Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | März 2010 | |
Sektion 2.10. | Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen / Cartosemiotics and geographical images Sektionsleiter | Section Chairs: Alexander Wolodtschenko (Dresden) und Dmitry Zamyatin (Moskau) |
Atlanten – kartosemiotische Modelle
Alexander Wolodtschenko (Dresden) [BIO]
Email: alexander.wolodtschenko@mailbox.tu-dresden.de
1. Definitionen von Atlanten
Es gibt verschiedene Definitionen von Atlanten. Aus kartographischer Sicht wird ein Atlas nach Ormeling (1994, S. 223) wie folgt definiert: Ein Atlas, sei er traditionell oder digital, bleibt eine systematische, absichtliche, geordnete Kombination von Karten.
Eine weitere Definition vom Atlas kann man im Lexikon für Kartographie und Geomatik nach Denk (2000) finden: eine ziel- und zweckorientierte, systematische Folge (Sammlung) von Karten in Buchform oder als Datei für die elektronische Präsentation am Bildschirm.
Die Bezeichnung von analogen und elektronischen Atlanten als kartosemiotische Modelle ist eine neue Bezeichnung für die Kartographie. Es spiegelt sich direkt auch in der Definition wider. Ein Atlas aus semiotischer Sicht (nach Wolodtschenko 2007), ist eine Art von kartosemiotischen Modellen in gedruckter oder elektronischer Form, der systematisches Wissen (geographisches, geologisches, historisches, ökologisches usw. Wissen) mit Hilfe von geordnet nach Inhaltsverzeichnissen thematischen Teilen (T) sowie informations-semiotischen Modulen (M), z.B. Karten, Texte, Generallegenden, Tabellen, Fotos, Register usw.) präsentiert.
2. Warum semiotische Modelle?
Ensprechend der obengenannten Definition nach (Wolodtschenko 2007) ist ein Atlas eine Art von kartosemiotischen Modellen in gedruckter oder elektronischer Form, mit systematischem themen- bzw. fachgebietbezogenem Wissen (geographisches, geologisches, historisches, ökologisches usw. Wissen).
Warum ist ein Atlas ein semiotisches oder kartographisch-semiotisches Modell?
Mit dem Rückblick auf die 90er Jahre lässt sich deutlich die Erweiterung der Forschungsfelder der Kartosemiotik feststellen. Es zeichnet sich eine bestimmte Verschiebung in den Forschungsakzenten von der semiotischen Untersuchung einzelner Komponenten des kartographischen Zeichensystems (z.B. nur einer Karte) zur strukturellen Untersuchung diverser kartosemiotischer Modelle (z.B. eine Kartenserie, ein Atlas bzw. eine Reihe von Atlanten usw.) als Träger und Akkumulation des räumlich-zeitlichen Wissens ab (Wolodtschenko 1999). Diese Modelle als Zeichensysteme in analoger (meistens gedruckter) und digitaler (elektronischer) Form bilden eine Gegenstandsbasis für die Untersuchungen (Forschungen) in der Kartosemiotik.
Man kann drei Grundarten von kartosemiotischen Modellen unterscheiden (Wolodtschenko 2002): kartographische, kartenähnliche und kartographisch-textuelle Modelle (Abb. 1), welche als wichtige raumbezogenen Präsentationsform des menschlichen Wissens über die Erde, der planetaren und kosmischen Erscheinungen und ihrer Sachverhalte dienen. Die Atlanten als Mix-Modelle gehören auch dazu.
Kartosemiotische Modelle | ||
Kartographische |
Kartenverwandte |
Kartographisch-textuelle |
Karten |
Anaglyphen |
Atlanten |
Abb. 1 Grundarten der kartosemiotischen Modelle (ausgewählte Beispiele)
3. Semiotische Besonderheiten
3.1. Semiotische themen- und modulbezogene Dimension
Die Fragen der Untersuchung von themen- und modulbezogenen Struktureigenschaften und Besonderheiten von kartosemiotischen Modellen (ein Atlas oder eine Serien von Atlanten, eine einzelne Karte oder eine Kartenserie, usw.) nehmen einen besonderen Platz in der Kartosemiotik ein. Es ist ein neuer und interessanter, aber wenig erforschter Teil der Kartosemiotik. In diesem Kontext kann man jeden beliebigen Atlas als Zeichensystem, Träger und Akkumulation des räumlich-zeitlichen Wissens betrachten. Aber die semiotische Natur und Eigenschaften von analogen Atlanten sind noch nicht genug untersucht; ihre Eigenschaften lassen sich besser mit Hilfe von inhaltsverzeichnisbezogenen und semiotisch-modularen Strukturen demonstrieren.
In der Struktur von Atlanten unterscheidet man zwei neue Aspekte: semiotische Modul(M)- und Themen(T)-Information (Wolodtschenko 2006). Die themenbezogene Informationsstrukturierung von Atlanten war und ist ein Bestandteil der inhaltsverzeichnisbezogenen Strukturierung (vgl. Ormeling 1994) mit horizontaler und vertikaler Gliederung.Wird eine themenbezogene Struktur in der Regel vom Inhaltsverzeichnis des Atlas gebildet, dann wird die modulbezogene Struktur analytisch erstellt. Für die themenbezogene Struktur können auch Autorenbeiträge formale Grundbausteine sein, z.B. für den Nationalatlas Deutschland zwei- oder vierseitige Autorenbeiträge. Für die modulbezogene Struktur wird jede Seite des Atlas als eine informationssemiotische Einheit betrachtet. Somit bekommt jeder Atlasseite eine quantitative Wertung und jeder analoge Atlas wird informationssemiotisch analysiert, zusammengefasst und berechnet. Die semiotische Basisinformation von jedem Atlas schließt gegliederte verbale Informationen (inhaltsverzeichnisbezogene Information) und geordnete mediale Informationen ein.
3.2. Meta-Semiotische Variable
Alle Atlanten kann man nach Zweck, Inhalt, Struktur und Konzeption als integrierte Mix-Modelle oder kartographisch-textuelle Modelle betrachten, die für die raumbezogene Informationsvermittlung und Wissensgewinnung am besten geeignet sind. In diesem Kontext lässt sich ein „Atlas als semiotisches Modell“ mit Hilfe von meta-semiotischen Variablen (Karte, Text und Abbildung) charakterisieren. Diese drei vorgeschlagenen Meta-Variablen (Wolodtschenko 2007) bringen neue struktur-konzepzionelle und methodische Untersuchungsmöglichkeiten von Atlanten.
Metasemiotische Variablen sind neue Begriffe in der Kartosemiotik und Kartographie. Karte, Text und Abbildungen (z.B. Illustrationen oder Bilder) sind als Konstruktionseinheiten und spezifische mediale Variablen für alle analogen und elektronischen Atlanten geeignet. Sie lassen sich für einen ganzen Atlas als Informationsmodule charakterisieren. Gleichzeitig sind sie z.B., bei analogen Atlanten syntaktische Konstruktionseinheiten jeder beliebigen einzelnen Atlasseite oder Atlasblattes (Abb. 2).
Kartenmodule |
Textmodule |
Abbildungs-module |
ATLAS |
(als globale Modul-Konstruktionseinheiten) |
MetasemiotischeVariablen |
||
Karte |
Text |
Abbildung |
MetasemiotischeVariablen |
(als lokale Seiten-Konstruktionseinheiten) |
ATLAS |
|
Von einzelnen |
Von einzelnen |
Abb. 2 Meta-Variablen als lokale und globale Konstruktionseinheiten (Wolodtschenko 2007)
Für einen ganzen Atlas haben die drei genannten metasemiotischen Variablen (Karte, Text, Abbildung) eine Wirkung und Funktion als globale Modul-Konstruktionseinheiten. Für einzelne Seiten bzw. Blätter werden diese Variablen als lokale Seiten-Konstruktionseinheiten benutzt.
Die lokalen Meta-Variablen, d.h. Seiten-Konstruktionseinheiten können diverse Funktionen erhalten. Abb. 3 zeigt einige ausgewählte seitenbezogene Funktionen und ihre möglichen Erscheinungsformen.
Meta-Variablen | |||
|
|||
Dominanz |
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Ergänzung |
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Erläuterung |
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Visualisierung |
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Beschreibung |
Abb. 3 Erscheinungsformen von ausgewählten seitenbezogenen Funktionen (Wolodtschenko 2007)
3. 3. Semiotisches Potential
In der Monographie ((Wolodtschenko 2006) wurden diverse Präsentationsformen der semiotischen Potentiale von Atlanten beschrieben. Als einige ausgewählte Beispiele kann man faktologische und Bewertungstabellen, modul-themenbezogene Matrizen bzw. Tabellen, Diagramme usw. nennen. Das semiotische "Orbit"-Modell wurde auch für die bessere Wahrnehmung der "Orbit-Architektur" von Atlanten vorgeschlagen. Ein Beispiel der semiotischen Potentialrepräsentation ist in tabellarischer und orbitbezogener Form z.B. für den Band 1 des Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland in Abb. 4 dargestellt.
(100 %) |
Sp = 8T+11M |
||
Module |
|
||
Abb.4 Semiotische Charakteristika des Band 1 des Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland (Wolodtschenko 2006)
4. Fazit
Im Rahmen der Neuen Kartosemiotik oder Metakartosemiotik sind atlasbezogene Fragenstellungen mit neuen angewandten Richtlinien in der Forschung und Lehre verbunden. Gerade die atlasbezogene Erforschung charakterisiert eine Reihe von neuen Disziplinen wie Atlaskartosemitik, ökologische Kartosemiotik, touristische Kartosemiotik usw. (Wolodtschenko 2006). Auf Basis der Atlasforschung ist deutlich zu sehen, dass das neue kartosemiotische Paradigma mit dem Übergang von der Semiotik der Zeichen, graphischen Primitiven und Variablen zur Semiotik der raumbezogenen Wissensmodelle, (z.B gedruckte und elektronische mono- bzw. multimediale Atlanten) gebildet wird.
Jeder beliebige Atlas ist ein Hauptobjekt der Atlaskartosemiotik. Es ist ihr Gegenstand der Untersuchungen. Einige Aufgaben der Atlaskartosemiotik mit kartographischen Traditionen sind notwendig weiterzuführen und zwar:
Literatur
2.10. Kartosemiotik und geographisch-räumliche Abbildungen / Cartosemiotics and geographical images
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Webmeister: Gerald Mach last change: 2010-03-22