TRANS Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften 17. Nr.
Februar 2010

Sektion 2.11. Ordnung im Übergang. Zur Verwendung des Farbwortes Blau im dichterischen Feld der Lyrik der Modern
Sektionsleiter | Section Chair: Hartmut Cellbrot (Herford, Deutschland)

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"wie ein enzianblaues kleid“:
Das Farbwort Blau in H. C. Artmanns Lyrik

Marc-Oliver Schuster (Universität Wien) [BIO]

Email: schuster@chass.utoronto.ca

 

Die lyrische Produktion des Österreichers H. C. Artmann erstreckt sich über ein halbes Jahrhundert und liegt gesammelt in zwei Ausgaben vor (2003; 1993/1994). Vorliegende Übersicht zum Farbwort Blau beschränkt sich auf die zehnbändige Edition Das poetische Werk von 1993/1994, die übrigens besser Das lyrische Werk betitelt wäre, da Artmann das Wort „poetisch“ (ebenso wie andere seiner Bezeichnungen für ästhetische Korrektheit bzw. Schönheit) im transgenerischen Sinn und für nonverbale Medien verwendet. Der Anordnung der Gedichte in dieser Edition wird hier fast durchwegs in der Präsentation exemplarischer Blau-Belege gefolgt. Aufgrund der Materialfülle werden primär nur Wort- und nicht Sachbelege von Blau diskutiert; ist etwa anzunehmen, dass diese Farbe, auch ohne explizite Erwähnung, ein Bestandteil einer Szenerie, eines Objekts oder Bedeutungskomplexes ist, dann fällt ein solches Vorkommnis aus dem Untersuchungsbereich heraus; ebenso bleiben Grenzfälle und Farbmischungen wie Türkis oder Violett unberücksichtigt.

Quantitativ steht Blau in Artmanns Lyrik und anderen Hauptgattungen hinter Rot, Grün, Weiß, und Schwarz. Die starke Präsenz von Farben in seinem Werk basiert auf dem Vorrang von Räumlichkeit und Visualität gegenüber Zeitlichkeit und nicht-visueller Orientierung. Artmanns prinzipielle Vorliebe für Konkretheit in Darstellung, Bildlichkeit, und Metaphorik führt dazu, dass alle Farben fast immer konkret-gegenstandsbezogen sind. Wiederkehrende Zuordnungen, v. a. im Naturbereich, variieren jedoch beträchtlich je nach Szenerie, lyrischer Subgattung, intertextueller Vorlage und Schreibphase Artmanns, dessen Werk keine kontinuierliche Entwicklung aufweist. Jede auch nur halbwegs repräsentative Darstellung dieses Farbwortes kann seine eindrucksvolle stilistische Vielfalt(1) nicht ignorieren; sie ist zu Recht ein Topos der noch unterentwickelten Forschung und verleitet zur Annahme, er habe keinen eigenen Stil und huldige stattdessen einem (post)modernen Stilpluralismus oder -manierismus: „Gewiß, man kann Artmann nicht einordnen – eine Unsinnigkeit, der Literaturhistoriker trotz warnender Beispiele gerne verfallen. Daß er aber mit Kunst und Koketterie manieristischer Haltung zu neuem Ansehen verhilft, kann man schwerlich in Abrede stellen“ (Schmidt-Dengler 1992: 224). Dieser stilistische Vielfalt findet im Rahmen einer fast ausnahmslos angewandten Autonomie-Ästhetik statt: „Dichtung um der reinen Dichtung willen“, lautet die Hauptaussage der Acht-Punkte-Proklamation des poetischen Actes von 1953 (1975: 363). Erst innerhalb dieses spannungsreichen Verhältnisses von stilistischer Variabilität und ästhetischer Konstanz lassen sich einige Motive in Artmanns Blau-Verwendung herausfiltern. Dazu sollen statt weniger ausführlicher und tiefgehender Textinterpretationen(2) mehr Beispiele und Kurzkommentare in der Breite geliefert werden, und dies methodisch unabhängig von Artmanns eigenem Hang zur Breite und Flächigkeit (siehe seine Vorliebe für parataktische Listen und Aufzählungen sowie sein Konzept von „erweiterter Poesie“) gegenüber Tiefe (z. B. psychoanalytischer oder philosophischer Provenienz). Dafür spricht der intertextuelle Anspielungsreichtum – er wurde einst verglichen mit dem von James Joyce und Ezra Pound (Beutner 1981: 100) – auch seiner Lyrik. Durch knappe Hinweise auf alltagsübliche, literarische und allgemein-kulturelle Zusammenhänge von Artmanns Blau artikulieren sich spezifisch moderne Strategien im Wechselspiel von Ordnung (z. B. konventionelle Farbenkodierungen und -konnotationen) und Überschreitung (z. B. Verfremdung, Surrealismus).

In der frühen Lyrik von 1945 bis etwa 1954 verarbeitete Artmann zuallererst Einflüsse und rezipierte einige der zuvor im Nationalsozialismus verbotenen oder verdrängten Schriftsteller und Richtungen wie Expressionismus und Dadaismus. Er schrieb schon vor dem Krieg Gedichte neben Detektivgeschichten und anderen Prosatexten (Bisinger 1972a: 181), aber sie alle gelten als verschollen. Auf das offizielle Ende des 2. Weltkriegs datierte er seine Laufbahn als richtiger Schriftsteller oder, wie er sich selbst am liebsten bezeichnete, als Dichter bzw. Poet.(3) „Ich bin aus dem Krieg zurückgekommen – über den Krieg selbst habe ich nie etwas geschrieben, das ist zu grausig – und saß in Hollabrunn. Ich war sehr fröhlich, daß das alles aus ist und habe ein Mädchen gesehen. Ich war so begeistert und habe sofort angefangen mit Liebesgedichten, sehr zarten. Seither bezeichne ich mich als Dichter“ (1998b). Demzufolge konstruierte er seine poetischen Richtlinien als Ausstieg aus der Geschichte und der Verpflichtung, realistisch zu schreiben. Nicht nur der Krieg, sondern geschichtliches Handeln überhaupt wurde damit als ästhetisches Kriterium irrelevant. Die Abkehr von Aktualitätsverpflichtung charakterisiert schon seine frühe Lyrik, die meist vereinzelt in Zeitschriften erschien, manchmal unter dem Pseudonym Ib Hansen. Viele dieser Texte sind als Naturlyrik klassifizierbar, wobei konkrete Naturszenen oft symbolistisch oder naturmagisch aufgeladen sind und somit den Eindruck verstärken, dass Natur in Gestalt konkreter Pflanzen und Tiere als eigenständiger Gegenbereich zu menschlicher Subjektivität und Geschichte aufgebaut wird. Zwar zeigt diese Lyrik „die Loslösung vom Stil spätromantischer Naturlyrik“ (Donnenberg 1981: 6), doch diese bleibt im Hintergrund weiterhin erkennbar. Dazu gesellen sich gegen Ende der 1940er noch modernere Einflüsse von Expressionismus, Symbolismus und Surrealismus, besonders von spanischen und französischen Dichtern wie García Lorca oder Benjamin Péret. Wie bei Heine wirken viele der daraus resultierenden Lektürespuren in Ton, Bildlichkeit oder Duktus vertraut, ohne dass man dafür sofort spezifische Vorbildstellen angeben könnte.

Die Verwendung von Blau als Malfarbe bleibt im Gesamtwerk die Ausnahme, etwa wenn eines der frühesten Gedichte (nachdem die golddrachen) chinesische Vasen vorstellt, die „nur noch mit farbiger tusche oder blauem lack“ bemalt sind (1993, I: 26). Häufiger färbt Blau einzelne Naturobjekte(4): man liest von „bläulichen bergen“, von denen „die winde milder als sonst“ singen (12), vom „weichen mondtau“, aus dem „blaue schimmernde blumen“ wachsen (13), oder von einem „kranz blauer zyanen um unsere insel“ (21); „Zyane“ ist ein anderes Wort für die Kornblume, und bei dieser Gelegenheit ist zu erwähnen, dass Artmann schon vor seiner Lektüre von Carl von Linné, dessen lappländisches Tagebuch Iter Lapponicum er zusammen mit Helli Clervall übersetzte (Linnaeus 1964), botanische Termini in sein Werk integrierte. Symbolistisch ausgeweitet endet aus alten wäldern mit der Verszeile „an den rändern der buchen löst sich die erde in völliges blau“ (23). Wein gehört zum Inventar in die winzer, wo ein Hirt am Nussbaum „verblaut“ (24) und damit einen surrealistisch verfremdenden Übergang zum Unmenschlichen markiert. Die nachhaltige Lektüre von Trakl ist an dieser Stelle (wie in Artmanns Frühlyrik überhaupt) offensichtlich und neben anderen modernistischen Anleihen u. a. vermittelt durch Albert Soergels Literaturgeschichte Im Banne des Expressionismus (1925); dieses Buch ist aufgelistet in der Rubrik “Lektüre (Schwerpunkte)” in dem von Klaus Reichert zusammengestellten informativen Zettelkasten zu Artmann (1975: 381).

Schon im Frühwerk wendet Artmann Blau mehr auf Naturdinge denn auf Menschliches an; zwar liest man einmal „von deinen blauen lidern“ (1993, I: 14), aber kurz darauf folgt ein Dalí-haftes Bild einer zierlich tropfenden Uhr. In einem anderen Gedicht um 1950 imaginiert das Ich einen „blutdunklen zaun“ bei einem „vielleicht blaugewordene[n] wald“, wo es ein helles Blätterband wohl um eine Geliebte binden will. Man kennt solche Bindegesten aus der Anakreontik oder aus Klopstocks Gedicht Das Rosenband, wo es um einen innig-seelischen Einklang geht. Artmanns Version aber ist dunkler und bedrohlicher; sein Binden erscheint eher als Tötungsakt, und dass hier jemand erstickt werden soll, legt vielleicht der blaugewordene Wald nahe. In einer ähnlich düsteren Szenerie beherbergt du grüner schlangenstab eine „lauernde schildburg der blauen hyäne“ (28) im heidnisch-dämonischen Zusammenhang einer Knochenflöte. Das Gedicht endet mit dem Zusammenbruch wohlgeformter deutscher Rede: „ich stammle stammle stammle stumble / stumble dumble down..“ (I: 28); dieses Ausklingen auf Englisch verdankt sich eventuell der Kunstsprache von James Joyces’ Finnegans Wake, wo auch von „Dumble down“ die Rede ist („Dumble down, looties and gengstermen!“; 1987: 350).

Neben solchen Rückgriffen in mythische Vorzeiten offeriert Artmann geographisch exotische Bereiche wie die pazifischen Sandwich-Inseln, wo es einen „blaue[n] / schatten“ gibt, der „wirklich wie eine reife frucht / von den bäumen“ hing (1993, I: 29). Hier steht Blau in dem bei ihm beliebten Sinnbezirk des Maritimen. Leider gibt es diesbezüglich noch keine detaillierte Studie zum Einfluss Benns auf Artmann; besonders Benns Statische Gedichte von 1948 wären ein Fundgrube, nicht nur hinsichtlich der Farbsymbolik in Artmanns Werk. Nahe liegt zudem ein Vergleich zu Benns Probleme der Lyrik von 1951 hinsichtlich der Aspekte von Künstlichkeit und monologischem Sprechen, abgesehen von seiner Milde gegenüber der Verwendung von Blau in moderner Lyrik. Und was Benn kritisch als die bürgerliche, “sogenannte organische, natürliche, erdhafte Mitte, Gottes schönste Mitte” anspricht (2001: 33), damit hat Artmann ebenso seine ästhetischen und ideologischen Probleme. Übrigens ist Artmanns frühe Lyrik meist nicht gereimt, und so dient das Wort „blau“ nicht bloßen Reimzwecken, auch nicht mit „Tau“, einem seiner beliebten Naturrequisiten, das er im Stück nebel und blatt sogar als dramatische Figur auftreten lässt.

Das thematische Ausklammern des Krieges in seiner frühen Lyrik wird ab Mitte der 1950er in einer zweiten, stärker alltagssprachlich formulierenden Phase bis etwa 1957 nachgeholt. In militärischen Kontexten erscheint nun auch Blau, etwa im blauen Himmel in Gegenüberstellung zum Soldatentod, der als dunkles Brot des Todes metaphorisiert ist (1994, II: 12). Ein andermal wird ein Hund namens Tiras von seinem Herrn um eine Zeitung geschickt, mit dem Rat, die Wachstube eines bösen, absoluten Gehorsam fordernden Korporals zu umgehen, der angesichts des Hundes dessen „himmelblauen / gehorsam“ als Vorbild lobt (71); dahingestellt sei, ob Artmann den Hundenamen „Tiras“ sowie dessen Gehorsamkeit von einer Erzählung von Willibald Alexis, Der Bayrische Hiesel, übernahm, wo es um den treuen Hund eines legendären bayrischen Räubers geht (das könnte auch Artmanns Hundebesitzer suspekt machen). Am Schluss des Bandes reime, verse, formeln wird Blau titelgebend: das Gedicht aquamarin (entst. 1954/55) wiederholt die Phrase „aquamarin / sagen sie“ mehrfach, und soviel lässt sich inhaltlich rekonstruieren, dass es um einen Kalifen geht, der die Ka’aba beschützt und in dessen Dienst das lyrische Ich, als Capitaine auf hoher See, gegen Aufständische kämpft (88f).

Der maritime Sinnbezirk bleibt im Gesamtwerk sehr sympathisch gezeichnet; hierzu gehören auch Matrosenuniformen – Artmann schätzte generell Uniformen bzw. „schneidige“ Kleidung – sowie den davon abgeleiteten Matrosen-Look, der bei ihm nicht Kolonialgesten impliziert, sondern eine Verbindung von Reiselust, Freiheit und Abenteuer, wie sie etwa Donald Duck verkörpert, eine seiner Comics-Lieblingsfiguren.(5) Eine maritime Aufhängung für Blau liefert ein Kaspar-Text mit dem vollen Titel anselm, antonia und der böse caspar oder ein kleines handbuch zum mißbrauch der lasterhaftigkeit: Caspar, apostrophiert als „ein nichts“, gleicht bestenfalls einem „blau betätowierte[n] / seebär auf dem meer“ und hat eine „segelblumenblaue[] / mütze“ (1994, II: 137). In Fliegeruniform winkt noch „ein sergeant / in blauem tuch / [...] galant / zum / abflug“ (130); daneben ist Blau als Farbe von Messbändern weniger spektakulär: „auf einem einzigen / meter / rot, blau und grün“ (116). Wiederum im Naturbereich erscheint Blau in eines der letzten Texte dieser Phase, in wer sein herz im gehirn, und zwar zweimal anlässlich eines Mohnrosengartens eines Optikers, der gemäß dem Titel sein (übrigens gläsernes) Herz im Gehirn statt in der Brust hat. In seinem Garten „nicken große mohnrosen in den bläulichen sommerwind“ (149), und dass sich diese Rosen „romantisch im blauen sommerwind“ bewegen, deutet auf die Liebesaffäre seiner Frau hin. Der narrative sentenziöse Stil dieses Gedichts verweist schon auf die ironischen Alltagsschilderungen (mitsamt ihren dezenten Hinweisen auf zwischenmenschliche Disharmonien) der Prosasammlung Fleiß und Industrie.

Gedichte im Wiener Dialekt, oder genauer, im Dialekt des Wiener Bezirks Breitensee, bilden eine dritte Phase von etwa 1957 bis 1959. Geradezu populär wurde Artmann 1958 mit med ana schwoazzn dintn [mit einer schwarzen tinte], in dem es ihm gerade um eine Absage an heimelige, anbiedernde Dialektdichtung (und Dichtung überhaupt) à la Weinheber geht. Schwarz, Weiß und Rot dominieren farblich, wobei Rot meist mit Blut und Dynamik verbunden ist. Interessant ist der Übergang innerhalb des Bandes von Dynamik zu Statik, Gewalt zu Sanftheit, Wärme und Feuchtigkeit zu Kälte und Trockenheit, sowie farblich von Rot und Grün zu Schwarz und Weiß. Artmann kannte die Lehre der vier Temperamente, derzufolge Kälte und Trockenheit der angeblichen schwarzen Galle zugeschrieben wird; die von ihr verursachte Melancholie ist im Titel mit der schwarzen Tinte angekündigt. Blau taucht erst gegen Ende des Bandes auf, auf dessen Weg zur Schwarz-Weiß-Struktur, Statik, Distanz und Kälte. Im Gegensatz zu Rot und Grün wird Blau nicht auf menschliche Emotionalität angewandt, sondern auf Dinge der Natur und Kultur. Beide Bereiche verbinden sich im Gedicht liad mit dem blauen Himmel und dem Wunsch, ohne Hilfsmittel zu fliegen, sowie implizit mit einem Matrosengewand (36). Blau und gelb sind zudem die als Kinderspielzeug verwendeten Indianerfedern (63), und gleich darauf firmiert Blau auf den Niveaschachterln (64), eine eigens entwickelte und geschützte Sonderfarbe von hohem Wiedererkennungswert (Ivocart NIVEA-Blau B 65711). Komisch konfrontieren sich Natur und Zivilisation in waun s d fabei gesd [wenn du vorbei gehst], wo einem geraten wird die Luft anzuhalten, wenn man an einer städtischen Straßentoilette in Form eines grünen Blechgehäuses vorbeikommt, wo die Luft ansonsten warm, lau und blau ist (43). Surrealer ist ein pflanzen- und wasserloser Park mit einem blauen Thermometer (38); man versteht die Ironie in der Klage des Sprechers, dass er nie in dieses Paradies komme.

Apropos Wasser: nirgendwo im Band wird die Donau „blau“ genannt, doch taucht die Farbe vermehrt gegen dessen Ende auf, wo sich das Thema Tod mitsamt Suizid und Friedhof fast friedlich einstellt. In dod en wossa [tot/tod im wasser] spricht ein Selbstmörder, dem seine Mutter ein schönes blaues Monogramm ins Hemd gezeichnet hat. Wird er als Toter im Herbst aus der Donau gezogen, dann wird dieses Mutter-Monogramm verwaschen sein, denn, so die Erklärung, eine Monogramm-Tinte ist auch nur ein Mensch und hält nicht ewig. Das Mutter-Monogramm wird ersetzt mit einem Monogramm der Donau in Gestalt eines Fisches und Ankers. Die Donau als Ersatzmutter wiegt den Leichnam sanft hin und her, und so ist der Übergang vom Mutter-Monogramm zum Donau-Monogramm nicht so abrupt. Es bleibt die leicht wehmütige Erinnerung an das sanft herausgewaschene Mutter-Monogramm, das mit dem unpersönlich-bildhaften Donau-Monogramm am Körper ersetzt wird, der dann aus der Donau bei Albern(6) gefischt wird. Die Bild der mütterlichen Donau gehört zu einer Artmann-typischen Opposition zwischen künstlerischer Donau als Mutter-Figur und politisch konnotiertem Vater Rhein. Überhaupt charakterisiert er Mütterliches freundlicher wie Väterliches; letzteres enthält oft unsympathische Züge von Autorität, Handlungszwang, Konformismus und Realität(sprinzip).

T. S. Eliots Gedicht Death by Water aus The Waste Land ist ein wichtiger Intertext von dod en wossa (siehe Schmied 1972: 43) Bei Eliot vergisst der Phönizier Phlebas die utilitaristischen Werte von Profit und Verlust, und er steigt und fällt wie der Körper bei Artmann, allerdings in einem dynamischeren „whirlpool“ (1969: 71) als das Donauwasser. Hinsichtlich der Farbe Blau sind weitere Ähnlichkeiten zwischen Eliots und Artmanns Freitod-im-Wasser-Texten bedenkenswert: die Bezüge zur christliche Taufe, zum psychoanalytischen Motiv der Rückkehr zum mütterlichen Schoß sowie zu mythischen Archetypen von Tod und Wiedergeburt, wie sie James Frazer in The Golden Bough beschrieb; dieser Klassiker firmiert auf Artmanns persönlicher Lektüre-Liste in Reicherts Zettelkasten neben Einträgen wie „R. Benedict, Franz Boas, Olson“ (1975: 381), neben denen er noch viele andere Berichte von Mythen und „primitiven“ Kulturen wie etwa von Freud las. Die literarische Verarbeitung von solchen anthropologischen und ethnologischen Berichten, von Märchen, Volkskultur und Populärkultur müsste eine umfassende Analyse seiner Verwendung von Blau auf jeden Fall berücksichtigen.

Noch eine letzte Anmerkung zum Gedicht dod en wossa: bei Eliot heißt es „Tod durch Wasser“, bei Artmann „Tod im Wasser“ – Artmann akzentuiert die räumliche Umgebung, wobei der Donaubereich die gleiche Funktion erhält wie der in der Erklärung zu Albern erwähnte Friedhof der Namenlosen: in beiden Fällen handelt es sich um einen als umschließenden Behälter gedachten Raum, dessen Schutzfunktion seine Rolle als zentrales Bild bzw. Metapher für Kunst-Autonomie verständlich macht. Wie gesagt ist das in med ana schwoazzn dintn selten vorkommende Blau die Farbe kühler Emotion, Abgeklärtheit und Besinnung gegenüber Rot (als Symbol für Leidenschaft und Liebe) und Grün (als Symbol für Hoffnung und Wachstums). Gegen Ende der Sammlung ist im blätterfallenden Herbst der Himmel im Wiener Schönbrunner Park blau (1993, III: 76), und schöner blauer Lavendl, idealiter an den Spitzen schon ergraut, ist erforderlich für einen formvollendeten Wiener Friedhofsbesuch (84). In den Dialektsammlungen von 1959, med ana neichn schwoazzn dintn und rosn (sein Beitrag zum gemeinsam mit Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm gestalteten Band hosn rosn baa; Achleitner et al 1959), fehlt eine vergleichbare Entwicklung in der Gedichtabfolge. Zumindest einmal, in rosn, erinnern zwei sachbezogene Vorkommnisse von Blau an med ana schwoazzn dintn: im März läuten Kirchenglocken zu Mittag mit himmelblauen und schneeweißen Ziffern (123), und ein andermal steht die Luft hoch wie eine blaue Fahne aus Seide über einem Wiener Hausberg (124). Grotesker ist die dritte Blau-Stelle: ein elektrisch aufgeladener Elektriker hat einen gelben Blitz in der einen Hand und einen blauen in der anderen, und damit kann er seine Frau elektrisieren (106).

Was Artmann seit Beginn seines lyrischen Schreibens mit Blau als Wort und Farbe macht, variiert er in wechselnden Konstellationen bis zur Spätlyrik. Vorherrschend bleibt die Zuschreibung zur gegenständlichen Natur, besonders zu Pflanzen, zum Himmel und zum Wasser (und hier besonders zum Meer, und von hier ausgehend zum Matrosen-Look). Quantitativ untergeordnet bezeichnet das Farbwort Menschliches wie Augen (Artmann selbst hatte blaue) oder Gemütsverfassung (melancholisch). Hinzu kommt gelegentlich die postalische Verbindung mit Briefmarken. Gleich bleibt die grundsätzlich positive Bewertung dieser Farbe, und was sich inmitten motivischer Konstanten der Blau-Zuordnung ändert, sind Unterschiede in Szenerien, intertextuellen Bezügen und stilistischen Formen. So reduzierte Artmann während seiner Dialektphase gleichzeitig in einer anderen Schreibrichtung seine lyrische Sprache seit Mitte der 1950er, also in der Zeit der gemeinsamen experimentellen Arbeiten innerhalb der Wiener Gruppe, während der er sogar Gedichte in erfundenen Sprachen verfertigte.

In dieser experimentellen Phase erhalten Einzelworte durch syntaktische Verknappung, asyndetische Reihung oder verstärkte Herausnahme aus dem Satzverband mehr Eigengewicht, und das gilt auch für Blau, z. B. in deutsche ansprache für das einhorn (veröff. 1957): „weiß deins gebein / myrthe blau beere / himmel ein sein“ (1993, IV: 5); in camelot einer schachtel schatten vier im Verweis auf den Hof von König Arthur: „stachelgehäus blau torkeln wie thorkel“ (45). In dem zusammen mit Konrad Bayer und Gerhard Rühm verfassten stern zu stern besetzt das dreimal vorkommende Blau zunächst eine Einwortzeile: „rauch blume / bricht / im raum / blau / blumen steigen / höher / […] / vereinter stein / dehnt sich dehnt / ein reines blau / […] / blumen sinken / fließen los / blau verwelkt“ (122–125). Gemäß des Bandtitels erweiterte poesie ist die isolierende Blau-Freisetzung im lied: haarlem als semantische Ausdehnung verstehbar: „ampherwind bläue / im bottenden sog“ (69).(7) Die zwei anderen Blau-Stellen des Bandes sind innovative Komposita im tanzlied: brugge („am hellen amseldamm / umvóll kalkülenblau“; 72) und in ftisíologo: wien: („beguinenschwand / erhebt das lose wirbel / zu wundeichblau verwintert“; 78). Kompositorisch anspruchsloser wirkt die Zusammenstellung mit Salz – „laterne / salzblau / bepfiffen“ (60) – aus dem Band sieben lyrische verbarien (entst. 1954). Von den erkennbaren Naturbezügen dieser lyrischen Phase sind nur wenige referentiell motiviert wie die „blaue schafgarbe“ (134) in grammatik & chrestomatie der melone (entst. 1957), wo neben einer „blauäugigen zofe“ (132) Blaubart vorkommt; der Vorschlag, „sich als blaubart identifizieren“ (128), lässt an die zwei Blaubart-Gedichte am Anfang von med ana schwoazzn dintn denken, wo dessen Umgang mit Frauen poetologisch als Umgang mit poetischen Texten lesbar ist. Normalerweise beherrscht ein Zug zur Verfremdung ins Unwirkliche diese experimentelle Phase; in elegische ode an den kaiser krum (entst. 1957) fährt besagter Kaiser als „der häuptling der lilien des feldes […] auf lautlosen kugellagern aus der verblauten steinhöhle des nachmittages“ (142).

Am ergiebigsten für Blau-Stellen in Form von Isolation oder Zusammensetzung mit unterschiedlichem Grad an Realismus bleibt die 1964 in Malmö entstandene Sammlung flaschenposten, deren Titel eine Gegenposition zur kommunikativ verstandenen Flaschenpost(8) suggeriert. Artmanns Autonomie-Ästhetik verzichtet auf ein Kommunikationsmodell à la Roman Jakobson: „Ich stelle nur ein Skelett hin, und jeder kann nach seinem Belieben mit Fleisch und Herz und Nieren und Leber auf seine Art... Das was ich in mir habe, kann ich keinem anderen übermitteln. Da müßte ich ja Herrgott sein, oder Musiker“ (1992: 15). Die in flaschenposten postierten Knochen als Skelettteile rangieren von realistisch bis phantastisch. Im Gedicht lancelot dient „ein bläuliches blatt“ als Bildspender für „die schwermut“, die „schön / doch dunkel / und schwer / wie zinnerz“ ist (25); „grasblau“ steht in lerewick zwischen „lerkengrau“ und „dorntau“ (16); der tag halcyon spricht von „leuchtunge steinhäuser tangtümpel / oftmal blaumarkend von norden her“ (36), während corri vrechan, die Himmelsrichtung wechselnd, „westwestblaues haus“ vorstellt (37). Den Effekt von Verselbständigung erreichen die Wortzusammenziehungen in ein kollektives „rahmengebläu eibengebläu weitabs“ (30). Konventioneller auflösbar sind die menschlichen Bezüge in postwendend keine kugel ins herz („vollkommen blaue sehnsucht auf planeten“; 44) und in jedem seins („etwas aber weiß ich: aug ist auf licht / ist auf gras ist auf blau ist auf seezinn“; 42). Wer hier an eine Hommage an Goethes Auge-Sonnenlicht-Idee denkt, wird durch die letzte, abgesetzte Gedichtzeile enttäuscht: „o nehmet die lichthäuser schicket licht aus“ (42). In dieser bibelartiger Aufforderung geht es um künstliches Licht, um ein unterhaltsames Ins-Licht-Setzen innerhalb des abgeschlossenen Kinoraums, für das der Kino- und Filmliebhaber Artmann manchmal das veraltete Wort „Lichtspielhaus“ verwendete.(9) Auf die Kino-Situation mag auch eine Passage aus der Sammlung das prahlen des urwaldes im dschungel anspielen: „auge ohne hornheimat / eingedunkelt / hält licht besser“ (1994, IX: 25). Abgesehen von zahlreichen distanzierenden Goethe-Verweisen innerhalb dieser Sammlung erscheint schon ihr Titel als poetisches Prahlen gegenüber Goethe mit der empfohlenen Beschränkung auf die Beschäftigung mit der Fauna und Flora der unmittelbaren, einheimischen Umwelt. Zwar mögen einige seiner Charakterisierungen von Blau auf manche Stellen Artmanns anwendbar sein,(10) doch ist eine substantielle Anlehnung an Goethe, den Artmann nicht besonders hoch schätzte, auszuschließen; vermutlich hätte (oder hat) Artmann mit seinem feinen Gespür für ideologische Übertone die katholisch-christlichen Schemata in Goethes Farbenlehre herausgespürt (siehe Schöne 1987).

Im Zuge seiner Beschäftigung mit dem Barock verfasste Artmann barockisierende Prosa und Lyrik seit Anfang der 1950er, Blau aber fehlt als Farbwort in den diesbezüglichen Gedichtbänden treuherzige kirchhoflieder, absteigende lieder, neun epigrammata in teutschen alexandrinern und vergänglichkeit & auferstehung der schäfferei. Nicht einmal als Kontrastfarbe zum dominanten Rot, v. a. in der Version Blutrot, wird es aktiviert. Erst in den 1959 entstandenen persischen quatrainen als einer anderen Version von Pastiche-Gedichten, deren Untertitel ein kleiner divan sich bescheiden von Goethes West-östlicher Divan absetzt, ist Blau wieder vertreten, und zwar in vier Erwähnungen dreimal als neutrale Hintergrund- und Himmelsfarbe ohne spezifisch religiöse Tönung. In es irrt der kranich züge bezeichnet es den Himmelshintergrund für den schwarzen Zug der Kraniche „schwarz auf blau“, dann die Farbe der Wahrheit gegenüber der weißen Lügen-Farbe der Taube („weiß auf blau“); zuletzt scheint der Übergang „von grün auf blau“ einem welken Grau im Traum zuzukommen (1994, VI: 87). Die Abnahme von Lebenskraft und Wahrheit korrespondiert hier mit der Zuwendung zu hintergründigem Blau als Grundton, der zuletzt nicht mehr objektabhängig ist und poetologisch gesehen die Idee von Dichten als Lügen bzw. die Aufhebung von Realismus nahelegt. Eine ähnliche Stoßrichtung verbindet das Dichten mit dem blauem Himmel im Anredegedicht du gott im dunklen hain: „wenn nichts ich als des blauen himmels / lügen lämmer weid?“ (94), so die Frage des Dichter-Ich, ob seine ausschließliche Pflege nicht-realistischer Dichtung und sein heidnisch „töricht hirtentum“ lebenslang ebenso erfolglos bleiben wie die realistische Sicht nach außen („wird ungenützt / mein aug einst stumm“). Eine diesbezügliche Erklärung des Verhältnisses zwischen Leben und solcher (Himmels)Kunst wird abgelehnt, was angesichts von Artmanns prinzipieller Ablehnung der Modelle von Kausalität und Erklärung nicht verwundert: „wie schal im mund / schmeckt ein warum!“. Weniger poetologisch ist das himmelfarbene Blau in weiß stäubt vom mühl stein schon dein korn; wenn das eingangs erwähnte Korn später „blut schwer unterm blau des himmels duftend blich“ (96), dann ahnt man, dass mit dem Korn bzw. Brot der Mensch gemeint ist, und so ist es nicht mehr weit zur Ankündigung des baldigen Todes. Im folgenden Gedicht, was ist der shâl-i-mâr? ein fluß?, führt das schon zuvor als Ziel angesprochene Shâl-i-mâr (97) zum Antwortvorschlag, es sei „ein vogel nest das bald / auf laub und blüte bald im blauen / eis kleid steht“ (104); dieses Blau kleidet ein kaltes Zuhause, das nicht per se unwirtlich sein muss.

Die in den persischen quatrainen angetroffenen Blau-Werte von distanzierter Klarheit, lebensfeindlicher Kälte und Tod finden sich in zwei anderen, 1960 entstandenen Lyriksammlungen, die zu heimatlicher Örtlichkeit und hochdeutscher Standard-Diktion zurückkehren: die lieder eines österreichischen feldhornisten nebst einem vaterunser desselben sowie auf meine klinge geschrieben. Die erste Sammlung, ein Band von Kriegsgedichten, erwähnt einmal „das blaue aug“ eines tapferen Hauptmanns (1994, VI: 51), während corporal, mein corporälchen von Himmelsleitern zwei schöne „traurigdunkle totenengel“ herabsteigen lässt, „lilienblau in weißer seide“ (56). Der zweite Band, auf meine klinge geschrieben, bringt ruhigere, autobiographisch verankerte Themen. Das Eingangsgedicht vor narwa eröffnet die Erinnerung an Artmanns Kriegszeit mit einem Baum-Hinweis: „vor narwa / hatte ich mein Bett / unter einem ahorn aufgeschlagen // der baum wurde bald darauf / geschlagen“ (61). Am Ende bleibt die Gewissheit, dass schon vor dem frühlingshaften Vogelgezwitscher ein hoher schwedischer Baum „in schnee und frost […] seine entlaubte krone / unverzagt in das blaue licht / eines klaren wintertages reckt“ (63). Kälteres Wetter regiert die zwei Stellen in der Sammlung auf meine klinge geschrieben. Im Gedicht vom morgenstern laß uns, wo „um die stirnen der scheunen / […] der blaue oktober [treibt]“, liest ein Liebespaar vor einem aufgeschlagenen „buchstabenbuch des herbstes […] die gelben verse einer verwendeten ernte“ (1994, VI: 80), und aus eisiger Kälte kommt schließlich in dieser neujahrstag, leute der Reiter zum Jahreswechsel in die warme Stube, mitbringend neben Mund, Zunge und Schnurrbart „das blaue auftauen meiner augen“ (77).

Artmanns Blau-relevante Lyrik seit den 1960ern hebt die frühere Reduzierung der Sprache auf und geht zu längeren Verszeilen über. Uniform/Kleidung, Seefahrt/Meer, und Briefmarken sind hier die zentralen Bezüge von Blau, wie in dem auf Paraguay gemünzten Gedicht frau lynch im laub – es wiederholt viermal die Frage “wer sind diese blauen offiziere” (1994, V: 7f) – oder in der Sammlung hirschgehege & leuchtturm; dort liest man vom „lange[n] blaue[n] / strand“ (16) oder vom Tag, der „ein blaues kleid / in unserm garten zurecht“ legt (18), während anderswo eine „blaue briefmarke / für den nächsten eilbrief an meine liebste“ zum Vergleich für das Lecken des Windes wird (42). Das (Erinnerungs)Gedicht plötzlich im letzten sommer bin ich in malmö (und damit in der schwedischen Stadt, wo Artmann eine Zeit lang wohnte) behauptet, Blau und Distanz assoziierend: „wenn frischer seewind an deine knöchel kommt / verblauen dir die socken wie eine hübsche ferne“ (43). Das Meer und die geschätzten Delphine gehören ebenso wie „ein blaues feld der see“ (45) zum Inventar von wenn ich aus deiner arche steige (45). Weiterhin bleibt Blau ein geschätzter Teil der Natur beim „wasserblaue[n] baum“ (17) oder einem wohltuenden „himmelsblau sommertags“ (23). In eine kleine taube nach der lebensrettung baut die schüchterne Sonne gelbe und blaue Wagenräder (26), während aus dem Pulvernebel von Kanonen „ein blauer kranich“ wurde (26); in einem anderen Text werden Kraniche im Streit beim Erreichen eines Ahornwaldes „ganz blau“ (47). In der Anwendung auf Menschliches evoziert Blau wiederum Gefühlsverhaltenheit: Polizisten – ein von Artmann wenig geschätzter Berufsstand – offenbaren in o gott ich seh in das herz der polizeimänner einem röntgenhaft-durchdringenden Blick ihre in ihrem Herz eingebauten, blauen „papierene[n] häuschen“ (35). In einige zeit sklave bei potiphar sein „überdämmert“ ein namenloser Engel die „roten und blauen seufzer“ von Potiphars Frau (50); deren zwei Seufzerarten erlauben die Konstruktion einer Affäre zwischen ihr und dem sprechenden Ich in der Rolle des biblischen Joseph. Als „polares gestirn“ spricht ein anderes männliches Ich von seinem direkten Blickkontakt: „ich sehe allen in die augen meinetwegen gibt es viele / blaue augen […]“ (55). Eine persönliche Note enthält das Geburtstagsgedicht herrgott bin ich froh ich habe geburtstag, in dem das dreifache erwähnte Blau der Umgebung zur feierlichen Atmosphäre beiträgt: „der tag blaut / neue briefmarken“, „der tag blaut über den schornsteinen auf“, und „alle dampfer fahren mit weißen briefen / in die weite welt das meer ist auch blau“ (20f).

Einen Geburtstagsbezug im Mai gibt es im Band landschaften von 1966: „der himmel er hat das blau gepachtet ist eine schöne / karte […]“ (1994, V: 86). Aus der Ferne gesehen „dehnet“ ein andermal „auf bergigen wäldern […] ein blau sich“ (95). Zweimal ist Wasser das Referenzobjekt: „ein gleicher trog aus bläue“ (76; im Zusammenhang mit dem Meer) und „wo die mühle sänftigt das wasser blau“ (94; im Zusammenhang mit dem Fluss). Soldatenuniformen bildet den Ausgangspunkt in landschaft 14 mit einem „earl […] im blauen rocke“, mit den Rappen, die „ins kobaltblau“ hertraben, sowie mit den als „ihr blauen reiter“ titulierten Soldaten (ohne erkennbaren Bezug zur expressionistischen Zeitschrift). Eine eingehendere Analyse verdiente noch das poetologische landschaften-Gedicht über Ewald Christian von Kleist; während er im Brandenburgischen „in weitem mantel dort geht […] die bläuliche tinktur des äthers färbet seine hand“ (93).

Unergiebig für Blau sind Artmanns Kindergedichte, die weniger für Kinder gedacht sind, sondern Kinderliteratur, Abzählreime und Grimms Märchen parodieren; der Titel der Sammlung allerleirausch verweist parodistisch auf die von Enzensberger edierte Sammlung Allerleihrauh (1961). Die nur zwei Blau-Stellen in den diesbezüglichen Sammlungen böse formeln (entst. 1954), ein büchlein Zaubersprüchlein (entst. 1957), und allerleirausch (entst. 1965–1967) verdanken sich sprachlicher bzw. formaler Eignung. Es war einmal ein mann nimmt „blau“ als Reimwort für „Sau“ („das eis war ihm zu blau, / drum macht er es zur sau; 1993, VII: 34), während es in frau waldfrau waldfrau in einer umgangssprachlichen Redewendung auftaucht, mit der das Kind-Ich eine aufdringliche Waldfrau mit einem Stecken bedroht: „damit hau ich dich blau“ (63).

In den 1970er Jahren taucht Blau als Farbe wieder öfter auf, vornehmlich als Attribut von Naturobjekten, etwa wenn in der Sammlung aus meiner botanisiertrommel (vö. 1975) eine neue Zeit germanisch-mythischer Freiheitsutopie nebst Bäumen auch aus Weiden und „blauen schlehen“ weht (5). Die heidnische Freude an der Natur erhält eine Stoßrichtung gegen Christentum und romantisch-idealisierte Sehnsucht in Artmanns Parodie(11) von Goethes Mignon Lied Kennst du das Land? unter dem Titel nach italiens feigenhängen, in der es um eine Reise „nach der Römer blauem land“ geht (1993, VIII: 32). Jedoch bleibt es nur bei der Vorstellung, und zuletzt wendet sich der Sprechende von dieser einflußreichen Lyrik- und Poetik-Tradition ab: „dieses war von mir das erste / lied, darin zitronen blühn, / daß ich nicht vor sehnsucht berste / sei von heut ab mein bemühn“ (35). Eine ähnliche Haltung neuerwachter heidnischer Liebe und Freiheit ist Teil einer Aufbruchsstimmung, in der das männliche Ich in der Abschiedsrede in lebt wohl, ihr glitzerbusen die kurzweilige Zirkuswelt und mit ihr das Abendland in Richtung Asien und erotische Abenteuer verlässt, mit einem prächtigen Tattoo über dem Herzen: „ein forscher blauer adler, / der sich vor nichts geniert“ (43). Im anschließenden Gedicht findet sich, nun wieder im westlichem Kulturkreis, mit mylady mit dem blauen hut (44f) ein eindrucksvolles Objekt eines solchen erotischen Ausgriffs; die wenigen Aktionen dieser Dame („angewandter silberblick“, Wimpernklimpern, heiße Blicke), vielleicht im Sinn eines kühlen Blau zurückhaltend doch formbewahrend, schüchtern sogar den selbstbewussten Freier ein.

Neben dem obengenannten tätowierten blauen Adler bleibt Blau auf männlicher Seite ein Signum souveräner Freiheit und Abenteuerlust: inmitt von ros und dornen zeigt das Ich in einer keltisch-mythisch aufgeladenen (Traum)Landschaft: „ich trinke auf die helden / im abendblauen west“ (1993, VIII: 58). Die grüne Landschaft – Irland war eine von Artmanns Lieblingsgegenden – erhält mit dem Himmelsblau eine realistische, aufklärend wirkende Komponente. Das Gegenteil bringt die momentane Blaufarbigkeit in er kommt aus london, wo „schrecklicher donner / sich blau entlädt“ (61). Spontan aufgetaucht und nicht im Nebel vorhergesehen bringt dieser Donner einen Ordnungswechsel von einem aufgabengeleiteten Reiseunternehmen hin zu irreal vergnüglicher Unterhaltung mit Trauung und Schneefest, von Jules Verne persönlich dekretiert. Akzentuierter ist das politische Thema in noch ist ein kaiser da in Form einer ironisch gebrochenen Rede über das Haus Habsburg und seine adriatische Kriegsmarine: „aus blauer uniform / steigt pulver und lavendel / das macht sie so enorm / in händel und getändel“ (76). Gegen Ende der Sammlung überwiegt wieder die Einbindung von Blau in reale Naturzusammenhänge: die „blaue iris“ winkt vom Stengel dem verliebten Knaben Pelleas (85), „der blaue berggorilla / sumatras orang ut“ ist eines der vielen exotischen Opfer des professionell jagenden Ich (89), und auf einer Reise durch Ägypten und den Sudan steht den zuvor beschriebenen Aktionen ein ruhender Abschlussvers mit einem Verweis zum Blauen Nil entgegen: „gar bläulich träumt der nil“ (91). Der Band endet mit einem partiell poetologischen Gedicht: „es fällt aus alten briefen / so manches gilbe wort, / das trägt die graue amsel / in blaue morgen fort“ (97); hier spiegelt sich die den ganzen Band durchziehende Ambivalenz von wörtlicher und übertragener Bedeutung auch im Farbwort Blau.

Die 1981 geschriebenen neun hakai, die jeden Wochentag mit einer spezifischen Schreibsituation verbinden, finden für Dienstag „ein bißchen / blauverwaschene stimmung / über dem schreibtisch“ (1994, IX: 5), denkbar als abgeklärte Stimmung ohne emotionelle Turbulenzen. Das Haiku gottvater unser beendet den Band nachtwindsucher: österreichische haiku (entst. 1983/84) mit einer Alternative zur christlichen Vorstellungswelt: „gottvater unser / einer wegblume windblau / hummeln und sonne“ (44). In diesem Rückzug auf Konkreta einer heidnischen Welt fungieren Windblau, Hummeln und Sonne als Einsetzungsinstanzen des Gottvaters. Neben der spielerischen Zitierung des Motivs der blauer Augen in deutschländisches volkslied („ein mädel vom rhein / das müßte in holland / der holzhammer sein / die augen voll bläue“; 54) überziehen Blau-Natur-Assoziationen auch den 1986 verfassten album-Band in wie eine insel („blau drum meer / welle um welle“; 53) und in wiesen winkel schatten („ahnvoll sonngilb blau blende / […] die blume gottes sommer“; 62), hier wiederum mit der Einbettung Gottes in eine naturmagische Szenerie. Eines der spätesten Gedichte, manege, aus dem Band st. achatz am walde: ein holzrausch (entst. 1991), präsentiert eine schriftstellerisch veranlagte Zirkusrobbe, aber anstatt Briefe zu schicken oder Zeilen zu schreiben „wickelt [sie] bloß blaugarn“ und damit vermutlich eine Sorte poetischen Seemannsgarn (73) gemäß dem Titel „st. achatz am walde“. Wenn dieses auch andernorts von Artmann als „Waldgeviert im Waldviertel“ präzisiert wird (Reichert 1975: 381), so ist der von ihm gerne als sein Geburtsort angeführte Ort rein fiktiv, enthält aber zumindest einen realen Bezug zu Kindheitszeiten im niederösterreichischen Waldviertel. Zum anderen steht dies legendäre St. Achatz, das er zuletzt noch in seiner Büchner-Preisrede Sprachlosigkeit erwähnt (1998a; siehe Schuster 2008), als Signum für seine nicht realistisch angelegte Autonomie-Ästhetik und für seine Vorliebe für konkrete Naturbilder. Zugleich hält der „Sankt“-Titel ironischerweise die Erinnerung an katholische Heiligensprechung aufrecht, ohne deren Glaubenssätze seine poetische Welt bestimmen zu lassen.

Zusammenfassend lassen sich Artmanns Verwendungen des Farbwortes Blau als relativ konventionell bestimmen, was auch für seine Texte in anderen Gattungen gilt. Zwar steht es quantitativ sowohl in der Lyrik als auch im Gesamtwerk hinter Rot und Grün zurück, doch überrundet es diese beiden gerade in seiner ästhetischen Wertigkeit. In poetologischen Sinnzusammenhängen aktiviert Artmann gerade die konventionellen Werte von Blau (Ferne, Distanz, Abgeklärtheit), um seine objektivistische Autonomie-Ästhetik anzuzeigen. Seine textzentrierte Literaturtheorie richtet sich zum einen gegen Autor-Text-Modelle, denen zufolge Texte auf einen Autor bezogen werden (sollen), wobei der Autor als Vermittlungsrolle zum Schriftsteller als empirischer Person zu denken ist. Folgerichtig weist Artmann Erlebnislyrik und überhaupt direkt-autobiographisches Schreiben zurück (seine eigenen autobiographischen Texte sind demzufolge nicht ganz ästhetisch korrekt): „ich habe mal ganz böse gesagt, gedichteschreiben ist keine selbsttherapie, ist nichts für selbstmitleid…da muss man ein anderes kaliber sein“ (1995: 18).(12) Gemäß der geforderten Abkehr vom Autor-Text-Modell soll der ideale Dichter auch, so die Acht-Punkte-Proklamation, frei sein „von aller Ambition nach Anerkennung, Lob oder Kritik“ (1975: 363). Damit verbindet sich die Absage an rezeptionsästhetische Text-Leser-Modelle, da Artmanns idealer Poet kein Auge auf mögliche Rezeptionswirkungen wirft und Texte ohne Belehrung, moralische Verbesserung und Handlungsanweisung ausstellt. Die kombinierte Abkehr von Autor-Text- und Text-Leser-Beziehungen entspricht dem Verzicht, Texte als dynamische Kommunikationsobjekte zu verstehen; übrig bleibt ein kalter, distanzierter Blick auf den Text und seinen ästhetischen Rahmen bzw. Status von Autonomie.

Die wichtigsten Bilder bzw. Formulierungen für diese Ästhetik liefern die Worte bzw. Bedeutungen von Ferne, Kälte, Eis und Himmel – und gerade diese Elemente werden zu den Verbindungsgliedern, die das Blau als Farbwort und Farbe ästhetisch-qualitativ über Rot und Grün herausragen lassen. Es muss einer anderen Studie vorbehalten sein, alle lyrischen Blau-Verbindungen auf ihre ästhetischen Werte hin zu analysieren, besonders mit Bezug auf Artmanns kalten, wenn nicht gar strukturalistischen Blick, demzufolge sowohl Entstehungszusammenhänge als auch Rezeptionszusammenhange als ästhetisch irrelevant ausgeblendet werden sollen. Interessant hinsichtlich von Blau ist schließlich sein zentrales Motiv der Aufhebung weltlicher Zeit und des Denkens in Simultaneität bzw. Synchronie.

Die Acht-Punkte-Proklamation formuliert Artmann in einem Stil, der, etwas gespreizt, in seinem Werk meist nur ironisch gebraucht wird. Wir lesen von „lauterkeit“, von einem „Act des Herzens und der heidnischen Bescheidenheit [...] frei von jeder Eitelkeit und voll heiterer Demut“, dem der „Bazillus der Prostitution“ fehlt (1975: 363f). Im Hintergrund steht hier eine säkularisierte Jungfrau Maria; aus ihrer (kirchendogmatisch verankerten) Unbeflecktheit von Erbsünde wird Artmanns Konzept der Autonomie als Ausblenden realhistorischer Kontexte, als kontextuelle „Reinheit“ (gegenüber der etwa von Dekonstruktivisten betonten Kontaminierung von Texten). Von hier aus versteht sich Artmanns typische Verbindung von Blau, meist über Mittelglieder wie „Himmel“, mit Marien-Symbolik; im Mariengedicht rosa mystica etwa fällt „die nacht der brunnen wie ein enzianblaues kleid weit in den bergen“ (1993, I: 18) – der in Österreich gesetzlich geschützte Enzian breitet sein Blau wie einen umfangenden Behälter, der das Umfasste vor der Alltagswelt isolierend beschützen soll.(13) Und als Matrazenfüllmittel im Dialektgedicht fola feigaln da boista [voller veilchen der polster] (129) sorgt Enzian zumindest für ein gutes Liegen.

Zum Marien-symbolischen Feld, das sich bei Artmann auch in Namen und Blumen (v. a. Rosen und Lilien) niederschlägt, gehören die meisten Verbindungen von Blau mit Himmel oder Wind.(14) Himmelblau dient z. B. der Charakterisierung der absolut sympathischen Alice-Figur im Prosatext Frankenstein in Sussex, wobei hier als marienhafte Beschützerin und Beherrscherin des Himmels eine attraktive Frau Holle auftritt: „frau holle ist nicht, wie in kindergeschichten fälschlich berichtet wird, ein steinaltes mütterchen, sondern vielmehr eine bezaubernd schöne frau mit blauen augen und vollem, weizenblondem haar, welches jeweils nach der letzten mode geschnitten und frisiert ist!“ (1997, II: 395f). So wie die Jungfrau Maria ihren Inhalt (Jesus) in/vor der Welt schützt und selbst geschützt und rein ist, so schützt Artmanns ästhetische Autonomie deren Inhalte als die Texte, die innerhalb dieses Rahmens sind (es gibt ja auch Ausnahmen von dieser Ästhetik, etwa ein frühes politisches Manifest gegen die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in Österreich).

Als modernistische Geste zeigt sich das Wechselspiel von Ordnung und Überschreitung gerade in solchen Bedeutungen des Farbwortes Blau, wo sie konventionelle Werte wie die christliche Symbolik in Richtung Kunstautonomie überschreitet. Solange Artmanns Ästhetik, die er nie veränderte, als höchste Bedeutung in seinem Werk erkennbar und anerkannt bleibt, kann alles darin und damit geschrieben werden: „wenn ich Dichter bin, dann muß ich eben alles können“ (1973: 28). Neben Stilen und Gattungen sind ihm auch prinzipiell alle gebräuchlichen Sinnzusammenhänge von Blau dichterisch verfügbar und verfremdbar in surrealen Paarungen oder dadaistischen Innovationen. Im Großen und Ganzen jedoch bleibt inmitten aller Umwertungen der konventionelle Zeichencharakter dieser Farbe erhalten. Klaus Reichert meinte, Artmanns Werk sei voll von „Kristallisationspunkten, in denen die poetischen Tendenzen des Zeitalters samt der modernen und postmodernen Verfügbarkeit über Traditionen […] sich schneiden. Gemeint ist damit nicht die Simulation von Stilen und Tönen, die herzustellen ihm freilich auch mühelos und virtuos gelingt [...]. Gemeint ist vielmehr [...] das Kunststück eines Anspielungsreichtums“ (1994: 38). Es ist zu hoffen, dass dieser Anspielungsreichtum auch für Artmanns Blau einmal systematischer ausgearbeitet werden wird.

Bibliographie:


Anmerkungen:

1 In den Worten von Urs Widmer: „Artmann hat überhaupt keinen persönlichen Stil im traditionellen Sinn des Wortes. Er hat verschiedene Sprachhaltungen, und erst die Summe dieser Rollen sind immer wieder und unverwechselbar Artmann“ (1972: 137). Artmann selber vermied bewusst die Ausformung eines einzigen Stils: „Das Schlimmste, was man einem Dichter sagen kann ist, daß er seinen Stil gefunden hat“ (1973: 23).
2 Siehe etwa die Einzelanalysen im Standardwerk von Overrath (1987); die von ihr konstatierte Verbindung von Blau mit Phänomenen der Erinnerung und Sprachfindung ist bei Artmann nicht signifikant.
3 „Ich wäre gern auch Schriftsteller geworden nebenbei, dann könnte ich mich besser ausdrücken. Ich könnte etwa meine Gedichte besser erklären, aber andererseits ist es so, daß man Gedichte nicht erklären soll. Vielleicht ist der Unterschied der, daß der Dichter neue Metaphern erfindet, Kalauer erfindet. Man muß die Leute zum Lachen bringen oder zum Erschaudern. Es darf nicht fad sein“ (1998b); siehe auch seine Erklärung: „Ich bin kein österreichischer Schriftsteller, ich bin ein deutscher Dichter!“ (zit. bei Drews 1992: 173).
4 Zum Lob konkreter Bildlichkeit und Naturdarstellung, siehe Artmanns ästhetisch aufschlussreiche Rezensionen von García Lorca (1975: 365f) und eines Gedichtbands seines Freundes Wieland Schmied, über den er lobend bemerkt: „die natur selbst ist konkret anwesend, murmelt und singt“ (1975: 369); vgl. Brandstetter (1970).
5 Donald sei der „einzige Mensch, der es heutzutage noch versteht, ordentlich die welt zu besehen [...]. Aber der hat auch einen schwerreichen onkel, der ihn […] häufig auf reisen mitnimmt oder auf solche ausschickt, irgendwohin, meistens nach inseln, um dort nach dem rechten zu sehen“ (1997, II: 104).
6 Zum Eintrag „Albern“ vermerkt das angehängte Wörterbuch der Originalausgabe von 1958: „donauabwärts Wiens gelegener Ort, bekannt als von Ertrunkenen bevorzugte Landesstelle, woselbst auch der Friedhof der Namenlosen befindlich“ (1958: 94).
7 Rühms Kommentar zur Mitte der 1950er fertigen Sammlung reime, verse, formeln passt noch besser auf die einige Jahre später entstandene erweiterte poesie: „seiner [i.e., Artmanns] vorliebe für entlegene sprachen, für den klang ,fremder’ wörter folgend, liess er in seine gedichte imaginäre vokabeln einsickern, die die begriffe verwischten, durch phonetische irritationen assoziativ öffneten: ,erweiterte poesie’“ (1985: 13).
8 Etwa im Sinne Paul Celans: „Das Gedicht kann […] eine Flaschenpost sein, aufgegeben in dem – gewiß nicht immer hoffnungsstarken – Glauben, sie könnte irgendwo und irgendwann an Land gespült werden, an Herzland vielleicht“ (1986, III: 186).
9 Das autobiographische Curriculum vitae berichtet: „meine eigentliche menschwerdung vollzog sich erst später nach den ersten kinobesuchen, nachdem ich mich ziel- und absichtslos in eines der lichtspielhäuser der hauptstadt verirrt hatte“ (1994, X: 9).
10 Z. B. dass das Blaue in seiner höchsten Reinheit „gleichsam ein reizendes Nichts“ ist (Goethe 1991, § 779: 252), „uns nach sich zieht“ (§ 781) und uns ein „Gefühl von Kälte gibt“ (§ 782).
11Siehe Hoffmeister (1993: 242f) zum spielerischen Ton dieser Parodie ohne sozialkritische Note.
12 Eine Dialekt-Version des schreibenden „kalten Herzens“ (siehe Frank 1989) bietet das Eröffnungsgedicht in med ana schwoazzn dintn unter dem Titel nua ka schmoez how e xogt! [nur kein schmalz habe ich gesagt!].
13 Im Curriculum vitae wählt der autobiographische Erzähler seine poetische Wohnstatt „auf einem bergrücken hinter dem untergang der sonne“ (1994, X: 10).
14 Himmel und Wind sind zwei ästhetische Leit-Metaphern Artmanns aus dem Naturbereich. Als das für ihn „schönste Gedicht“ zitierte er eine Phrase aus Grimms Hänsel und Grethel: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind“ (1998b).

2.11. Ordnung im Übergang. Zur Verwendung des Farbwortes Blau im dichterischen Feld der Lyrik der Moderne

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TRANS
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INST

For quotation purposes:
Marc-Oliver Schuster: „wie ein enzianblaues kleid“: Das Farbwort Blau in H. C. Artmanns Lyrik - In: TRANS. Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften. No. 17/2008. WWW: http://www.inst.at/trans/17Nr/2-11/2-11_schuster.htm

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