Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 16. Nr. | Januar 2006 | |
5.4. OPEN AND CLOSED SYSTEMS: The Improbable Way towards an Equilibrium |
Manuel Durand-Barthez (Toulouse)
[BIO]
Schlagwörter: Werttheorie. Hermann Broch. Neue Sachlichkeit. Ambivalenz. Phänomenologie. Dekonstruktion. Bild/Zeichen/Sinn
Das Thema der Sektion gründet sich auf einen Text des schwedischen Schriftsteller Göran Rosenberg. Er zitiert einen Auszug des Romans von H. Broch Die Schlafwandler. Dort sind drei geschlossene Systemen beschrieben: business is business, a la guerre comme a la guerre und l’art pour l’art. Man könnte auch sagen: wilder Kapitalismus, Kriegsgesetz und Kitsch. Rosenberg erklärt: "There is of course a perfectly normal state of mind between confusion and certainty, between despair and bliss, and that is - uncertainty, ambivalence, ambiguity. Which I think, happens to be the true human condition, at least more true than the long-lived Western fiction of a human march towards fulfillment and certainty." [The Heritage of a Century, Helsinki Forum (2001).]
So erscheint hier die Problematik der Ambivalenz. Wie sind Werte in diesem Kontext möglich? Der Ambivalenzkonflikt stellt aber auch die Frage der Grenzen zwischen den geschlossenen Systemen. Das Prinzip der Setzung der Setzung der Setzung [Broch] (Bilder von Bildern von Bildern [Mauthner]) und die Architektur der Netze schaffen eine durchdrungene Zone (no man’s land), die mit der flüssigen Modernität von Zygmunt Bauman viele gemeine Charakteristiken aufweist.
Neun ReferentInnen haben die Werttheorie analysiert. Drei Aspekte wurden behandelt:
1. Philosophie / Psychologie:
Endre KISS (Budapest) hat drei Ebenen in Hermann Brochs philosophischen Diskurs bestimmt: a) die wissenschaftslogische Begründung bzw. dynamische Beschreibung von Sachkomplexen, b) die ständig in Funktion gesetzte dynamische Vermittlungskette sowie c) die ständige Konzipierung bzw. Thematisierung des Universellen.
Manuel DURAND-BARTHEZ (Toulouse) hat eine kurze Lektüre von Husserl und Derrida vorgeschlagen, um die "Setzung der Setzung" von Broch mit der "Kontinuität von Nachhallmomenten" in den Vorlesungen über Bedeutungslehre von Husserl vergleichen zu können sowie um eine enge Verbindung mit der Phänomenologie herzustellen. Die Grenzen zwischen den Systemen sind hier nicht klar.
Veronique LIARD (Angers) hat Beziehungen zwischen Broch und Carl Gustav Jung sowie den Gegensatz zwischen Rationalität und Irrationalität unterstrichen.
2. Narratologie / Ästhetik
Einerseits gibt es die Problematik eines Diskurses, der gleichzeitig einen philosophischen und politischen Bestand und eine dichterische Funktion hat. Gunther MARTENS (Gent) stellte die Originalität dieser Schreibart vor. In der Tat glaubte Broch an der Dichtung mit ihrer platonischen Wirkung, die in seinem Werk ganz modern und aktuell erscheint. Die Frage des Essayismus, die in die Erzählung eingeschlossen ist, betrachtet; Vincent FERRE (Paris XIII) hat dies als ein falsches Problem behandelt, ein zweideutiges Element, das zu dem Text gehört. Ein Vergleich desselben Textes im Roman und im Rahmen der philosophischen Essays macht einen unterschiedlichen Eindruck. Die Form (die Gestalt?) ist nicht dieselbe.
Christian SINN (Erfurt/Konstanz) behandelte die Gegenüberstellung der Ethik und der Ästhetik, die bei den philosophischen Essays sowie in den Schlafwandlern so wichtig erscheinen: business is business, a la guerre comme a la guerre und l’art pour l’art sind drei Aspekten dieser Streitigkeit. Man darf eine einfach binärische Lektüre der Werttheorie überschreiten. Die Verflechtung der Bestandteile so wie im Tod des Vergils, ist komplex und erlaubt keine Vereinfachung (cf. auch supra die Problematik der Grenzen zwischen den Systemen).
Doren WOHLLEBEN (Augsburg) legte Nachdruck auf die Rolle der Dichtung; hat sie - wie Broch in seiner Selbstpsychologie behauptete - eine "erzieherische Wirkung"? Hannah Arendt hatte dies in Abrede gestellt: "Die Divergenzen des vehementen Befürworters einer neuen Ethik, Hermann Broch, und der Skeptikerin gegenüber jeglichem Wertesystem, Hannah Arendt, können in kritischen Bezug gesetzt werden zu deren Konvergenzen, was die Funktion der Dichtung und die Hoffnung auf einen Neuanfang anbelangt".
3. Politik / Soziologie
Diese Streitigkeit zwischen Ethik und Ästhetik ist für Esther SALETTA (Bergamo) gar nicht wichtig, wenn wir "das Bild in sich" betrachten. Bei Broch so wie bei Jelinek ist die Frage der Wahrheit in dem Bild, in der Reportage, ein trügerisches Symbol der politischen Vorstellung. Bambiland so wie Babel unterstreichen die Heuchelei der passiven Beobachter, der unbewussten (bis zum welchen Punkt?) Teilnehmer des geschlossenen Systems, der Schlafwandler. Massenmedien und Politik sind verknüpft.
Jacques PELLETIER (UQAM-Montreal) hat die Aporie der "totalen Demokratie" analysiert, einer Mischung von Marxismus und Humanismus, die Broch in seinen philosophischen Essays dargestellt hatte. Der ursprüngliche Begriff des "New Deal" gehört auch zu dieser zweisinnigen Idee.
Zusammenfassung
Dem Anschien nach war es eine Germanisten-Sektion, aber in der Tat standen kulturwissenschaftliche Inhalte so wie das Thema "Innovationen und Reproduktionen in Kulturen und Gesellschaften" im Zentrum. Die Sektion funktionierte so wie ein Forum, wo Rücksicht auf die Persönlichkeit jedes Teilnehmers genommen wurde. Die Bilanz dieses Diskurses erscheint positiv.
© Manuel Durand-Barthez (Toulouse)
5.4. OPEN AND CLOSED SYSTEMS: The Improbable Way towards an Equilibrium
Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections
Inhalt | Table of Contents | Contenu 16 Nr.