Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie Menschen ein Geschehen,
das sie erleben oder gedanklich (re)konstruieren, mental repräsentieren.
Es wird zunächst aufgezeigt, wie sich aus der subjektiven Unterscheidung
zwischen Wahrnehmen und Erinnern die Distinktion zwischen Gegenwart („Jetzt“)
und Vergangenheit ergibt und damit implizit die Konzeption von Zeit als gerichteter
Dimension. Gegenstand der Kognition sind aber nicht nur gegenwärtiges
und vergangenes Geschehen, sondern auch zukünftiges Geschehen. Wie zahlreiche
Befunde aus verschiedenen Forschungsgebieten belegen, ist Antizipation –
also die mentale Vorwegnahme des weiteren Verlaufs eines Geschehens –
sogar ein wesentlicher Aspekt der mentalen Repräsentation von Geschehen.
Dies gilt sowohl für die Wahrnehmung, bei der fortlaufend die mögliche
Weiterentwicklung des Geschehens mental repräsentiert wird, als auch
für die Handlungsplanung, bei der der Handlungseffekt immer mitrepräsentiert
wird. Zudem sind Prinzipien der Antizipation bzw. Antizipierbarkeit grundlegend
für das Bilden von Ereigniskonzepten und so genannten Scripts, wie auch
für die mentale Segmentierung von Geschehen.
