Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | März 2010 | |
Sektion 2.6. | SektioÜbersetzung als Kulturkontakt. Übersetzungsverfahren am Beispiel von Ingeborg Bachmanns Prosanstitel |
Kulturelle und sprachliche Herausforderungen
in Ingeborg Bachmanns Roman „Malina“
Ramona Trufin (Jassy/Konstanz) [BIO]
Email: ramona.trufin@googlemail.com
„Sprechen lernen heißt, übersetzen lernen“
(Octavio Paz)
In der Zeitschrift Literatur und Kritik 52/1971 findet sich unter dem Titel Wir leben unter finsteren Himmeln folgende Notiz von Otto Basil, dem Mitbegründer und Herausgeber der für die österreichische und besonders Wiener Nachkriegsgesellschaft sehr einflussreichen Literatur- und Kulturzeitschrift Plan: „Paul Celan kam, wie Tristan Tzara, Constantin Brâncuşi und Eugéne Ionesco, aus Rumänien und ließ sich, wie sie, in Frankreich nieder. Am 23. November 1923 wurde er in Czernowitz in der Bukowina geboren. Die Stadt war damals rumänisch.“
Tzara initiierte 1916 die DADA-Bewegung in Zürich, Brâncuşi hat mit seinem Skulpturenensemble in Târgu Jiu (Tisch des Schweigens, Tor des Kusses, Unendliche Säule) den internationalen Ruhm erreicht. Ionescos Theaterstücke Die kahle Sängerin, Die Unterrichtsstunde, Die Stühle und Die Nashörner sind repräsentativ für sein „absurdes“ Theater. Von Paul Celan hört man leider nur flüchtig und immer aus dem Kontext der reichen Literatur der Bukowina, die auch durch andere Namen außer Celan - Rose Ausländer, Karl Emil Franzos, Alfred Margul Sperber - vertreten ist. Die Bukowina als Ort der Begegnung zwischen „Menschen und Büchern“ (Celan) und das historische Galizien (Joseph Roth), wo so viele Ukrainer, Deutsche, Russen, Rumänen, Polen, Juden, sogar Armenier ein gemeinsames Leben führten, sind jetzt für immer von der Landkarte verschwunden. Das Jahrhunderte lange Miteinander verschiedener Kulturen, Sprachen, Religionen endete mit Krieg, Vertreibung, Vernichtung, Heimatlosigkeit und sogar Vergessen. Man liest noch über eine langjährige, intensive Beziehung zwischen Celan und der österreichischen Schriftstellerin Ingeborg Bachmann.
Bachmanns philosophische und literarische Ideen sowie ihr ganzes Werk wirken auf den Leser von Anfang an so stark, dass sie oft zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen werden. Bachmanns Begegnung mit Celan in Wien (1948) als Referenzpunkt der literarisch-kritischen Debatten und der immer noch gesperrte Nachlass mit dem Briefwechsel zwischen Celan und Bachmann im Deutschen Literaturarchiv Marbach und in der Wiener Nationalbibliothek sind eine reale Herausforderung für die Forschung, die ihrerseits Fragen ausschließlich nach den literarischen und nicht den persönlichen brieflichen Korrespondenzen aufwirft, welche sie dann mittels elaborierten literaturwissenschaftlichen Methoden zu beantworten versucht(1).
Das Forschungsinteresse an der Beziehung zwischen Bachmann und Celan wird immer lebendiger, teilweise auch weil das so gut bewahrte „Geheimnis der Begegnung“(2) sich jeglicher totalen Aufhellung entzieht. Auf Grund mancher biographischen Information über Bachmanns Leben, ihrer poetischen und poetologischen Schriften und der Forschungsbeiträge zu ihrem poetischen Dialog mit Paul Celan, wird der vorliegende Beitrag einige Koordinaten der kulturellen und literarischen Projektion auf den osteuropäischen Raum bei Ingeborg Bachmann markieren. Im zweiten Teil werden die Korrespondenzen zwischen Bachmanns biographischem Interesse an süd-östlich liegenden Landschaften, den inneren Landschaften und literarisierten Sprachlandschaften in Malina, und deren Übertragung in die rumänische Sprach- und Kulturlandschaft untersucht.
In einem Interview erwähnte der deutsche Komponist und Freund der Autorin, Hans Werner Henze, einen Scherz, den Bachmann sehr gerne auf der Zugfahrt machte, wenn sie nach ihrem Reiseziel gefragt wurde: „... wenn jemand fragte: 'Und Sie, liebes Fräulein, was tun Sie? Wohin reisen Sie?' 'Ja, ich bin Angestellte bei Siemens und fahre nach Budapest', dabei fuhr sie eigentlich nach Wien oder München, oder in eine sonstig entgegengesetzte Richtung“(3). Die Anekdote beweist die bitter-ironische Haltung der Autorin gegenüber dem allgemeinen Desinteresse der „Asphalt-Kultur“ (Henze) an der osteuropäischen Landschaft aus einer primär geographischen Perspektive. Der Blick Bachmanns auf süd-östlich liegende Orte - innerhalb oder außerhalb Europas - lässt sich anfangs mit ihrer Biographie in Zusammenhang bringen und erklären.
Sie wurde 1926 in der österreichischen südlichsten Landeshauptstadt, in Klagenfurt, geboren. Ihre Mutter, Olga Bachmann, kam aus Niederösterreich, dem östlichsten Bundesland, das an „Böhmen“ und Ungarn grenzt; ihr Vater, Matthias Bachmann, stammte aus Obervellach bei Hermagor im Gailtal im Dreiländereck Österreich-Italien-Slowenien. Die Heimat der Autorin konstituierte sich von vornherein an der Grenze, wie sie in der Prosaschrift Biographisches versicherte: „Ich habe meine Jugend in Kärnten verbracht, im Süden, an der Grenze, in einem Tal, das zwei Namen hat - einen deutschen und einen slowenischen. [...] Ich glaube, daß die Enge dieses Tals und das Bewußtsein der Grenze mir das Fernweh eingetragen haben“(4). Im gesamten Werk Bachmanns lässt sich feststellen, dass das Land ihrer realen Geburt und Kindheit nicht mit dem Land der imaginären Geburt oder Wiedergeburt der Dichterin verwechselbar ist, trotz der auffälligen biographischen Parallelität. Der Ort in dem Gedicht Prag Jänner 64, „wo zwischen der Moldau, der Donau / und meinem Kindheitsfluss / alles einen Begriff von mir hat“ oder „das erstgeborene Land“, wo die Dichterin zum Sehen erwacht wird: „Da fiel mir Leben zu. // Da ist der Stein nicht tot. / Der Docht schnellt auf, / wenn ihn ein Blick entzündet“, sind nichts anderes als imaginäre Orte. Ihre Existenz ist von utopischen Elementen durchdrungen und zielen auf eine neue, befreiende dichterische Sprache hin: „Unter den berstenden Blöcken / meines, auch meines Flusses / kam das befreite Wasser hervor. // Zu hören bis zum Ural“ (Prag Jänner 64). Die literarische Projizierung auf ein geographisches Dreieck zwischen Prag-Wien-Kärnten (metonymisch ersetzt durch die Flüsse Moldau, Donau und Kindheitsfluss) und auf ein kulturelles „Dreispracheneck“ zwischen Böhmisch-Deutsch-Slowenisch, deren Befreiung aus den Ketten der Differenziertheit als Voraussetzung für die wahre Sprache der Dichtung angestrebt wird, durchquert den ganzen europäischen geographischen Raum nach Osten, indem sie sich bis zum Ural über die Grenzen hinausstreckt. Sigrid Weigel spricht in ihrem Bachmann-Buch über „die Akzentuierung einer nach Süden und Osten orientierten europäischen Topographie“(5) bei Bachmann, erstens in der Lyrik der zwei Gedichtbände Die gestundete Zeit und Anrufung des großen Bären und später in den Todesarten-Prosaschriften. Bachmanns Landschaften sind kodiert, chiffriert, sie lassen sich einmal als innere Landschaften, ein anderes Mal als geschichtliche oder als literarisierte Sprachlandschaften erkennen.
Ein paar Beispiele dafür: In der Vorrede zum unvollendeten Roman Der Fall Franza sagt die Autorin: „Die Schauplätze sind Wien, das Dorf Galicien und Kärnten, die Wüste, die arabische, lybische, die sudanische. Die wirklichen Schauplätze, die inwendigen, von den äußeren mühsam überdeckt, finden woanders statt“(6). Und sie führt diesen Gedanken im ersten Kapitel des Romanfragments dann fort: „Und da sich beweisen läßt, daß es Wien gibt, man es aber mit einem Wort nicht treffen kann, weil Wien hier auf dem Papier ist und die Stadt Wien immerzu woanders, nämlich 48° 14’ 54’’ nördlicher Breite und 16° 21’ 42’’ östlicher Länge, und Wien hier also nicht Wien sein kann, weil hier nur Worte sind, die anspielen und insistieren auf etwas, das es gibt, und auf anderes, das es nicht gibt“(7). Das am Meer gelegene Böhmen (Gedicht Böhmen liegt am Meer) findet als fiktiver Ort keine Entsprechung in der Realität und beansprucht trotzdem Realität. Wenn wir dem am Meer gelegenen Böhmen sein Recht zuerkennen, dann löst sich die Trennungslinie zwischen Wirklichkeit und Imagination einfach ab, indem sie flüssig wird.
Die Titelgestalt aus der Erzählung Undine geht, „keine Frau, auch kein Lebewesen, sondern, um es mit Büchner zu sagen, ‚die Kunst, ach, die Kunst’“(8), wie die Autorin sie in einem Interview definiert, trägt die Grenzen zwischen zwei Welten - Wasser und Erde - in ihr, ohne ein Zwischenwesen zu sein, sondern, laut Renate Böschenstein, „das fließende Ich“(9). Die Auflösung der Grenze findet - paradoxerweise - in ihrem Wesen statt, es ist „die nasse Grenze zwischen mir und mir“(10). Entgegengesetzte Pole werden vereinigt und versöhnt, indem sie nicht mehr als Gegensätze gespürt werden. Die realgeographischen Räume werden von Bachmann in Erfahrungsräume laut Marion Schmaus aufgespaltet: „subjektive Erinnerungs- und Wahrnehmungsspuren überschreiben den konkreten Ort, lassen ihn zu einer ‚inneren Landschaft’ oder ‚imaginären Topographie’ werden“(11). Um die Möglichkeit einer auf solche Art und Weise konstruierten imaginären Topographie klar zu machen, führte Sigrid Weigel den Begriff der „télescopage“ ein, als „Figur einer Verschachtelung“ der Orte auf der geographischen Landkarte, indem „verschiedene Schauplätze ineinandergeschoben oder übereinandergeblendet werden“, wie „die Überblendung von Wüste und Berlin, Galizien und Kindheitslandschaft, Wien und Ungargassenland“(12) in Bachmanns Todesarten-Projektteilen Ein Ort für Zufälle, Der Fall Franza und Malina.
Die Verwischung der Trennungslinien zwischen Innen- und Außenwelt, Innen- und Außenraum wird im Roman Malina (1971), dem ersten und einzigen vollendeten Roman Bachmanns, und in dessen Verfilmung durch Werner Schroeter (1991) sichtbar. Die Strasse im „Ungargassenland“ bildet sich als imaginärer Ort, „weil sie nur in mir ihren Bogen macht“, sagt von Anfang an das weibliche Ich. Gerade in dieser Topographie gehen die äußere und innere Welt, die reale und imaginäre Landschaft ineinander. Die Ungargasse war in der Vergangenheit „die alte Hungargasse, in der die aus Ungarn einreisenden Kaufleute, Pferde-, Ochsen- und Heuhändler hier ihre Herbergen hatten, ihre Einkehrwirtshäuser“(13). Ivan, in den sich das weibliche Ich verliebt, geboren in Pécs/Ungarn, hat zwei Kinder - Belá und András - und wohnt in der Ungargasse, Nummer 9. Malina, der sogenannte männliche „Doppelgänger“ der weiblichen Figur, ist von ihr ursprünglich „Eugenius“ genannt worden, er kommt von der jugoslawischen Grenze, genau so wie das Ich und beide reden manchmal auf Slowenisch oder Windisch. Sie bewohnen die gleiche Wohnung in der Ungargasse, Nummer 6. Es handelt sich auch in der Prosa um eine Projektion auf den osteuropäischen Raum für das Zusammentreffen der scheinbar gegensätzlichen Charaktere. De facto ist das Ich ein ganz zentraler Punkt, von dem andere Gestalten osteuropäischer Abstammung - Malina, Ivan - sich dissipieren, defragmentieren und durch den Bezug auf das weibliche Ich, lokalisiert in Wien, wieder vereinigen lassen. Ellen Summerfield sprach in ihrer Dissertation aus den 1970er Jahren von der „Auflösung der Figur“(14) im Roman, was das Verschwinden des Ich in der Wand am Ende des Buches auch sinnvoll erscheinen lässt. Es ist wahrscheinlich nicht nur die Auflösung der Figur in diesem Fall, sondern auch die Auflösung der Grenze zwischen Innen und Außen, Diesseits und Jenseits, Vergangenheit und Gegenwart, Ost und West, die im Mittelpunkt Europas stattfindet: in Wien.
Nach Wien, wo die Grenze ursprünglich nicht aufgehört hatte, spürbar zu sein, kam Bachmann 1945: „Es wurde wieder eine Heimat an der Grenze: zwischen Ost und West, zwischen einer großen Vergangenheit und einer dunklen Zukunft“(15). In diesen frühen Wiener Jahren lernte die junge Philosophiestudentin Bachmann im Atelier des surrealistischen Malers Edgar Jené, den aus Czernowitz stammenden Dichter Paul Celan kennen, der auf seiner Durchreise von Rumänien (Bukarest) über Ungarn nach Frankreich (Paris), in Wien Station machte. Von Hans Werner Richter zur 10. Tagung der literarischen Gruppe 47 in Niendorf an der Ostsee eingeladen (1952), trat sie gemeinsam mit Paul Celan auf. Für die Autorin wurde Celan von Anfang an zu einem sehr geschätzten und speziellen Freund für mehr als fünfzehn Jahre. Seine Einreise von Rumänien über die ungarischen Steppen nach Paris, bedeutete für sie, so Jürgen Lütz in seinem Aufsatz Über den Celan-Bachmann Diskurs, eine Orts-Chiffre seiner Herkunft, die sie später vor allem in der Legende der Prinzessin von Kagran aus dem Roman Malina in der Figur des Fremden („Die Prinzessin und der Fremde begannen zu reden, wie von alters her, und wenn einer redete, lächelte der andere. Sie sagten sich Helles und Dunkles. [...] Der Fremde lächelte: Mein Volk ist älter als alle Völker der Welt und es ist in alle Winde zerstreut“) und der ursprünglich grenzenlosen osteuropäischen Landschaft verarbeitet: „Die Prinzessin war sehr jung und sehr schön und sie hatte einen Rappen, auf dem sie allen anderen vorausflog. Ihre Gefolgsleute beredeten und baten sie, zurückzubleiben, denn das Land, in dem sie waren, an der Donau, war immer in Gefahr, und Grenzen gab es noch keine, wo später Raetien, Markomannien, Noricum, Moesien, Dacien, Illyrien und Pannonien waren. Es gab auch noch kein Cis- und Transleithanien, denn es war immer Völkerwanderung. Eines Tages ritten die ungarischen Husaren aus der Pußta herauf, aus dem weiten ins unerforschte reichenden Hungarien“(16).
Eine wichtige Rolle bei dem Prozess des Sich-Verbunden-Fühlens der zwei Autoren spielte auch die gemeinsame „österreichisch-ungarische Sprachherkunft und Geistestradition“(17). Die Sprache, in der sie schrieben, war dieselbe, aber nicht die gleiche. Für Celan war die deutsche Sprache seit der Ermordung der Eltern (1942, im KZ Michailowka, östlich des Bugs) nicht mehr die geliebte Muttersprache, sondern die „Sprache der Mörder“(18). Für Bachmann ist sie Ausgangspunkt für das „Treiben“ durch die Gesamtheit der Sprachen: „Ich mit der deutschen Sprache / dieser Wolke um mich / die ich halte als Haus / treibe durch alle Sprachen“ (Exil), damit sie sich für das weibliche Ich am Ende als „Strafe“ definieren lässt: „Ich werde Ihnen ein furchtbares Geheimnis verraten: die Sprache ist die Strafe. In sie müssen alle Dinge eingehen und in ihr müssen sie wieder vergehen nach ihrer Schuld und dem Ausmaß ihrer Schuld“(19). Mittels der Verwendung von Fremdwörtern und Sätzen aus osteuropäischen Sprachen (Ausrufe und Flüche auf Ungarisch, einfache Sätze auf Slowenisch, Windisch, Polnisch), von dazugehörenden Assoziationen mit den „fremden“ Landschaften Osteuropas (Ungarn - Pécs, Budapest, Gödöllö, Jugoslawien - Belgrad, Polen - Galizien, Serbien, Bukowina - Czernowitz, Rumänien - eine Überschwemmungskatastrophe kommentiert von Malina und der Ort „vor dem Schwarzen Meer“ wo die Donau durch eine Delta einmündet, Bulgarien - Sofia, Russland - die Eremitage), Menschentypen- und Typologien (Ivan, Fanny Wischnewski, Marek, Lajos, Dr. Krawanja, die Wantschuras, Herr Bardos, Herr Sedlacek, Frau Senta Novak, Elfi Nemec) gelingt es Bachmann - erstens rein formal und dann auch inhaltlich – die anfangs erwähnte Grenze des Dreiländerecks zwischen Österreich, Jugoslawien und Italien, die Grenze „zwischen Ost und West“ und damit auch „die Grenze der Sprache“ zu überschreiten, um an einen Begegnungsort zu gelangen, der sich trotz aller Bemühungen nicht lokalisieren und fixieren lässt. In welcher Art der Ort in Bachmanns Werk mit der reinen historischen Realität des als Kind erlebten Zweiten Weltkriegs und des Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland korrespondiert, war eine von den meist thematisierten Problemkonstanten der Bachmann-Forschung(20). Wichtig scheint bei der österreichischen Dichterin die Suche nach dem Ort zu sein, der ausschließlich weder in einer belegbaren Realität noch in einer Irrealität oder Fiktion zu verorten ist, der nicht aus räumlichen und zeitlichen Dichotomien entsteht („Die Zeit fällt mit dem Ort zusammen“ in Malina), sondern diese Dichotomien durchquert und einen anderen Ort sucht, wo die Liebe zur Poesie und die Poesie der Liebe sich gegenseitig durchdringen und ineinander auflösen. Diesen Ort findet man kaum auf den ersten Blick, wie es sich aus der Sicht Undines ergibt: „Die Welt ist schon finster, und ich kann die Muschelkette nicht anlegen. Keine Lichtung wird sein“(21).
Wenn wir zur Suche Celans nach dem Ort seiner eigenen Herkunft und der absoluten Dichtung zurückkehren, mündet dieser Ort auch in Finsternis, wie es in seiner Meridian-Rede heißt: „Keiner dieser Orte ist zu finden“. Nur dass Celan selbst, so wie Bachmann, nicht aufhört, zu suchen und sogar „etwas - wie die Sprache - Immaterielles, aber Irdisches, Terrestrisches, etwas Kreisförmiges, über die beiden Pole in sich Zurückkehrendes und dabei - heiterer weise - sogar die Tropen Durchkreuzendes -: [...] einen Meridian“(22) zu finden. Die Sprache ist hier nicht nur als Vermittelndes, sondern zugleich als Vermitteltes zu verstehen, eine Sprache, die über die Sprache spricht, eine Metapoesie. Jedes einzelne Wort weist auf sich selbst hin, die Sprache verweist auf sich selbst, sie ist rückbezüglich, reflexiv. Die Dichtung thematisiert sich selbst und führt zwischen „wirklichkeitswund“ und „wirklichkeitssuchend“ zu einem neuen, absoluten, höheren, symbolisch-abstrakteren Realitätsbezug. Von daher kann man bei Celan nicht von einem direkt zeigbaren Ort in „Kartographien“ seiner Dichtung oder vom Gedicht als konkretem Ort des Geschehens, der Einlösung und Auflösung der Gegensätze sprechen, sondern vom Gedicht als „Ort, wo alle Tropen und Metaphern ad absurdum geführt werden wollen“ und von „Toposforschung [...] im Lichte der Utopie“(23). Für Bachmann bedeutet die dichterische Sprache eine Grenzüberschreitung zu einem weitentfernten Ort, wo das harmonische Zusammenbringen verschiedener Orte ermöglicht wird, zu einem Ort genau so wenig direkt definierbar wie bei Celan. Es ist der Ort der Dichtung, der sich bei Celan als „eine Art Heimkehr“ ohne konkreten Ort ergibt und bei Bachmann das „Ungetrennte“ und doch „Nichtvereinte“ ist. Mit Bachmanns eigenen Worten: „Denken, gewiß, auch historisch denken und vor allem utopisch denken, daß die Risse eines Tages wirklich aufspringen, dort wo sie aufspringen müssen und die Grenzverläufe sich zeigen müssen.“(24) Bachmann gelingt es dadurch, den „Ort der Begegnung“ zwischen ihrer Dichtung und Celans Meridian, wenn nicht zu finden, dann zu erfinden.
Das Verständnis der dichterischen Sprache Bachmanns und der ständigen Suche nach diesem Ort, der in keiner belegbaren Realität verankert ist und trotzdem Realitätsansprüche erhebt, ist eine Grundvoraussetzung für die Übertragung von Bachmanns Schriften. Das steht in direktem Zusammenhang mit einem fundierten Wissen über die Biographie der Autorin, die Entstehung und Rezeption des Textes, die Deutungsansätze, Literaturhinweise und Worterläuterungen. Auf Grund dieser Vor-Arbeit sollte eine der größten Herausforderungen der Übersetzungsarbeit in der Relativierung der Fremdheit oder Unbegreiflichkeit bestehen, damit der literarische Text für die Angehörigen anderer Sprach- und Kulturlandschaften nicht verfremdend wirkt. In Malina baut Bachmann ein ganzes Netz von kodierten Landschaften, die sich sprachlich und kulturell aufeinander beziehen und ineinander aufgehen. Ihre Fremdartigkeit wird aber weniger als störend und mehr als beispielhaft empfunden. Laut Octavio Paz wolle auch die Übersetzung „nicht mehr zeigen, daß letztlich alle Menschen identisch sind, sondern wurde zum Vehikel ihrer Besonderheiten. Hatte bisher ihre Funktion darin bestanden, über alle Unterschiede hinweg die Ähnlichkeiten darzutun, so belegte sie von nun an die Unüberwindlichkeit dieser Unterschiede“(25). So werden die Vielfalt der Kulturen und die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen durch das Bewusstmachen der Unterschiede ergänzt.
Dem rumänischen Leser, der noch nie Wien besucht hat und die Gelegenheit hatte, einen Einblick in die österreichische Geschichte zu bekommen, wird es wohl unmöglich sein, manche Landschaften aus Malina zu verstehen. Die starken Visualisierungseffekte, die Bachmann auslotet, wenn es um Wiener Straßen, Gassen, Gebäude, traditionelle Gerichte und Heimatliteratur geht, können nur schwer zusammen mit dem dazugehörenden Text übersetzt werden: „Ein Besichtiger würde am Schwarzenbergplatz oder spätestens am Rennweg, beim Belvedere, umkehren, mit dem wir gemeinsam nur die Ehre haben, den Titel ‚III. Bezirk’ zu führen, und nähern könnte der Fremde sich vielleicht von der anderen Seite, vom Eislaufverein her, wenn er in dem neuen Steinkasten logiert, dem Vienna Intercontinental Hotel, und zu weit in den Stadtpark spaziert“(26). Das Originalwort „Bezirk“ (Rum. „circumscripţie“) und der wegen lokaler Bedeutung nicht übersetzte „Stadtpark“ wurden in der rumänischen Übersetzung in einer Fußnote erklärt.
Während Namen von Wiener Gassen, Vororten, Zeitungen, Kaffeehäusern beibehalten bleiben (z. B. Ungargasse, Münzgasse, Neulinggasse, Beatrixgasse, Franz-Josefs-Kai, Schottenring, Ringstraße, Landstraßer Hauptstraße, Tuchlauben, Linke-Bahn-Gasse, Rennweg, Hohe Warte, Mondsee, Wolfgangsee, Wiener Tagblatt, Wiener Nachtausgabe, Café Landtmann, Café Heumarkt, Café Museum), werden rumänische Äquivalenten für traditionelle österreichische Gerichte gefunden (u. a. Tafelspitz, Apfelkren, Husarenbraten, Palatschinken, Marillenknödel, Griesflammeri, Sabayon, Zwetschkenröster, Kaisererdäpfel, Frittatensuppe). Die Begriffe, die eine spezielle Bedeutung für fremde Kulturen haben, werden als solche übernommen, z. B. „Yage“ (die kultische Droge südamerikanischer Indianer), „Paulownia“ (ostasiatischer Zierbaum), „Pörkölt“ (Gulasch mit Tomatenmark). Genau so wird der optische Effekt der Schreibweise „MelaNIE“ (mit „nie“ groß geschrieben) durch einen Übersetzungsversuch nicht zerstört, sondern durch die Übersetzung des Wortes „nie“ in der Fußnote erklärt. Ähnlich sieht das Übersetzungsverfahren aus, wenn es sich um die Erläuterung der Wortspiele (z. B. „Todesarten“ / “Todesraten“, „Ganz“ / “Gans“, „Sommermode“ / “Sommermorde“) und der deutschen Partiturtexte („All meinen Unmut gebe ich preis, und träum hinaus in selige Welten … / O, alter Duft aus Märchenzeit!“) handelt. Die in der rumänischen Fassung kursiv gedruckten Fremdwörter oder Sätze auf Ungarisch, Slowenisch, Französisch, Italienisch, Englisch, Latein oder Griechisch (z.B. „gyerekek“, „éljen“; „Jaz in ti. In ti in jaz“; „toucher et jouer“, „Auprés de ma blonde“; “sono Dio”, “Vivere ardendo e non sentire il male”; “Happy birthday to you”, „You are just crazy, it was not necessary“; „Exultate Jubilate“; „fortiter“; “Ontos On”, “Aletheia”) werden in den jeweiligen Fußnoten übersetzt. Unübersetzbar bleiben ungarische Schimpfwörter („Isten fáyat“), Klangnachahmungen („krakkrak damdidam krak krak rrrrak“) oder englische Adelstitel wie „Esq.“ (für „Esquire“).
Diese „verfremdenden“ Elemente der lokalen und regionalen Topographie in Malina werden durch die Darstellung vergangener, utopischer oder möglicher Schauplätze vertieft. So fallen die äußeren mit den inneren und den imaginierten Landschaften zusammen und die Grenze zwischen Innen und Außen, Subjektivität der äußeren Gegebenheiten und Objektivität der inneren Erfahrung, Realität und Fiktion wird aufgelöst. Da die Wirklichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt fragwürdig geworden sei(27), „harrt“ sie, laut Bachmann, „ständig einer neuen Definition“. Einer zerstörten, bruchstückhaften Nachkriegsrealität entspricht eine fragmentarische Sprache, die wie eine Radiographie aus verschiedenen Blickwinkeln die Wirklichkeitsbrüche bis ins tiefste Innere beschreiben kann. Durch die Fragmentierung des sprachlichen Materials in Malina, die in „hier“ und „heute“ jegliche Ausbrüche aus der Enge der gemessenen Zeit, d. h. der Zeit als Dauer und des eingegrenzten Raums widerspiegeln kann, wird das „Fremde“ produziert - eine der größten kulturellen und sprachlichen Herausforderungen für die Übersetzung des Romans. Nach Sabine Grimkowski „löst“ Ingeborg Bachmann „die einzelnen Sprachstücke aus ihrem Zusammenhang oder sie baut Namen und Titel in den Text ein und konstruiert damit ein neues, eigenes Textgewebe“(28). In diesem Kontext ist die Aufgabe des Bachmann-Übersetzers ein entsprechendes, neues Textgewebe in einer neuen Sprache zu konstruieren.
In Malina erzählt das weibliche Ich in unterbrochener Form, nicht im Kontinuum, bricht die Form ab und nimmt alle Klischees des Alltags auf. Die zerhackten Telefonsätze von Ivan und Ich, der fragmentarische Satzbau in den Dialogen mit Ivan, die inneren, „erratischen“ Monologe, die Briefentwürfe, Textfragmente, Telegramme, die fremdsprachigen Äußerungen, das Mühlbauer-Interview, die Zeitungswerbung (Reisen, Computer, Bücher, Schuhe, Weine, Kaffee, Banken, Medikamente), die Haushaltsliste (z. B. „Elektriker/Stromrechnung/Saphirnadel/ Zahnpasta/Briefe an Z. K. und Anwalt/Reinigung“) vermitteln den allgemeinen Eindruck der Sprachklischierung. In der Übersetzung dieser Elemente, die den Schreibstil der österreichischen Autorin in diesem Roman definieren, fließt eine gewisse Art von „Verfremdung“ ein: „Ich, heute abend? / Nein, wenn du nicht kannst / Aber du bist doch / Das schon, aber dahin will ich nicht / Ich halte das aber für, entschuldige / Ich sage dir doch, es ist ganz ohne / Du gehst besser hin, denn ich habe vergessen / Du hast also. Du bist also. / Dann bis morgen, schlaf gut!“ Diese Art von „Verfremdung“ anhand von Dialogfetzen bleibt in der Übersetzung bestehen. Um die Verfremdungseffekte zu minimieren, findet man passende Äquivalente für Wörter, die nicht den Originalsinn behalten, sondern ähnliche Effekte in der Zielsprache transponieren: „Das Telefon hat eben seine Tücken / Wie? Es redet dauernd jemand hinein. Mücken, wieso / Ich habe gesagt: Tücken, nichts Wichtiges, mit hartem T / Ich verstehe das mit den Mücken nicht“. In diesem Abschnitt werden „Tücken“ und „Mücken“ in der Übersetzung durch andere Begriffe ersetzt, die jeweils eine eigenständige Bedeutung haben, zur angegebenen Situation passen und die gleiche Irritation am Telefon ausdrücken.
Letztlich sind die Anspielungen und die Symbole, mit denen die österreichische Autorin arbeitet, eine richtige kulturelle Herausforderung für fremde Leser. Die Erzählungen im Traumkapitel führen auf die gleiche Erinnerungsthematik zurück - die schmerzhaften Erinnerungen an den Nationalsozialismus mit seiner Täter-Opfer-Konstellation. Gleichzeitig enthalten sie die Chiffrierung der Liebe des weiblichen Ich zu Ivan (zum Fremden), wofür auch das symbolische Ungargassenland steht. Diese „geistige, imaginäre Autobiographie“, wie die Autorin ihren einzigen Roman Malina definiert hat, ist eine Mischung von Handeln, Denken, Fühlen und Sprechen, die den Stil und die Struktur des Erzählens tief geprägt hat. Die Aufarbeitung der traumatischen Erfahrungen der Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts (Verbrechen des Nationalsozialismus und Holocaust) und der patriarchalischen Gesellschaft (Familie und Geschlechterverhältnis) in den Traumerzählungen konstituiert sich als Zentralpunkt im Roman, von dem alle Bedeutungen, Symbole, Spiegelungen und Verweise ausgehen. Zum Verständnis dieser Elemente und der leitenden Problemstellung kann die Übersetzung nur einigermaßen beitragen. Motive, die den Roman Malina mit der Dichtung von Paul Celan verbinden (u.a. „Türkenbund“ - Gespräch im Gebirg; „röter als rot“ - Dunstbänder-, Spruchbänder-Aufstand; „das ganze Leben“ - Mohn und Gedächtnis, „Sie sagten sich Helles und Dunkles“ – Corona, „Wir werden tot sein und atmen“ – Erinnerung an Frankreich) können nicht immer in Fußnoten erklärt werden. Andererseits spielen die Vorkenntnisse über die Deutung der Traumerzählungen eine wichtige Rolle für das Textverständnis. Traumbilder wie die Gaskammer, der Friedhof der ermordeten Töchter, die Buchzerstörung, die Deportation, der Stacheldrahtzaun, die an die nationalsozialistischen Verbrechen erinnern, sind starke kultur-geschichtliche Bilder, die in einer anderen Sprach- und Kulturlandschaft und zu einer von diesen Verbrechen entfernten Zeit einen Grad von Verfremdung mittransportieren. Nur einzelne Begriffe, die auf die deutsche Geschichte und Lebensphilosophie verweisen, werden anhand von Fußnoten erklärt, z. B. „der große Siegfried“, „Buchheil“ oder „der Satz vom Grunde“. Ohne diese Vorkenntnisse und Erklärungen bleiben die Traumerzählungen dem Leser aus anderen Kulturräumen so gut wie unbegreiflich.
Abstrakt und vorwissensanspruchsvoll sind auch die Traumszenen, die das Bild der patriarchalischen Gesellschaft darstellen. Die Verkörperung der Gewalt in der Figur des Vaters, sei diese Gewalt geschichtlicher, sozialer oder privater Natur, ist eines der Hauptmotive des Traumkapitels. Eine ganze Reihe von Symbolen und Metaphern kommen in diesen Träumen vor. Es wird geträumt über den Weltuntergang, zertretene Blumen, Opernsingen, Balltanzen, Wüste, Vergiftung, Gefängnis, Verstummungs- und Fluchtversuche, Tortur, Inzeste, wiederholte Verfolgung und Ermordung. Die Vaterfigur kommt als Generator der Gewalt- und Machtverhältnisse in Malina vor, verkörpert die Unterdrückung der weiblichen Identität durch die Gesellschaft, das Düstere der NS-Herrschaft, die verdrängte Geschichte, die „verschwiegenen Erinnerungen“(29), über die noch keine Sprache angemessen sprechen kann.
Auf das Interesse Bachmanns an der süd-östlichen Landschaft zurückblickend, stellt sich das Traumkapitel als Kritik der westlichen Nachkriegsgesellschaft dar, die durch „Verbrechen“ auf dem „allergrößte[n] Mordschauplatz“ Gesellschaft und im Verhältnis der Geschlechter gekennzeichnet wird. In diesem Kapitel und in der Legende mit utopischen Projektionen Die Geheimnisse der Prinzessin von Kagran bringt die Autorin eine Hommage an ihren langjährigen Freund Paul Celan, der nach dem Krieg aus dem Osten nach Westen kam. Die vielfältigen intertextuellen Beziehungen zu Paul Celan und seiner Dichtung in der „Mördersprache“ sind von großer Bedeutung für die literaturhistorische Auseinandersetzung der Autorin mit dem Nationalsozialismus und dem Topos der Grenzen. Auf dem Weg der Erkenntnis von Westen nach Osten und wieder zurück oder von sich zu sich selbst, überschreiten Bachmanns Prosagestalten die Grenzen auf der Horizontale, indem sie diese Grenzen sichtbar machen. Gleichzeitig wird in diese horizontale biographisch-topographische Struktur eine vertikale Bewegung der Erinnerung miteingebunden. Mit einem dichten Netz von Erinnerungen, Träumen und Visionen, das durch einen fragmentarischen, lückenhaften Erzählstil gebaut wird, gelingt es Bachmann den epischen Zusammenhang im Roman aufzulösen und den Übersetzungsprozess zu erschweren. Vorkenntnisse der Leser im Bereich der Philosophie, Psychologie, Psychoanalyse, Psychiatrie, Musik, Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts (Nationalsozialismus, Nachkriegsgesellschaft, Neue Frauenbewegung) sind eine Bedingung sine qua non für das Verständnis des Romans. Es bleibt jedoch, z. B. im Dialog mit Paul Celan, „Codeworte bzw. -zeilen und Leitmotive gemeinsamer Bezugspunkte in der Literatur- und Philosophiegeschichte“(30), die als „Chiffren“ interpretiert werden, „deren Bedeutung in einer […] Rückübersetzung von Literatur in Leben nicht aufgeht“(31). Die Bezüge auf Celans Werk sind nicht immer wörtliche Zitate oder ganze Themen, sondern sprachliche Bilder oder veränderte Wort- und Satzkonstruktionen. Die Erinnerung an Paul Celan in der Figur des Fremden (Ivan, der Fremde aus der Legende), die Verwendung der Blumenmetaphorik (z. B. Paul-ownia), die Anspielung auf Celans Tod („Mein Leben ist zu Ende, denn er ist auf dem Transport im Fluss ertrunken, er war mein Leben. Ich habe ihn mehr geliebt als mein Leben“(32)) sind Chiffren, die sich als reale kulturelle Herausforderungen für das Verständnis und die Rezeption der Malina-Übersetzung im rumänischen Kulturraum konstituieren. Die Einbettung der Celanschen Zitate in Bachmanns Roman kann man wiederum als topographisches Schreiben lesen, wenn man auch die Worte als Orte, vor allem als Erinnerungsorte begreift. Die Kritik der Nachkriegsgesellschaft, die Reflexion nationalen Geschichtsbewusstseins, die Auseinandersetzung mit dem Krieg, dem Leben, der Kunst und der Sprache, das Anstreben nach der Überschreitung der Grenzen, der intensive Blick auf den östlichen Kultur- und Sprachraum sind nur einige Ansätze der österreichischen Autorin, die zum Ziel ihres ganzen Werkes die umfassende Befreiung des Menschen hinsichtlich der Sprache, der Geschichte und der Wirklichkeit gesetzt hat. Der Ort der Dichtung Bachmanns lässt sich in diesem Kontext als harmonischer Ort der Versöhnung jeglicher Gegensätze und der Überschreitung geographischer, geschichtlicher, politischer oder sozialer Grenzen verstehen. Er wird außerdem in keiner belegbaren Realität zu verorten sein.
Zusammenfassend stellt Bachmanns Roman Malina, der eine „ästhetisch interpretierte Wiedergabe einer poetischen Wirklichkeitserfahrung“(33) bietet, eine reiche Quelle von kulturellen und sprachlichen Herausforderungen dar, die Impulse für neue Übersetzungsversuche gibt und immer wieder neue Wege für Interpretationen oder „Übersetzungen von Übersetzungen“ eröffnet.
Anmerkungen:
2.6. Übersetzung als Kulturkontakt. Übersetzungsverfahren am Beispiel von Ingeborg Bachmanns Prosa
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