Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. |
Februar 2010 |
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Sektion 2.4. | Jiddisch auf der internationalen Bühne im 21. Jahrhundert, auf dem Gebiet der Erziehung, Bildung und Kunst Sektionsleiterin | Section Chair: Astrid Starck-Adler (Basel) |
Andere haben ein Heimatland, für mich ist das Jiddisch
Hans Breuer (Sänger, Wien) [BIO]
Verzeiht, dass ich mir mit dem Zettel helfe
Und verzeiht mir, meinen ärmlichen Wortschatz
Das macht nichts, mein Jiddisch ist noch jung, es wird noch ein Bisserl wachsen
Ja was sollen wir reden?
Wenn wir über Jiddisch reden,
würde mein Vater gleich sagen, Jiddisch - eine Sprache?
Aber sicherlich nicht!
Jiddisch das ist ein Jargon,
ein Dialekt, den man in Galizien und noch weiter östlich gesprochen hat,
aber sicher nicht in Österreich und Deutschland.
Hier hat es schon seit tausend Jahren kein Jiddisch mehr gegeben.
Oweh, Vater!
Eine Korifee bist Du gewesen,
Alles hat man dich fragen können,
Zu jedem Problem von Wissenschaft
und Literatur,
Weltall und Geschichte.
Nur nicht über Jiddisch.
Das ist der blinde Fleck in Deinem Aug gewesen
Und was ist der Grund dafür?
Die Hauptstadt der Assimilation
hat man Wien genannt.
Ein Jude, der in dieser Stadt in ein Geschäft geht(in einen Laden, eine Kreislerei),
und er redet auf Jiddisch
und wird verstanden,
so bildet er sich ein,
dass er Deutsch kann.
Aber
sein Sohn,
wenn der ein grosser Mann geworden ist,
ein Arzt, ein Anwalt,
wollt er den Vater nicht mehr in seine Ordination, in sein Büro
hereinlassen.
Er wollt nicht zu Spott und Schande werden,
Denn wie sein Vater redet, das ist gar ein schlechter Akzent in Wien,
der sich mit den Akzenten vom Balkan, von Russen und Slaven mischt
Allwöchentlich eine Zielscheibe des Spotts in Parlament und Presse
Zu Zeiten von grossen Machern wie Dr.Karl Lueger.
Deshalb wollte mein Vater
nur eine Generation später,
mein Vater, der gebildet war,
kein frommer Jude, nein, überhaupt nicht,
ein Schriftsteller, ein Übersetzer,
von Jiddisch überhaupt nichts wissen.
Nur -
seine Melodie!
Immer hat er Jiddisch geredet.
Ob er Deutsch oder Englisch gesprochen hat, hat er Jiddisch gesprochen.
Sei es über Moral, sei´s über Mathematik
hat er stets Jiddisch gezungen.
Ist es da ein Wunder,
dass, als ich meinen ersten jiddischen Gesang gefunden habe,
es für mich war, als hätte ich ein großes Stück meines Herzens wiedergefunden?
Das war auf einem Bauernhof in Schweden
Ungefähr vor dreißik Jahren
Ein junger Mann aus Finnland
Dem ein Freund, ein Deutscher, eine Kassette geschickt hatte,
mit Lieder von Zupfgeigenhansel
Er hat für mich die ZehnBrüder gesungen
Gesungen
Und auf seiner Ziehharmonika gespielt
Auf diese traurige, russische Art
Oh, wie geschmackvoll
Er wusste nicht, welche Sprache das war
Ich soll ihm erklären, welcher alte deutsche Dialekt das sei
Weiß ich nicht
Kann ich nicht erklären
Und hab damals schon viele alte deutsche Dialekte gekannt
Von Tirol und der Schweiz
Vom Elsass bis Luxemburg
Mein Herz hat mitgesungen, meine Seele gezittert
Von damals an hab ich zu suchen begonnen
Wie ein Durstiger nach einem Tropfen Wasser in der Wüste
Wie man eine Nadel in einem Heuhaufen sucht
So war es in Wien vor dreißig Jahren
Nicht einmal die jüdische Gemeinde wollte etwas von Jiddisch wissen
Das war nur etwas für Khassidim -- iiii! - und Linke -- Hilfe!
In der Buchhandlung vom Maxl Stern hab ich schlußendlich ein bissel was gefunden.
Drei, vier Jahre lang hab ich im Auto Kasetten gehört, immer und immer wieder
Mitgesungen und wiederholt Oyfn veyg shteyt a boym
Bis ich die Lieder singen konnte.
In jedem Lied hab ich ein paar Wörter nicht verstanden.
Zuallererst die Wörter, die aus dem Hebräischen stammen.
Meine Frau, Exfrau, die aus Osttirol stammt,
hat eine Menge Wörter besser erkannt, sie konnte mir helfen, zu verstehen
Das war auch eine Fehlerquelle
Wenn man die hebräischen Buchstaben nicht kennt und sich aus deutschen Dialekten
Die Wörter erklärt, die man nicht versteht, dann
Hals- und Beinbruch (falsch verstandenes Hazloe un Brokhe)
Also weiter über Jiddisch
Ich habe mich in meinem Leben niemals heimisch gefühlt
Denn meine Eltern haben gegen die Diktatur in Österreich gekämpft
Schon vor Hitlers Okkupation,
Doch nach dem Kriegsende sind die alten Mörder und Verbrecher
Lehrer und Doktoren geblieben, die Borodajkewiczs und Gross
Und bald auch zu Ministern geworden
Als ich ein Bub von sechs, sieben Jahren war,
Ist meine Mutter auf der Straße einem Gestapoagenten begegnet,
Der sie ein paar Jahre zuvor geschlagen, gefoltert hatte am Morzinplatz
Und sie folgt ihm und es stellt sich heraus, dass er gut lebt, ein großes, schönes
Haus hat, ein Geschäft hat er schon wieder, ein wahrlicher Konjunkturritter,
Während die Menschen um ihn herum Hunger und Not leiden
Daher habe ich mich in einem solchen Land nicht heimisch fühlen können.
Heimisch gefühlt hab ich mich nur ein Bißchen, wenn ich in die jüdischen
Gesichter geschaut hab,
Wenn Freunde gekommen sind
Die neuen Befehle aus Moskau sich zu erklären
Ihr wisst, dass in Wien die Mehrzahl der kommunistischen Intelektuellen
Juden waren
Am Straßenrand bin ich gestanden, wenn sie marschiert sind
Mit den Augen hab ich die Köpfe mit Kraushaar gesucht
Schon weg, vorbei ein paar Jahre danach
Zerfallen, in alle Winde zerstreut ward ihr Bund, ihre Idee
Bis dann sogar die Sowjetunion zerbrochen.
Heimisch gefühlt zum ersten Mal in meinem Leben hab ich mich
Mit fünfundvierzig Jahren
In Montreal
Vor acht Jahren
Als es an einem schönen Morgen
Dazu kam, dass nicht einmal,
nein, dreimal an einem Vormittag
jüdische Frauen mich auf der Gasse angesprochen haben.
Drei ältere Jüdinnen, Mütter, Grroßmütter
Ich war so herumgegangen, sie haben mit mir zu reden begonnen
Ein paar Wörter in Englisch vielleicht, danach Jiddisch
Jüdische Landsleute, die mich mit einem Blick erkennen,
sie reden zu mir, wie ich immer in Wien Menschen anspreche..
Nur: Niemand spricht m i c h an in Österreich
So hab ich eine Heimat in Jiddischland gefunden
In Städten, die ein paar hunderttausend Juden haben
Nicht ein paar tausend, die sich im großen Menschen-Ozean zerfließen
Wie es einst auch in Wien gewesen ist
Jetzt konnte ich verstehen, was das bedeutet, ein Heimatland zu haben,
Wenn man auf der Straße Menschen aus demselben Tal trifft,
Was ich bei meiner Frau, Exfrau!, gesehen habe,
Sich gegenseitig erkennen, den Strom von Sympathie, von Wärme fühlen,
Alleine aus dem Sich-Erkennen im Anderen wie in einem Spiegel.
Hab Menschen kennengelernt, die sich zum Jiddischen Teekränzchen treffen,
Sie kommen zusammen, um Jiddisch zu reden
Junge Eltern, die mit ihren Kindern Jiddisch reden,
obwohl der Vater und die Mama Englisch als Muttersprache haben.
Ich konnte mit ihnen reden, durch meinen Wortschatz aus den jiddischen Liedern.
Hab damals etwa hundertfünfzig Lieder auswendig gelernt
Voz vert der ssof zayn motl, zog-she mir(ein Liedanfang von Gebirtik, sag mir, Motl, wohin wird das noch führen mit dir..)
Alle Wörter dieser Lieder von Gebirtik und Manger, Wassermann und Lebedev.
Gesungen mit den Leuten von KlezKanada,
gut Freunde gefunden, die später über den Großen Teich gekommen sind,
um eine Zeit lang mit uns zu leben,
mit meiner Frau, Exfrau!, und meinen Söhnen, die schon auf Jiddisch mit mir singen
reden und einBissel singen auf Jiddisch
auf der Bühne und bei der Herde.
Fromme Juden habe ich kennen gelernt
Fromme Juden?
Sie tragen die jiddische Sprache weiter
Es kommen neue Generationen, Juden, die Romane schreiben,
die weggehen von ihren frommen Großfamilien,
kommen neue Poeten
Wenn ich sie auf der Straße treffe:
Sie können Jiddisch?
Sie sind ein Schäfer?
Wo wohnen Sie?
Wo beten Sie?
Sie verstehen meine Antwort.
Ich verstehe sie, - wenn sie wollen, dass ich sie verstehen soll!
Ich fühle mich ihnen nahe.
Warum?
Sie leben in der heutigen Welt,
doch sie leben in ihrer eigenen Welt.
Es ist ihnen egal, dass die Anderen gucken.
Was Andere denken, spielt für sie keine Rolle.
Nur was ihr Rabbi sagt, hat für sie Bedeutung.
Seit meinen Kinderjahren habe ich wie sie kein Verlangen,
mich der großen Herde unterzuordnen.
Der Unterschied ist nur, dass ich keinen Rabbi habe.
Na wenn schon! Ich habe Jiddisch, so hab ich eine ganze Welt!
Farshtumt nit doz jidishe loshn(Lied über das geliebte Jiddisch)
2.4. Jiddisch auf der internationalen Bühne im 21. Jahrhundert, auf dem Gebiet der Erziehung, Bildung und Kunst
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