Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< Sind die Weltreligionen friedensfähig?

Religiöser Fundamentalismus und politischer Islam in Deutschland -ihr Einfluss auf Frauenrechte und Frauenbild

Collin Schubert (Terre des Femmes, Tübingen)

 

ABSTRACT:

Im Zug von Globalisierung und dem Einsatz von Massenkommunikationsmitteln gewinnen religiöse fundamentalistische Strömungen weltweit an Einfluss.

Unbeachtet von der Öffentlichkeit bilden die Akteure dieser Bewegungen Koalitionen. In einer unheiligen Allianz haben sich USA, Vatikan und islamische Fundamentalisten zusammengeschlossen. Um ihre Macht zu festigen arbeiten sie daran, dass Errungenschaften auch in der Frauenpolitik wieder rückgängig gemacht werden. Um keine weiteren Rückschritte zu verzeichnen, wurde deshalb auf die Nachfolgekonferenz der erfolgreichen UN-Weltfrauenkonferenz in Peking 2005 verzichtet.

Alle religiös-fundamentalistischen Bewegungen vertreten ein konservatives und patriarchales Frauenbild. Frauen werden als defizitäre Wesen gesehen, die dem Mann geistig und physisch unterlegen sind. Sie sollen akzeptieren dass sie bestenfalls gleichwertig, aber nicht gleichberechtigt sind. Sie sollen auf ihre biologische Funktion reduziert werden, ihre Rolle als Ehefrau und Mutter, (vorzugsweise von Söhnen) wahrnehmen

Während sich in Deutschland durch die weitgehende Trennung von Kirche und Staat der christliche Fundamentalismus in einer Nische bewegt, ist der politische Islam, der von einem ganzheitlichen Weltbild ausgeht, seit einigen Jahren sehr aktiv.

Was die Rolle der Frau betrifft, zeichnet sich inzwischen eine neue Strategie ab: Frauen sind nicht nur Opfer, sondern auch Akteurinnen. Weibliche Helferinnen werden in das islamistische Gesellschaftskonzept eingebunden und können politisch aktiv sein.

Eine neue weiblich-islamistische Elite vertritt nach außen eine moderate Form der islamistischen Ideologie, nach innen wird jedoch die konservativ- traditionelle Frauenrolle propagiert.

Das ist eine fatale Entwicklung für Migrantinnen. Viele junge Frauen stehen in ständigem Konflikt zwischen den Traditionen des Herkunftslandes und den Lebensformen der westlichen Gesellschaft. Durch kulturelle Praktiken wie arrangierte Ehen bis hin zu Zwangsheirat und Ehrenmorden, die manche stark religiös geprägte Familien aus ihren Herkunftsländern mitgebracht haben, werden sie an ihrer Selbstentfaltung gehindert. Gerade in der dritten Generation schwinden ihre Integrationschancen. Viele Frauen werden regelrecht von der westlichen Gesellschaft abgeschottet. So haben sie kaum Gelegenheit, sich Hilfe von außen zu holen.

Bislang wurde in Deutschland der Entwicklung dieser Parallelgesellschaften viel zu wenig Beachtung geschenkt. Tabus, Berührungsängste und Versäumnisse in der Integrationspolitik haben verhindert, dass Maßnahmen zur Integration schwieriger Gruppen ergriffen wurden. Erst durch den Mord an einem Mann, dem holländischen Filmemacher Van Gogh, wurde erkannt wie entschlossen der politische Islam auf jede potentielle Bedrohung reagiert. Welche Konsequenzen also auch jeder Frau drohen können die es wagt, das herrschende Frauenbild in Frage zu stellen.

Mein Beitrag wird dieses Problemfeld thematisieren, denn jede Suche nach Weltfrieden, einem Weltethos ist zwecklos, solange nicht Frieden und Gleichheit unter den Geschlechtern hergestellt ist.

Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9. - 11. december 2005

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