Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | März 2010 | |
Sektion 2.10. | Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen / Cartosemiotics and geographical images Sektionsleiter | Section Chairs: Alexander Wolodtschenko (Dresden) und Dmitry Zamyatin (Moskau) |
Der kartographiesche Nachlass und der Entwicklung der Methoden
von A. Humboldt in der Modernen thematischen Kartographierung
I.N. Rotanowa (Russische Akademie der Wissenschaften, Barnaul, Russland)
Email: rotanova@iwep.asu.ru
Alexander Friedrich Wilhelm von Humboldt gehört zu den hervorragendsten Persönlichkeiten des 18.-19. Jahrhunderts, zu den wenigen so genannten ”Universalgelehrten” jener Zeit, die einen großen Beitrag zu verschiedenen Wissensgebieten geleistet haben. Später hat das als eine fundamentale Grundlage der Entwicklung einer neuen qualitativen Etappe der geographischen Wissenschaft im 20. Jahrhundert gedient. Mit Recht gilt Alexander von Humboldt als einer der Schöpfer von einer Reihe der Naturwissenschaften einschließlich der Geographie in ihrem heutigen Sinne, nicht als einer Vielzahl der Zweigdisziplinen, sondern als Widerspiegelung des einheitlichen Weltbildes. Die tiefgreifenden Gedanken von Alexander von Humboldt über die Probleme des Universums, d.h. über die Schaffung eines einheitlichen Weltbildes, haben die Zeit überholt; eine breite Entfaltung erhalten sie auch jetzt – am Anfang des 21. Jahrhunderts. Wissenschaftliche Werke von A. v. Humboldt haben einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Evolutionsideen in der Geschichte der Erde und des Vergleichsverfahrens in der Naturwissenschaft ausgeübt.
Alexander von Humboldt besaß ein breites Gesichtsfeld und hat bei der Bestimmung der Perspektiven seiner wissenschaftlichen Untersuchungen in Geologie, Meteorologie, Astronomie, Botanik und Zoologie gründlich gearbeitet. Er ist einer der Gründer der Hydrologie und der Hydrographie, der Pflanzengeographie und der Lehre über die Formen des Lebens, er hat die Idee der vertikalen Zonalität begründet sowie die Zusammenhänge zwischen der Pflanzenwelt und dem Klima untersucht. Besondere Aufmerksamkeit schenkte er dabei den Untersuchungsmethoden, der Durchführung von Feldbeobachtungen, der Dokumentierung der ermittelten Ergebnisse und den Fragen der Systematik der Organismen, der Vorgänge und der Erscheinungen. Alle oben angeführten Wissenschaften und Untersuchungsverfahren von Naturerscheinungen und –objekten bilden in ihrer Gesamtheit den Gegenstand der modernen physikalischen Geographie. Einer der grundlegenden wissenschaftlichen Ansätze der Geographie ist die Fixierung der Ergebnisse auf Karten, d.h. die Kartographierung.
Mit Recht kann man deshalb gleichzeitig vom wichtigen Beitrag A. v. Humboldts zur Entwicklung der Wissenschaften über die Erde, über die Begründung der Kartographie in diesen Wissenschaften und über die moderne Entwicklung der kartographischen Methode der wissenschaftlichen Untersuchungen sprechen.
Die ersten Versuche der Verwendung der Karten für wissenschaftliche Untersuchungen gehören zur zweiten Hälfte des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurde von den Wissenschaften über die Erde ein riesiges faktisches Material angesammelt und dessen Systematisierung hat zur Schaffung der ersten wissenschaftlichen Karten geführt. Die kartographische Zusammenfassung der auf verschiedenen Territorien erhaltenen faktischen Materialien hat ihrerseits einen Impuls für vergleichs-kartographische Untersuchungen gegeben, bei denen die Karten als Instrumente solcher Untersuchungen dienten. In allen seinen zusammenfassenden Arbeiten bestätigte A. von Humboldt seine Beobachtungen und Schlussfolgerungen durch die Zusammenstellung von Karten, die auf der Basis der Bearbeitung eines umfangreichen faktischen Materials erarbeitet wurden. Auf den Karten wurden von ihm viele globale Gesetzmäßigkeiten festgestellt, Verbindungen von Erscheinungen ermittelt. In seinen Untersuchungen hat Alexander von Humboldt das Vergleichsverfahren sowie das Verfahren der Gegenüberstellung von geographischen Objekten und Erscheinungen der verschiedenen Rayons des Erdballs sehr breit angewandt. Seinen vergleichenden Beschreibungen legte er oft Karten bei: Karten von Kontinenten, Ozeanströmen, Winden, Niederschlägen, Pflanzenstandorten, Landschaften.
Er hat den geologischen Aufbau der Neuen und der Alten Welt mit der Zusammenstellung von geologischen Karten, komplexen Profilen und Schnitten beschrieben. Bei der Zusammenstellung von geologischen Karten hat er einzelne geologische Gebiete ausgesondert sowie die geologische Lage verschiedener Wohnorte bestimmt. Er hat die geologische Karte Europas, Deutschlands, einzelner europäischer Territorien zusammengestellt, die vom Standpunkt der Erforschung der Geschichte des geologischen Aufbaus der Erde und der Ressourcen an verschiedenen Naturschätzen besonders wichtig sind. Auch bei der Zusammenstellung der modernen geologischen Karten, werden viele von A. von Humboldt erarbeiteten und zum ersten mal von ihm verwendeten Ansätze, auch nach den mehr als anderthalb Jahrhunderten, genutzt. Seit den Zeiten von A. von Humboldt werden die geologischen Karten von der Darstellung der geologischen Schnitte zu einem vollständigeren Verständnis der Gesetzmäßigkeiten und Besonderheiten des Erdaufbaus begleitet.
A. von Humboldt hat mehr als 700 Höhenmessungen durchgeführt. Im Ergebnis seiner Reisen wurden die Strömungenkarten der Flüsse Orinoko und Amazonas korrigiert und ergänzt; es wurde die Richtung einiger Bergketten bestimmt und einige neue entdeckt, die Verteilung der Berge und der Tiefebenen ermittelt; es wurde ein Meeresstrom entlang des westlichen Ufers Amerikas in die Karten eingetragen, der später den Namen von Humboldt erhielt. Einen wichtigen Platz in seinen Untersuchungen nahm die Forschung und die Kartographierung von Vulkanen ein. Er hat die Karten der Vulkangebiete der Alten und der Neuen Welt, der Atlantischen und Pazifischen (Stillen) Ozeane zusammengestellt. A. von Humboldt ist einer der Gründer der Klimatologie und der Klimakarten. Er hat eine Weltkarte der Temperaturverteilung zusammengestellt, indem er deren Mittelwerte für verschiedene Breiten gemäß den Angaben von 57 Stationen berechnet und zum ersten Mal das Isothermenverfahren verwendet hat: Jahresdurchschnitt-, Saisondurchschnittisotherme, der kälteste und der wärmste Monat.
Mit den Isothermen hat das Isolinienverfahren der Kartographie begonnen. Isolinien sind Linien der gleichen Werte der zu kartierenden Kennzahl. Das Isolinienverfahren wird für die Darstellung von ununterbrochenen gleichmäßigen Erscheinungen verwendet, die physische Felder bilden. Die Familie der Isolinien in der modernen Kartographie ist sehr groß und zählt Dutzende von Arten. Verschiedene Felder werden mit Hilfe von verschiedenen Isolinien dargestellt: Temperaturfeld – mit den Isothermen, Druckfeld – mit den Isobaren, Intensität des Magnetfeldes – mit den Isogonen, Relieffeld – mit den Isohypsen oder Horizontalen. Die Priorität in der Darstellung des Reliefs mit den Horizontalen gehört auch Alexander von Humboldt. Er hat die ersten Isolinienreliefkarten für das Territorium Europas zusammengestellt.
In der modernen Kartographie ist das Isolinienverfahren führend. Das Isolinienverfahren ist ein sehr bequemes, flexibles ind informatives Darstellungsverfahren, welches über eine hohe Meßbarkeit verfügt. Dank den Isolinien kann man ganz unterschiedliche Quantitätscharakteristiken auf den Karten bestimmen: absolute und relative Bedeutungen von Erscheinungen, Senkungen und Gradienten, Gliederungsmaß und vieles andere bestimmen. Isolinien ermöglichen es auch, die quantitativen Änderungen der Erscheinungen in der Zeit, die Versetzung der Erscheinungen, die Zeit des Eintritts irgendwelcher Erscheinungen sowie deren Wiederholbarkeit und Zusammenhänge zu zeigen. Das automatische Zeichnen von Isolinien wird nach digitalen Modellen mit Hilfe von speziellen Interpolationsprogrammen ausgeführt. Die digitalen Modelle liegen vielen mathematischen Modellen von Prozessen und Erscheinungen in der Umwelt zugrunde, z.B. hydrologischen, geoökologischen, des Stofftransportes usw.
Zur Zeit werden Isolinien nicht selten für die Darstellung von Erscheinungen verwendet, die nicht ununterbrochen und nicht gleichmäßig sind, d.h. der diskreten Objekte. Dazu gehören z.B. Isolinien der Bevölkerungsdichte, des Aufpflügen- oder Bewaldungsmasses. Sie werden auf der Grundlage der Interpolation von statistischen Berechnungskennzahlen gezogen, die von den Zellen des regelmäßigen und unregelmäßigen Netzes erhalten werden.
Mit den Arbeiten von A. v. Humboldt hat die ökologische Richtung in der Pflanzengeographie begonnen. Er hat eine Lehre über die Pflanzengeographie, über das System der Breitenzonen und Höhengürtel der Pflanzenwelt geschaffen, indem er das klimatische Prinzip ausgenutzt hat. Er hat Analogien in der Änderung der Vegetation vom Äquator zum Pol und von Gebirgsfüßen zu deren Gipfeln festgestellt. Die Zusammenstellung von botanisch-geographischen Karten verwendend, d.h. den Karten der Vegetationsareale, -zonen und –gürtel, hat er als erster botanische Gebiete ausgesondert, Zentren der Kulturpflanzen sowie die Geschichte von deren Verbreitung und die Verteilungswege festgestellt.
Die modernen Errungenschaften der Wissenschaft und der Technik erlauben es, neue kartographische Dokumente der Untersuchungen der Natur der Erde zum Ziele ihrer Erkennung, Ressourcenerfassung, der Erstellung von Methoden der rationellen Nutzung und des Schutzes zusammenzustellen. Die Anwendungsbereiche der Karten wie auch deren thematische Inhalte werden ständing erweitert. Es werden neue Kartentypen geschaffen: Karten der Optimierung der Umwelt, des Naturschutzes, der Bewertung des ökologischen Zustandes der Geosysteme und der Umwelt im allgemeinen. Es werden zwei Seiten der Kartographie ausgesondert: die inhaltliche, die auf dem Studium der Naturgesetze für die Erarbeitung der Prinzipien und Methoden der Zusammenstellung von Karten auf der Grundlage der Errungenschaften der Wissenschaften basiert, und die technische, die sich mit den Methoden einer objektiven und präzisen Fixierung der Erscheinungen, deren Darstellung und der graphischen Verarbeitung beschäftigt. Inhaltliche und technische Seiten bilden einen einheitlichen Prozess der Kartographierung, wobei eine der Hauptmethoden der Untersuchung der Natur die kartographische Methode ist:. Die Arbeiten von Alexander v. Humboldt sind vorbildlich sowohl von der inhaltlichen als auch von der technischen Seite der Kartographierung. Er hat die Möglichkeiten einer geographischen Synthese auf der Karte sowie der Erkennung der ursächlichen Zusammenhänge in den Erderscheinungen aufgezeigt. Anfang des 21. Jahrhunderts schenken die Kartographen den Problemen des kartographischen Bildes, der kartographischen Information und des kartographischen Modellierens ausreichend Aufmerksamkeit. Die Entwicklung der Distanzmethoden der Beobachtung und der Kontrolle, moderne technische Mittel, neue wissenschaftliche Paradigmen und Konzeptionen des Universums sind mit den von Humboldt angelegten Grundlagen zur Schaffung von Karten der Natur unmittelbar verbunden, die eine qualitativ neue Enwicklung in der Erkenntnisgewinnung über die Erde, über die Umwelt und über den Menschen erhalten.
2.10. Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen / Cartosemiotics and geographical images
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