Trans | Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 16. Nr. | August 2006 | |
7.5. Frauen und Universitäten |
Biljana Menkovic (Wien)
[BIO]
Das österreichische Universitätsgesetz (im Jahr 2002 nach jahrelanger Diskussion in Kraft getreten) - und das mit ihm propagierte Postulat der "Autonomie" brachten einschneidende Veränderungen für Frauenförderung und Gleichstellungsarbeit an den Universitäten. Das Ziel sollte sein, dass der "Standard" in Sachen Frauenförderung mit dem Universitätsgesetz 2002 erhalten bleibt. "Gleichstellung von Frauen und Männern" gilt weiterhin als "leitender Grundsatz" (§ 2 Abs. 9 Universitätsgesetz 2002) und "Gleichstellung von Frauen und Männern und Frauenförderung" wurde als "Aufgabe" (§ 3 Abs. 9 Universitätsgesetz 2002) der Universitäten festgeschrieben.
"Mehr Autonomie für die Universitäten" erschien lange Zeit nach Häufigkeit der Nennung eines der Hauptziele der Universitätsreform. Der Begriff "Autonomie" stellt einen positiv besetzten Wert dar. Zudem werden mit ihm sehr unterschiedliche Wertmuster transportiert, er zeichnet sich durch differente Bedeutungsebenen aus.
Der Autonomie-Begriff ist aber allein für sich stehend wenig fassbar, er muss immer konkretisiert werden und in Relation von beziehungsweise zu etwas gestellt werden. Zudem wird ihm "interessenbedingte Bedeutung" zugeschrieben, bedingt durch seine "Offenheit" und "Verfügbarkeit" (Berka 2002, 25 f.). Durch seinen Bedeutungsüberhang wird der Autonomie-Begriff ideologisch und politisch-strategisch gut einsetzbar. Der Autonomie-Begriff als ideologisches Konstrukt suggeriert vermeintliche Handlungsspielräume.
Der Autonomie-Begriff aus feministischer Perspektive ist ambivalent, positiv und negativ fassbar: Einerseits erscheint er als bürgerlich-männliches Ideal, andererseits wird für bewusste Abgrenzung weiblicher Selbstentwicklung vom männlichen Autonomie-Begriff plädiert.
In der geschlechtsspezifischen Ethik (etwa jener Carol Gilligans) wird hinterfragt, ob Autonomie nicht im Grunde die Repräsentation eines spezifisch männlichen Standpunkts / Werts ist. Autonomie wurde von feministischen Philosophinnen (Beauvoir 1994) als männliche Kategorie interpretiert: Die Frau werde als unterwürfig erzogen, der Mann sei das Vernunftwesen und spreche der Frau, der Anderen, Autonomie ab. In diesem Sinne sei das "Selbstbestimmungsrecht" ein männlich-bürgerliches Ideal. Neben der Ablehnung patriarchaler Ethik, kann aber Autonomie gleichzeitig als Ideal der Befreiung der Frau vom Mann verstanden werden.
Der Autonomie-Begriff war in der autonomen Frauenbewegung ein positiv besetzter. Autonomie wird als Utopie vom herrschaftsfreien Leben verstanden, da sie in dieser Interpretation von der nicht realen Annahme ausgeht, dass jeder Mensch ohne äußere Einflüsse sich selbst bestimmt, unabhängig und frei ist beziehungsweise ihre / seine Entscheidungen in diesem Sinne trifft.
Aber gerade diese positive oder auch "befreiende" Besetzung des Autonomie-Begriffs kann negative Auswirkungen haben, denn Autonomie könnte "das spezifische Ideal einer bestimmten dominanten Gruppe sein (...), ein Ideal, das sich zur Verstärkung alter Unterdrückungsmuster (...) instrumentalisieren läßt." (Hill 1995, 272) Es könnte sich hierbei um die von Max Weber (1980) beschriebene "Autonomie der Mächtigen" handeln: Die Mächtigeren können die Bedingungen nach ihrem Ermessen festsetzen. Daraus resultierend könnte der Gedanke folgendermaßen weitergesponnen werden: Die Gewährung von Freiheitsrechten beziehungsweise Autonomie dient in erster Linie der Ausweitung der Macht des Staates, da es in seiner Macht überhaupt erst liegt, Autonomie zuzusprechen, denn er könnte Autonomie auch (rein theoretisch) jederzeit wieder absprechen und entziehen.
Aus der feministisch-theoretischen Auseinandersetzung mit dem Autonomie-Begriff begründet sich auch die skeptische Haltung gegenüber der Erweiterung der Autonomie der Universitäten (vgl. z.B. Allen 1999). Die feministische Kritik am Autonomie-Begriff zeichnet sich durch eine spezifische Ambivalenz zwischen positiver Konnotation als "Chance" und "Befreiung" und negativer Konnotation als männlich-bürgerliche Kategorie aus.
Als "Chancen" der Autonomisierung wurden im Vorfeld der Universitätsreform etwa genannt (vgl. Bundesministerium 2001, 22.):
Aufbrechen veralteter Strukturen;
klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten durch monokratische Entscheidungsprozesse;
Eröffnung neuer Handlungsspielräume;
neue Möglichkeiten für Gleichstellungspolitik im Zuge der "Profilentwicklung";
innovative Management- und Steuerungsmechanismen ( "Frauenförderung" als Indikator für die Budgetverteilung).
Wird die Universität nun als sozialer Ort begriffen, in dem sich ungleiche gesellschaftliche Verteilungen und Konstellationen widerspiegeln (Bourdieu 1998), dann wird die geschlechterspezifisch männliche Machtstruktur und Marginalisierung von Frauen im Universitätssystem deutlich.
Der Versuch, die Ökonomisierung der Universitäten positiv für Frauenanliegen zu nutzen, erscheint unter diesem Blickwinkel problematisch, ist doch der Markt nur dann geschlechtsspezifisch "gerecht", wenn es sich um "die Kundin" handelt, darüber hinaus gibt es auf ihm kaum "Abnehmer" von Frauenforschung, denn sie ist nicht "marktfähig".
Daraus ergibt sich eigentlich die weitere Notwendigkeit externer staatlicher Steuerung der Universitäten zu ungunsten der Autonomie.
Konkret kann das zuständige Ministerium nach wie vor über das Budget steuernd auf Universitäten und deren Maßnahmen zur Frauenförderung einwirken. Gesetzliche Regulierungen, Aufsicht, Evaluation und "politische Empfehlungen" lassen sich ebenso als Mechanismen einsetzen (vgl. Bundesministerium 1999, 14). Erfahrungen vor dem Inkrafttreten des Universitätsgesetzes 2002 haben gezeigt, dass eine Verbesserung der Situation von Frauen und Erhöhung des Frauenanteils durch politischen Druck von außen (Ministerium, Gleichbehandlungsgesetze) erzielt wurde, aber nicht durch interne Aktivitäten der männlich verfassten Universitäten. Regulierung, externe politische Eingriffe und De-Autonomisierung erscheinen aus feministischer Perspektive vorteilhafter. Hier müsste Beschränkung universitärer Autonomie in den Dienst eines übergeordneten sozialen Ziels - der Gleichstellung - gestellt werden.
Nüchtern ist auch die Einschätzung von Eva Kreisky, die im Lichte des Neoliberalismus den Rückzug des Staates und die daraus resultierenden Auswirkungen auf Fraueninteressen, einen zwiespältigen "Autonomiegewinn", wie folgt treffend formuliert:
Zum einen betrifft ,Staatsverlust‘ Frauen negativ, zumal eine (ohnehin mehr schlecht als recht funktionierende) Reformallianz erneut zu zerbrechen erscheint; zum anderen aber könnten Frauen auch ,Autonomiegewinn‘ verbuchen, weil nun die zum Staat verdichtete Männlichkeit brüchig und schwächlich wird. (...) Es ist freilich anzunehmen, dass sich traditionelle Männlichkeitswerte - wie immer schon - ,einbunkern‘ und auch künftig konserviert werden, weil sie auch neoliberalen Transformationsprozessen dienlich sind. (Kreisky 2001, 87)
Da aber erklärtes Ziel der Reform eine "Modernisierung" der Universitäten und Gleichstellung eine Bedingung von und für "Modernisierung" ist, kann Autonomisierung der Universitäten auch durchaus als Chance begriffen werden.
Ein bisher rechtlich-formaler Rahmen für Gleichstellung wird nun durch einen ökonomischen Rahmen abgelöst. Das Universitätsgesetz enthält vor allem "indirekte" Maßnahmen, die aufgrund bestehender Strukturen Frauen besonders treffen: Einschränkung der Mitbestimmung trifft Frauen, Einschränkung der Mitbestimmung des Mittelbaus und der Studierenden trifft Frauen in überdurchschnittlich hohem Maße, Studiengebühren treffen Frauen, Sparpolitik trifft Gleichstellungspolitik und Frauenforschung.
Diese durchgehende "indirekte" Schlechterstellung der Gleichstellungsarbeit zeigt sich etwa auch in der Zusammensetzung des Senats unter Mehrheit der ProfessorInnen (da etwa an den wissenschaftlichen Universitäten in der Gruppe der ProfessorInnen nur 10% Frauen vertreten sind) und geringem Anteil des Mittelbaus (mit gleichzeitig vergleichbarem höherem Frauenanteil von 29,7% im Jahr 2005).
"Gleichstellung von Frauen und Männern" gilt als "leitender Grundsatz" (§ 2 Abs. 9 Universitätsgesetz 2002) und "Gleichstellung von Frauen und Männern und Frauenförderung" wurde als "Aufgabe" (§ 3 Abs. 9 Universitätsgesetz 2002) der Universitäten festgeschrieben.
Die Repräsentation von Frauen an den Universitäten hat sich trotz gezielter Frauenförderungsmaßnahmen der letzten Jahre, auch vor dem Universitätsgesetz 2002, "eher schleppend" verbessert. Aber auch in universitären Gremien sind Frauen zahlenmäßig in geringerem Maße vertreten als Männer. Frauen in universitären Führungspositionen sind kaum vertreten (ausgenommen im Amt der VizerektorInnen(1)). Derzeit (Mai 2006) gibt es österreichweit keine einzige Rektorin. Der Frauenanteil an den ProfessorInnen ist eklatant gering: 2005 an den wissenschaftlichen Universitäten 10% und an den Kunstuniversitäten 25%. Während Führungspositionen in der Wissenschaft Frauen verschlossen zu bleiben scheinen, ist der weibliche Anteil an der allgemeinen Verwaltung - also im Dienstleistungsbereich - mit 60,4% hoch. Frauen stellen bereits über die Hälfte der Studierenden: im Wintersemester 2004 waren es 53,3% (mit Ausnahme etwa naturwissenschaftlicher und technischer Studienrichtungen).(2)
In den gegebenen Organisationsstrukturen mit vorwiegend männlich besetzten Machtpositionen ist die Höhe der aktiven Beteiligung von weiblichen Universitätsangehörigen am Transformations- beziehungsweise Implementierungsprozess einer Reform, wie sie das Universitätsgesetz 2002 dargestellt hat, entscheidend. Es hat sich erwiesen (siehe Besetzung der Gründungskonvente, der Universitätsräte etc.), dass die Gestaltungsmacht nach wie vor in männlichen Händen liegt. Die potentiellen Handlungsspielräume von Frauen blieben in dieser Beziehung beschränkt. Wenn Frauen nicht oder in geringem Maße aktiv an der Umsetzung von Reformen beteiligt sind und als Akteurinnen auftreten, werden patriarchale Verhältnisse abermals reproduziert. Die tatsächliche Beteiligung von Frauen am Reformprozess wurde allerdings nicht erfasst.
Im Universitätsgesetz 2002 ist ein eigener Abschnitt der "Gleichstellung von Frauen und Männern" gewidmet; er enthält: das Frauenfördergebot (§ 41), Bestimmungen für den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen (§ 42), die Schiedskommission (§ 43) und die Anwendung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetzes (§ 44).
Aspekte und Instrumentarien der Frauenförderung und Gleichstellungsarbeit nach dem Universitätsgesetz 2002:
Leistungsvereinbarungen
Neue Management-Mechanismen sollen auch für emanzipatorische Ziele genutzt werden (vgl. Pellert 2001), so etwa sollen jene Institutionen mit höheren Budgets "belohnt" werden, die nachweislich Chancen für Frauen fördern und verbessern. Förderung von Frauen gilt im Rahmen der Leistungsvereinbarungen des Ministeriums mit den einzelnen Universitäten als Leistungskriterium - schwächt aber de facto universitäre Autonomie.
Evaluierung und Qualitätsmanagement
Gleichstellung und gendersensible Unterrichtspraxis sollen als Qualitätskriterien in der prozessorientierten Evaluierung aufgenommen werden. Dies setzt genderspezifische Datenerhebung voraus.
Gender Mainstreaming
Als neue Strategie hat Gender Mainstreaming an den Universitäten Einlass gefunden. Alle Maßnahmen und Entscheidungsprozesse sollen auf ihre geschlechterspezifischen Auswirkungen überprüft werden.
Wettbewerb versus Vernetzung
Einerseits kann der Wettbewerb hinsichtlich Frauenförderungsmaßnahmen zwischen einzelnen Universitäten begrüßt werden, andererseits ist oder kann Wettbewerb allerdings der Strategie der Vernetzung von Frauen abträglich sein. Vor dem Universitätsgesetz 2002 wurde gesetzlich die Vernetzung der Vorsitzenden der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen verankert, heute sind derartige Vernetzungen auf Eigeninitiative der Betroffenen angewiesen: Es existieren derzeit auf den unterschiedlichen Ebenen mit unterschiedlicher Vernetzungsintensität die ARGE Universitätsfrauen, die Adminas (Zusammenschluss der Büros der Arbeitskreise) und die Vernetzung der Koordinationsstellen.
Leitbild und Profilbildung
Gleichstellung soll im Idealfall Bestandteil des Leitbilds und des Entwicklungsplans einer Universität sein. Universitäten können frei entscheiden, ob sie Gleichstellung im Leitbild verankern oder nicht. So wurden Frauenförderung und Chancengleichheit in den von den Universitäten jüngst vorgelegten Tätigkeitsberichten von "fast der Hälfte der Universitäten in den strategischen Zielen berücksichtigt." (Bundesministerium 2005, Bd. 1, 135)
Frauenförderungspläne
Rückschritt ist bei den Frauenförderungsplänen zu konstatieren: Mit dem Universitätsgesetz 2002 wurde der Frauenförderungsplan im Wirkungsbereich des Bundesministeriums außer Kraft gesetzt. Gab es zuvor noch eine Rechtsaufsicht des Ministeriums über die Satzungen der Universitäten (welche auch Frauenförderungspläne beinhalten), so ist diese nun vollständig entfallen, das heißt, die Universitäten müssen ihre Satzungsteile, wie Frauenförderungspläne, nicht mehr dem Ministerium zur Genehmigung vorlegen. Zudem ist die 40%-Quote umstritten, da nach EU-Recht eine Quotierung diskriminierend ist (die Quote wird aber zum Teil nach wie vor angewendet). Am Beispiel der Frauenförderungspläne wird deutlich, wie weit die Autonomie der Universitäten greift: vom Ministerium finanziert, wurden drei Musterfrauenförderungspläne (für wissenschaftliche, Kunst- und Medizinuniversitäten mit ihren jeweiligen spezifischen Besonderheiten) von Juristinnen erstellt. An kaum einer Universität wurde die Version des Musterentwurfs übernommen und beschlossen. Vielmehr mussten alle Details in intensiven Verfahren und Verhandlungen mit den universitären Gremien adaptiert werden. Daraus resultierend existieren nun 21, zum Teil recht unterschiedliche Frauenförderungspläne, die ganz schwache bis ganz starke Arbeitsgrundlagen - je nachdem - bilden.
Bundes-Gleichbehandlungsgesetz
Es ist im Universitätsgesetz 2002 geregelt, dass das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz von den Universitäten anzuwenden ist. Dieses wurde neu erlassen und beinhaltet mit der Umsetzung der beiden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien eine Erweiterung der Diskriminierungsverbotstatbestände (neben Geschlecht Rasse, ethnische Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Alter und sexuelle Ausrichtung). Dies bedeutet auch eine erhebliche Ausweitung der Aufgabenbereiche der Arbeitskreise für Gleichbehandlungsfragen an den Universitäten.
Personalentwicklung
Betrieben werden gezielte Fort- und Weiterbildungsprogramme im Rahmen der Personalentwicklung, vor allem für Führungskräfte, etwa im Bereich Gender Mainstreaming. Im Vorfeld des Universitätsgesetzes 2002 wurde auch ein neues Uni-Dienstrecht beschlossen, welches zur "Feminisierung der prekären Dienstverhältnisse und zu einer weiteren Maskulinisierung der sicheren Universitäts-Arbeitsplätze" (Sauer 2001) geführt hat. Personalentwicklungsmaßnahmen umfassen auch die Berücksichtigung weiblicher Karriereverläufe sowie gezielte Mentoring- und Coachingprogramme.
Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen
Aufgabe des an jeder Universität eingerichteten Arbeitskreises ist es laut Universitätsgesetz § 42, Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts entgegenzuwirken. Die Arbeitskreise wurden aber de facto in ihren Kompetenzen geschwächt, es erfolgte eine Rücknahme der Rechte der Arbeitskreise, so ist etwa nicht mehr gesetzlich vorgesehen, dass Arbeitskreis-Mitglieder zu den Sitzungen von Berufungskommissionen zu laden sind. Hier sind die Arbeitskreise auf den "good will" der Universitätsleitungen angewiesen, dass dieses Recht über neue Regelungen, etwa in den Frauenförderungsplänen, wieder festgeschrieben wird. Ein weiteres Beispiel für eine Rücknahme von bestehenden Standards ist, dass die Arbeitskreise beziehungsweise deren Vorsitzende nicht mehr zu den Sitzungen des Senats geladen werden müssen. Sie sind damit (mitunter) von wesentlichen Informationen abgeschnitten. Zudem ist das Selbstergänzungsrecht der Arbeitskreise gefallen; nun können die Senate die Arbeitskreismitglieder ohne Anhörungs- oder Vorschlagsrecht der Arbeitkreise nominieren, sollten nicht andere Regelungen getroffen worden sein.
Schiedskommission
Die im Universitätsgesetz 2002 neu eingerichtete Schiedskommission muss je zur Hälfte aus weiblichen und männlichen Personen bestehen. Sie ist das einzige Gremium mit gesetzlicher Quotierung - für die Arbeitskreise gibt es keine vergleichbaren Regelungen im Gesetz. Über Beschwerdeverfahren entscheidet nicht mehr wie zuvor die Bundesministerin, sondern die jeweilige Schiedskommission als weisungsfreies universitäres Kollegialorgan im Mediationsweg.
Organisationseinheit zur Koordination der Aufgaben der Gleichstellung, der Frauenförderung sowie der Geschlechterforschung (§ 19 Abs. 2 Z 7 Universitätsgesetz 2002) - die sogenannte "Koordinationsstelle"
Bei der Einrichtung der Koordinationsstelle ging es vor allem um die Erhaltung von den an einzelnen Universitäten bereits bestehenden Einrichtungen. Mittlerweile haben 16 von 21 Universitäten eine derartige Organisationseinheit implementiert, die aber an den einzelnen Universitäten unterschiedlich organisatorisch eingebunden ist. Der Zeitpunkt und die Art der Einrichtung der Koordinationseinheiten liegen schließlich in der Organisationsautonomie der Universitäten.
Begleitende Frauenförderungsmaßnahmen
Weitergehende Maßnahmen zur Frauenförderung werden vom Bundesministerium vermehrt initiiert. Finanzielle Mittel werden über Projektausschreibungen sowohl für Strukturen- und Personenförderung als auch für Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung flüssig gemacht.
Welchen Beitrag konnte nun, zusammengefasst, das Universitätsgesetz 2002 hinsichtlich verbesserter Rahmenbedingungen für Frauenförderung an österreichischen Universitäten leisten?
Es ist zu konstatieren, dass sich der Staat zwar nicht ganz verabschiedet, aber seine Instrumente teilweise wesentlich verändert hat. Die Wirkung des Universitätsgesetz 2002 auf Frauenförderung und Gleichstellungsarbeit ist ambivalent: Es liegt in der Autonomie der Universitäten, diese auch zu betreiben. Das heißt, hier hat ein Differenzierungsprozess zwischen den einzelnen Universitäten hinsichtlich der Standards der Frauenförderung eingesetzt, der die Universitäten in dieser Beziehung möglicherweise noch sehr weit auseinander treiben wird.
© Biljana Menkovic (Wien)
ANMERKUNGEN
(1) Nur an vier Universitäten sind Vizerektorate für Frauenförderung eingerichtet, die aber teilweise noch weitere Aufgabengebiete umfassen. Es sind dies die Akademie der bildenden Künste Wien, die Universität Wien, die Universität Graz und die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
(2) Der Frauenanteil bei den Habilitierten mit Dienstverhältnis zur Universität lag im Studienjahr 2003/04 bei nur 13,7%, bei den Zweitabschlüssen 40% und bei den Erstabschlüssen 53,8%. Es wird von einer "Leaky Pipeline" gesprochen: Mit jeder Stufe der wissenschaftlichen Laufbahn verringert sind der Frauenanteil; auch im EU-Vergleich bildet Österreich das Schlusslicht (vgl. Bundesministerium 2005, Bd. 1, 137).
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