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"Kleine" Sprachen und Kulturen im Spannungsfeld von Mehrheit und Minderheit
Fritz Peter Kirsch (Universität Wien)
Email: fritz.peter.kirsch@univie.ac.at
ABSTRACT:
Die Lage der minoritären Sprachen und Kulturen ist mit ihrer politisch und sozioökonomisch geprägten Beziehung zu Sprachen und Kulturen von Mehrheiten untrennbar verbunden. Diese Beziehung kann als ein Spannungsfeld gesehen werden, in dem drei Relationsmodelle einander konkurrieren:
- Ethnozentrismus der Mehrheit, der auf die Eliminierung des schwächeren Teils abzielt, worauf derselbe mit Abkapselung, aggressiven oder hinhaltenden Überlebensstrategien oder resignierender Anpassung reagiert.
- Bürokratische Arrangements zwischen Mehrheit und Minderheit, die auf der Ebene von Verträgen und Gesetzen den Konflikten die Spitze nehmen sollen, wobei aber stillschweigend hingenommen wird, dass sich eine Vielzahl nicht eindeutig geregelter Bereiche des Alltagslebens de facto zuungunsten der Minderheit auswirken. In der Praxis gehen die Modelle 1. und 2. verschiedene Kombinationen ein.
- Überschreitung der puren Toleranz und realitätsfernen Legistik durch ein Bildungsmodell, das auf dem Prinzip des Voneinander-Wissen-Wollens beruht. Dieses Modell ist nur in Ansätzen verwirklicht. Es erhält fördernde Impulse, wenn Leitideologien der Mehrheiten Vielfalt als ein erhaltenswertes Gut schätzen (Beispiel: "kultureller Reichtum Europas"). Aber da solche Bekenntnisse oft nur Theorie bleiben, ist das Bildungsmodell einer interkulturell orientierten Wissensgesellschaft noch weitgehend utopischen Charakters. Daher die enorme Bedeutung der Literaturen in den "kleinen" Sprachen in ihrer Funktion als Lebenszeichen und Mahnmale.
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