissenschaften, Forschung - alle kreativen Bereiche - sind innovativ und ständig mit Veränderungen verbunden. Eine Reihe von Sektionsgruppen sollen daher gerade diesen Tätigkeiten gewidmet werden. Die Thematiken bieten viele Möglichkeiten, seine Spezialkenntnisse auf unterschiedliche Weise einzubringen.

Eine Reihe von Sektionsgruppen bietet weiters den Rahmen, sich mit Strukturen, Veränderungen, (sozialen) Folgewirkungen, Gestaltungen usw. eingehender auseinander zusetzen.

Ergebnisse

Die Konferenz "Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften" bietet daher die Chance für Wissenschaften, Forschungen, Künste, Pädagogik, Politik usw., sich in neuer Weise mit heutigen Prozessen auseinander zusetzen und zum Verständnis der komplexen und widersprüchlichen Prozesse beizutragen. Das könnte gerade heute ein wichtiger Beitrag sein, um zu ermöglichen, gesellschaftliche Prozesse menschenwürdiger zu gestalten - darunter durchaus auch in den eigenen Arbeitsbereichen. Für eine breite Öffentlichkeit wird gesorgt.

Der INST-Vorstand

 

WEBDESIGN: Peter R. Horn
LETZTE ÄNDERUNG: 2005-01-25