Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. März 2006
 

6.1. Modalitäten von Kulturkontakt
HerausgeberIn | Editor | Éditeur: Gertrude Durusoy (Ege Universität, Izmir/Turkei)

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Günter Grass und Yaschar Kemal. Eine regional-universale Anklage von Gesellschaft und Zeit

Dilek Altinkaya Nergis (Universität Dokuz Eylül, Izmir)

 

Einleitung

Im Rahmen dieses Beitrags sollen die sich auf demselben politisch ausgerichtetem Feld bewegenden und aktiv für die internationalen Menschenrechte engagierten zeitgenössischen Schriftsteller Günter Grass und Yaschar Kemal in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext als regional-chronistische Kritiker von Zeit und Gesellschaft dargestellt werden. Zu diesem Zweck wird sich diese Untersuchung auf die Romane "Die Blechtrommel"(1) (1959) des Literatur-Nobelpreisträgers (1999) Günter Grass und auf die deutschen Übersetzungen der "Memed"-Bände(2) (1955-1987) von dem für den Literatur-Nobelpreis nominierten (1972) Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels (1997) Yaschar Kemal stützen, da die Publikation beider Werke nicht weit auseinander liegt und für beide Autoren den Auftakt einer erfolgreichen Schriftstellerkarriere mit weltweiten Ruhm und Anerkennung bedeutete. Das wesentliche Ziel dieser Untersuchung wird es sein, die erstaunend ähnlichen Merkmale in den bereits erwähnten Werken des Bundesdeutschen Günter Grass und des Türken Yaschar Kemal, die doch aus einem ganz anderem kulturellen und regionalem Hintergrund stammen, kontrastiv aufzuzeigen.

Bereits bei dem Vergleich der biographischen Daten von Grass und Kemal werden auffallende Paralellen deutlich. So ist die Herkunft beider Autoren familiär und lokal eindeutig durch die Verbindung verschiedener Kulturen geprägt, die sich in ihren Werken prägnant widerspiegelt. Grass beispielsweise, dessen Vater ein protestantischer Deutscher und seine Mutter eine Katholikin kaschubischer Herkunft ist, wurde im Danziger Vorort Langfuhr(3) unter kleinbürgerlichen Verhältnissen geboren(4). Da seine Familie von der Mutterseite her erst die zweite Generation in der Stadt war, gab es noch den ganzen "Hintergrund der ländlichen Verwandtschaft"(5), die mit dem Kleinbürgertum aufeinandertrafen. Grass’ Lebensverlauf wurde durch den aufkommenden Nationalsozialismus und die politischen Verhältnisse dieser Zeit geprägt. Auf ähnliche Familienverhältnisse treffen wir in Yaschar Kemals Biographie, der in einem kleinen türkischem Dorf in Südanatolien auf die Welt kam. Seine Mutter ist von waschechter Turkmenischer Abstammung, deren Onkel alle tatsächliche Briganten waren. Sein Vater hingegen war ein kurdischer Grundbesitzer, der nach dem Ersten Weltkrieg vertrieben wurde und im turkmenischen Dorf seiner Frau Zuflucht fand. Sein Lebensverlauf wurde durch Armut und die politischen Verhältnisse der Gründungsjahre der Türkischen Republik bestimmt. Durch diese biographischen Paralelle kollidieren bei Günter Grass, gleichfalls wie bei Yaschar Kemal mehrere Welten, die beide Autoren in ihren Werken eindrucksvoll zum Ausdruck bringen.

Sichtlich handelt es sich in beiden Romanen um bestimmte Landesregionen, an denen die Zeitgeschichte mittels der Erlebnisse zweier Menschenschicksale auf kritische Weise konkretisiert wird. Grass beschreibt mit seiner "Blechtrommel" die Situation der deutschen Kleinbürger, Kaschuben, Polen und Juden in der Zeit des Nationalsozialismus in der Region um Danzig-Langfuhr aus dem Blickwinkel eines "Dauerdreijährigen", wobei Grass mit der "Blechtrommel "sein Terrain absteckte, das gemeinsam mit der Novelle "Katz und Maus"(6) (1961) und dem Roman "Hundejahre"(7)(1963) die "Danziger Triologie" bildet, deren Teile in der selben Gegend und Zeit angesiedelt sind und im großen und ganzen dieselbe soziale Schicht und Zeit beschreiben.

Aber auch Yaschar Kemal, hat mit seinem Werk "Memed, mein Falke", das er sogar zu einer Tetralogie ausbaute , sein Terrain der Tschukurova-Ebene(8) festgelegt, die ihn bewegt und in der er sich seiner Charakterisierung entsprechend wie in seiner eigenen "Hosentasche" auskennt. Auf die Frage, warum er immer wieder über die Tschukurova schreibe, antwortete Yaschar Kemal einmal: "Und worüber haben Dostojewski, Kafka denn geschrieben, wenn nicht über ‚ihre‘ Çukurova? Ich bin nicht vom Himmel gefallen, sondern in einem Dorf der Çukurova geboren"(9) . Damit siedelt Kemal seine "Memed-Romane" auf dem lokalen Fixpunkt seiner Kindheit und Jugend an, mit deren Kultur und Tradition er so tief verwurzelt ist. Nicht zu unrecht heißt es bereits im I. Band des weltberühmten "Memed, mein Falke"-Romans: "Jeder Mensch wächst daran und entwickelt sich je nach dem Boden, auf dem er geboren ist" (Memed I: 15) .

Wie sich zeigt, wählten beide Autoren zur Vergegenwärtigung ihrer Romane ihre ergiebigen Heimatregionen aus, die den unerläßlichen Vorteil des Authentischen haben, und in den jeweiligen Erinnerung von Grass und Kemal präsent sind, aber ihnen auch durch geographische Überschaulichkeit ermöglicht, ihre dargestellte Schlüsselgruppe facettenreich und eindringlich zu schildern.

Im weiteren sollen zunächst die inhaltlichen Gemeinsamkeiten, die zur Erfassung und Beanstandung der lokalen Gesellschaft und aktuellen Zeit dienen, kontrastiv dargestellt werden. Es soll einerseits aufgezeigt werden, in welcher Form die Autoren ihre "Helden" in der Gesellschaft auftreten lassen, und mit welchen Eigenschaften sie sie ausstatten. Andererseits soll darauf eingegangen werden, wie die Autoren ihren jeweiligen Protagonisten einsetzen, um ihrer regional-universalen Kritik Ausdruck zu verleihen.

 

Kontrastiver Vergleich der Figurenkonstellation "Oskar" und "Memed" in ihrem jeweiligen Gesellschaftsfeld

In diesem Teil der Untersuchung wird zunächst jeder Roman im Einzelnen anhand der Konstitution der Protagonisten vorgestellt und dann abschließend der Blick auf die Frage nach der regional-universalen Anklage, die am Schicksal der Figuren laut wird, gestellt.

Wie sich bereits aus den vorhergehenden Darstellungen gezeigt hat, wissen beide Autoren genau, worüber sie schreiben und kennen sich in ihrer Geschichte sowie der politischen Wirklichkeit bestens aus. Grass selbst hat die Zeit des II. Weltkriegs in der von ihm beschriebenen Region miterlebt und stellt diese nun sozialkritisch betrachtet aus dem Sprachrohr eines kleinbürgerlichen Verweigerers in Frage. Sein Bezugsfeld, eine "muffig-kleinbürgerlicher Umgebung [...] zwischen einem Kolonialwarengeschäft, einer Bäckerei und einer Gemüsehandlung" (BT: 75), ist dabei das gesellschaftliche Kleinstadt- und teilweise auch das Landleben (vgl. BT: 12) . Das Bezugspersonal sind lediglich die Kleinbürger, die uns als Händler, Postbeamte des mittleren Dienstes, Lokomotivführer, Berufsmusiker und bäuerliche Verwandte entgegentreten, wobei die Klasse des Millitärs und Großbürgertums ausgespart wird. Indessen umfaßt der Bezugsradius des "Memed"-Romans das Land- und Bergleben und teilweise aber auch das Stadtleben. Das Bezugspersonal sind Bauern, Nomaden, Gendarmen, Heilige, Großgrundbesitzer, Liebende, Rebellen und Räuber. Es treten viele wundersame Charaktere wie Seyran (Memed II: 115 ), Ferhat Hodscha ( Memed II: 89) oder das geheimnisumwitterte Pferd (Memed IV: 623) auf. Kemal, der auch selbst die Unterdrückung des Landvolks und deren Armut miterlebt hat, stellt diese nun ebenfalls sozialkritisch betrachtet aus dem Sprachrohr eines schmächtigen Bauernjungen dar, der sich zum Rebellen entwickelt.

An dieser Stelle wäre es möglich, viele Paralellen, die gesellschaftskritische Aussagekraft besitzen, in den Entwicklungsgeschichten der beiden Titelhelden Oskar und Memed zu ziehen, denn bei beiden umfassen ihre Entwicklungen das gesamte Leben, daß auch Tod, Liebe, Haß, Mord und Sexualität in sich einschlieβt. Jedoch können im Rahmen dieser Untersuchung nur ein paar grundlegende Parallelen exemplarisch aufgegriffen und analysiert werden.

So ist beispielsweise die "Blechtrommel" wie kein anderer Roman dafür geeignet, die deutsche Literatur nach 1945 exemplarisch zu bearbeiten. Und kaum ein anderes Werk hat in vergleichbarer Dichte die jüngste Geschichte von der Nazi-Zeit bis zum Kalten Krieg samt ihren gesellschaftlichen Entwicklungen so breitangelegt zur Darstellung gebracht. Denn Oskar Matzerath, ein am Rande der Gesellschaft lebender allwissender Narr, der als "Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt" (BT: 7) sein Leben bis unmittelbar zur Einlieferung in die Anstalt erzählt, hat alles gesehen und gehört, nichts ist ihm entgangen. Er war ein hellhöriger Säugling, dessen geistige Entwicklung bereits bei der Geburt abgeschlossen war. Allerdings verweigert er angesichts des muffigen kleinbürgerlichen Milieus, in das er hineingeboren wird, sich zu integrieren. Protest und Verweigerung bestimmen seine Haltung von Anfang an. Oskar Matzerath ist ein radikaler Neinsager und verkörpert die totale Verweigerung. Kaum dreijährig, sobald er die nötige Standfestigkeit und Beweglichkeit erreicht hat, realisiert Oskar mittels eines willentlich herbeigeführten Kellersturzes seinen von Protest und Lebensekel bestimmten Entschluß, nicht weiterzuwachsen (vgl. BT: 61). Er protestiert hierdurch physiologisch und psychisch gegen die Existenz schlechthin. Oskar hat nun die Freiheit des Narren. Er stört, er mahnt und kommentiert mit seiner Blechtrommel und dringt in die begrenzte Kleinbürgerwelt seines Wohnbezirks vor, von dem es später einmal heißt: "Sie werden sagen: in welch begrenzter Welt mußte sich der junge Mensch heranbilden! Zwischen einem Kolonialwarengeschäft, einer Bäckerei und einer Gemüsehandlung mußte er sein Rüstzeug fürs spätere, mannhafte Leben zusammenlesen" (BT: 363) . Er bleibt klein, weil er die Welt ablehnt. Aufgrund dieser Anti-Haltung Oskars könnte man wohl davon ausgehen, daß Grass mit Oskar in eine verworrene Welt eine in sich abgeschlossene Gestalt hineingestellt hat, und diese Gestalt zugleich als Spiegelbild eben dieser Welt geformt hat. Und letztlich erweist sich der Außenseiter Oskar als der einzig Gesunde in einer Welt des Scheins, der Lüge und des Verbrechens. Auf grotesk verfremdete Weise beschäftigt Günter Grass sich mit dem Nationalsozialismus und der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft, dem Wirtschaftswunder und der kollektiven Verdrängung der jüngsten Vergangenheit. Denn in der Zeit des Wirtschaftswunders ist Oskar dagegen einer der wenigen, die nichts verdrängen. Er bekennt sich zu seiner Schuld am Tod von Jan Bronski, Alfred Matzerath und Roswitha Raguna und lässt sich sogar von einem Freund als Verdächtiger in einem aktuellen Mordfall anzeigen, um sich in einem Irrenhaus von der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft distanzieren zu können. Die Hauptkritik des Romans gilt somit der Nationalsozialistischen Zeit, sowie den Personen, die uns als Kleinbürger entgegentreten und schlägt sich eindeutig als gesellschaftliche Kritik in der "Blechtrommel" nieder, wobei der ganze Roman laut Marcel Reich-Ranicki als ein "satirisches, zeitkritisches Gemälde der Jahre 1924 bis 1954"(10) betrachtet werden kann. Und laut Hanspeter Brode hegt Grass in der "Blechtrommel" die Absicht, "den Strukturzusammenhang von Kleinbürgertum und Nationalsozialismus deutlich werden zu lassen"(11), und operiert diesbezüglich im Grunde mit sturkturgeschichtlichen Methoden, wenn er den "Epochenzustand von einer sozialkritischen Schlüsselgruppe aus beleuchtet"(12). Oskar warnt die Gesellschaft letztlich trommelnd und glaszersingend davor, sich jemals wieder vor Tribünen zu versammeln (vgl. BT: 133) .

Memeds Geschichte hingegen handelt von einem vaterlosen Bauernjungen in der türkischen Tschukurova, der aus Wut über die diktatorische und ausbeuterische Herrschaft des Großgrundbesitzers Abdi Aga, dessen Hass er auf sich gezogen hat, zur Flucht in die Berge gezwungen wird und sich anschließend zum legendären "Räuber, Rebellen und Rächer seines Volkes" (vgl. Memed I: Hardcover) entwickelt. Dabei handeln alle vier "Memed"-Romane vom Kampf gegen die Unterdrückung der dörflichen Bauern, wobei sich jedesmal nur der ausbeuterische Kontrahent, gegen den gekämpft wird, ändert. Die einzige Waffe des Aufstandes gegen die Feudalherren ist die Hoffnung, wie es auch Ferhat Hodscha ausdrückt: "So lange es noch nicht zu spät ist, noch nicht alles verloren ist, oh Menschenkind, erhebe dich, fürchte dich nicht, steh auf und zerreiße das Netz der Angst, das du in Jahrtausenden eigenhändig in dir geknüpft, sprenge die Ketten in deinen Herzen, rebelliere!" (Memed IV: 360) . Dabei wird das ganze Werk von einem ständigen Wechsel zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit (Memed II: 106) durchzogen. Bei Memed drückt sich dieser innere Stimmungswechsel symbolisch oftmals am äußerlichen Kleidungswechsel aus (vgl. Memed II: 384). Das Anlegen der Räuberkleidung ist der Symbolgehalt dafür, daß der aufständische Memed zurück ist im Kampf für die Gerechtigkeit, wobei jedoch mit der seelischen Reife Memeds auch seine Kleidung variiert. Als Beispiel sagt Memed bereits im II. Band des Zyklus’ seinem alten Räuberfez ab, und steckt ihn in seine Jackeninnentasche, anstatt ihn aufzusetzen (vgl. Memed II: 384) . Und mit seiner Alphabetisierung, "Ich kann meinen Namen schreiben" (Memed IV: 357) durch den Lehrer Zeki Nejat wird Memeds Entwicklung gekrönt. Memed (vgl. Memed IV: 92) und das Pferd ( vgl. Memed IV: S. 188, 98, 192) werden für die Dörfler zum Symbol der Auflehnung. Denn:

"Menschen wie ihn brauchen wir in dieser unseren Welt. In dieser von Schlechtigkeit, Schmutz und Hinterlist und auch von Grausamkeit strotzenden Welt braucht es Menschen wie Quellwasser so rein, damit wir ein wenig atmen können." (Memed III: 608)

Doch daß uns mit der "Memed"-Figur kein positiver Held der trivialen Räuberromantik belehrt, steht für Günter Grass fest:

"Dieser weder muskelstarke noch schießwütige Bursche, der geduldig den kleinen Acker seiner Mutter bestellt, den wir durch endlose Graudistelfelder laufen sehen, den die Angst jagt, wird, sobald er sein Recht eigenhändig sucht, wie zwangsläufig schuldig. Er schließt sich einer Bande von Straßenräubern an, duldet, daß Nomaden, die ihn einst gastfreundlich aufgenommen hatten, ausgeplündert werden, wird schließlich, als er glaubt, den Peiniger und Mörder seiner Mutter, den gnadenlosen Herrscher über fünf geknechtete Dörfer, gefunden zu haben, zum Brandstifter, der gleichfalls geknechtete Bauern ins Unglück stürzt, indem er, wenn auch ungewollt, deren Hütten und Ställe niederbrennt. Eine zwiespältige Gestalt, die die Armen hoffen läßt und dennoch Schrecken verbreitet. Ein Held wider den Terror des Unrechts, in dem sich die Ursachen und die Wirkung des gegenwärtig mörderischen Terrorismus spiegeln."(13)

Vergleicht man kontrastiv die Figurenkonstellation um Oskar und Memed in ihrem jeweiligen Gesellschaftsfeld, kann man zusammenfassend davon ausgehen, daß in beiden Romanen trotz vielfältigem Roman-Personals unverkennbar eine literarische Mittelpunktsfigur im Zentrum steht, an deren Bewußtsein sich das chronistisch-regionale Geschehen widerspiegelt und mittels deren Abenteuer die Konfrontation mit den Weltvorstellungen und Kritiken der zeitgenössischen Autoren Grass und Kemal stattfindet.

Aufgrund der Tatsache, daß beide Werke die gesamte Lebensgeschichte ihrer Protagonisten bis zur Entfaltung ihrer individuellen Persönlichkeit umfassen, kann man sie bei einem gattungsspezifischen Deutungsversuch grobgliedrig als Entwicklungsromane bezeichnen. Wobei jedoch beide Figuren keine vorbildlich-ideale Entwicklung durchleben, sondern eher eine unerklärliche Begebenheit mit geheimnisvoller Ambiente bleiben. So verstehen die "Erwachsenen" in der "Blechtrommel" Oskar nicht, und auch Memed bleibt für seine "Gegner", die Großgrundbesitzer "ein Mysterium [...] Etwas, das wir nicht verstehen, irgendein Geheimnis, das diese Menschen in sich tragen [...] Wir sehen es nicht, aber die Massen sehen es" (Memed IV: 150) . Schließlich sind es auch die Massen, die sie bewegen; Oskar gelingt es eine Naziversammlung unter der Tribüne aufzuheben (BT: 141-145) oder auch anständige Bürger zum Diebstahl zu bewegen (vgl. BT: 157). Memed hingegen gelingt es zwar als Hoffnungsträger der unterdrückten Bauern (vgl. Memed I: 282) erst nach und nach den Weg der Auflehnung gegen die Ungerechtigkeit zu zeigen. Aber dafür schafft er es, daß alle jungen Männer in der Region seinen Namen annehmen und sich in rebellischen Banden zusammenschließen (vgl. Memed IV: 185). Zum Vergleich bleibt Oskar als objektiver Betrachter ein neutrales Sprachrohr der Kleinbürgerwelt und Memed wird schlechthin zum subjektiven, aktiven Vorbild für die Landbevölkerung.

Der unwiderlegbare Unterschied beider Figuren liegt freilich in dem Tatbestand, daß Oskar eine zumeist passive, ablehnende Attitüde gegen die legale, nationale Verfahrensweise des Nationalsozialismus aufweist. Jedoch durch seine Tarnung als "Dreijähriger", die eine verdeckte aktive ablehnende Haltung an den Tag legt, bewegt sich Oskar in seiner gegenwärtigen Gesellschaft legal als eigentlich "Illegaler", da er ja durch seine äußerlichen Disproportionen nicht den Anforderungen seiner Zeit gerecht wird. Memed hingegen ist stets als illegaler Bandit und Rächer der Unterdrückten, und in den Augen der Großgrundbesitzer als Gegner der Regierung und Nation aktiv, der sich nur getarnt und unerkannt als Bauer unter der Gesellschaft frei bewegen kann (vgl. Memed I: 292) .

Beide Figuren werden unmißverständlich immer an den Stellen der Romane aus der Gesellschaft ausgegrenzt, wo sich das Mitläufertum und der Opportunismus am stärksten etabliert. Wobei sich das Mitläufertum bei Grass zumeist aus Langeweile und dem Wunsch der Kleinbürger "dazuzugehören" verdeutlicht und der Opportunismus der Bauern bei Kemal aus deren Furcht vor noch massiverer Drangsalierung - da Aufständische zu Tode gequält werden (vgl. Memed III: 172-173) - und Armut erwächst. Der Robin-Hood-Codex Memeds unterliegt der Prognose und Hoffnung auf ein besseres Leben, wobei die Dörfler aus Memed einen Heiligen, einen Wundertäter formen, der in den Rang eiens Weisen erhoben wird (vgl. Memed III: 265) . Er verkörpert das "Brot der Armen", ihre "Zuflucht" und einzige "Hoffnung" (vgl. Memed III: 269) . Und während Memeds Taten gegen die Drangsalierer des Volkes durch ein fast unstillbaren Rachegefühl (vgl. Memed I: 193 und II: 89) gelenkt werden, wird Oskar alleine von dem Drang nach Gerechtigkeit geleitet, mit der Ideologie, das jeder für seine Schuld einstehen muss (vgl. BT: 253) . Indessen Memed zum Heiligen deklariert wird, wird Oskar für sein Verhalten und Entsagen lediglich als Zurückgebliebener abgetan und nicht für zurechnungsfähig erklärt.

Memed ist der Hoffnungsträger für neue Verhältnisse und einen Zeitumbruch, wobei es nicht um seine Statur geht, sondern einzig um den Geist der Auflehnung und die Tapferkeit gegen die Unterdrückung (vgl. Memed II: 301) , die er verkörpert. Alleine Memeds Name reicht aus, um den Bauern Courage zu verleihen (vgl. Memed II: 327, 333-334) . Und schließlich ist es gar nicht mehr Memed selbst, der rebbelliert und den Aufstand anführt, alleine sein Geist und seine Anwesenheit reichen aus, um den Bauern Mut zur Eigeninitiative zu verleihen.

Mit der Entwicklung zum Hoffnungsträger des Volkes und im Angesicht seiner wachsenden Aufgabe ändert sich auch Memeds anfänglich schmächtige Statur: "Memed war nicht mehr so schmächtig [...] Sein schwarzer Schnurrbart war gewachsen, sein ganzer Ausdruck hatte an Entschlossenheit gewonnen. Seine Gestalt schien breiter geworden zu sein " (Memed, Bd. I, 277 und weiterhin vgl. 253, 263, 276, 281) . Damit zeigt der ehemalige Knabe Memed unmissverständlich eine erstaunliche körperliche Entwicklung auf, während Oskar willentlich einen körperlichen Entwicklungsstop einleitet und nur ein einziges Mal eine körperliche Entwicklung selbst einleitet, als er sich mit seinem Integrationsversuch dazu entschließt, zu wachsen (vgl. BT: 523). Memeds geistiges Erwachen beginnt erst nach dem Besuch der Kreisstadt und dem Gespräch mit dem Koperal (vgl. Memed I: 165) . Der geistige Ausgangspunkt von Memeds Handeln setzt aus diesem Grund viel später als der von Oskar ein, der bereits seine geistige Entwicklung vor seiner Geburt abgeschlossen hatte.

Dennoch kann man aber in diesem Zusammenhang auch über Oskars Gestalt aussagen, daß seine Finger im Moment seiner großen Aufgabe des "Trommelschlagens" auf groteske Weise "wie selbstständig und zu einem anderen, gelungenerem Körper gehörend" (BT: 510) auffallen. Eine andere Parallele entdecken wir in den aussagekräftigen Augen der Protagonisten Oskar und Memed. So blickt beispielsweise Oskar aus "stark-leuchtenden, klug beweglichen, manchmal schwärmerisch geweiteten blauen Augen" (BT: 510), in denen sich der "Wille zu einer Macht, die ohne Gefolgschaft auskommen sollte" spiegelt ( BT: 61) . Und Memed fällt besonders mit den Funken in seinen Augen auf, die bei jeder Ungerechtigkeit, die ihm oder dem Volk zugefügt werden, aufflammen und ein Leitmotiv des Romans darstellen: "Plötzlich während des Liedes war der stählerne Funke in seinen Augen erschienen, das gelbe Leuchten war in ihm aufgeflammt" (Memed I: 280) oder "Die Funken traten in seine Augen" ( Memed I: 256) , oder "Hat er sich erst einmal entschieden, erscheint dieser stählerne Schimmer in seinen Augen. Das ist der Moment, in dem er die Grenze zum Tod überschreitet. Dann sollte man ihn fürchten" (Memed III: 610).

Ferner handeln beide Protagonisten in ihrem Gesellschaftskreis höchst waghalsig, wobei jedoch Memed (vgl. Memed I: 306 oder 309) als auch Oskar sich (vgl. BT: 411) immer wieder aus den gefährlichsten Situation retten können. Memed gelingt dies zumeist durch die Hilfe anderer, da er als Räuber in den Bergen abhängig von beispielsweise Ali dem Hinkenden ist, der stets eine zuverlässige Rückendeckung für ihn darstellt (vgl. Memed III: 572) . Denn Memed wird das Räuberleben fast aufgezwungen, er irrt jahrelang mutterseelenalleine duch die Berge, weil es keinen anderen Ausweg für ihn gibt (vgl. Memed III: 618) . Auch sein Integrationsversuch ist zum Scheitern verurteilt, da "ehemalige Räuber nicht in Frieden" (Memed IV: 367) leben können. Denn das Volk läßt sie nicht in Ruhe und stellt bei jeder Ungerechtigkeit Vergeltungsforderungen und Erwartungen (vgl. Memed IV: 368) , so wie es auch bei Memed eintrifft . Memed lernt aufgrund seiner Verhältnisse keinen seiner beiden Söhne kennen und muss beide aufgeben.

Oskar hingegen hat sich sein Schicksal und seinen Rückzug aus der Gesellschaft in Eigeninitiative ausgewählt. In gefährlichen Situationen entzieht er sich als unzurechnungsfähiger "Dreijähriger" jeglicher Verantwortung für sein Handeln wie beispielsweise im Stäuberprozeß oder bei der Eroberung der Polnischen Post (vgl. BT: 255 oder 453), auch wenn gerade dieser Umstand der "geistigen Zurückgebliebenheit" beinahe sein Todesurteil bedeutet hätte (vgl. BT: 481) . Ebenso wie bei Memed ist auch Oskars Integrationsversuch nach Kriegsende mit dem Beschluss weiterzuwachsen und den Anschluß ans bürgerliche Durchschnittsdasein zu finden (vgl. BT: 482) zum Scheitern verurteilt. Denn er holt sich bei seiner ehemaligen Geliebten und gleichzeitigen verwitweten Stiefmutter Maria mit seinem Heiratsantrag einen Korb (vgl. BT: 523) und sein vermutlicher Sohn oder Halbbruder will nichts von ihm wissen (vgl. BT: 425) . Nach drei Jahren Wachstum und der Erkenntnis, die er schon bei seiner Geburt hatte, zieht er sich in das "endlich erreichte Ziel" (BT: 7) des Gitterbettes in der Irrenanstalt mit einem dazugewonnenem Buckel zurück.

Weiterhin durchleben Memed als auch Oskar während ihres jeweiligen "Entwicklungsweges" schwerwiegende Identitätskrisen, auf die sie jeweils unkonventionell reagieren und durch die sie zu ihrer eigenen Persönlichkeit finden. Auch wenn diese sie zwar nicht erfüllt, so bestimmt sie doch konkret ihr Leben. Bei Oskar ist es der Lebensekel gegen das Milieu, in das er ungewollt hineingeboren wird, mit der resignierenden Einsicht in ein einsames und unverstandenes Leben: "Einsam und unverstanden lag Oskar unter den Glühbirnen, folgerte, daß das so bleibe [...] verlor deshalb die Lust bevor dieses Leben unter Glühbirnene anfing" (BT: 47). Und fortan gelingt es Oskar mit den Symbolen seines Protests - nämlich der Blechtrommel und seiner glaszersingender Stimme - , sich als "permanent Dreijähriger" allen verabscheuten kleinbürgerlichen Rollenzwängen erfolgreich zu entziehen.

Bei Memed, der ursprünglich ein geregeltes und ausgefülltes Familienleben führen möchte und seine eigenen Verwirklichungspläne aufgeben und flüchten muss, wird die Frage nach dem Sinn des Lebens, die zur Identitätskrise und Resignation des Protagonisten führt, durch folgende Einsicht ausgelöst:

"Abdi ist weg, Hazma ist gekommen [...] das ist es, was mir so zu schaffen macht, mich beinahe umbringt. Was mich quält und mir den Schlaf raubt, ist nicht, daß meine Anstrengung umsonst ist und niemandem nützt, sondern vielmehr, daß das Ende noch schlimmer, noch hoffnungsloser wird. Statt besser wird allles noch schlimmer [...] Meinetwegen hat man die Bauern so grausam behandelt [...] alles nur meinetwegen." (Memed II: 376-377)

Dieser irrsinnige Kreislauf führt Memed schließlich zur Verzweiflung, wobei Intrigen, Verrat und Gewalt in seinem Umfeld seinen Weg immer weiter erschweren. Auch die Bauern, denen er eigentlich zu helfen versucht, stellen sich oft aus Angst vor der Gewalt der Agas widersinnig gegen ihren Helfer und verwünschen ihn oftmals in ihrer Not (vgl. Memed III: 374, 684) . Ein Bauer erklärt seinen Verrat als Ausweglosigkeit, denn der "Hunger hat mich um den Verstand gebracht" (Memed II: 243). Memed gelingt es erst nach Battal Agas Worten, die seine Gedanken anfänglich radikal durcheinanderwerfen und beinhalten, daß in jedem Menschen etwas von "Ince Memed" steckt und diese daher gar nicht aussterben können, aber die Agas mit der Zeit aussterben werden (vgl. Memed III: 448), wieder Sinn in seinem Leben und Handeln zu finden. Auch mit dem Pferd, das ihm davonläuft und dem krankem Greifer, der ihm trotz Hilflosigkeit in die Hand beißt, gelangt Memeds Unterbewußtsein, sich nicht zu unterwerfen, erst dynamisch an die Oberfläche (vgl. Memed III: 528). Jetzt kann er sich auch vor seiner geliebten Seyran legimentieren, denn während die Reichen in der Minderheit sind, liegt Mehrheit bei den Armen, was bedeutet:

"Die wenigen werden aufgerieben und nach und na ch verschwinden. Seit diese Welt erschaffen wurde, waren es immer diese Armen, die aufgerieben wurden. Diesmal sind die anderen dran." ( Memed III: 568 )

Das Bild vom Paradies mit Adam und Eva verzaubert schließlich Memed und ist für ihn wie eine Neuentdeckung der Welt (vgl. Memed IV: 172, 174). Jedoch kann Memed Seyran genausowenig wie Hatsche jemals glücklich machen. Denn auch wenn sich diese niemals über sein Brigantenleben beschweren, so kommt doch Hatsche wegen Memed ins Gefängnis und später ums Lebesn und Seyran muss er aufgrund seiner großen Verantwortungen schwanger zurücklassen. Eindeutig stehen Memed im Roman äußerst starke Frauen(14) zur Seite wie Seyran, Iraz und auch Hürü (Memed I: 307, 316, 332) . Zudem gelingt es Memed im Unterschied zu Oskar seine Liebe zumindest partiell auszuleben und er erhält auch Gegenliebe. Oskar hingegen führt seine Geliebte Roswitha in den Tod und er kann sich auch nicht mit Maria in ein glückliches Leben zurückziehen, da er nicht ihren Anforderungen entspricht. Eindeutig unterliegen in der "Blechtrommel" die Frauen den von der Gesellschaft angeforderten Konventionen und Normen, denen sie sich - auch wenn sie unglücklich dabei werden - anpassen. Wie beispielsweise Oskars Mutter Maria, die trotz ihrer Gefühle für Jan Bronski ihren Ehemann nicht verläßt, aber auch ihre Affäre trotz Schuldgefühle nicht beendet (vgl. BT: 40-42) .

Überdies verfügt Memed ebenso wie Oskar über eine sehr gut ausgeprägte Menschenkenntnis. Ganz in diesem Sinne spürt Memed beispielsweise sofort, daß der habgierige Tahsin ihn verraten wird (vgl. Memed III: 468) . Und Oskar erkennt beispielsweise gleich beim Betreten der Polnischen Post die Lücke, durch die sie später erobert wird (vgl. BT: 258) und weiß, daß ihre Verteidigung sinnlos ist.

Wie sich aus der kontrastiven Figurenanalyse verdeutlicht, weisen beide Hauptprotagonisten trotz vieler inhaltlicher Unterschiede zahlreiche strukturelle Gemeinsamkeiten auf, die nicht nur zur regionalen Zeit- und Gesellschaftskritik der Autoren Grass und Kemal beitragen, sondern von epochaler und universaler Allgemeingültigkeit zu sein scheinen.

 

Regional-universale Anklage bei Grass und Kemal

Eindeutig konzentrieren sich die Schwerpunkte der Romane neben der individuellen Entfaltung ihrer Protagonisten auf die Zeitaussage, die die Romane zu Zeitromanen avancieren lassen und ihre Hauptfiguren zu deren Sprachrohren erhebt.

In beiden Romanen werden die spektakulären menschlichen Schwächen der jeweiligen Gesellschaften aufgezeigt. Bei Yaschar wird die Neigung der Menschen zu Tratsch und Klatsch (vgl. Memed II: 28) dargestellt. So werden beispielsweise erst durch die Gerüchteküche der Landbevölkerung Memed und das Pferd zu Legenden, wobei sie vor allem die Phantasien der Frauen beflügeln, in denen sie nur vor Potenz und Manneskraft strotzen; Memed würde pro Nacht durchschnittlich zehn Mädchen in der Nacht entjungfern und das Pferd besteigt angeblich vierzig Stuten nacheinander (vgl. Memed IV: 219-21) . Aber auch das schadenfreudige "erwärmen am Feuer anderer" (vgl. Memed II: 30-33) wird schandhaft verbildlicht. Wobei sich auch bei Grass Josef Matzerath in der Reichskritallnacht seine "Finger und Gefühle" (vgl. BT: 232 ) an dem Feuer der in Brand gesteckten Geschäfte von verfolgten Juden erwärmt.

Hiermit handelt es sich in beiden Romanen um politische Auswirkungen auf die Menschen; bei Grass ist es der Ausbruch des Mitläufertums in der Kleinbürgerwelt und deren Auswirkungen auf die Menschen um den geschichtlichen Ausgangspunkt des II. Weltkriegs. Und bei Kemal handelt es sich um die mühsame Revolte gegen den traditionellen Feudalismus und die Unterdrückung der ländlichen Bevölkerung in den frühen Gründungsjahren der Türkischen Republik (vgl. Memed III: 585) zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn der Tradtion nach:

"erhöbe dieses Volk sich nicht. Seit tausend Jahren hat dieses Volk Not gelitten, wurde es unterdrückt und geknickt. So ein Volk wagt nicht einmal, die Augen aufzumachen, geschweige denn, sich zu erheben. Macht euch also keine Sorgen! [...] Von diesem an Unterdrückung, Erniedrigungen und Missachtung gewöhnten Volk droht nicht die geringste Gefahr." ( Memed IV: 420-421 )

Doch dies ändert sich durch Memeds persönlich bedingte Rebellion. Und laut Yüksel Pazarkaya werden insbesondere "die gesellschaftlichen Strukturen, die sich im Umbruch befinden widergegeben"(15), wobei Kemal von einer typischen Situation auf dem Land ausgeht. Gemeinsam ist den Romanen "Die Blechtrommel" und "Memed, mein Falke", daß beide Protagonisten auf die "Umstände" und "Zustände" in ihrem gesellschaftlichen Umfeld heterogen abweisend reagieren. Die reaktionären Helden der "Blechtrommel" und der "Memed"-Reihe stören eindeutig das "gesellschaftliche Gleichgewicht" ihres sozio-strukturellen Milieus, in das sie sich dem Usus nach zu integrieren und unterzuordnen haben.

Bei Yaschar findet diese Reaktion auf die gesellschaftliche Verhältnisse durch Rebellion und aktive Einschreitungen statt. Bei Grass hingegen äußert sie sich in einer Art von vorwiegend passiver Revolte gegen den Nationalsozialismus, bestimmt durch einen von Trommel und glaszersingenden Stimme begleitenden Protest, wie es bereits in der Komparation der Figuren "Oskar" und "Memed" festgestellt wurde.

Während Yaschar erzählt, wie die Nomaden und Tscherkessen sesshaft wurden (vgl. Memed II: 163) , spricht er auch das Leben der Kurden und Armenier (vgl. Memed I: 249 und II: 286 ), sowie das Problem der Klassenunterschiede (vgl. Memed II: 287) an. Grass wiederum erzählt vom Schicksal der Kaschuben ( vgl. BT: 495 ) und der Polen (vgl. BT: 79-80, 344, 357) . Zur Glaubhaftigkeit und dem Realtitätsanspruch benutzt Yaschar kurdischen Dialekt (vgl. Memed II: 163) , womit er seine eigene Erzählstruktur erschaffen hat. Indem er die gesprochene Sprache des Volkes zu Nutzen zieht, schafft er ein relativ objektives Geschichtsbild der Gesellschaft. Nicht anders verhält sich Grass, wenn er den Dialekt der Kaschuben in sein Werk miteinfließen läßt:

"So isses nu mal mit de Kaschuben [...] die missen immer dablaiben und Koppchen hinhalten, damit de anderen draufträppern können, weil unserains nicht richtig polnisch is und nich richtig deitsch jenug" (BT: 495 )

Damit kann konstatiert werden, daß beide Schriftstellert Ähnlichkeiten im Stil ihrer Schriftsprache aufweisen.

Ein gemeinsames Hauptthema stellt in beiden Romanen weiterhin die Ungerechtigkeit und Diskriminierung durch Tyrannei dar, die Menschen aufgrund ihrer Rassen- und Klassenunterschiede erfahren. So wird etwa in Kemals "Memed"-Reihe wiederkehrend die Diffamierung des türkischen Bauernvolks, die sie von den korrupten Regierungsbeamten (vgl. Memde II: S. 208, 234) und den knechtenden Großgrundbesitzer erfahren, dargestellt. Indem sie die Bauern, die Atatürk zu den "wahren Herren unseres Landes" (vgl. Memed II: 189) ernannt hatte, zu "Maschinen der Tyrannerei" (Memed II: 210) erklären, befinden sie ihre Unterdrückungsaktivitäten und Gewaltmaßnahmen als gerechtfertigt. Das ironisch nachgezeichnete Beamtengremium von Hauptmann, Grundbuchschreiber, Landrat erscheint selbstverherrlichend, opportunistisch, kleinbürgerlich, habgierig und gewalttätig (vgl. Memed IV: 235). Sie erheben allesamt Anspruch auf das vom Volk bebaute Land, da sie angeblich im Unabhängigkeitskrieg ihr Vaterland verteidigt hätten (vgl. Memed II: 274) und sehen dies als Justifikation an. Die wahren Kriegsveteranen sind indessen ungeachtet und verarmt (vgl. Memed III: 335, 389). Alleine die opportunistischen Feiglinge, die wahren Räuber nach dem Freiheitskrieg (vgl. Memd III: 363) , die gegenwärtigen Agas und Beys sind geehrt und reich. Nur bei Murtaza Aga, der aus Angst an seinem Memed-Verfolgungswahn fast verrückt wird, gelangt unterbewußt sein schlechtes Gewissen (vgl. Memed III: 334) zum Vorschein.

Dabei hat der Befreiungskrieg der Nation für die meisten Großgrundbesitzer(16) nicht aufgehört, denn ein Gut zu erwerben, bedeutet beispielsweise für Ali Safa Bey soviel wie ein Land zu erobern und der Kampf ist für ihn ein "Muß" (vgl. Memed II: 329), das er auf privater Ebene zum Eigennutzen und nicht mehr für "seine" Nation austrägt. Wobei es paradox erscheint, daß Arif Saim Bey sich beispielsweise für den Feldzug gegen Memed besser vorbereitet als er im Befreiungskrieg als Kommandeur gegen seine Feinde tat (vgl. Memed IV: 428).

Auf eine ähnliche Situation treffen wir in der "Blechtrommel", wo auch die Flucht des Juden Weluhm bis in die Gegenwart hinein anhält, "so zäh sind die Verfolger" (BT: 302) und der Oberleutnant Herzog, für den "die Rechnung noch nicht ausgegangen" ist (BT: 454) , der noch immer die Invasion verhindern will. Auch diese beiden Figuren tragen ihre "Kämpfe", aus welchen Gründen auch immer, ob als Verfolgter oder Verfolger, noch weiter aus.

Demzufolge haben beide Autoren verschiedene Formen gefunden, um die deutsche und türkische Vergangenheit mit der kritischen Darstellung der Gegenwart zu verbinden. Und mit dem Auftreten ihrer Protagonisten setzen sie mithin als Charakteristikum unserer Zeit jeweils eine Mittelstimme in Einsatz, die rebellierend und kämpfend, trommelnd und glaszersingend davor warnt, sich jemals wieder vor Tribünen zu versammeln (vgl. BT: 133) oder sich aus reiner "Angst" (vgl. Memed III: 641) und Traditionsbewußtsein unterdrücken zu lassen. Und gerade diese Angst vor den Unterdrückungen, die die Menschheit seit jeher erfährt, ist es, vor der Kemal am meisten warnt. Denn solange ein Mensch "seine Persönlichkeit nicht entfalten kann [...] Und solange die Völker und die Individuen nicht frei sind, können wir den Weltfrieden als eine reine Wunschvorstellung abtun. Denn nur Völker und Individuen, die sich selbst regieren, können sich entscheiden, nicht zu kriegen [...] Und die Freiheit eines Volkes kann einzig und alleine den ausbeutenden Klassen schaden"(17). Aber die Angst selbst befindet Kemal als "das Allerschlimmste [...], die am Menschengeschlecht klebt und nicht von ihr läßt. Und um so weiter sich das Menschengeschlecht der Welt öffnet, wird sich die Angst mindern [...] Eines Tages werden die Menschen [...] nicht mehr die Gefangenen ihrer Ä ngste sein"(18). Und einer dieser Charaktere in Kemals Werken ist unmißverständlich Memed, der vorbildlich seine Ängste überwindet(19) und der Unterdrückung abschwört. Die Überwindung der Angst beginnt mit dem Zusammenschluß der Dörfler unter dem Namen Memed, einer Art neuen Aufstandsbewegung, in der sich alle Jünglinge und Knaben im Taurusgebiet Memed nennen und diesen Namen wie eine Flagge vor sich hertragen (vgl. Memed IV: 301). Sie sind eindeutig die von Memed über die Erde verstreuten "Saatkörner", die nun ihre "Wurzeln in unerreichbare Tiefen unserer Erdkugel treiben und sprießen" (Memed IV: 307), womit die Katastrophe für die Agas und Beys einsetzt und der Boden unter ihren Füssen zu "wanken" beginnt (vgl. Memed IV: 306) .

Mit dieser zeit- und gesellschaftskritisierenden Gesinnung werden wir Kemals Werk konfrontriert, wenn er im "Memed"-Roman die kritisierten aktuellen Lebensumstände der Landbevölkerung in Südanatolien darzustellen versucht. Indem Kemal nämlich der konventionell denkenden Gesellschaft von opportunistischen Feudalherren und Beamten, deren gesellschaftliche Folgen laut Kemal dem nationalen Verfall zugeschrieben sind(20), kontrastiv eine Gegenwelt von geknechteten Bauern und tapferen Volkshelden entgegen hält, offenbart sich diese auf indirekte Weise duch ihre höchst negativ geschilderten Züge in einem äuβerst fragwürdigen Licht. Und die Einsicht bleibt nicht lange aus:

"das Volk verehrt Memed, hat ihn in den Rang eines Heiligen, eines Propheten erhoben. Das heißt, es bedurfte eines Mannes wie ihn, das heißt, wir haben die Erwartungen des Volkes nicht erfüllen können. Wir betrachten unsere Dörfler immer nicht als unseresgleichen, wir erniedrigen sie. Und darum beschützen sie den, der sich in ihrem Namen auflehnt, und krönen ihn zum Heiligen." (Memed IV: 187)

Auch bei Grass äußert sich die Kritik des tyrannischen Nationalsozialismus am Mitläufertypus, der anscheinend unter der Klasse der Kleinbürger auf keinen Widerstand stieß. Unter einem höchst sonderbaren und erschreckendem Blickwinkel erscheint es in der "Blechtrommel", als ob der Nationalsozialismus nur deshalb hochkommen konnte, weil es Abertausende dieser Mitläufer von Kleinbürgern gab, die sich dem Nationalsozialismus aus Langeweile und unbefriedigten Allgemeinzuständen anschlossen. Also von Leuten praktiziert, die mit dabei seien wollten, wenn "Geschichte gemacht wird" (BT: 134) , auch wenn dabei "der Vormittag draufging" (BT: 134) . Dies kann man auch aus dem Verhalten der Kleinbürger entnehmen, die das Mitläufertum exemplarisch widerspiegelt:

"Aber das war so eine Angewohnheit zu winken, wenn andere wunken, immer zu schreien, zu lachen und zu klatschen, wenn andere schrien, lachten oder klatschten." (BT: 122)

Zeitbezüglich gesehen können wir über beide Werke aussagen, daß sich ihre Hauptkritiken der aktuellen Zeit widmen und sich dabei insbesonders auch an der Gesellschaft konkretisieren. Und nicht nur bei Kemal treffen wir innerhalb seiner Darstellungen auf eine " Topografie des Schreckens, der Angst, der Machtarroganz und Dummheit, in der sich die so selbstgefälligen Vertreter des Establishments wohl nur allzu gut wieder erkennen"(21), wie es auch Martin Zähringer feststellt. Denn auch Grass’ Kritik spiegelt sich vor allem in der Schicht der Kleinbürger wider, die zugleich die den Nationalsozialismus tragende Schicht gewesen ist. Und Kemal schildert anhand seiner Beamten- und Feudalherrengesellschaft deren Dekadenz, um das Typisch-Strukturelle an ihnen hersauszukristallisieren.

Mitten in dieser tyrannisch-diffamierenden gesellschaftlichen Konstellation steht dagegen der naive Protagonist Memed, der nicht wie Oskar bereits in vollem geistigem Bewußtsein auf die Welt kommt, sondern sich diese erst Stück für Stück unter Entbehrungen erarbeiten muss. Deshalb reagiert Memed auch nicht wie Oskar von Anfang an aus einer derart verweigernden und ablehnenden Haltung heraus auf seine Umwelt und die Ereignisse um ihn herum. Aber auch er entwickelt sich mit seiner geistigen Reife und seinen Lebenserfahrungen nicht zu einer Figur der Integration, sondern zum Verweigerer aus Einsicht, daß die überkommenen Konventionen von Feudalismus, Gewalt und Unterdrückung einfach nicht mehr der Zeit entsprechen und nicht mehr standhalten; und auch nicht mehr standhalten dürfen in Hinblick auf die aufkommenden neuen Lebensumstände und -bedürfnisse im Angesicht des Weltwandels und der legislativen politischen Verhältnisse. Und unter den jeweiligen Tarnungen von dem Leben unter dem "Nationalsozialismus" und dem "Feudalismus" verdeutlichen diese Gesellschaftsdarstellungen zweifelsfrei aktuelle Zeitbezüge, die das äußerst ähnliche politische Gedankengut der Autoren Grass und Kemal wiedergespiegelt, und aufzeigt, daß sich jedes Individuum trotz politischer Verhältnisse und Zwänge dazu in der Lage befindet, Reaktion zu zeigen, sich zu wehren, etwas zu bewirken oder sich wenigstens vor dem Mitläufertum zu bewahren und zurückzuziehen. Denn beispielsweise ändert sich mit Memeds Aufstand das traditionelle Verhalten der Bauern im Laufe der Zeit (vgl. Memed II: 288) , obwohl die Rebellion eigentlich gegen die Gepflogenheit des fest eingesessenen Feudalismuses spricht (vgl. Memed II: 296) . Und mit dem Auftritt Oskars im Zwiebelkeller lehrt er die Nachkriegsgesellschaft ihre Vergangenheit nicht zu verdrängen und Verantwortung auf sich zu nehmen (vgl. BT: 665-667).

Eindringlich werden in beiden Romanen gegenwärtige Zustände kritisiert. So kritisiert beispielsweise Kemals exemplarisch am Verhör des Hirtenjungen Müslüm, wie mit Gewalt und Folter ein Geständnis aus ihm herausgepresst wird, das offensichtlich aus den Behauptungen und Vermutungen der Gendarmen besteht (vgl. Memed IV: 92-94), die Intoleranz der Pressefreiheit (vgl. Memed IV: 403) , sowie die pessimistische und erschreckende Einsicht, daß der Egoismus die Zukunft bestimmen wird (vgl. Memed IV: 294).

Dabei bewährt sich genauso Battal Agas Prophezeiung des generellen Bauernaufstandes, in seinen Worten, daß in jedem Menschen ein wenig von "Memed" steckt und diese Menschensorte nicht aussterben wird (vgl. Memed III: 448) mit dem Zusammenschluß vieler Jünglinge zu Memed-Banden (vgl. Memed IV: 185) , gleichfalls wie in der Prophezeihung Bebras "Sie werden Tribünen bauen" (BT: 127), die Zeit der "Fackelzüge und Aufmärsche" (BT: 127 ) in der "Blechtrommel" beginnt.

Unverkennbar wird in diesen geschlossenen Schauplätzen die Charakteristika der jeweiligen Gesellschaften mit ihren Defiziten herausgearbeitet. Beide Autoren entwickeln ihre Geschichten aus ihren Erfahrungen, die sich verallgemeinern lassen zu einem allgemeingültigen Bild, wobei die Geschehnisse nicht nur regional, sondern in einer anderen Form, unter anderen Umständen wohl auch überall auf der Welt auftreten können.

Nicht umsonst beschwört Harry Liebenaus vielzitierter Satz aus den "Hundejahren" Danzig mit der Märchenformel:

"Es war einmal eine Stadt, die hatte neben den Vororten Ohra, Schidlitz, Olivia, Emaus, Praus, St. Albrecht, Schellmühl und dem Hafenvorort Neufahrwasser einen Vorort, der hieß Langfuhr. Langfuhr war so groß oder so klein, daß alles, was sich auf dieser Welt ereignet oder ereignen könnte, sich auch in Langfuhr ereignete oder hätte ereignen können."(22)

Eindeutig verleiht das jeweils historische Panorama beiden Romanen ihre Realitätsnähe, die überhaupt erst die Weltflucht ihrer Helden begründet. Und freilich entlarven Oskar als auch Memed mit Danzig-Langfuhr(23) und dem Tschukurova-Gebiet nicht nur ihre eigene Region und Geschichte, sondern eigentlich die Welt- und Menschheitsgeschichte schlechthin. Wobei Grass mit seinem Roman "den Strukturzusammenhang von Kleinbürgertum und Nationalsozialismus deutlich werden"(24) läßt, wenn er den "Epochenzustand von einer sozialkritischen Schlüsselgruppe aus beleuchtet"(25).

Die Ursachen für das Aufkommen des Nationalsozialismuses und die Unterdrückung der Landbevölkerung entpuppt sich bei beiden Autoren in den geduckten Verhaltensweisen und im Opportunismus der kleinbürgerlichen und bäuerlichen Anpassung. Auch die Sinnlosigkeit der Gewalt wird in beiden Romanen durch irrationale Verhaltensweisen und in Aggressionsdrang der "Peitschen des Unterdrückers" (Memed IV: 157) ausgedrückt. Der beste Vertreter dieser Unterdrücker-"Knechte" ist sicherlich der Gefreite "Ali, die Echse", der selbst aus den Reihen der Unterdrückten stammt und sich für Geld und Anerkennung verkauft und dadurch die Welt mit-"verdirbt" (vgl. Memed IV: 157).

Bei Grass wird die völlig sinnlose Willkür, und Irrationalität des Nationalsozialismuses besonders gut beim "Beschuß des Kinderzimmers" (BT: 270) während der Belagerung der Polnischen Post deutlich. Und hierdurch kennzeichnen laut Jürgen Rothenberg Terror und Krieg den Nationalsozialismus als das, was er ist, "als militanten Unrechtstaat, in dem Barbarei betrieben wird in der Maske des Biedermeiers und der Wohlanständigkeit"(26). Oskar vermag als Einziger im Roman unter und hinter "Tribünen" sitzend den faulen Zauber zu entlarven. Seinen Lesern rät er diesbezüglich in direkter Ansprache:

"Haben Sie schon einmal eine Tribüne von hinten gesehen? Alle Menschen sollte man - nur um einen Vorschlag zu machen - mit der Hinteransicht einer Tribüne vertraut machen, bevor man sie vor Tribünen versammelt. Wer jemals eine Tribüne von hinten anschaute, recht anschaute, wird von Stund an gezeichnet und somit gegen jegliche Zauberei, die in dieser oder jener Form auf Tribünen zelebriert wird, gefeit sein." (BT: 133)

Dazu hat Grass Oskar die Attribute Trommel und Glaszersingen beigegeben, die neben ihrem größten Funktions- und Bedeutungskreis, nämlich den Protest und die Distanzierung gegen die Befindlichkeit der Welt, weitere vielfältige Funktionen wie etwa Schutz, Verführung, Zerstörung, Darbietung, aber auch Inspiration beinhalten.

Abschließend könnte man wohl über Oskars Protestform aussagen, daß er wahrscheinlich, wenn er die erfüllende Liebe gefunden hätte, am Ende doch lebensbejahend ein guter Bürger und Ehemann geworden wäre. Auch hier haben wir es also nicht mit Protest um des Protests willen zu tun, sondern vielmehr "liegt die Ursache von Oskars ablehnenden Verhaltens im Zustande der Welt, die Oskar zum Narren werden läßt statt zum Bürger"(27).

Erst beide zusammen ergeben das von Grass beabsichtige Ziel der Vergangenheitsbewältigung und der Warnung vor Wiederholung. Denn die Erzählhaltung Oskars, der eigentlich "einen guten Bürger abgegeben hätte" (Grass, 1995: 549) , ist die stete Suche nach der Wahrheit und dem Schuldbewußtsein. Den Abschluß des Buches bildet in diesem Sinne die Horrorvision von der "Schwarzen Köchin", in der Oskar erneut von seinem "Schuld, Sühne, abermals Sühne" (BT: 698) Komplex heimgesucht wird.

Damit setzt sich die Konzeption des Romans aus zwei ganz verschiedenen Wirklichkeitsbereichen zusammen: aus der als Realität ausgegebenen Wirklichkeitsvorstellung Oskars und einer außerliterarischen Wirklichkeitserfahrung des Kleinbürgertums und der Zeitgeschichte. Denn der Roman erhebt zusammen mit seiner im Hintergrund stehenden gesellschaftlich-historischen Wirklichkeitsdarstellung und den "phantastischen Elementen" Realitätsanspruch und bedient sich zu diesem Zweck der grotesken Entfremdung.

Und Yaschar Kemals Anliegen hingegen liegt in der Traumvision des Aufstandes für Gerechtigkeit:

"Wir sind die Mehrheit, gemeinsam können wir Berge versetzen, um unseren Weg zu bahnen, und auch die größte Macht der Welt versinkt wie heute Morgen in unserer Mitte und wird zu Staub zermahlen" (Memed IV: 378)

Als Parallele zur Gegenwart wird die erste anatolische Volksrebellion (vgl. Memed IV: 372) erwähnt, die sich im anschließendem Aufstand im Zeichen des ermordeten Lehrers Zeki Nejad wiederholt, als die Menschenmenge auf die Konaks in der Stadt losgeht und beweist, welche Macht vereinte Kräfte freisetzen und ausrichten können (vgl. Memed IV: 660) . Eindeutig beginnt ein neues Zeitalter, dem beispielsweise die freie und willenskräftige Seyran angehört, die Gefallen an den Konsumgütern findet und sich im Wohlstand behaglich fühlt (vgl. Memed IV: 264) . Auch die veralteten Prügelmethoden scheinen im Angesicht des "zähen Widerstands" (Memed IV: 299) und der Umbruchsituation des neuen Zeitalters trotz Einsatz des "größten Prügelmeisters ihrer Geschichte" mit "fachmännischen Können" und dem "Schatz von Erfahrungen" (vgl. Memed IV: 298) in einem überspitzt ironischem Ton, an Wirkung verloren zu haben und nicht mehr auszureichen, um das Volk zu knechten. Dies zeigt, daß in der "anpassungsfähigen" Gesellschaft Veränderungen stattgefunden haben und:

"Neue Prügelformen mussten her! Wenn wir mit überholten Methoden die Dörfler verprügeln, muss dieses Land ja untergehen. Mit diesem unterentwickelten Prügelsystem versündigen wir uns an unsrem türkischen Staat." ( Memed IV: 299 )

Wie sich in der zeitgeschichtlichen Wirklichkeit beider Romane zeigt, spiegelt sich an den Erlebnissen des Klein-Leute-Milieus von Kleinbürgern und Landbevölkerung das jeweilige aggressive Zeitklima von Nationalsozialismus und Feudalismus im 20. Jahrhundert wieder. Grass argumentiert den Ursprung für sein und Kemals Motiv in den Romanen folgendermaßen: "Diese Obsession treibt uns an, der Zeit gegenläufig zu schreiben, jene Geschichten zu erzählen, die [...] von Menschen handeln, die nie erhöht saßen und herrschten, denen aber allzeit Herrschaft widerfuhr."(28)

Folglich könnte man im eigentlichen Sinne die "Blechtrommel", als auch die "Memed"-Bände als eine Art Geschichtsbücher betrachten, deren innere Struktur ihre ganze Epoche vor dem Leser evoziert, auch wenn die eigentliche Zeitgeschichte im Roman mit der Individualgeschichte Oskars und Memeds synchronisiert wird.

 

Schlußfolgerungen

Die meisten Begebenheiten in den untersuchten Romanen haben die Autoren selbst miterlebt. Sie kennen die schweren Zeiten um den II. Weltkrieg und die Gründungsjahre der Türkischen Republik aus ihrer eigenen Familiengeschichte. Deutlich knüpfen b eide Werke an traditionelle Parallelitäten und Ähnlichkeiten in Grass’ und Yaschars Leben an, was sie zu biographisch-subjektiven und gleichzeitig zu epochal-objektiven Zeitgeschichten erhebt. Aus diesem Grund sind beide Werke nicht zuletzt auch vor dem realen politisch-sozialen Hintergrund des jeweiligen Landes zu lesen. Schließlich treffen in beiden Romanen unterschiedliche Rassen und Kulturen aufeinander, bei Kemal Kurden und Türken und bei Grass Deutsche, Kaschuben und Polen, wobei Grass, der von mütterlicher Seite her Kaschube ist, sich dennoch "mit beschwertem Gedächtnis Deutschland verschrieben"(29) fühlt und Kemal, der sich von väterlicher Abstammung her Kurde ist, "für sich keine Unterschiede zwischen Kurde und Türke macht [...] Das Land gehört uns allen"(30). Deshalb bieten sowohl die "Blechtrommel" als auch die "Memed"-Romane den der jeweiligen Kultur fremden Rezipienten die Gelegenheit, aus den Berührungen verschiedener Kulturen in der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart zu ziehen. Auf diese Weise sprechen die Romane mit den vergangenen Begebenheiten auch die Gegenwart an und versuchen gezielt das politische Bewußtsein der Gesellschaft zu verändern. Kemal setzt sich in der erster Linie in seiner Literatur für die Würde des Menschen, für demokratische Verhältnisse, für Freundschaft und Versöhnung ein, auch für die Versöhnung des Menschen mit der Natur. Grass hingegen versucht die Wohlstandsgesellschaft mit dem Thema der Schuld und der Vergangenheitsbewältigung vor der Wiederholung von Diktatur und Tyrannei zu bewahren. Gemeinsam ist den Werken diesbezüglich, daß sie die Machtarroganz und Dummheit, die Angst und die Schrecken ihrer Zeit und Umwelt in sich vereinen und kritisch wiederspiegeln. Besonders in den beiden Hauptfiguren Oskar und Memed, die auf ihre Gesellschaften wechselweise aktiv (Mehmet) - als auch passiv (Oskar) reagieren, drückt sich die soziale Anklage aus. Denn die Reaktion der Außenseiter- und Einzelgängerfiguren Oskar und Memed richtet sich generell gesehen immer gegen die sie umgebende Gesellschaft und die Lebensbedingungen der Zeit, in die sie hineingeboren werden. Der Kampf- und Verweigerungsgeist der Protagonisten beider Werke sowie ihre Flucht in die ausweglose Situation der Einsamkeit kann demnach als eine Art der Rettung in eine andere Lebenssituation ausgelegt werden.

Somit ist die Konstellation im Umkreis der beiden Hauptfiguren Oskar und Memed von großer Bedeutung, da sie die eigentlichen Verhältnisse und politischen Aussagen der Autoren zu ihrer aktuellen Zeit deutlich darlegen. Man könnte zusammenfassend bemerken, daß sowohl in beiden Werken die entsprechenden Gesellschaftsformen ihre Vorbildfunktion verloren haben, als auch, daβ ihre Repräsentanten Defizite aufweisen, die insbesonders an ihrem Verhalten gegenüber dem jeweiligen Helden deutlich wird. Beide Protagonisten gewinnen dabei eine Distanz zur "normalen" Gesellschaft und ihren Konventionen. Aus diesen Gründen können beide Werke als Reaktion auf die Gegenwart und Revolte gegen die aktuelle Gesellschaft oder als Antwort auf die Defizite der modernen Welt gedeutet werden. Und anhand der zusammengetragenen Untersuchungsergebnisse ist es möglich, in den zeitgenössischen Autoren Grass und Kemal die regional-universalen Mahner und Ankläger der Zeit zu erblicken, die ihre Werke als zeitkritsche Warnliteraturen gestalten.

Zweifelsfrei klagen Grass und Kemal repräsentativ für ihre eigene Epoche nicht nur auf regionale Weise die Zeit und Gesellschaft an, sondern kritisieren mit ihren jeweiligen Symbolfiguren Oskar und Memed universal gültige Umstände und Mißstände. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Symbolfigur der deutschen oder der türkischen Gesellschaftsystemen angehört, ob die Lebensbedingungen oder die Kulturanghörigkeiten übereinstimmen. Was zählt, ist der Kern des kritischen Gedankenguts, das der Grund der Ausbeutung und Demütigung des Menschen nicht an den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, der Kultur oder der Erziehung des Menschen, sondern am Denken, Handeln und in der Natur des Menschen steckt.

Daß beide Autoren in diesem Sinne politisch engagiert sind, spiegelt sich besonders gut in den besprochenen Werken. Dabei kommt es weder auf Herkunft noch Sprache an, denn Literatur hebt "Grenzen auf. Die Literatur schlägt die Brücke zum anderen, zum fremdgegangenen Ich. Sie verkuppelt uns. Sie macht uns zu Mittätern. Die Literatur zieht uns in Mitleidenschaft. Auf diese Weise, also nicht direkt, eher um drei Ecken [werden] wir [...] miteinander verwandt"(31), wie es Günter Grass in seiner Laudatio auf Yaschar Kemal anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels kund gab.

© Altinkaya Nergis Dilek (Universität Dokuz Eylül, Izmir)


ANMERKUNGEN

(1) Günter Grass: Die Blechtrommel. München, 1995. Im folgenden werden alle Zitate nach dieser Ausgabe im laufenden Text mit "BT" und Seitenzahl angegeben.

(2) Die Übersetzungen der "Memed"-Bände von Yaşar Kemal ins Deutsche tragen die Titel: "Memed, mein Falke", Memed I, [1990, übersetzt von Horst Wilfried Brands, Originalausgabe: 1955], " Die Disteln brennen" , Memed II, [1991, übersetzt von Helga Dağyeli und Yildirim Dağyeli, Originalausgabe: 1969], " Das Reich der Vierzig Augen" , Memed III [1997, übersetzt von Cornelius Bischoff, Originalausgabe: 1984] und Memed - Der letzte Flug des Falken" , Memed IV [2005, übersetzt von Cornelius Bischoff, Originalausgabe: 1987] und sind alle im Unionsverlag erschienen. Im folgenden werden alle Zitate nach dieser Ausgabe im laufenden Text mit "Memed", Band- und Seitenzahl angegeben.

(3) das heutige Gdnask in Polen

(4) vgl. Volker Neuhaus: Günter Grass. Die Blechtrommel. Interpretationen. 1. Aufl., München, 1982, S. 1.

(5) vgl. Günter Grass: Gespräche, Werkausgabe in 10 Bänden, Bd. X, Hgs. v. Volker Neuhaus, Darmstadt,

Neuwied, 1987, S. 20.

(6) Günter Grass: Katz und Maus. Eine Novelle. Hundejahre. Roman. Werkausgabe in 10 Bänden. Hgs. v. Volker

Neuhaus. Bd. III, Darmstadt, Neuwied, 1987.

(7) ebd.

(8) Die kilikische Ebene zwischen Taurusgebirge und Mittelmeer im Süden der Türkei, eine Kulturlandschaft seit dem Altertum.

(9) Übersetzt aus dem Türkischen: Yaşar Kemal: Yaşar Kemal Kendini Anlatıyor - Alain Bosquet ile Görüşmeler. Alain Bosquet’nın sorularını Türkçe ye Onat Kutlar, Yaşar Kemal’in cevaplarını da Fransızca’ya Atlan Gökalp çevirmiştir. 2. Baskı, İstanbul, 1997, S. 123.

(10) Marcel Reich-Ranicki: Günter Grass. Aufsätze. Frankfurt, 1994, S. 15.

(11) vgl. Hanspeter Brode: Günter Grass. München, 1979, S. 58.

(12) ebd. , S. 58.

(13) Günter Grass: Laudatio auf Yasar Kemal. Zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. 1997, in: http://www.unionsverlag.com/info/person.asp?pers_id=104 (Letzter Zugriff: 8.3.2006)

(14) Kemals Bild der Frauengestalten erklären sich folgendermaßen: "In Anatolien mußten sich die Frauen nie mit der Autorität der Staatsgewalt auseinandersetzen, wie beispielsweise die Männer [...] Die Frauen waren davon unberührt. Daher sind die anatolischen Frauen viel freier und mutiger als die Männer. Außerdem genießen sie in Anatolien große Achtung. Dies ist vielleicht material-hierarchischen Ursprungs, auch der Einfluß der turkmenischen Tradition. [...] Das heutige Bild der anatolischen Frau ist nicht mehr das traditionelle." (Nurhan Batu: Darstellung des Noah-Motivs in der zeitgenössischen Prosa der deutschen Schweiz und der Türkei. Unveröffentliches Dissertationsmanuskript unter der Leitung von Prof. Dr. Gertrude Durusoy. Ege Universität, Izmir, 1992, S. 147).

(15) Yüksel Pazarkaya: Bayerischer Rundfunk Büchermagazin "Diwan". München, 20.12.2003, http://www.unionsverlag.com/info/title.asp?title_id=2333 (Letzter Zugriff: 8.3.2006)

(16) Yaschars Ansicht über die Feudalherren aus seiner Jugend veranschaulicht deren Darstellung in den "Memed"-Romanen: Sie "waren keine Feudalherren im herkömmlichen Sinne, sondern sie waren halb feudal, und andererseits halb primitive Kapitalisten. Wenn man sie überhaupt als primitive Kapitalisten bezeichnen darf. Sie hatten eine eigenartige Persönlichkeit. Sie waren tyrannische, kluge und manchmal wenn es ihren Vorteilen entsprach, handelten sie sogar gegen die tradiierten Konventionen [...] Sie waren immer sehr grausam. Sie ließen Menschen hungern, nahmen ihnen alles, was sie besassen weg, versklavten und beuteten sie aus" (Yaşar Kemal: Yaşar Kemal kendini anlatıyor. Alain Bosquet ie görüşmeler, a. a. O., S. 163).

(17) Übersetzt aus dem Türkischen: Yaşar Kemal: Söz cağımızda ne yaptı?. In: Vatan Zeitung vom 20.11.2005, S. 11.

(18) Übersetzt aus dem Türkischen:Yaşar Kemal: Korku. In: Vatan Zeitung vom 23.10.2005, S. 7.

(19) vgl. Yaşar Kemal: Yaşar Kemal kendini anlatıyor. Alain Bosquet ile görüşmeler, a. a. O., S. 178.

(20) Übersetzt aus dem Türkischen:Yaşar Kemal: Sayın Muhbir Vatandas’a mektub. In: Vatan Zeitung vom 04.12.2005, S. 5.

(21) Martin Zähringer: Ein friedlicher Kämpfer. Zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Yasar Kemal. In: Berliner Zeitung vom 06.10.2003, S. 14.

(22) Günter Grass: Katz und Maus. Eine Novelle. Hundejahre. Roman, a. a. O., S. 261.

(23) vgl. Volker Neuhaus, a. a. O., S. 38.

(24) vgl. Hanspeter Brode, a. a. O., S. 58.

(25) vgl. ebd., S. 58.

(26) Jürgen Rothenberg: Günter Grass. Das Chaos in verbesserter Ausführung; Zeitgeschichte als Thema und Aufgabe des Prosawerks . Heidelberg, 1976, S. 10-11.

(27) ebd., S. 10.

(28) Günter Grass: Laudatio auf Yasar Kemal, a. a. O.

(29) ebd.

(30) Neue Zürcher Zeitung, 18./19. Oktober 1997, S. 42.

(31) Günter Grass: Laudatio auf Yasar Kemal, a. a. O.


QUELLENNACHWEİS

Primärliteratur:

GRASS, Günter: Die Blechtrommel . Roman. 3. Aufl. München, 1995.

GRASS; Günter: Laudatio auf Yasar Kemal. Zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1997, in: http://www.unionsverlag.com/info/link.asp?link_id=5618&pers_id=104&pic=../portrait/KemalYasar.jpg&tit=Yasar%20Kemal. (Letzter Zugriff: 8.3.2006)

GRASS; Günter: Katz und Maus. Eine Novelle. Hundejahre. Roman. Werkausgabe in 10 Bänden. Hgs. v. Volker Neuhaus. Bd. III. Darmstadt, Neuwied, 1987.

GRASS, Günter: Gespräche. Werkausgabe in 10 Bänden. Hgs. v. Volker Neuhaus. Bd. X.. Darmstadt, Neuwied, 1987.

KEMAL, Yaşar: Memed, mein Falke. Übersetzt von Horst Wilfried Brands, Zürich, 1990.

KEMAL, Yaşar: D ie Disteln brennen, Memed II. Übersetzt von Helga Dağyeli und Yildirim

Dağyeli, Zürich, 1991.

KEMAL, Yaşar: Das Reich der Vierzig Augen, Memed III. Übersetzt von Cornelius Bischoff, Zürich, 1997.

KEMAL, Yaşar: Der letzte Flug des Falken. Memed IV. Übersetzt von Cornelius Bischoff, Zürich, 2005.

KEMAL, Yaşar: Yaşar Kemal kendini anlatıyor. Alain Bosquet ile görüşmeler. Alain Bosquet’nın sorularını Türkçe ye Onat Kutlar, Yaşar Kemal’in cevaplarını da Fransızca’ya Atlan Gökalp çevirmiştir. 2. Baskı, İstanbul, 1997.

KEMAL, Yasar: Söz cağımızda ne yaptı?, Übersetzt aus dem Türkischen.In: Vatan Zeitung vom 20.11.2005, S. 11.

KEMAL,Yasar: Korku, Übersetzt aus dem Türkischen. In: Vatan Zeitung vom 23.10.2005, S. 7.

KEMAL,Yasar: Sayın Muhbir Vatandas’a mektub, Übersetzt aus dem Türkischen. In: Vatan Zeitung vom 04.12.2005, S. 5.

Sekundärliteratur

BATU, Nurhan: Darstellung des Noah-Motivs in der zeitgenössischen Prosa der deutschen Schweiz und der Türkei. Unveröffentliches Disssertationsmanuskript unter der Leitung von Prof. Dr. Gertrude Durusoy. Ege Universität, Izmir, 1992.

BRODE, Hanspeter : Günter Grass. München, 1979.

NEUHAUS, Volker: Günter Grass. Die Blechtrommel. Interpretationen, München, 1982.

PAZARKAYA, Yüksel: Rezension zum Hardcover, In: Bayerischer Rundfunk Bücher-magazin "Diwan", 20.12.2003, in: http://www.unionsverlag.com/info/title.asp?title_id=2333. (Letzter Zugriff: 8.3.2006)

REICH-RANICKI, Marcel: Günter Grass. Aufsätze. Frankfurt, 1994.

ROTHENBERG, Jürgen: Günter Grass. Das Chaos in verbesserter Ausführung; Zeitgeschichteals Thema und Aufgabe des Prosawerks. Heidelberg, 1976.

ZÄHRINGER, Martin: Ein friedlicher Kämpfer. Zum 80. Geburtstag des Schriftstellers Yasar Kemal. In: Berliner Zeitung vom 06.10.2003, S. 14.


6.1. Modalitäten von Kulturkontakt

Sektionsgruppen | Section Groups | Groupes de sections


TRANS       Inhalt | Table of Contents | Contenu  16 Nr.


For quotation purposes:
Altinkaya Nergis Dilek (Universität Dokuz Eylül, Izmir): Günter Grass und Yaschar Kemal. Eine regional-universale Anklage von Gesellschaft und Zeit. In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 16/2005. WWW: http://www.inst.at/trans/16Nr/06_1/dilek16.htm

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