Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
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Einige Überlegungen zu den Beziehungen zwischen soziokulturellen Gruppen innerhalb gemeinsamer politischer Einheiten anhand von Beispielen aus der Habsburgermonarchie

Peter Stachel (Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte, Wien)

 
ABSTRACT:

Ausgehend von einem vergleichenden Ansatz werden Überlegungen zu einem begrifflichen Instrumentarium vorgestellt, das es erlauben soll, Mechanismen ethnisch-kultureller Ein-, Ab- und Ausgrenzung nicht aus individuellen Einstellungen, Gefühlen oder Charaktereigenschaften, sondern als Folge bestimmter Formationen von Beziehungen zwischen Gruppen strukturanalytisch zu beschreiben. Zu diesem Zweck wird zwischen drei idealtypischen Modellen möglicher inter-kultureller Gruppenbeziehungen unterschieden: 1. Einem Uniformitätsmodell, in dem die kulturelle und ethnische Vielfalt zugunsten der ausschließlichen Dominanz einer Gruppe eliminiert wird (z.B.: Einheit von Ethnie und Territorium in der nationalistischen Ideologie). 2. einem Komponentenmodell, in dem die kulturellen Grenzen zwischen den einzelnen Gruppen aufrecht bleiben (Multikulturalität, "salad bowl", aber auch Apartheid- oder Kastengesellschaften) und 3. einem Emergenzmodell, in dem die Beziehungen zwischen den Gruppen zu einer Veränderung aller am Kontakt beteiligten Gruppen und eventuell zu einer Veränderung des politischen Gemeinwesens führen (z.B. "melting pot").

Dieses Erklärungsmodell fasst Gesamttendenzen der Beziehungen zwischen Gruppen idealtypisch zusammen, es ist für die Analyse der Beziehungen zwischen bereits existierenden Gruppen, die über eine Art von "Gruppenbewußtsein" verfügen, geeignet und berücksichtigt - unter methodischer Ausblendung anderer möglicher Formen von Beziehungen - ausdrücklich nur solche ethnisch-kultureller Art. Es erlaubt zwischen deskriptiven, normativen, interpretativen, pragmatischen und legitimatorischen Aspekten in Beziehungen zwischen ethnisch-kulturellen Gruppen zu unterscheiden und dient dazu, das Beziehungsverhältnis zwischen Gruppen (nicht die Merkmale einzelner Gruppen) zu analysieren und Grundmuster von Legitimations- und Argumentationsstrategien unter vergleichbaren strukturellen Voraussetzungen zu beschreiben, wobei in pluriethnischen politischen Einheiten eines der drei Modelle den Status einer legitimatorischen Doktrin erhalten kann.

Die Tauglichkeit des Erklärungsmodells wird anhand von drei Beispielen aus der Habsburgermonarchie des 19. Jahrhunderts exemplarisch dargelegt: 1. Der habsburgischen "Gesamtstaatsidee", 2. dem Verhältnis der magyarischen politischen Eliten zum Gesamtstaat einerseits und zu den Nationalitäten innerhalb des Königreichs Ungarn andererseits, 3. der sogenannten "Assimilation" der Juden.

Anmerkung: Das Erklärungsmodell wurde vom Referenten gemeinsam mit dem Soziologen Bernd Weiler (Friedrichshafen) erarbeitet.


Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9. - 11. december 2005

H O M E
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