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Switlana Fiskowa (Lviv) |
Die Literatur versucht heutzutage den Zustand und die Situation des modernen Menschen zu fixieren. Sie weiß durch analytische Fähigkeit und sprachliches Ausdrucksvermögen erfahrene Auskunft zu geben über die Tendenz der Eröffnung des Menschen durch die Gegenwart. Der moderne Mensch, der durch eigenes Nachdenken und Reflektieren in die Enge getrieben ist, wendet sich zur Seele um. Dabei faßt er die Zeit als Geistesdimension. Es geht um die apriorische, transzendente Zeitauffassung. Die Transzendenz führt dazu, daß die Zeit als ewig-gegenwärtige Dauer aufgefaßt wird. Das Gefühl des Globalismus bei der Auffassung der Zeit und des Raumes verstärkt die Synthese von Literatur und Musik. Wie Jean Paul über die Musik schreibt: "Wenn die Töne sprechen, können wir nicht unterscheiden, ob sie unsere Vergangenheit oder unsere Zukunft aussprechen, wir hören ferne Tage, vergangene und herkommende, denn beide sind fern, und wir müssen zugleich uns erinnern und sehnen. Denn kein Ton hat Gegenwart und steht und ist; sein Stehen ist nur ein bloßes Umrinnen im Kreise, nur das Wogen einer Woge". Musikalisch gestimmtes Denken und Sprechen gehorchen einem anderen Maßstab, als nur ihrem eigenen. Musikalisch gestimmt hört der Mensch einen "Gesamtklang der Welt" und fühlt sich als Teil des Alls. So versuchen die Schriftsteller mit Hilfe der musikalischen Ausdrucksmittel und der "wörtlichen Musik" das Dasein als ästhetisches Phänomen zu rechtfertigen, den Erkenntnisprozeß zu vertiefen und in die tiefsten Gesetze der menschlichen Existenz einzudringen. Ein wichtiges Phänomen ist dabei die Musik und ihre ungewöhnliche Eigenschaft verleiht sie auch der Literatur. Jean Paul nennt die Musik "das irdische Echo der Ewigkeit". Die Musik soll das Wesen dieser Welt und die Einheit von Innenwelt und Außenwelt offenbaren. Der Mensch hört an den Tönen sein Inneres und "ewiges Ich". Musik ist ein Medium der inneren Fülle/Leere des Subjekts. Das heißt, die Literatur in Verbindung mit der Musik bekommt die Kategorie der Tiefe. Musikalität in der Literatur bedeutet oft Mythisches, Symbolhaftes, Parabolisches. Was den Menschen zu dem Menschen macht, die entblößten Existenzprinzipien, Mytisch-Ewiges, was für alle Zeiten, für alle Menschen eigen ist, schildern literarische Werke, die auf der musikalischen Grundlage gebaut werden. So machen die Schriftsteller den Versuch, mit Hilfe der Musik den aus der Welt gekippten Menschen wieder mit ihr in Einklang zu bringen.
Diese Tendenz zum Globalismus bei der Gruppierung und Begrenzung des gewöhnlichen Lebensinhalts in der Kunst, sprengt das schematische Bild und die Formelhaftigkeit des Daseins. Das ist besonders für den modernen Erkenntnisroman und den Bewußtseinsroman typisch.
Die Musik gibt auch dem abstrakten Zeitablauf den konkreten Inhalt. Das Wissen um die Zeitlichkeit kann nur als Erfahrung aus dem musikalischen Vollzug selbst hervorgehen. Das Bewußtsein des Hier und Jetzt des zeitlichen Vorgangs wird in die überzeitliche Struktur aufgenommen. Dieser Sachverhalt läßt sich als eine Verzeitlichung der musikalischen Struktur verstehen (z.B. bei H.Broch). So bescheinigt die Musik die mögliche Kompositionsbeseitigung in der Simultaneität. Die Zeitverhältnisse werden im modernen Roman oft analog zur Musik organisiert, so daß das wichtige Motiv dabei das Motiv der Zeitüberwindung ist.
Man thematisiert auch die Musik im modernen Roman als universale Sprache. Wo die Sprache sprachlos ist, können die Töne das Unsagbare äußern. Es geht um die Erscheinungen, die zum Bereich des Irrationellen gehören. Das ist der Erkenntnisprozeß, der sich durch die Intuition und Phantasie verwirklicht. Das ist ein sehr widersprüchlicher Prozeß, der das erkennende Bewußtsein auch als widersprüchlich charakterisiert. Indem das moderne Bewußtsein nach Einheit und Harmonie strebt, nimmt es den Widerspruch, in dem es zur Realität steht, in die eigene Struktur, in sich auf. In solchem Verhalten schärft es sich zur Erkenntnis. Es registriert aber alle Widersprüche - die eigenen und die der Welt. Und im Erkenntnismoment registriert es keine Möglichkeit, zum Absoluten zu gelangen, keine Versöhnung. Dabei ist der Prozeß selbst wichtiger als das Erreichen des Ziels. Das ästhetisch Realisierte offenbart sich in der Form, die oft fragmentarisch ist, aber die Idee der Einheit innehat ( z.B. R.Schneider). So kann die Musik bloß als Weltflucht verstanden werden und das Streben, mit Hilfe der Musik die Welt zu verwandeln, kann nur Illusion sein.
Literatur
Adorno, Theodor W.: Philosophie
der neuen Musik. Frankfurt am Main 1997.
Jean Paul: Sämtliche Werke. Berlin, Bd. 32.
Schmidt Bertram: Der ethische Aspekt der Musik. Würzburg
1991.
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