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Personhood, Sociality and Disability Personsein und Sozialität am Beispiel geistiger Behinderung Elisabeth List (Institut für Philosophie, Universität Graz) [BIO]
Email: Elisabeth.list@uni-graz.at
ABSTRACT:
The person is defined in traditional philosophy and especially in bioethic in terms of what Snyder and Mitchel (Cultural Locations of Disabilitiy 2006) call “ableism”, as the possession of certain mental, cognitive capacities. Taken this concept of personhood for granted, people with mental disabilities have a problematic the state of personhood, and are cannot fully of human rights and human dignity.
An adequate view of the situation of mental or cognitive disabilities requires a revision of the traditional concept of personhood. I want to propose such a revision by claming that to be a person means to be capable of, or to have bonds with relevant others and to be acknowledged by them as equally relevant. This relationship constitutes moral rights and responsibilities, even in cases where the relationship of acknowledgement is asymmetric, as in the case of persons in the process of dying or in the case of acephalic children. It is most evident in the case of mentally retarded who exhibit in their behaviour many features of bonding and belonging.
Human worth and dignity then are not necessarily related to the possession of certain cognitive capacities but are ascribed by the community one lives with.
Die jüngeren Debatten in der so genannten Bioethik haben dem Personbegriff eine neue Aktualität gegeben, vor allem in der Auseinandersetzung um Grenzsituationen menschlichen Lebens und damit des Personseins.
Personstatus wird in den bioethischen Debatten an das Vorliegen, an den Besitz bestimmter, kognitiver Fähigkeiten gebunden. Dahinter steht eine Logik des Begriffs „Person“, die das Erbe einer alterwürdigen philosophischen Tradition, der zufolge Personsein im Besitz bestimmter geistiger Eigenschaften und Fähigkeit besteht. Personalität ist aber mehr. Es ist eine Weise der Existenz, die durch zwei Grundelemente bestimmt ist: Selbstbezug und Interpersonalität. Für beides ist Sozialität vorausgesetzt. Der Personbegriff, der Personsein an Selbstbewusstsein und ein bewusstes Selbstverhältnis als notwendige und hinreichende Voraussetzung des Personseins bindet, ist nicht geeignet, die Besonderheit der menschlichen Daseinsform angemessen zu charakterisieren.
Die Entdeckung von „Spiegelneuronen“ in der jüngeren Neurobiologie liefert den Beleg dafür, dass in der neurobiologischen Ausstattung von Menschen, wie auch von anderen Primaten, soziales Verhalten und soziale Wahrnehmung primär sind gegenüber den kognitiven Fähigkeiten im engeren Sinn, die offenbar in ihrer Entwicklung die soziale Wahrnehmung und ein soziales Umfeld ihrerseits voraussetzen.
Das Personsein resultiert also im Normalfall aus den Gegebenheiten der gegenseitigen Wahrnehmung und Anerkennung, die moralische Relevanz begründet. Auch asymmetrische Anerkennungsverhältnisse wie im Falle nicht bewusstseinsfähiger Menschen konstituieren einen moralischen Status als relevanter Anderer als Personen.
Die untrennbare Verbindung von Sozialität und Personsein legen eine Revision der Logik des vernunftzentrierten Personbegriffs nahe. Neurobiologische Befunde über die Rolle von Empathie in der Wahrnehmung des Anderen belegen: Wir nehmen den Anderen vor aller Reflexion als „Wesen wie wir“ wahr, als handelnde und sozial präsente „personhafte“ Individuen.
Die grundlegende Fähigkeit zum Personsein sind nicht allein Intelligenz oder Bewusstsein, sondern auch die Fähigkeit, sich auf andere zu beziehen, sie wahrzunehmen und sich ihnen gegenüber angemessen, das heißt empathisch, einfühlend zu verhalten. Man könnte dies die Fähigkeit zur Sozialität nennen. Sozialität ist, unabhängig vom Kriterium Bewusstheit und Reflektiertheit, ein konstitutives Moment des Personseins. Diese Einsicht ist grundlegend für einen angemessenen Umgang mit anderen, insbesondere mit Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
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