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Deutschsprachige Germanistik in Ostasien
Naoji Kimura (Tokyo/Regensburg)
Email: naoji.kimura@psychologie.uni-regensburg.de
ABSTRACT:
Als Geburtsstunde einer ostasiatischen Germanistik gilt ohne Zweifel der VIII. Weltkongress der IVG (= Internationale Vereinigung für Germanistik), der im August 1990 in Tokio stattfand. Hier haben die japanischen, koreanischen und chinesischen Germanisten Deutsch als Lingua franca im Wissenschaftsbereich entdeckt, indem sie sich anhand dieser Sprache nicht nur mit den Kollegen aus den westlichen Ländern, sondern auch miteinander verständigten. So konnten sie schon ein Jahr später im wiedervereinigten Berlin mit den deutschen Kollegen zusammen ein Germanistik-Symposium aus ostasiatischer Perspektive veranstalten.
In den darauf folgenden Jahren hat sich aber die internationale Germanistik aus der traditionellen Philologie immer mehr zu einer Kulturwissenschaft entwickelt. Diese erwies sich allerdings im Zeitalter der Globalisierung von Anfang an als interkulturell und weniger textwissenschaftlich als sonst. Sie bewegt sich vielmehr im Rahmen der allgemeinen Literaturwissenschaft, da sie sich mit kulturellen Themen in verschiedenen Literaturen der Welt zu beschäftigen hat. Aus einer philologischen Forschungsdisziplin speziell zur deutschen Sprache und Literatur ist also eine interkulturelle Literaturwissenschaft mit dem Schwerpunkt deutschsprachiger Kultur geworden, wenngleich dies vorwiegend in der sogenannten Auslandsgermanistik der Fall ist.
Was man früher von deutschsprachiger Seite für die Ostasienwissenschaft mit Sinologie, Koreanistik und Japanologie geleistet hat, wird auf diese Weise zusehends auch von den Germanisten in China, Korea oder Japan im Hinblick auf deutschsprachige Kultur bzw. auf eigene Kultur angestrebt. Dabei sind sie mit der ostasiatischen Kulturtradition mehr oder weniger gut vertraut. In der interkulturell ausgerichteten Germanistik begegnet man sich daher in den Bemühungen, gegenseitig fremde Kulturen zu verstehen, auf halbem Weg und vermag seinen geistigen Horizont allmählich zu einer allgemeinen Kulturwissenschaft von Ost und West zu erweitern.
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