Trans Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 16. Nr. März 2006
 

10.1. Innovationen in der Kinder- und Jugendliteratur (KJL)
Herausgeberin | Editor | Éditeur: Tamara Bučková (Prag)

Dokumentation | Documentation | Documentation


Vergleich von klassischen Märchen in der deutschsprachigen und tschechischen Literatur

1. Vergleich der Teufelsfigur in Märchen der deutschsprachigen und tschechischen Literatur
Lenka Hofmanová [BIO] / Barbora Kredbová [BIO] (Pädagogische Fakultät der Karlsuniversität, Prag)

2. Vergleich von Märchen mit einem "Salzmotiv" in der deutschsprachigen und tschechischen Literatur
Petra Chobotová [BIO] / Jarmila Koubíková [BIO] (Institut für Germanistik der Karlsuniversität, Prag)


1. Vergleich der Teufelsfigur in Märchen der deutschsprachigen und tschechischen Literatur

Lenka Hofmanová [BIO] / Barbora Kredbová [BIO] (Pädagogische Fakultät der Karlsuniversität, Prag)

 

Unsere kleine Arbeit beschäftigt sich mit der Teufelsfigur in verschiedenen Märchen der deutschsprachigen und tschechischen Literatur. Wir konzentrieren uns auf einige allgemein bekannte Märchen, die von berühmten Klassikern der Literatur herausgegeben wurden. Zuerst möchten wir die Charakteristika des tschechischen und des deutschen Teufels in allgemeiner Form erklären und gehen dann über zu einem Vergleich zweier miteinander korrespondierender deutscher und tschechischer Märchen.

Wir vergleichen zwei deutschsprachige Märchen, nämlich "Des Teufels rußiger Bruder" und "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren", die in den Jahren 1812-1815 in der Sammlung der Kinder- und Hausmärchen herausgegeben wurden mit zwei tschechischen Märchen, diese in der Fassung, in der sie von zwei der bekanntesten tschechischen Kinderautoren und Märchensammler vorliegen. Es handelt sich um die Märchen "Der Teufelsschwager" von Božena Němcová und "Die drei goldenen Haare des Großvaters Allwissend" von Karel Jaromír Erben. Die beiden Autoren publizierten diese Märchen in den fünfziger und sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Wir haben uns die Frage gestellt, welcher "der echte", "der richtige" Teufel ist und ob er immer die gleichen Eigenschaften zeigt.

Am Ende unseres Beitrages resümieren wir unsere Meinungen und Ergebnisse.

 

1.1 Die Teufelsfiguren

1.1.1 Der tschechische Teufel

Der tschechische Teufel ist von kleinerer Gestalt, ein bisschen krummbeinig, etwas katzbuckelig. Er kann die äußere Gestalt eines jungen "Stutzers" oder eines schnurrbärtigen Jägers annehmen, der mit seinem funkelnden Blick nicht nur ein jungfräuliches Herz bricht. In seinem innersten Wesen bleibt er jedoch ein schmuddliger, und qualmender Fünfzigjähriger, der voller Stolz seinen Bauch, eine wahre Zierde jedes ambitionierten Biertrinkers, spazieren führt.

Natürlich humpelt er (wie bei ordentlichen Teufeln üblich endet sein linkes Bein in einem Huf) und er findet Geschmack an verlauster Schafswolle, an nassem stinkenden Muff und an ständigen Flüchen. Zu seinen Passionen, sowohl zu seinen eigenen Vergnügen als auch "bei der Arbeit" gehören das Würfelspiel und "Mariage" (ein tschechisches Kartenspiel), denn dadurch kann er den Menschen Verträge, die mit ihrem eigenen Blut unterschrieben sind, abluchsen.

Jeder Teufel besitzt einen riesigen, finsteren, drohenden Schatten, der sich ausbreitet und alles Helle verschlingt. Sein unverwechselbares Kennzeichen ist seine Art zu reden - er fürchtet das Weihwasser und das (christliche) Kreuz. Klugerweise sollte man den Teufel nicht provozieren und das Schlimmste, was man machen kann ist, ihn an den Schwanz zu greifen. Ja, ja und wohin der Teufel nicht kommt, dorthin schickt er ein altes Weib.

 

1.1.2 Der deutsche Teufel

Im Vergleich mit der tschechischen Teufelsfigur, die das Böse verkörpert, ist die Gestalt des Teufels bei den Brüdern Grimm in jedem Märchen unterschiedlich. In manchen Geschichten hilft er den Menschen, in anderen schadet er ihnen. Manchmal bleibt er sogar neutral, d.h. er hilft den Menschen zwar nicht, aber er fügt ihnen auch nichts Böses zu. Er denkt nicht wie der tschechische Teufel ständig daran, arme Seelen zu erhaschen und oft wird er sogar als gerechter und hilfsbereiter Geselle dargestellt.

 

1.2. Vergleich der einzelnen Märchen mit den verschiedenen Teufelsfiguren

Zuerst befassen wir uns mit der Teufelsfigur aus dem Märchen "Čertův švagr" ("Der Teufelsschwager") von Božena Němcová . Das Märchen erschien im Märchenbuch "Národní pohádky" ("Volksmärchen").

Eine kurze Zusammenfassung

Ein Soldat namens Peter, der immer Hunger und nie Geld hat, begegnet dem Teufel, der ihn in die Hölle mitnimmt. Peter dient dort sieben Jahre und verlässt die Hölle mit einen Sack voll Gold als Lohn. Als er auf der Erde ins Wirtshaus geht, will ihn niemand bedienen, nur der kleine Jiřík, der dafür Gold erhält. Der König erfährt davon und lädt Peter an seinen Hof. Der König hat drei Töchter, zwei böse und eine liebe. Am Schluss heiratet Peter diese nette Prinzessin, während die zwei bösen Töchter mit dem Teufel zur Hölle fahren. So kommt das Märchen zu seinem Titel: Der Teufelsschwager.

Die Teufelsfigur

Dieser Teufel ist kein traditioneller Vertreter seines Fachs, er ist arglos, sehr menschlich, bisweilen naiv und auch gerecht. Nach den Erfahrungen mit den tschechischen Teufeln ist der Leser angenehm überrascht, dass der Teufel einmal keine Teufeleien begeht und Unfug zu Lasten der Menschen treibt. Er ist gut und vorausschauend; er richtet es ein, dass Peter die schöne, brave, ihm in Liebe zugetane Prinzessin zur Ehefrau bekommt und ihm verdankt der kleine Soldat auch sein materielles Glück. In diesem Märchen erscheint der Teufel als Gestalt, die alles weiß, die alles von Anfang geplant hat und nichts dem Zufall überlässt. Er könnte fast als guter Märchenopa durchgehen, dem ein gutes Ende des Märchens am Herzen liegt.

Fast das gleiche Märchen gibt es in der Märchensammlung der Brüder Grimm . Dieses Märchen heißt "Des Teufels rußiger Bruder" ("Čertův ukoptěný bratr") .

Eine kurze Zusammenfassug

Im Märchen "Des Teufels rußiger Bruder" nimmt der Teufel die Gestalt eines alten, sich auf einer Wanderung befindenden Männleins an. Der hier auftretende Teufel will im Grunde so gar nicht der ansonsten sattsam bekannten, mythologisch überhöhten, furchteinflössenden Gestalt entsprechen; er ist listig, er kennt die Schwächen der Menschen, er nutzt sie aus, aber er verzeiht sie auch. Dieser Teufel kann im Grunde auch als Gegenpart eines fürchterlichen Gottes verstanden werden, der für den Fall von Verfehlungen mit ewigem Fegefeuer (ironischerweise aber nicht mit der hier gar nicht so bedrohlichen Hölle) droht. Der Teufel erkundigt sich nach den - berechtigten - Bedürfnissen des kleinen Soldaten. Er erkennt, dass es dem "Helden" des Märchens nicht gut geht und zeigt diesem einen Ausweg aus seiner misslichen Lage. Auch als er erkennt, dass sich der Held nicht genau an die zwischen ihnen geschlossene Vereinbarung gehalten hat, verzeiht er ihm und gibt ihm, was er ihm versprach. Der Teufel erscheint hier also versöhnlicher und dem Menschen in seinen Irrungen und Verfehlungen zugewandter, als dies sonst der Fall ist. Auch ist er weise und vorausschauend und verhilft dem Helden des Märchens zu einem reichen und glücklichen Leben, ohne dass der kleine Soldat dies zunächst erkennen kann. Denn der Teufel versieht ihn bei ihrer Trennung. mit einem Sack voll Staub, aus dem Peter später Gold machen kann. Dazu findet Peter in der Hölle eine Flöte, mit der er die Kunst des Musizierens lernen kann.

Die Teufelsfigur

Der Teufel im Märchen "Des Teufels rußiger Bruder" verhilft dem Helden also genau mit dem zum Glück, was im damaligen klerikalen und feudalen System als zweitrangig eingeschätzt wurde: mit harter "dreckiger" Arbeit und der - nur vermeintlich - brotlosen Kunst der Musik. Eine gesellschaftskritische Teufelsfigur wird hier evident. Bemerkenswert erscheint zuletzt, dass in dieses Teufels Hölle nur jene leiden, welche dem kleinen Soldaten (und mit ihm den einfachen Menschen) das irdische Leben zur Hölle gemacht haben. Auch hierin erweist sich der Teufel dieses Märchens als gerecht, indem er jene plagt, die ihm hierfür, in ihrem Verhalten gegenüber anderen, einen unverzeihlichen Grund gegeben haben.

Eine andere Teufelsfigur möchten wir am Beispiel des Märchens "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" ("Čert se třemi zlatými vlasy") wieder von den Brüdern Grimm, zeigen.

Eine kurze Zusammenfassug

Nach einer Weissagung soll ein Jüngling eine Prinzessin heiraten. Ihr Vater, der König, hört diese Weissagung und reagiert empört. Er wünscht nicht nur keine derartige Hochzeit, sondern will den Jüngling sogar töten. Das gelingt ihm zwar nicht, die Hochzeit findet trotzdem statt, aber der Jüngling soll sich anstrengen, wenn er Prinz werden will: Der König trägt ihm auf, die drei goldenen Haare des Teufels aus der Hölle zu holen. Unterwegs trifft er noch drei Ratlose: "Warum," so fragt ein Wächter vor dem Stadttor "sprudelt unser Brunnen mit Wein nicht mehr?" "Warum," so fragt ein anderer, "will unser Apfelbaum keine goldenen Früchte mehr tragen?" "Warum," fragt der Fährmann am höllischen Wasser "muss ich auf ewig rudern, ohne dass ich abgelöst werde?" Er wird zum Vermittler ihrer Fragen. und bekommt von ihnen für die günstigen Antworten des Teufels eine hohe Belohnung. Als er mit den drei goldenen Haaren und vier Eseln, beladen mit Goldsäcken, zurückkommt, wird der König neugierig und zieht selbst aus, um Gold zu scheffeln. Aber da der Fährmann ihm, wie von unserem Jüngling geraten, die Ruderstange in die Hand drückt, geht das Märchen so aus, wie es ausgehen muss: Wenn er nicht gestorben ist, dann kreuzt er den Fluss noch heute.

Die Teufelsfigur

In diesem Märchen der Gebrüder Grimm spielt der Teufel lediglich eine Nebenrolle: Er ist der Geheimnisträger, der auf alle Fragen eine Antwort weiß, ist also allwissend, aber nicht weise. Er liebt seine Ruhe und wann immer ihm seine gütige Großmutter ein Haar ausreißt und ihn weckt, wird er ärgerlich und dazu noch misstrauisch. Er benimmt sich zu ihr sehr herrisch und zornig. Der Teufel wird hier als rußiger, dreckiger Teufel dargestellt ist aber passiv, er tut den Menschen weder Gutes, noch Böses. Das Böse liegt in der Gestalt des Königs und das Gute vertreten des Teufels Großmutter und die Figur des Jünglings (das Glückskind).

Das Märchen "Tři zlaté vlasy děda Vševěda" ("Die drei goldenen Haare des Großvaters Allwissend") finden wir in Erbens Märchensammlung "Tschechische Märchen".

Eine kurze Zusammenfassug und der Zusammenhang mit dem Märchen "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren"

Es ist ein Märchen, ähnlich dem vorhin erzählten der Brüder Grimm. Als wir dieses Märchen mit dem deutschen Märchen "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" verglichen, kam es uns wie eine Übersetzung vor und wir stellten uns die Frage: Wieso? Sicherlich ließ sich Karel Jaromír Erben von den Brüdern Grimm inspirieren, das Märchen "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" war das Vorbild für das tschechische Märchen. Jedoch unterscheiden sich die Märchen bei aller Ähnlichkeit in einigen wichtigen Punkten: Im tschechischen Märchen fehlt der Teufel und seiner Figur entspricht der Großvater Allwissend, der eigentlich die Sonne darstellt. Morgens kommt er in den Himmel, am Mittag ist er ein rüstiger Mann und am Abend wird er zu einem Greis. Er ist friedliebend und allwissend, aber auch ärgerlich, wenn ihn die Großmutter weckt und er lässt sich von den Menschen betrügen.

 

1.3 Schlussworte

Am Ende unseres Beitrages möchten unsere Ergebnisse so zusammenfassen: es gibt keinen "richtigen" Teufel, dessen Charaktereigenschaften überall gleich wären.

Die Interpretation des teuflischen Chrakters ist immer auch subjektiv. Trotzdem meinen wir, dass der tschechische Teufel im Vergleich zu den Märchen der deutschsprachigen Literatur "lebendiger" ist. Warum? Der tschechische Teufel erscheint nicht nur als Märchenfigur in Büchern oder Filmen, sondern auch (neben dem literarischen Aspekt) "lebendig" in der realen Welt. An jedem 5. Dezember zeigt er sich, zusammen mit dem Nikolaus und den Engeln auf den Straßen und die Kinder können ihn auch "persönlich" (sogar zu Hause) erleben.

Ist das aber ein echter Teufel?

© Lenka Hofmanová / Barbora Kredbová (Pädagogische Fakultät der Karlsuniversität, Prag)

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2. Vergleich von Märchen mit einem "Salzmotiv" in der deutschsprachigen und tschechischen Literatur

Petra Chobotová [BIO] / Jarmila Koubíková [BIO] (Institut für Germanistik der Karlsuniversität, Prag)

 

2.1 Einleitung

Gegenstand der folgenden Ausführungen ist ein Vergleich dreier klassischer Märchen, aus Tschechien, Österreich und Deutschland. Es handelt sich um Märchen mit dem Leitmotiv "Salz" als Mittel die wahren Werte des Lebens darzustellen. Wir untersuchen die konkrete Form und Entwicklung dieses Motivs in drei verschiedenen Geschichten "Sůl nad zlato" ("Salz ist mehr wert als Gold ) von Božena Němcová, "DieNotwendigkeit des Salzes der Brüder Zingerle und "Die Gänsehirtin am Brunnen" von Jakob und Wilhelm Grimm.

Der Aufsatz vergleicht einzelne unterschiedliche Komponenten und Elemente dieser Texte.

 

2.2 Vergleich der Märchen

2.2.1 Zusammenfassung der Märchen

2.2.1.1. "Sůl nad zlato" ("Salz ist mehr wert als Gold") von Božena Němcová

Ein alter König hat drei Töchter und muss sich entscheiden, welche von seinen drei Töchtern die künftige Königin werden soll. Die Töchter sollen die Frage beantworten "wie sie ihren Vater mögen". Die "beste" Antwort entscheidet die Wahl. Die erste Tochter äußert, sie möge den König wie Gold, die Zweite sagt, sie schätze ihn wie einen Edelstein. Nach kurzer Weigerung antwortet die Dritte, die Lieblingstochter, sie liebe ihren Vater wie Salz. Der König ist beleidigt und weist Maruška, seine jüngste Tochter, aus dem Schloss.

Maruška findet ihr neues Zuhause bei einer alten Frau in einer Hütte im Wald. Währenddessen geht mit einem Mal im ganzen Königreich das Salz zur Neige und viele Leute, auch der König und seine beiden älteren Töchter, werden krank.

Maruška bekommt von der Alten eine Wünschelrute, mit der sie einen neuen unterirdischen Salzvorrat findet. Das Salz unter der Erde wird von Heinzelmännchen bewacht, die Maruška als ihre neue Königin ansprechen, denn nur die Königin darf die Wünschelrute haben. Maruška weiß jetzt, welch wertvolles Geschenk sie erhalten hat. Sie sucht die alte Frau überall, um sich bei ihr zu bedanken, aber diese ist verschwunden... Maruška rettet ihr Königreich vor dem gefährlichen Salzmangel und so hat das Land nicht nur eine neue Königin, sondern auch für immer Salz.

2.2.1.2 "Die Gänsehirtin am Brunnen" (Brüder Grimm)

Das Märchen beginnt in einem Wald. Eine als Hexe verschrieene alte Frau trifft einen Grafen, der ihr hilft Gras, Obst und am Ende sie selbst zu tragen. Lohn der schrecklichen Mühe ist ein kleines Gefäß.

Der Graf kommt in ein unbekanntes Königreich, wo er einer Königin begegnet, der er das Gefäß schenkt. Die Königin wird ohnmächtig, als sie hineinblickt und eine Perle sieht, denn sie erinnert sich daran, wie sie die jüngste ihrer drei Töchter vor drei Jahren, nach einem Streit mit dem Vater verlor. Eines Tages habe der König die Prinzessinnen gefragt, wie sie ihn mögen. Die erste habe geantwortet, sie möge ihn wie "Süßigkeiten", die zweite "wie das schönste Kleid". Die jüngste Tochter habe ihre Liebe zum Vater mit Salz verglichen. Der König habe sich beleidigt gefühlt und sie aus dem Schloss gewiesen. Beim Weggehen habe die jüngste Tochter Perlen geweint...

Alle im Königspalast wollen wissen, woher der Graf die Perle hat. Danach

entscheiden sich König und Königin, ihre jüngste Tochter zu suchen, sie finden sie im Wald bei der Alten. Diese erklärt dem Königspaar, sie hätten vor drei Jahren mit der Vertreibung des Mädchens einen großen Fehler gemacht. Der König ist ratlos, denn er hat sein Erbe schon den älteren Schwestern gegeben, aber trotzdem geht sein jüngstes Kind nicht leer aus, es wird sogar reich beschenkt: Sie bekommt alle während dieser drei langen Jahre geweinten Perlen und die Hütte im Wald wird zu einem schönen Palast...

Am Ende der Geschichte ist nicht ganz klar, ob die jüngste Prinzessin den Graf heiratet, weil die Märchenerzählerin ein schlechtes Gedächtnis hat, und nicht mehr weiß, wie die Geschichte endet.

2.2.1.3 "Die Notwendigkeit des Salzes" (Brüder Zingerle)

Ein alter König hat drei Töchter. Eines Tages feiert er seinen Geburtstag, und stellt den Töchtern eine Aufgabe:- sie sollen ihm zum Geburtstag schenken, was für sie im Leben das Wichtigste ist. Die älteren Töchter bringen höchst kostbare Dinge, die jüngste Prinzessin nur ein kleines Häuflein Salz. Der König befiehlt ihr, sein Reich zu verlassen...

Die jüngste Königstochter kommt zu einem Wirtshaus. Dort lebt eine Wirtin, die sehr gut kocht und bei der sie in die Lehre geht, bis sie durch ihre Kochkunst im ganzen Land bekannt wird. Währenddessen will eine der älteren Prinzessinen heiraten und der König entscheidet sich, die berühmte Köchin für die Vorbereitung der Hochzeitstafel zu engagieren. Die jüngste Königstochter bereitet als Köchin die besten Gerichte zu, ohne dabei Salz zu verwenden, den Gästen wird das Essen ungesalzen serviert. Der verärgerte König lässt die Köchin rufen und fragt, warum das Essen nicht gesalzen sei. Die Köchin antwortet: "Ihr habt ja eure jüngste Tochter verstoßen, weil sie das Salz für so notwendig gehalten hat..."

Als der König die Worte hört, erkennt er seine Tochter und bittet sie um Verzeihung.

 

2.3 Vergleich der Märchen aus der Sicht des Adressaten

Jedes der drei Märchen wirkt auf den Leser anders, weil es von verschiedenen Autoren geschrieben wurde.

Das Märchen - "Sůl nad zlato" ("Salz ist mehr wert als Gold ") ist ein intentionales (d.h. für Kinder bestimmtes) Märchen (Zaubermärchen). Folgende Gründe haben zu dieser Annahme geführt:

Diese Textmerkmale führen dazu, dass das Märchen seinen Adressaten (den Kindern) sehr nahe steht und eine intensive Wirkung auf sie entfaltet. Beim Lesen "erleben" die Kinder die Handlung der Märchengeschichte mit ihren Helden.

Das Märchen "Die Notwendigkeit des Salzes" ist, im Vergleich zu "Salz ist mehr wert als Gold ", nicht so kindernah. Es handelt sich hierbei um kein Zaubermärchen, es geht eigentlich um eine kurze Erzählung mit Märchenmotiven.

Im klassischen Märchen "Die Gänsehirtin am Brunnen" der Brüder Grimm ist die innere Komposition für die kindlichen Leser zu kompliziert. In diesem Märchen kommt eine Diffusion der Zeitebenen vor, und die Rolle des Erzählens ist auch nicht eindeutig. Der Erzähler lässt die weitere Geschichte im Ungefähren und der Empfänger ist sich des Endes nicht sicher, weil verschiedene Schlüsse denkbar sind.

Alle drei Märchen verbindet ein Motiv: den Vergleich der echten Liebe mit der Wichtigkeit des Salzes. Allen drei Märchen mangelt es aber an Humorelementen, die hauptsächlich für Kinder sehr anziehend sind.

 

2.4. Literarisch-ästhetische Komponente

2.4.1 Märchentitel

Die Titel aller drei Märchen sind unterschiedlich. Der Titel des Märchens der Brüder Grimm "Die Gänsehirtin am Brunnen" deutet nicht darauf hin, dass es sich um ein Märchen handelt, in dem das oben erwähnte Leitmotiv ( Liebe = Salz ) auftritt.

Bei den Märchen "Die Notwendigkeit des Salzes" der Brüder Zingerle und "Salz ist mehr wert als Gold" von Božena Němcová kann man bestimmte Gemeinsamkeiten vermuten.

Diese Märchentitel stellen die Wichtigkeit des Salzes als bildlichen Ausdruck dar, der Märchentitel "Die Gänsehirtin am Brunnen" beschreibt nur eine bestimmte Situation.

2.4.2 Leitmotiv

Gemeinsamer Zug aller drei Märchen ist das Leitmotiv: echte Liebe ist so lebensnotwendig wie Salz..

An dieser Stelle erhebt sich die Frage, warum die Autoren den Wert der Liebe gerade mit der Notwendigkeit des Salzes gleichgesetzt haben. Wahrscheinlich gehen sie davon aus, dass die Unersetzbarkeit des Salzes den meisten Leuten erst einmal nicht bekannt ist. Wenn die Liebe zum Beispiel mit der Bedeutung des Wassers oder der Luft verglichen worden wäre, wäre der Mangel fast sofort offensichtlich gewesen.

"Ich liebe dich wie Salz" sagt die jüngste Königstochter in allen drei Märchen. Diese Äußerung evoziert vieles: Reinheit, Gewöhnlichkeit, aber zugleich auch die Liebe als Lebenswert. Dieses Leitmotiv ist in allen drei Märchen vorhanden. Die Liebe wird immer mit Edelsteinen oder anderen höchst kostbaren Dingen wie Gold verglichen, die sich als unecht und wertlos herausstellen. Der Vergleich der Liebe mit der Wichtigkeit des Salzes soll zwar ihren wahren Wert herausstellen, aber er muss zuerst einer Prüfung standhalten, um alle zu überzeugen.

Unterschiedlich sind die Nebenmotive, die das beschriebene Leitmotiv begleiten. Wenn wir die Inhalte dieser drei Märchen miteinander konfrontieren, stellen wir fest, dass sie analog sind, wobei wir in der " Gänsehirtin am Brunnen" die meisten Abweichungen der ähnlichen Themenentwicklung finden.

2.4.3 Figuren

Gemeinsamer Zug: In allen Märchen handelt sich jeweils um eine Königsfamilie (ein König und drei Töchter), in der der König seinen Töchtern eine Frage stellt, um herauszufinden, welche der drei Prinzessinnen die künftige Königin sein wird. Es soll diejenige sein, die den König am meisten liebt. "Der Wert der Sache", die sich jede der Prinzessinnen zum Vergleich ihrer Vaterliebe auswählt, wird für den König zum Kriterium der Echtheit der Tochterliebe.

Unterschiedliche Züge: In allen drei Märchen ist die Hauptfigur die jüngste Tochter, die ihre Liebe zum Vater mit der Wichtigkeit des Salzes vergleicht. Diese Hauptfigur wird aber in den einzelnen Märchen jeweils anders präsentiert. Die Fassung der Brüder Grimm weicht von der Božena Němcovás ab. Im Märchen "Salz ist mehr wert als Gold" wird die jüngste Prinzessin, im Vergleich zu den beiden anderen Märchen, nicht nur beschreibend, sondern auch erzählend oder schildernd charakterisiert. Wir kennen ihren Namen und ihr Aussehen. Dadurch bringt Božena Němcová "Lebendigkeit" in ihr Märchen und verstärkt somit die Wirkung der Geschichte.

Eine andere Analogie im Bezug auf die Figuren ist darin zu finden, dass eine Frau (nette Alte, Wirtin) der jüngsten Tochter nach dem Verlassen des Königspalastes hilft. Im Märchen "Die Gänsehirtin am Brunnen" tritt in der Handlung ein Graf auf, der im König die Hoffnung weckt, seine Tochter wiederzufinden. Eine Abweichung finden wir auch im Märchen "Salz ist mehr wert als Gold". In der Handlung dieses Märchens treten Märchenfiguren - Zwerge - auf, die ihr Salz schützen und der jüngsten Tochter Maruška dienen. Sie weisen darauf hin, dass gerade sie Königin werden wird.

2.4.5 Kompositionskomponenten

2.4.5.1 Zeitebenen

In allen drei Märchen ist die Handlung zeitlich nicht direkt begrenzt. Es kann nicht genau gesagt werden, wann sich die Handlung abspielt. Der einzige Unterschied ist die Zeitdauer, die die jüngste Prinzessin von ihrem königlichen Zuhause entfernt verbringen muss.

Im Märchen "Salz ist mehr wert als Gold" ist die Dauer der Trennung unbestimmt - die Tochter kommt zurück, sobald sie feststellt, dass der Vater krank ist.

Unbestimmt ist die Dauer der Trennung auch im Märchen "Die Notwendigkeit des Salzes". Die Tochter kommt als unbekannte Köchin ins Schloss zurück und begegnet ihrem Vater erst beim Hochzeitsfest ihrer Schwester.

Im Märchen "Die Gänsehirtin am Brunnen" ist die Dauer der Trennungszeit, drei Jahre, dagegen klar. Hier finden wir auch den Unterschied in der Handlung: nicht die Tochter kehrt zu ihrem Vater nach Hause zurück, sondern der Vater findet seine Tochter in einer Hütte im Wald. Wie schon erwähnt wurde, bleibt hier das Ende der Geschichte offen.

2.4.5.2 Raumebenen

Im Märchen "Salz ist mehr wert als Gold" und "Die Notwendigkeit des Salzes" verschiebt sich die Handlung aus dem Königshaus ins Unbekannte (ein Mal in den Wald, ein Mal ins Wirtshaus) und zurück. Raumschema: Königspalast - unbekannter Ort (Wald, Haus der Wirtin) - Königspalast.

Im Märchen "Die Gänsehirtin am Brunnen" ist das Schema umgekehrt. Die Geschichte beginnt im Wald, dann verschiebt sie sich ins Königsschloss und kehrt wieder in den Wald zurück. Raumschema: Wald - Königspalast - Wald. Die Folge der Handlungsorte steht zu den beiden anderen Märchen im Widerspruch.

Gemeinsamer Zug: In allen Märchen ist der "Zufluchtsort" weit entfernt vom ursprünglichen Zuhause der Königstochter und steht zu ihm in einem sozialen und seelischen Gegensatz. Eine Hütte (ein Haus) erweckt den Eindruck von Sicherheit in einer unbekannten, gefährlichen Welt (zum Beispiel im Wald). Der Wald vermittelt dagegen den Eindruck von Verzweiflung und Einsamkeit. Die Umgebung des neuen Zuhauses (einschließlich des unterirdischen Salzgebietes im Märchen "Salz ist mehr wert als Gold") wird wahrscheinlich deshalb nicht detailliert beschrieben, um den Leser nicht von der Handlungshauptlinie abzuführen.

2.5. Innovationen auf dem Gebiet der klassischen Märchen

Der Vergleich der Echtheit der Liebe mit der Wichtigkeit des Salzes wird nicht nur zum Leitmotiv der literarischen Märchen, sondern auch zum Motiv ihrer unterschiedlichen Verfilmungen. Als Beispiel einer Innovation dieses uralten Motivs haben wir einen tschechischen Märchenfilm des bekannten Regisseurs Bořivoj Zeman "Byl jednou jeden král" ("Es war einmal ein König") ausgewählt.

Die Innovation des Motivs besteht sowohl in der filmischen Bearbeitung, als auch in den humorvollen Episoden. Die Hauptrollen (König und Hofrat) spielen Jan Werich und Vlasta Burian, die berühmtesten tschechischen Komiker des 20. Jahrhunderts.

Als repräsentatives Beispiel der Innovation durch Humor haben wir die kurze Filmpassage "König und Hofrat beim Kochen" ausgewählt.

 

VERGLEICH DER KLASSISCHEN MÄRCHEN DER DEUTSCHSPRACHIGEN UND TSCHECHISCHEN LITERATUR

 

KÖNIG UND HOFRAT BEIM KOCHEN

König: Ich zeige dir, dass ich ohne Salz kochen kann! Und dich schicke ich ins Gefängnis.

Koch: Bei uns gibt’s aber kein Gefängnis mehr. Du hast es zu einem Weinkeller umbauen lassen.

König: Ich lasse dich in den Weinkeller werfen, weil du sowieso wie ein Fass aussiehst!

Lass uns das jetzt lesen!

Hofrat: PFANNKUCHEN - Also wir brauchen Hefe, Eier, Zucker, Mehl, Zitronenschalen und..., und...

König: Na lies! Lies! Lies doch!

Hofrat: und Salz.

Koch: Ohne Salz geht das nicht!!!

König: Statt Salz tun wir Gewürze hinein und dann wird es bestimmt besser schmecken!

Hofrat: Zerschlage ein oder zwei Eier!

König: Ein oder zwei das ist insgesamt drei. Aaa, der Mörser!

Koch: Und was mit den Eierschalen?

Hofrat: Jedes Ei hat eine Eierschale. Wenn ein Ei keine Eierschale hätte, würde es nicht zusammenhalten!

Koch: Sie können ja gleich Glasscherben mit hineinmischen.

König: Lass ihn bestrafen!

König: Es gibt nicht so viel Teig.

Hofrat: Wie groß sollen die Pfannkuchen werden?

König: Für das ganze Volk, ungefähr ein halber Hektar.

Hofrat: Na ja, dann haben wir viel zu tun.

Hofrat: Womit beginnen wir?

König: Mit Mehl...

Hofrat: Da schaust du, oder?

König: Jetzt schaut er nicht, gerade wenn er etwas lernen könnte!

Hofrat: Er sitzt da, neiddurchtränkt und sieht, wie tüchtig wir sind.

König: Nun soll er leiden!

(Koch singt)

König: Ehmm, die werden aber knusprig, die Pfannkuchen. Also geben wir die Milch hinzu.

Hofrat: Ist sie lauwarm?

König: Ja natürlich, ich kann doch kochen!

König: Gib noch Hefe dazu! Aber angemessen!

Hofrat: Angemessen, angemessen, angemessen,...

Und jetzt noch Salz!!!

König: Nein, nicht Salz sondern das Gewürz!

(König und Hofrat geben verschieden Gewürze hinzu: Kümmel, Lorbeer, Safran, Paprika, Senf, Muskatnuss, Thymian, Ingwer,...)

Hofrat: Und was ist mit der Dose?

König: Die kommt auch hinein! Die löst sich im Teig auf!

Hofrat: Der Teig geht aber schnell auf!

König: Geht das nicht ein bisschen zu schnell? Blas doch ein wenig darauf!

(Inzwischen singt der Koch. Der Teig ist plötzlich überall verteilt)

König: Sollen wir hier etwa zugrunde gehen?

Beide: Hilfe, hallo, Koch, Hilfe!!!

König: Ich befehle dir, du sollst uns sofort helfen!

Koch: Sie werden mir nichts befehlen! Sie müssen darum bitten!

König: Bitte!

Koch: Das ist auch zu wenig, sie müssen schön bitten!

König: Ich bitte dich wirklich sehr!

Koch: Ähmm, das ist etwas anderes.

(Koch hilft den beiden aus der Schlossküche hinaus.)

Im Weinkeller...

König: Wir müssen die Tür zuhalten. Koste es, was es wolle!

(...Der Teig fließt aus dem Fenster heraus.)

König: In den schwierigsten Lagen muss sich ein König immer selbst helfen.

Das nächste Bild:

König und Hofrat entfernen den Teig von ihrer Kleidung.

© Petra Chobotová / Jarmila Koubíková (Institut für Germanistik der Karlsuniversität, Prag)

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