|
Das ewige Rätsel und der Feminismus in Ungarn
Larissa Hrotko [BIO]
Email: lara.r@t-online.hu
ABSTRACT:
„Es gibt so viele Rätsel, aber nur eins von ihnen gilt als ewiges: das ist die Frau. Das sind die Worte, die mit einem rätselhaften Lächeln oder ernsthafter Wichtigtuerei von Dichtern, Schriftstellern und Künstlern immer wieder ausgesprochen werden. Genauso spricht jeder Mann, indem er an die Frauen denkt.
Ewiges Rätsel. Dennoch glaubt jeder 16jährige Jüngling, dieses Rätsel gelöst zu haben. Er kennt ja die Frauen, er ist ja ein Mann. Er geht sogar weiter: Nur er kennt die Frauen wirklich. Die können sich selbst nie kennen lernen. Sie tragen nur ihr weibliches Wesen wie ein Kleid oder so, wie ein Vogel seine Federn trägt, ohne eigentlich zu wissen, wozu er diese hat.
Der Mann weiß alles über die Frauen. Er kennt ihre Bestimmung, ihre Bedürfnisse, ihre Werte – sowohl in Hinsicht auf ihre Person, als auch hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Rolle – er weiß, wann sie glücklich bzw. unglücklich ist. Er kennt ihre Möglichkeiten und ihre Grenzen. Er kennt die Frauen in- und auswendig, aber sie bedeuten für ihn ungefähr so viel wie ihr Hut.“ (B. Schwimmer Rosa, Zeitschrift Die Frau, 1914/1–2. Seite.)
Ein Fragment aus dem Buch vom Dr. Blau Lajos, Rabbiner und Leiter des Rabbinerinstituts zu Budapest: „Die Frau war nicht Sklavin, aber auch nicht gleichberechtigt, obgleich eine fortschreitende Aufwärtsbewegung zur vollen sittlichen Persönlichkeit in natürlicher Unterordnung unter dem Manne sich nicht verkennen lässt“. Zitiert wurde das Obenangeführte aus dem Buch „Das Ehe- und Familienrecht der Hebräer. Mit Rücksicht auf die ethnologische Forschung dargestellt“, welches 1914 in Münster erschien. Zwei Jahre später veröffentlichte die Ungarisch-Jüdische Umschau die Arbeit des berühmten Rabbiners und Wissenschaftlers. In einem anderen Blatt dieser Zeitschrift wurden die Frauen, die ihre Freizeit mit anderen Frauen an öffentlichen Orten verbringen, als „Frauen aus dem Café” bemitleidet, weil sie sich sozusagen ins Schaufenster stellen, anstatt zu Hause auf ihre müden, überarbeiteten Ehegatten zu warten.
Aber nicht nur auf der jüdischen Seite der Gesellschaft Ungarns gab es mal vorsichtige, mal ganz eindeutige antifeministische Stimmen. Im Parlament agitierte Abgeordneter Schamu Pap gegen die Zulassung der Frauen an die staatlichen Universitäten. Auch Gesa Schomogyi von der reformierten Kirche Ungarns und Herr Bischof Bela Mayer aus Kalotscha fanden die Forderung der Frauen hässlich, weil die akademische Ausbildung die Heiratschancen junger Frauen deutlich minderte. Die Kirchen wollten wissen, dass die bisherige Stelle der Frauen von Gott bestimmt wurde. Daher kam es, dass diese Situation von Menschen, geschweige denn von Frauen, unmöglich geändert werden durfte.
Der Feminismus hat in Ungarn wahrscheinlich Anfang des 19. Jahrhunderts begonnen. Frau Eva Takats (geb. 1790) war vor allem gesellschaftsorientierte Autorin, die sich für Befreiung und soziale Legalisierung der Fronbauern eingesetzt hat. Ihr erster Artikel erschien 1822. 2 bis 3 Jahrzehnte später entfaltete sich die Bewegung für akademische Ausbildung der Frauen an den staatlichen Universitäten, und erst am Anfang des 20. Jahrhunderts begann die Bewegung für die Wahlrechte der Frauen.
1904 wurde der Verein der ungarischen Feministen gegründet, worüber fast alle Zeitungen Ungarns berichtet haben. Das Pester Journal beschrieb die Gründungssitzung folgendermaßen: „200 Damen und 50 Herren standen im engen Raum so still wie in einer Kirche und warteten auf die Ereignisse. In Reihen des Publikums standen die besten Vertreter unseres Kulturlebens, die Gesellschaft war also gemischt“. Dicht aneinander standen im Raum auf dem Franziskaner-Platz StudentInnen, Arbeiterinnen und verwöhnte junge Damen. Frau Vilma Glücklich hielt die Gründungsrede ab, die von mehreren Zeitungen positiv bewertet wurde, aber es gab auch Kritik. Man behauptete, der neue Verein sei die Gesellschaft der Frauen, denen es viel zu gut gehen würde. Sie würden nicht wissen, wie sie ihre Zeit vertreiben können, daher sei der Gedanke des neuen, völlig unnötigen Vereins entstanden.
Frau Vilma Glücklich war die erste Frau Ungarns, die ihr Studium in Ungarn absolviert hat. Nachdem sie ihr Diplom erworben hatte, unterrichtete sie in Budapest. Frau Bédy-Schwimmer, die zusammen mit Vilma Glücklich den Feministenverein gegründet hat, war Hauptredakteurin der Zeitschrift Die Frau (vorher Frau und Gesellschaft). Sie war Botschafterin von Mihály Károlyi in der Schweiz, 1937 erhielt sie den Weltfriedenspreis verliehen. Sie galt als eine radikal moderne Frau.
Die dritte Gründerin war Eugenia Miskolczy. Auch sie war jüdischer Abstammung und mit der Politik eng verbunden. Sie war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei. 1944 wurde sie verhaftet und verschwand spurlos.
|