Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften | 17. Nr. | September 2008 | |
Sektion 3.1. |
Culture sans frontières / Kultur ohne Grenzen / Culture without Borders Sektionsleiterin | Section Chair: Gertrude Durusoy (Izmir) |
Gülperi Sert (Universitaet Dokuz Eylul, Izmir)
Email: gulperi.sert@deu.edu.tr
Im Rahmen dieses Beitrags soll die Aufnahme des Werks “Also sprach Zarathustra” von Friedrich Wilhelm Nietzsche in seinen türkischen Übersetzungen in Augenschein genommen und anhand der bis heute vorliegenden vierzehn unterschiedlichen Zarathustra-Übersetzungen die Vorgehensweisen der Übersetzer und Verlage, sowie die Stellung der Übersetzungen des Werks innerhalb des türkischen Literatursystems, dargestellt werden.
Im engeren Sinne bedeutet jede Art von Übersetzung nichts anderes als “die Struktur, den Sinn, den Aussagegehalt und die Darstellungsweise eines vorgegebenen Kontextes aus der Ausgangssprache in eine Zielsprache zu übertragen. Im weiteren Sinne hingegen bedeutet es, das zu übertragende Kulturprodukt der Aufnahme in eine fremde Kultur anzubieten, und sogar für die Integration dieses Transformationsguts in das System der Zielkultur zu sorgen, damit die Grundlage für eine Konkurrenz mit anderen Übersetzungsschöpfungen geschaffen werden kann” (Nedret Kuran Pinar 1993:1).
Wie es auch heute noch der Fall ist, haben sich bereits in der Geschichte der Menschheit viele Zivilisationen wechselseitig beeinflusst. Betrachten wir aber die Philosophie- und Wissenschaftshistorie, so ist bei der Entstehung und Entwicklung einer kulturellen Zivilisation stets die Übersetzung als wichtigster Ausgangspunkt nachvollziehbar. In der Türkei begann die Übersetzungsbewegung im 13. Jahrhundert mit Übersetzungen aus den arabischen und persischen Kulturen, und hielt über das Ottomanische Reich hin bis zu den ersten Wahlperioden der republikanischen Regierung an. Zweifelsfrei spielten sie eine große Rolle in der Entwicklungsphase der ansässigen einheimischen Kultur. Die Übersetzungbewegung wurde besonders mit der Gründung der ersten Übersetzungskomission “Tercüme Heyeti” von 1717, zeitweise auch vom Staat unterstützt, und richtete sich je nach den zeitgemäß üblichen millitärischen, politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Orientierungen und Beziehungen der jeweiligen Epoche entweder nach Osten (Lale Devri 1718-1730) (1), nach Osten und Westen zugleich (Encümen-Dâniş )(2), oder auch nur nach Westen (Tanzimat 1839-1876)(3) aus (vgl. Taceddin Kayaoğlu 1998: 316).
Übersetzungen aus den westlichen Sprachen ins Türkische setzten vor der Epoche des Tanzimat ein, und verstärkten sich dann zur Zeit des Tanzimat und der I. Meşrutiyet(4) (1876-1878). Während dieser Ära nahmen weiterhin die Übersetzungsbewegungen auf den Gebieten der Kunst, Philosophie und Wissenschaft deutlich zu. Allerdings wurde zu dieser Zeit zumeist aus der französischen Sprache übersetzt. Der Grund dafür lag vor allem in dem starken Einfluss der französischen Sprache und ihrer Kultur auf die türkischen Gebildeten und der “1833 gegründetem ‘Bâbıâli’ Übersetzungskammer, deren Bestreben darin lag, den Moslems die europäischen Sprachen – insbesonders das Französische - zu lehren, und sie zu Übersetzern auszubilden.” (Paker, 1987: 32).
Die Werke der westlichen Philosophie, die bislang nur durch arabische und persische Übersetzungen in die türkische Sprache übertragen werden konnten, wurden ab der Tanzimat Epoche allmählich aus dem Französischen ins Türkische übersetzt. Die erste Übersetzung aus der westlichen Philosophie stammt in diesem Sinne von Münif Pascha, der im Jahre 1859 eine Auswahl der philosophischen Reden von Voltaire, Fénélon und Fontenelle unter dem Titel “Muhaverat-ı Hikemiye” veröffentlichte (vgl. Saliha Paker, 1987:36).
Die deutsche Literatur hingegen fand ihren Weg in die türkische Sprache erst viel später. Pinar Nedret stellt diesbezüglich fest, dass sich die erste Übersetzung aus dem Deutschen ins Türkische bis zum Jahre 1885 zurückverfolgen lässt, wobei dem Interesse an der deutschen Literatur in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (1835) die deutsch-türkischen millitärischen Beziehungen zwischen Mahmut II. und dem preussischen Kaiser Wilhelm II., und den sich durch diese Konstellationen zwischen den beiden Ländern entwickelnden wirtschaftlichen Beziehungen zu Grunde lagen (Nedret Pınar 1988:75). Die ersten Schriftsteller, die aus dem Deutschen ins Türkische übersetzt wurden, waren in diesem Sinne Goethe und Schiller.
In dem Zeitraum nach der II. Mesrutiyet-Ära(5) (1908-1918) hin bis zur Gründung der Türkischen Republik beschäftigten sich die stark vom Westen beeinflussten Gebildeten, die bei der Gestaltung des politischen Regimes und der Aufwärtsentwicklung ihres Landes eine wichtige Rolle spielten, bei ihren Übersetzungen vor allem mit philosophischen und Elementar-Werken, um zum gesellschaftlichen Bewusstsein ihrer Nation beizutragen (Mine Yazıcı 2004: 162).
Nach diesem kurzen Einblick in den historischen Stand der Philosophie und Übersetzung in der Türkei möchte ich mich nun Nietzsche, der bereits zu seinen Lebzeiten, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit seinen Werken eine große Ressonanz erreichte, und der Aufnahme seines Werks Also sprach Zarathustra durch seine Übersetzung in der Türkei widmen.
Nietzsches Werk Also sprach Zarathustra wurde erstmals im Jahre 1891, alle vier Kapitel in einem Band, herausgegeben. Seine Übersetzung ins Türkische hingegen fand erst 43 Jahre später statt. Diese allererste Zarathustra-Übersetzung stammt von Mahmut Sadi Irmak aus dem Jahre 1934 und umfasst nur das erste Kapitel des Gesamtwerks. Der Grund für die späte Übersetzung des besprochenen Werks erklärt sich aus den bereits oben angeführten historischen Übersetzungssituationen und Bedingungen in der Türkei, die ich im Folgenden anhand Even-Zohars Polysystemstheorie erklären und darlegen möchte.(6)
Der Übersetzungstheoretiker Even-Zohar stellt in seiner Untersuchung “The Position of Translated Literature within the Literary Polysystem” fest, dass die Auswahl der zu übersetzenden Werke nach den führenden Grundsatzprinzipien innerhalb des gültigen literarischen Polysystems von den Mehrheitsansprüchen erfolgte, und die neuen Methoden der zu übersetzenden Kontexte je nach ihrer vereinbaren Relationsgesichtspunkten den Funktionen der Zielliteratur unterliegen:
(a) when a polysystem has not yet been crystallized, that is to say, when a literature is “young”, in the process of being established; (b) when a literature is either “peripheral” or “weak”, or both; and (c) when there are turning points, crises, or literary vacuums in a literature.
In the first instance translated literature simply fulfils the needs of a young literature to put into use its newly founded (or renewed) tongue for as many literary types as possible in order to make it functionable as a literary language and useful for its emerging public. Since a young literature cannot create major texts in all genres ad types immediately, it benefits from the experience of other literatures, and translated literature becomes in such a way one of its most important systems.
The same holds true also for the second instance, that of relatively established literatures whose resources are limited and whose position within a larger literary hierarchy is generally peripheral. As a consequence of this situation, such literatures do not produce all systems “required” by the polysystemic structure, but instead fill some of them with translated literature. For instance, non-canonized literature in such cases may be wholly, or to a great extent, translated….
In the third case, the dynamics within the polysystem creates turning points, that is to say, historical moments where established models are no longer tenable for a younger generation. At such moments, even in central literatures, translated literature may assume a primary position. This is all the more true when at a turning point no item in the indigenous stock is taken to be acceptable, as a result of which a literary “vacuum” occurs. In such a vacuum, it is easy for foreign models to infiltrate, and translated literature may consequently assume a primary position (Even-Zohar 1978: 121-122).
Wenn wir nun in diesem Zusammenhang die kulturell bedingten Konstellationen der Türkei zu Zeit der besprochenen Zarathustra-Übersetzung betrachten, können wir eindeutig feststellen, dass alle drei Situationen auf unseren Untersuchungsgegenstand zutreffen. Werfen wir nun einen Blick auf diese angesprochenen Konstellationen: Wie bereits Mine Yazıcı in ihrer Untersuchung, in der sie die Übersetzungsbewegungen in der Türkei in Augenschein nimmt, feststellt, stellen die Gründungsjahre der Türkischen Republik eine noch nicht fundierte und recht unsichere Ära dar, in der sich kulturell gesehen sehr entgegengesetzte geistige Strömungen zu einigen versuchten und eine neue gemeinsame türkische Identität anstrebten. In diesen Jahren wurde den Übersetzungbewegungen beinahe die Rolle eines magischen Talismans auferlegt, der das Schicksal der Nation verändern sollte. Aus diesem Grund wurde das Ziel der Übersetzungsbewegungen in dieser Ära nicht wie in der Mesrutiyet-Epoche als Wissenstransfer, sondern vielmehr als Kulturtransfer betrachtet (siehe, Mine Yazıcı 2004: 166, 174, 175). Die Dreißiger Jahre hingegen stellen eine Epoche dar, in der die junge Republik sich auf den Gebieten der Wissenschaft und der Kultur enorm entfaltete. Die Verwestlichungsbewegung, die bereits in der Tanzimat-Epoche eingesetzt hatte, setzte sich auch in der Republikanischen Ära fort, und die Übersetzungsleistungen gewannen eine immer größere Bedeutung. Die junge türkische Republik tendierte dazu, mithilfe der Übersetzungen fremdartiges Kulturgut zu transferieren, und diese modellmäßig angenommene Kultur in ihre eigene zu integrieren. Anhand der Übersetzungen aus der westlichen Literatur versuchte sie weiterhin, die türkische Literatur, die sich in ihrem Anfangs-und Etablierungsstadium befand, oder anders ausgedrückt, “young”, in the process of being established“, zu unterstützen und zu bereichern.
Auch die östlichen Philosophien, die sich aus historischer Perspektive betrachtet noch bis vor kurzem eben durch jene mehrheitliche Übersetzungen in dem türkischen “Polysystem” (abgesehen von ein paar Ausnahmephilosophen) manifestiert hatten, überließen erst allmählich ihren Rang den zumeist noch unbekannten westlichen Philosophien.
“Die Original- und Übersetzungsausgaben der wissenschaftlichen und philosophischen Werke, die bereits nach der II. Mesrutiyet-Epoche zugenommen hatten, verstärkten sich nach der Gründung der türkischen Republik noch weiter. Während dieser Epoche unterstützte der Staat selbst die Übersetzungsaktivitäten. Ein besonders geeignetes Beispiel für diese staatlichen Förderungsmaßnahmen stellt das im Jahre 1924 erlassene “Tevhid-i Tedrisat”(7) Gesetz dar, durch das die Gründung der “Darülfünun” (Universität) ermöglicht wurde. Und eben durch die Gründung dieser Universität, von deren insgesamt fünf eröffneten Fakultäten zwei die Geisteswissenschaftliche Fakultät sowie die Fakultät für Islamwissenschaften bildeten, in deren Lehrprogrammen insbesonders auch Philosophie- und Logikunterricht eingeplant waren, wurde die entsprechende Fachliteratur vom Staat bereitsgestellt” (Kazım Sarıkavak 1998: 99-100). Interessant ist diesbezüglich beispielsweise, dass es sich bei 38 der 95 übersetzten Werke aus dem Jahre 1925 um Philosophiebücher handelt. “Dass die Zahl der Übersetzungen auf dem philosophischen Gebiet zunahm, zeigt den bedeutenden Entschluss des Staates auf, mittels seiner Institutionen das Fundament einer kulturellen Gesinnung der Nation zu legen. Diese Übersetzungen, die zumeist von den Gelehrten dieser Epoche stammen, haben neben ihrem akademischen Lehrziel auch eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Nationalstaats eingenommen” (Mine Yazıcı 2004: 181). Mit dem Vollzug der Alphabetsreform von 1928, die sich im Rahmen der kemalistischen Neugestaltungen vollzog, wurde zum Lateinischen Alphabet übergegangen und entschieden, dass die Zielsprache der Übersetzungen ab sofort nicht mehr das Osmanische, sondern das Türkische sein sollte.
Einen großen Aufschwung erlebten die Sozialwissenschaften andererseits durch die Aufnahme von jüdischstämmigen deutschen Wissenschaftlern, die während des I. und des II. Weltkriegs in unser Land geflüchtet waren, und nun an unterschiedlichen Fakultäten Lehrstühle gründeten. Die Studenten, die zu dieser Zeit durch kulturelle Abkommen nach Deutschland geschickt wurden, publizierten nach ihrer Rückkehr in die Heimat gemeinsam mit diesen deutschen Wissenschaftlern, weshalb sich letztlich die deutsche Sprache auch als Wissenschaftssprache und meist-übersetzte Sprache durchsetzte.
Ein anderer wichtiger Aspekt in den frühen Jahren der türkischen Republik stellt die Veränderung im Bildungswesen dar. Mit dem Erlass der universitären Reform vom 31. März 1933 wurde schließlich die “Darulfünun” am 1. August 1933 als Istanbul Universität erneut eröffnet, und an ihrer Geisteswissenschaftlichen Fakultät die erste Abteilung für Philosophie in der Türkei gegründet. Die Gründer dieser ersten philosophischen Abteilung waren die in Deutschland promovierten jungen Wissenschaftler, die mittlerweile in die Heimat zurückgekehrt waren. Die deutschen Wissenschaftler H. Reichenbach, Ernst von Alster, und später Heinz Heimsoeth und Joachim Ritter waren es, die zwischen den Jahren 1933-1948 in der Türkei tätig waren und einen großen Einfluss auf die Ausbildung ihrer wissenschaftlichen Assistenten, oder anders ausgedrückt, auf die türkischen Philosophen der ersten Generation, wie etwa Nusret Hizir (1879-1980), Hilmi Ziya Ülken (1901-1974), Macit Gökberk (1908-1993) und Takiyettin Mengüsoglu (1905-1984) ausübten.
Auf diese Weise wurde die Philosophie, die sich bis dahin in einer “umgebungsgebundenen” (peripheral) und “unstabilen” (weak) Disposition befand, zu unterstützen versucht. Eine Philosophietradition im westlichen Sine entwickelte sich in unserem Land allerdings erst durch die Übersetzungen aus den westlichen Sprachen. Den philosophischen Übersetzungen wurde dabei jedoch ebenso wie den Übersetzungen aus der Literatur eine wichtige Mission auferlegt. Und dies bedeutete, dass durch die Übersetzungen nicht mehr nur differentes und neues philosophische Gedankengut aus den westlichen Kulturen gewonnen wird, sondern insbesonders auch die westliche Philosophietradition ins Türkische und damit in die türkische Philosophietradition transformiert werden sollte. Die Mission der türkischen Philosophietradition lag diesbezüglich darin, sich nach und nach der westlichen Ausgangsphilosophie anzuschließen und eine den westlichen Vorbildern entsprechend “einheimische” Philosophieproduktion einzuleiten (Siehe Elif Daldeniz: http://ceviribilim.com/?p=232
Hilmi Ziya Ülken, einer der Philosophen aus der ersten Generation, stellt fest, daß ab 1935 eine 12-jährige Übersetzungsbewegung einsetzte, die sich zunächst besonders auf die westlichen Klassiker konzentrierte, und ab 1946 auf die Philosophie- und Wissenschaftsklassiker übergriff (Hilmi Ziya Ülken 1997: 351).
Mit der Gründung des “Tercüme Bürosu”(8) von 1940 organisierte sich die Übersetzungsbewegung. Und mit der Eröffnung von verschiedenen Privatverlagen blühte der Büchermarkt regelrecht auf.
Aufgrund der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Deutschland stellt Deutsch, nach Französisch in den Jahren zwischen 1940 bis 1960, die in der Türkei verbreiteteste Sprache dar. Nach 1960 hingegen entwickelte sich Englisch zur bevorzugten Ausganssprache bei den Übersetzungen. Der Hauptgrund dieser Entwicklung liegt in den mit Amerika abgeschlossenen kulturellen Austauschabkommen, die vorsahen, daß die in Amerika studierten und in die Heimat zurückgekehrten einheimischen Wissenschaftler, sowie die aus Amerika stammenden Wissenschaftler, die in unserem Land die modernen Wissenschaftsabteilungen gegründet hatten, an den türkischen Universitäten unterrichten sollten.
Mit der weiteren Zunahme der Privatverlage in den 60er und 70er Jahren gewann der Literaturmarkt durch die Neuerscheinung vieler klassischer Werke an Aktualität. Mit der Gründung der Übersetzer-Dolmetscher-Abteilungen an den Universitäten in den 80er Jahren trat die Übersetzung erstmals als ein Wissenschaftszweig in unserer Kulturwelt in Erscheinung, was wiederum dazu führte, dass nicht nur die Werke neuer Autoren, sondern auch die klassischen Werke nochmals aufgenommen und übersetzt wurden.
Die Buchmessen, deren erste 1982 in Istanbul veranstaltet wurde, und die später auch in anderen Städte stattfanden, spielen in Hinblick auf das Verlagswesen, als auch auf die Übersetzungsaktivitäten, eine wichtige Rolle.
In den 90er Jahren hingegen können wir eine Zunahme der an allen zehn Universitäten der Türkei eröffneten Philosophieabteilungen beobachten. In den Jahren 1999-2001 wurden an der Philosophieabteilung der Universität zu Istanbul Nietzscheforschungen unternommen, womit Nietzsche den Hauptrang der Philosophie gewann.
Im Weiteren möchte ich mich dem Übersetzer- und Verlagsverhalten und deren Methoden im Rahmen der Zarathustra(9)-Übersetzungen zuwenden: Das Werk wurde in der Türkei, wie bereits erwähnt, erstmals 1934 von Mahmut Sadi Irmak ein Jahr nach der Gründung der ersten Philosophieabteilung übersetzt, was kein Zufall zu sein scheint. Diese Übersetzung, die in der zweiten Auflage erschienen ist, beinhaltet allerdings lediglich den ersten Teil von Nietzsches “Also sprach Zarathustra”. Irmak hat später alle vier Teile zusammen übersetzt herausgegeben, und diese Übersetzung hat es bis zum Jahre 1967 sogar auf vier Auflagen gebracht, was einen Beweis dafür darstellt, dass dieses Werk zu dieser Zeit vielerorts gelesen wurde. In diesem Sinne ist Irmaks Übersetzung einerseits als erste Zarathustra-Übersetzung, andererseits aber auch als Nietzsches erstes ins Türkische übersetzte Werk überhaupt von ausschlaggebender Bedeutung. Schließlich fanden einige Begriffe von Nietzsche, die auch in seinen anderen Werken wieder auftauchen (wie z.B. Übermensch, der Wille zur Macht, die ewige Wiederkunft des Gleichen), erstmals mit dieser Übersetzung Einzug in die türkische Sprache.
Sadi Irmaks (1904-1990) Biographie zufolge ging er 1924 nach Deutschland, um dort Medizin zu studieren. Nachdem er an der Universität Berlin sein Medizinstudium abgeschlossen hatte, kehrte er in seine Heimat zurück, wo er als Wissenschaftler und Politiker tätig war. Irmak, der auch als Ministerpräsident amtierte, hat außer Nietzsche auch Goethe und Schopenhauer übersetzt. In seinem elf Seiten umfassenden Vorwort zu Zarathustra bietet der Übersetzer Irmak eine Einsicht in Nietzsches Biographie und das Werk im Allgemeinen, erläutert einige Begriffe und spricht auf der letzten halben Seite den schwierigen Stil des Werkes und die von ihm bei der Übersetzung angewandte Verfahrensmethode an, was für diese Jahre eine äußerst neue Einsichtsaufassung darstellt. Schließlich hebt Irmak, indem er auf den Stil bei der Übersetzung verweist, hervor, welchen großen Stellenwert er der (zielsprachenorientierten) Sinn- und Ideenübertragung beimisst. Ein anderer bedeutender Gesichtspunkt in Irmaks Übersetzung ist seine vereinfachte Sprachwahl, die mit der republikanischen Ära einsetzte und sich in der Übersetzung deutlich niederschlägt. Da sich allerdings der türkische Wortschatz als auch die Rechtschreibung seit 1934 weiterentwickelt hat, erscheint die einfache und schlichte Sprache jener Epoche dem heutigen Sprachstand gegenüber veraltet. Und dass diese Übersetzung nach 1967 keine Neuauflage erfuhr, scheint einen Beweis dafür darzustellen. Abgesehen davon, daß einige Unvollständigkeiten (Fehlen von Untertitel, Inhaltsverzeichnis, Ort und Jahr der Ausgabe) und Auslassungen in dieser Übersetzung vorherrschen, ist dieses Werk aufgrund seiner Stellung als Erstübersetzung und seiner orginalen Ausgangssprache von ausschlaggebender Bedeutung.
Die zweite Übersetzung des Werks stammt aus dem Jahre 1964, von Turan Oflazoglu (1932-). Oflazoglu, ein Absolvent der Anglistik und Philosophie, hatte in den USA Dramturgieunterricht belegt. Er ist ein erfahrener Übersetzer und Dramenautor, der zahlreiche Übersetzungen, wie unter anderem auch das angesprochene Werk aus dem Englischen ins Türkische, angefertigt hat. Der Grund für die englische Ausgangssprache lag situationsbedingt in dem Umstand, daß sich das Englische seit den 60er Jahren zur Übersetzungssprache manifestiert hatte.(10) Das Werk wurde in drei verschiedenen Verlagen publiziert, wobei diese Übersetzung, die den Stil und den Inhalt des Werkes mit Sorgfalt und Präzision beibehalten hat, als eine “akzeptable” und “ädequate” Übersetzung gilt. Im Gegensatz zu Irmaks Übersetzung ist diese zweite Übersetzung Also sprach Zarathustras von osmanischen Wörtern bereinigt, was diese Übersetzung verständlicher gestaltet, und weshalb sie heute noch immer gelesen wird. Dass in dem 15 Seiten umfassenden Vorwort des Verfassers dem Leser eine Einsicht über Nietzsche und das Werk gewährt wird, und indem besonders auf den Stil bei der Übersetzung verwiesen wird, zeigt demonstrativ sein Bestreben nach einer zielsprachenorientierten Übersetzungsmethode auf.
In den 70er Jahren hingegen können wir eine weitere Intensivierung der Übersetzungsaktivitäten in der Türkei beobachten. In diese Zeit fällt auch die Publikation der dritten Zarathustra-Übersetzung im angesehenen Varlık Verlag, der ebenso sorgfältig und wählerisch wie der Verlag des Kultusministeriums arbeitete. Diese Übersetzung, die neben der Übersetzung Oflazoglus noch bis 1999 auf dem Literaturmarkt erhältlich war und unter allen Zarathustra-Übersetzungen die meisten Auflagen hatte, stammt von dem als Botschafter tätigen Osman Derinsu, einem Absolventen der Politikwissenschaft. Das fünfzehn Seiten umfassende Vorwort im Buch wurde von Derinsus’ Lehrer, Suut Kemal Yetkin, verfasst. In diesem Vorwort wird dem Leser ein allgemeiner Einblick in die Biographie und Philosophie Nietzsches gewährt. Derinsu hat dieses Werk mit der englischen und französischen Übersetzung kontrastiv verglichen und anschließend aus der deutschen Originalausgabe übersetzt. Auch diese mit Sorgfalt ausgeführte Übersetzung stellt eine “akzeptable” und “ädequate” Übersetzung dar.
Mit der Gründung der ersten universitären Abteilungen für Übersetzung in den 80er Jahren etablierte sich die Übersetzung in der Türkei zu einem Wissenschaftszweig und begann immer mehr an Bedeutung zu gewinnen. Bis 1994 behaupteten Oflazoglu und Derinsus Zarathustra-Übersetzungen ihren Platz im türkischen Publikationssystem, bis 1994 eine neue Übersetzung des Werks auf den Markt kam, die von Ayse Duman stammt. Allerdings weist diese Übersetzung ebenso wie die anderen fünf angesprochenen Ausgaben des jeweils gleichen Werks aus dem Jahre 2003 weder einen bestimmten Übersetzer auf, noch gibt es Angaben darüber, aus welcher Sprache sie übersetzt wurden. Ganz im Gegenteil erscheinen sie als eine Collage aus den Kopien der auf dem Markt vorliegenden Zarathustra-Übersetzungen.
Zwischen 1933-2000 existierten unter den insgesamt 74 Universitäten der Türkei, von denen es sich bei 53 um Staats-, und bei 21 um Privat- bzw. Stiftungsuniversitäten handelt, 25 Philosophieabteilungen. Die Progression der Philosophieabteilungen hängt sicherlich mit dem starken Interesse an den übersetzten philosophischen Werken zusammen.
Der Umstand, dass im Jahre 2000 an zehn Universitäten neue Philosophieabteilungen gegründet wurden, zum gleichen Zeitpunkt an den Philosophieabteilungen wissenschaftliche Nietzscheuntersuchungen durchge-führt und seitens der Verlage all seine Werke publiziert wurden, führten dazu, dass Also sprach Zarathustra in den Interessenmittelpunkt des türkischen Publikationssystem rückte. Noch im selben Jahr erfuhren die Zarathustra-Übersetzungen einen regelrechten Boom, so dass in den folgenden fünf Jahren, zwischen 2003-2008, einschließlich der sechs Raubkopie-Übersetzungen insgesamt elf Übersetzungen desselben Werks auf den Büchermarkt kamen. Die ersten Übersetzungen aus dieser Zeit stellt die Übersetzung von Regaip Minareci dar, die im April 2003 im Morpa Verlag erschienen ist. Die Übersetzung Minarecis, der als Journalist und Übersetzer tätig ist, stammt aus der deutschen Originalsprache und ist zielsprachenorientiert, wobei die Form und der Inhalt streng beibehalten wurden. Minareci hat weiterhin seiner Übersetzung eine einseitige Biographie Nietzsches hinzugefügt.
Die zweite Übersetzung aus dem Jahre 2003 stammt von Gülperi Sert, die sie auch direkt aus der Originsalsprache übertrug. Sert, eine Philologin und Übersetzerin, führt in dem Bewußtsein, dass dieses Werk dem türkischen Leser nur schwer zugänglich sei, Untersuchungen durch und fügt ihrem Vorwort die Rezeptionsgeschichte des Werks in Europa und der Türkei bei. Sie verweist auf Nietzsches Stil und darauf, wie das Werk zu rezipieren sei. Darüberhinaus weist sie in ihrem Vorwort darauf hin, welche Übersetzer dieses Werk bereits übersetzt haben und erklärt im Weiteren, warum sie selbst sich der Übersetzung dieses Werks angenommen hat, mit welcher Methode (zielsprachenorientiert) sie verfahren ist, und erklärt ihre Zielsetzung. Der Unterschied dieser Übersetzung liegt im Vergleich zu den vorigen darin, dass die Übersetzerin Sert die Symbole und Allegorien im Werk mittels Fußnoten erklärt und Nietzsches Anspielungen auf die Bibel mit Anmerkungen darlegt, als auch die ihrerseits gebrauchten Quellen angibt. Unter der Berücksichtigung der Rezeptionsschwierigkeiten des türkischen Lesers bei der Aufnahme der dem Werk innewohnenden fremden Kultur wird ersichtlich, dass diese Übersetzung den Stil und den Inhalt zu bewahren versucht und in einem verständlichem Türkisch verfasst wurde; weshalb diese Übersetzung als eine “akzeptable” und “ädequate” Übersetzung gelten kann.
Die dritte Übersetzung aus dem Jahre 2003 stammt von Mustafa Tüzel, der sie ebenfalls aus der Originalsprache übernahm, und dessen erste Übersetzung im Is Bankasi Verlag erschien. Die vom Verlag am Buchende hinzugefügten Endnoten erleichtern das Verständnis vieler Begriffe im Werk. Tüzels gleiche Übersetzung wurde anschließend im Jahre 2005 vom Itaki Verlag ohne inhaltliche Veränderungen erneut publiziert. Im Gegensatz zu seiner ersten Ausgabe hat Tüzel jedoch hier die Übersetzung des Vorwortes der italienischen Zarathustra-Übersetzung Giorgi Colli-Montinaris aus dem Jahre 1968 hinzugefügt. In dieser Schrift, die auch Übersetzungsnotizen Colli-Montinaris während seiner Übersetzungstätigkeit von Nietzsches Werk beinhalten, wird weiterhin Nietzsches Stil erläutert, auf seine Bibelandeutungen und Wortspiele verwiesen. Ferner werden bestimmte Begriffe anhand von Fußnoten erläutert. Dieser Versuch Tüzels, dem türkischen Rezipienten die Interpretationen und Notizen eines fremden Forschers in seiner Muttersprache nahezubringen, stellt einen Beweis für seine Bemühungen dar, das Werk dem Leser verständlich zu machen. Auch diese Übersetzung, die den Stil und den Inhalt des Werks sorfältig zu bewahren versucht, gilt als eine “akzeptable” und “ädequate” Übersetzung.
Die vierte aus dem Jahre 2003 stammende und aus der Originalsprache unternommene Übersetzung ist von Murat Batmankaya. Der Übersetzer Batmankaya muss dieselbe Meinung wie seine Vorgänger vertreten haben, dass eine reine Übersetzung für das Verständnis des Werkes nicht ausreichend wäre, da er seiner Übersetzung Anthony M. Ludovichis 1909 erschienene und vierzig Seiten umfassende Schrift über Also sprach Zarathustra aus dem Englischen ins Türkische übersetzen, und als Nachtrag seiner Ausgabe ergänzen ließ. Desweiteren hat Batmankaya diverse Begriffe per Fußnoten verständlich gemacht. Auch diese zielsprachenorientierte Übersetzung kann als eine “akzeptable” und “ädequate” Übersetzung angesehen werden.
Eine andere Übersetzung des Werks, die vermutlich in den Jahren um 2000 erfolgte (es besteht keine Angabe darüber, wann und aus welcher Sprache die Übersetzung stammt), ist von Lale Sunay. Diese Übersetzung, über deren Übersetzer und Verlag wir keine weiteren Informationen erhielten, kann trotz einiger Unvollständigkeiten als eine “akzeptable” Übersetzung angenommen werden.
Die letzte Zarathustra-Übersetzung gehört dem erfahrenen Übersetzer Ahmet Cemal und erschien 2008 im Kabalci Verlag. Da in dieser Ausgabe weder ein Vorwort, noch eine Einleitung, Erklärung oder End- bzw. Fußnoten vorherrschen, versteht sich, dass Ahmet Cemal den türkischen Rezipienten nicht zu beeinflussen versucht und „ungestört“ dem Werk überläßt. Bei einer näheren Untersuchung der Übersetzung Cemals, in der Stil und Inhalt der Originalausgabe beibehalten wurden, zeigt sich offensichtlich, dass in einem einfachen und verständlichen Türkisch übersetzt wurde. Aus diesem Grund kann auch diese Übersetzung als eine “akzeptable” und “ädequate” Übersetzung angesehen werden kann.
Ohne Zweifel stellt Nietzsches Also sprach Zarathustra das am häufigsten ins Türkische übersetzte Werk dar. Wenn wir davon ausgehen, dass jede Übersetzung eine eigene Erzählung und Interpretation bietet, können wir über die in der Türkei existenten acht Zarathustra-Übersetzungen (die anderen sechs Übersetzungen beruhen auf Raubkopien, weshalb sie auch keiner weiteren Untersuchung bedürfen) aussagen, dass acht unterschiedliche Zarathustra-Auslegungen vorliegen. Dies wird bereits aus den differierenden Titeln und Untertiteln des Werks ersichtlich, wobei sich jedoch vier der acht Übersetzer des Werks dem Untertitel nicht angenommen haben. Betrachtet man die Biographien der Übersetzer, so wird deutlich, dass es sich bei sechs der acht Übersetzer um professionelle Berufsübersetzer handelt, die auch andere Werke außer “Zarathustra” übersetzt haben. Die anderen zwei Übersetzer, Derinsu und Sunay, hingegen haben lediglich „Zarathustra“ übersetzt. Indessen haben andere Übersetzer wie Oflazoglu und Tüzel ihre Übersetzungen unter verschiedenen Verlagen publiziert. Da in der Türkei keine eingehende Untersuchung über Also sprach Zarathustra vorliegt, ist das Verständnis des Werks von seinen Übersetzungen abhängig. Hierin liegt möglicherweise auch der Grund dafür, weshalb die sechs der acht Übersetzer Irmak, Oflazoglu, Derinsu, Sert, Tüzel und Batmankaya, sich aufgrund der Verständnisschwierigkeit beim türkischen Leser dazu gezwungen fühlten, ihren Übersetzungen Erklärungen über die Philosophie und den Stil hinzuzufügen. Allerdings stammt dabei keine dieser Interpretationen direkt vom Übersetzer selbst ab. Es handelt sich bei ihnen eindeutig um die Übersetzungen unterschiedlicher europäischer Forschungsergebnisse. Während die drei Übersetzer Sert, Tüzel und Batmankaya den sechs Übersetzungen Interprationen und Quellenangaben hinzufügen, geben drei keine an. Von den Übersetzern hat Sert diese Interpretationen aus deutschen, Tüzel aus italienischen und Batmankaya aus englischen Quellen bezogen und übersetzt. Diesbezüglich haben nur zwei der insgesamt acht Übersetzer, Irmak und Sert Angaben über ihre Übersetzungsmethode abgegeben. Ausschließlich die sieben Übersetzer Irmak, Derinsu, Sert, Minareci, Tüzel, Batmankaya und Cemal haben das Werk aus der deutschen Originalausgabe übersetzt. Abgesehen von Cemal haben alle Übersetzer Auskünfte über Nietzsches Biographie aufgeführt. Die drei Übersetzer Sert, Tüzel und Batmankaya haben auf die sich im Werk befindenden Wortspiele und Symbole, und des weiteren Sert und Tüzel auf Bibelanspielungen mittels Beispielen hingewiesen. Die Gemeinsamkeit in allen Übersetzungen liegt jedoch darin, dass sie alle zielsprachenorientiert ausgerichtet sind.
Das Fehlen der Angaben über die Ausgangssprache, Ausgabe, Auflage und Auflagenzahl auf der Innenseite des Werks ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass das türkische Verlagswesen bis in die 80er und bisweilen sogar bis in die 90er Jahre hinein keine Verlagsausschüsse besaß. Derartige Angaben befinden sich erst in den Werksausgaben nach dem Jahre 2000. Nur die vier Verlage Ilya, Itaki, Say und Kabalci, der insgesamt acht Verlage, geben an, aus welcher deutschen Ausgabe übersetzt wurde. Da es in der Türkei noch nicht zur Gepflogenheit gehört, dem Werk biographische Daten des Übersetzers beizufügen, sind derartige Angaben - abgesehen von den Ausgaben des Ilya und Morpa Verlags -, auch nicht weiter anzutreffen. Die vier Verlage Ilya, Itaki, Say und Kabalci haben auch weitere Übersetzungen von Nietzsches Werken publiziert.
Bereits aus der Präsentation des Werks wird ersichtlich, welch hoher Stellenwert dem Werk innerhalb des türkischen Publikationssystems beigemessen wird. Wie bereits in Deutschland wird es auch in der Türkei als ein philosophisches und klassisches Werk wahrgenommen. Selbst die Raubkopierer wie auch die Verlage reihen dieses Werk in Philosopieserien oder deutsche Klassikerrubriken ein und geben sie dementsprechend heraus.
Gegenwärtig, da sich die Verlage insbesonders auf Übersetzungen stützen, können wir mitverfolgen, daß die Übersetzungen immer mehr an Bedeutung gewinnen. Da es den Übersetzungen in der Türkei allerdings noch immer an einer Systematisierung fehlt, tritt auch keine qualifizierte Fachkundigkeit ein. Besonders wenn es um die Übersetzung klassischer Werke in anderen Ländern geht, werden bestimmte Autoren zumeist von den gleichen Übersetzern übernommen. Hierzulande kann allerdings von keinem fachmännischen Kafka-, Goethe- oder Nietzsche-Übersetzer gesprochen werden. Während Übersetzungen einerseits zwar von professionellen Berufsübersetzern übernommen werden, können sie andererseits auch von fremdsprachenkundigen, aber mit Übersetzungen noch nicht vertrauten Personen durchgeführt werden. In Anbetracht der oben angeführten Beispiele zeigt sich, daß einige Übersetzer nichts anderes als deutsche Literatur-, oder abgesehen von Also sprach Zarathustra, sich mit Nietzsche-Übersetzungen befasst haben. Bei anderen Übersetzern hingegen können wir verfolgen, dass sie lediglich ein einziges Werk, nämlich Nietzsches “Zarathustra”, übersetzt haben.
Der Grund dafür, dass Nietzsches “Also sprach Zarathustra”, das sowohl der Literatur, als auch der Philosophie zugeordnet werden kann, seit 1934 bis heute immer wieder übersetzt wurde, hängt gewiss vom Umstand ab, daß dieses Werk stets das Interesse des Lesers weckt. Schließlich ist es schwer zugänglich, steht jeglichen Auseinandersetzungen offen gegenüber und überträgt sicherlich die Debatten um Nietzsche und sein besprochenes Werk in die Zielkultur mit hinüber. Ein Grund für die unterschiedlichen Übersetzungen des Werks liegt mitunter im türkischen Urheber- und Verlagsrecht begründet, das vorsieht, daß die Verlage, die für die Publikation von Autoren, die länger als siebzig Jahre verstorben sind, keine Urheberrechte bezahlen müssen. Damit stellt Also sprach Zarathustra ein Werk dar, das auf dem Literaturmarkt stets von Neuem aufgenommen wird und deshalb rentabel ist.
Jede Übersetzung stellt eine nach dem individuellen Wissen und der Weltanschauung seines Übersetzers gestaltete Interpretation des Ausgangstexts dar. Also sprach Zarathustra, das mit seinem reichen Inhalt und seiner zauberhaften Erzählung den Geist wie auch die Seele der Leser anspricht, stellt keinesfalls ein Werk dar, das in einem Zug gelesen werden kann. Ganz in diesem Sinne kann auch nicht erwartet werden, daß es in einem Zug übersetzt werden kann. Ein solches Werk ins Türkische zu übersetzen, ist zwar tatsächlich ein schweres Unterfangen, aber gleichzeitig auch sehr spannend. Die Parabeln, Symbole und Gleichnisse, die in fast jeder Zeile anzutreffen sind, fordern die Imaginationskraft des Übersetzers heraus und überraschen ihn zumeist. Nietzsches Anspielungen auf Ereignisse, Künstler oder deren Werke sowohl in seiner eigenen Epoche als auch in der früherer, sowie auf die Bibel, erschweren dem türkischen Rezipienten, dem die Kenntnisse über die deutsche Kulturgeschichte und das Christentum fehlen, den Zugang zum Werk. Da andererseits in der Türkei eine umfangreiche Untersuchung zu Zarathustra fehlt, muss der türkische Rezipient sich das Werk alleine aus den Übersetzungen verständlich machen. Deshalb ist der Übersetzer dieses Werkes m.E. dazu gezwungen, die Begriffe, Symbole, Gleichnisse und Anspielungen auf die Bibel zu erläutern. Weiterhin denke ich, dass die Philologie oder Philosophieforscher dieses Werk detailliert untersuchen und analysieren sollten. Sollte dies nicht erfolgen, wird Nietzsche durch den Begriff “Übermensch” als Nationalsozialist, durch seine Aussage “Gott ist tot” als gottes- und glaubenslos, und durch seine Bemerkung “Gehst du zu Frauen, vergiss die Peitsche nicht” als Frauenfeind identifiziert. Anders ausgedrückt wird Nietzsches Prophezeiung, dass er vermutlich erst im Jahre 2000 erfasst werden kann, eintreffen, und das Werk wird noch lange Jahre nicht richtig verstanden oder bestenfalls weiterhin als “Ein Buch für alle und keinen” bestehen bleiben.
Anmerkungen:
3.1. Culture sans frontières / Kultur ohne Grenzen / Culture without Borders
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