Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften (IRICS) Wien, 9. bis 11. Dezember 2005

 
<< Identitätsmanagement von Minderheiten im Alpen-Donau-Adria-Raum / Minorities’ Identity Management in the Alpine-Danube-Adriatic Region

Sprachpolitik als Identitätsmanagement bei den slavischen Balkanmuslimen

Christian Voss (Universität Freiburg, Slavisches Seminar, Freiburg/B.)

 
ABSTRACT:

Der Vortrag fokussiert das Identitätsmanagement der slavischsprachigen Balkanmuslime (Bosnjaken, Torbešen und Pomaken), die im öffentlichen Diskurs um die Europakompatibilität des Islams bisher keine Berücksichtigung gefunden haben.

Diese Gruppen, die als Verlierer der ethnischen Homogenisierung der postosmanischen Nationalstaaten bis heute Strategien ethnischer Mimikry und partielle Nationalisierungsprozesse durchlaufen, können als Paradebeispiel fluider und multipler Identitäten südosteuropäischer Kleingruppen vorgeführt werden: Die osmanische millet-Identität, die Ethnizität auf konfessioneller Basis definierte, ist keineswegs in eine eindimensionale türkische Nationalidentität gemündet.

Ausgehend von der bosnischen Nationswerdung im späten 20. Jahrhundert, die in der österreichischen Periode 1878-1918 und auch durch Titos ethnostatistischen Experimente massiv gefördert worden ist, soll das Wechselspiel von Fremdzuschreibung seitens der Mehrheitsbevölkerung und Eigenzuschreibung anhand der Sprachpolitik derartiger Gruppen dargestellt werden. Bei der Ausarbeitung einer puristischen, ideologischen Sprachideologie wird schnell die Diskrepanz zwischen den Nationalisierungstendenzen der lokalen Eliten und dem Selbstverständnis breiter Teile der Minderheit deutlich, die ihren hybriden, durch Codeswitching geprägten Sprachgebrauch als ikonisches Symbol ihrer Grenzlandidentität verstehen.

Bei den Torbešen in der Republik Makedonien zeigt sich heute ein allmählicher shift von einer türkischen zu einer albanischen nationalen Identität, während die Pomaken in Griechenland immer stärker turzisiert werden. Hier ist die Frage, wieweit dieser Prozeß auf die "entbulgarisierende" griechische Minderheitenschulpolitik zurückzuführen ist und wie stark seine Eigendynamik ist. In beiden Fällen beobachten wir die Nichtdeckungsgleichheit von sprachlicher und (ethno)nationaler Identität, so dass Sprache als "hartes" Ethnizitätskriterium zu hinterfragen ist.

Innovations and Reproductions in Cultures and Societies
(IRICS) Vienna, 9. - 11. december 2005

H O M E
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